| Titel: | Die Fabrication gezogener Stahlröhren, nach dem Verfahren von Hawksworth und Harding. | 
| Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. VIII., S. 17 | 
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                        VIII.
                        Die Fabrication gezogener Stahlröhren, nach dem
                           Verfahren von Hawksworth und
                           Harding.
                        Hawksworth's Verfahren zur Fabrication gezogener
                           Stahlröhren.
                        
                     
                        
                           Nach dem Mechanics'
                                    Magazine vom 4. März 1864; aus dem Breslauer Gewerbeblatt Nr.
                                 18.
                           Zur Anfertigung von Röhren behufs der Leitung von Gas, Wasser, Dampf etc. hat man
                              sich schon der verschiedenartigsten Materialien, Gußeisen, Schmiedeeisen, Kupfer,
                              Messing, Blei, Thon, Glas, ja sogar des Papiers bedient. Eine der wichtigsten
                              Anwendungen der Röhren ist die zur Construction von Röhrendampfkesseln. Man wendet
                              hierzu jetzt mit Vorliebe die geschmiedeten eisernen Röhren an, da diese bei
                              größerer Billigkeit noch den Vorzug vor den Messing- und besonders vor den
                              Kupferröhren haben, daß sie der mechanischen abschleifenden Wirkung durch die vom
                              Zuge mitgerissenen Kohkstheilchen am besten widerstehen. Dagegen haben sie den
                              Nachtheil, daß ihre Befestigung in den Endplatten der Feuerbüchse und des
                              Rauchkastens, besonders wenn neue Röhren in einen schon gebrauchten Kessel
                              eingezogen werden, nur mit Schwierigkeit und durch langes Hämmern und Klopfen
                              geschehen kann, und daß hierbei die Röhren an der Schweißstelle leicht aufplatzen.
                              Ein ganz vorzügliches Material hierzu müßten die gezogenen Stahlröhren aus weichem
                              homogenen Stahl bieten, wenn dieselben in hinreichender Länge und zu nicht
                              allzuhohem Preise beschafft werden könnten. Auch andere Industriezweige, z.B. die
                              Anfertigung von Gewehren und Geschützen (nach dem Armstrong-Principe) könnten von diesen Röhren mit Vortheil Gebrauch
                              machen.
                           Durch Hawksworth und Harding in
                              Paris und London werden nunmehr solche gezogene Stahlröhren nach demselben Principe
                              angefertigt, wie man früher die Bleiröhren und jetzt noch die Kupferröhren ohne
                              Löthung darstellt. Man gießt eine kurze, sehr dickwandige Röhre und verlängert
                              dieselbe durch Ziehen über einen Dorn durch passende, allmählich enger werdende
                              Zieheisen. Natürlich verlangt der Stahl wegen seiner großen Festigkeit hierzu die
                              Aufwendung entsprechend großer Kräfte und Apparate. Ebenso ist nur kohlenstoffarmer,
                              möglichst weicher Stahl zu dieser Fabrication geeignet.
                           Sowohl in Paris, als jetzt in London (Bermondsey) werden solche Stahlröhren in
                              continuirlichem Fabrikbetriebe dargestellt. Die Methode der Darstellung ist
                              ausnehmend einfach. Zwei hydraulische Pressen mit Kolben von 16 3/4 Zoll
                              Durchmesser und von circa 12 Fuß Hub sind einander
                              gegenüber horizontal gelagert und auf einer sehr schweren gegossenen Fußplatte
                              befestigt. Jede Presse hat einen sehr massiven Flantsch von 4 Quadratfuß Fläche an
                              jedem Ende. Die Preßkolben, die, um an Eisen zu sparen, hohl gegossen sind, tragen
                              ähnliche Flanschen, die in einem Stück mit denselben gegossen sind. Diese beiden
                              Kolbenendstücke sind durch Bolzen mit einander zu einem Stück vereinigt. Wenn der
                              rechtsliegende Kolben aus dem Cylinder heraustritt, geht der andere in den
                              entgegengesetzten Cylinder hinein. Starke gegossene Gitterträger halten die Pressen
                              auseinander. Durch die Manischen an den einander zugekehrten Enden der Preßcylinder
                              sind 6–8 weitere Löcher durchgebohrt, und zwar so, daß dieselben sich nach
                              den abgewendeten Seiten der Flanschen etwas erweitern. In diesen Löchern werden nun
                              die aus gehärtetem Stahl bestehenden Zieheisenplatten befestigt. Durch die erwähnte
                              Erweiterung werden diese Zieheisen beim Ziehen von selbst festgehalten. Diesen
                              Löchern genau gegenüber, in den äußeren Flanschen der Preßcylinder, sind gleich viel
                              bedeutend engere Löcher durchgebohrt, die später zur Befestigung des Dorns dienen.
                              An dem Mittelstück der vereinigten Kolben, ebenfalls den schon erwähnten Löchern
                              gegenüber, sitzen eigenthümliche Greifer, d.h. Schrauben, welche in die Mündung des
                              zu ziehenden Stahlrohrs eingeschraubt werden.
                           Man stellt nun zuerst durch den Guß eine massive Stahlbarre dar, die man dann unter
                              dem Hammer bearbeitet, um das krystallinische Gefüge zu zerstören, und durch Tempern
                              möglichst weich macht. Diese Stahlstange wird von beiden Enden aus gleichzeitig
                              durchbohrt. Das eine Ende wird äußerlich schwach conisch abgedreht, damit es einige
                              Zoll durch das erste Zieheisenloch durchgeht, und mit einem kurzen inneren
                              Schraubengang für den Schraubengreifer versehen.
                           Der angewendete Dorn trägt am vorderen Ende einen eiförmig gestalteten, runden, gut
                              polirten Knopf, welcher der beabsichtigten Weite der Röhre entspricht, am anderen
                              Ende einen Schraubengang und eine Schraubenmutter, welche zur Befestigung desselben
                              in passender Stellung dienen. Man streift den vorbereiteten Stahlstab darüber und
                              befestigt mittelst der Mutter den Dorn in einem der engen Löcher der äußeren
                              Cylinderflantsche, und zwar so, daß der Knopf desselben genau in der Mitte des
                              Zieheisenlochs in der inneren Cylinderflantsche zu stehen kommt. Man schiebt dann
                              das zugespitzte Ende des Stahlstabs durch das Zieheisenloch durch und schraubt den
                              correspondirenden Greifer der gemeinsamen Kolbenflantsche in das Rohr ein. Natürlich
                              muß zu diesem Ende der gemeinsame Kolbenkopf möglichst nahe an die entsprechende Cylinderflantsche
                              herangerückt werden. Um keinen ungleichmäßigen Zug auszuüben, müssen je zwei
                              gegenüberstehende Zieheisenlöcher mit Röhren versehen seyn. Das bedeutende Gewicht
                              des Kolbens wird außerdem durch eine auf der Bodenplatte befestigte Gleitbahn
                              getragen. Ist Alles so vorgerichtet, so setzt man die durch eine Dampfmaschine
                              getriebenen Pumpen in Bewegung, die das Wasser in den gerade arbeitenden
                              Preßcylinder treiben. Der Kolben schreitet langsam vor und zieht die Stahlröhren
                              über die Dorne und durch die Zieheisen durch. Hierdurch werden die Röhren bedeutend
                              gestreckt; ihre Metalldicke wird bei jedem Zuge etwa um 1/32 Zoll, ihr äußerer
                              Durchmesser also um 1/16 Zoll verringert; gleichzeitig erhalten die Röhren innen und
                              außen durch Dorn und Zieheisen eine glänzende Politur. Sobald der Kolbenkopf seinen
                              Weg durchlaufen hat und an der anderen Flantsche angekommen ist, findet er dort neue
                              Röhren in die Zieheisen eingesetzt, so daß es nur des Einschraubens der Greifer
                              bedarf, um beim Rückgange des Kolbens die Operation des Ziehens sogleich wieder zu
                              beginnen. Die einmal gezogenen Röhren werden zum zweiten und dritten Male durch
                              entsprechend engere Zieheisen gezogen, dann aber sind sie durch die Compression zu
                              hart geworden und müssen wieder durch Ausglühen weich gemacht werden. Dieß geschieht
                              in einer Thonmuffel, die von außen durch Flammenfeuer Hellroth glühend erhalten
                              wird. So lange Zieheisen und Dorn vollkommen gut polirt sind, wird durch das Ziehen
                              nur wenig Wärme entwickelt. So bald indessen durch irgend eine Rauhigkeit eine
                              spurweise Abreibung der Oberfläche bewirkt wird, so gering, daß man die dadurch
                              bewirkten Längsfurchen kaum sieht, steigt die Temperatur der Röhre um
                              80–90° Fahr. (45–50° C.). Die Arbeit der Presse wird
                              hierdurch kaum gesteigert, wie ein Blick auf den angebrachten Druckmesser lehrt; wir
                              sehen daher, daß die aufgewendete Kraft in dem einen Falle durch die
                              Dimensionsveränderung latent wird, im anderen Falle aber theilweise in Wärme
                              umgesetzt wird.
                           Nach dem Ausglühen wird das Ziehen fortgesetzt, bis die Röhren die nöthigen
                              Dimensionen erlangt haben.
                           Wenn zwei hochpolirte Oberflächen in möglichst dichte Berührung mit einander gebracht
                              werden, so adhäriren sie sehr fest aneinander. So stellte man früher das
                              silberplattirte Kupferblech dadurch her, daß man eine hochpolirte dünne Silberplatte
                              auf eine eben solche dickere Kupferplatte legte und beide zwischen kräftigen Walzen
                              durchgehen ließ.
                           In der erwähnten Fabrik wurde auf diese Art, indem man ein eisernes Rohr über ein
                              stählernes hinwegzog, eine vollständige Vereinigung bewirkt, ein Beispiel einer
                              kalten Schweißung. Hierdurch ist die Möglichkeit gegeben, in sehr viel besserer
                              Art, als nach dem Armstrong'schen Verfahren,
                              Geschützröhren herzustellen. Es ist durchaus nicht schwierig, solche gezogene
                              Stahlröhren von einem Durchmesser von 10 Zoll herzustellen. Durch
                              Uebereinanderziehen mehrerer solcher, immer weiter werdenden Röhren läßt sich daher
                              mit Leichtigkeit ein beliebig dickwandiges Geschützrohr darstellen, welches eine
                              durchaus gleichmäßig starke, widerstandsfähige Wandung besitzt. Die hohe Politur,
                              welche die Röhren innen und außen durch das Ziehen erlangen, bewirkt eine
                              vollständige innige Verbindung. Der innerste Cylinder kann dabei durch die Operation
                              des Ziehens selbst sehr hart gemacht und gleichzeitig mit Zügen versehen werden, die
                              nicht eingeschnitten, sondern in die Masse hineingepreßt sind.
                           Die französische Regierung hat bei Harbing in Paris 50,000
                              Büchsenläufe bestellt, die auf diese Art angefertigt werden.Die Herren Christoph, Hawksworth und Harding nahmen im December 1862 ein Patent auf
                                    „verbesserte Bohrmaschinen, Ziehbänke und Walzwerke zur
                                       Herstellung der Gewehrläufe“, deren Beschreibung im
                                    polytechn. Journal Bd. CLXXI S. 28
                                    mitgetheilt wurde.A. d. Red.
                              
                           Die Röhren können natürlich je nach Wahl des Dorns und des Zieheisens von
                              verschiedenem äußeren und inneren Querschnitt hergestellt werden.
                           Die Anwendungen derselben, so z.B. auch zu leichten Achsen etc., werden sich täglich
                              vermehren, da auch der Preis der Röhren ein sehr mäßiger ist. Hawksworth hat schon früher für Kattundruckereien gegossene Stahlwalzen
                              angefertigt, die sich einer großen Anerkennung zu erfreuen hatten, vorzüglich wegen
                              ihrer Homogenität und Weichheit. Er soll seinen Stahl auf folgende Art herstellen.
                              In einem aus dem besten feuerfesten Thon hergestellten Tiegel werden 40 Pfund des
                              besten schwedischen Stabeisens eingeschmolzen (?) und dann 6 Stunden ohne
                              Sauerstoffzutritt im Schmelzen erhalten, worauf man die genau nöthige Menge eines
                              kohlenstoffhaltigen Körpers (wahrscheinlich Spiegeleisen) zusetzt, umrührt und
                              ausgießt. Natürlich gehört eine ungemein hohe Temperatur hierzu, und müssen die
                              Schmelztiegel ganz ausgezeichnet feuerbeständig seyn. H. erreicht dieß durch Auswahl
                              des besten Thons, vor Allem aber durch tagelanges Durchkneten desselben, endlich
                              durch gewisse Zusätze (vielleicht Gasretortsn-Graphit). Besonders das lange
                              Durchkneten soll den Thon so ungemein feuerbeständig machen. Dieser Stahl wird schon
                              seit Langem auf den Markt gebracht und ist sehr begehrt. Er eignet sich gerade ganz
                              vortrefflich zum Ziehen der Röhren.