| Titel: | Die Fabrication künstlichen Holzes von Latry und Comp. in Paris; Bericht von A. Chevallier. | 
| Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. XVIII., S. 55 | 
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                        XVIII.
                        Die Fabrication künstlichen Holzes von Latry und Comp. in Paris; Bericht von A. Chevallier.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, Mai 1864, S. 272.
                        Ueber Latry's Fabrication künstlichen Holzes.
                        
                     
                        
                           Das neue Product, künstliches Holz (bois durci), wird von
                              den HHrn. Latry und Comp. in
                              Paris (rue du Grand-Chantier, 7) aus Sägespänen
                              und Blutalbumin unter Anwendung von Druck und Hitze fabricirt und dient zur
                              Anfertigung aller Art feiner Schreinerarbeit, ferner zur Herstellung von
                              Trauerschmuck, Medaillen, Messergriffen, Zierrachen für Uhren, Rahmen, Bürsten
                              etc.
                           Es ist schon oft, aber bisher vergebens, versucht wordenSo wird im Dictionnaire de l'industrie vom J.
                                    1800 erwähnt, daß verschiedene Gegenstände aus Holzspänen, die in klarem
                                    Leim eingerührt waren, in Formen gepreßt worden seyen, ferner daß durch
                                    Formen eines teigigen Gemisches von Terpenthin und Sägespänen Vasen
                                    dargestellt werden können, die den japanischen ähnlich seyen. – Im J.
                                    1823 überreichte der Kunsttischler Bray in Paris
                                    der Société d'Encouragement ein
                                    Meubel, das aus verschiedenfarbigen, mit einem zähen Bindemittel angerührten
                                    Sägespänen dargestellt worden war; der zähe Teig sollte auch zum Ueberziehen
                                    von Tischlerarbeiten dienen, da er rasch hart wurde und gefirnißt werden
                                    konnte; der Erfinder erhielt von der (französischen) Regierung eine
                                    Geldbelohnung. – Im J. 1826 gab Sebastian Lenormand in den Annales de
                                       l'industrie ein Verfahren an, um mittelst Sägespänen
                                    Reliefverzierungen, sogen. Holzstuck, darzustellen. Er brachte dazu die
                                    Holztheile in ein flüssiges Gemisch von flandrischem Leime und Hausenblase,
                                    goß den Teig in Formen gab ihm nach dem Trocknen einen Ueberzug von gröberen
                                    Sägespänen und Leim, und preßte ihn dann in Formen. – Im J. 1855
                                    nahmen Lepage und Talrick ein Patent auf das Gießen von Gegenständen aus Sägespänen
                                    und Blutalbumin, welches Latry kaufte., die Holzsägespäne mit verschiedenen Zusätzen zu einer festen Masse zu
                              formen; aber es gelang erst Hrn. Latry, künstlerisch
                              vollendete und vollkommene Gegenstände in einer Weise daraus herzustellen, daß diese
                              Fabrication jetzt alle Beachtung verdient. Am Anfange der Fabrication waren für Hrn.
                              Latry zahlreiche Schwierigkeiten zu überwinden. Bei
                              der damals noch unregelmäßigen Erhitzung der Formen blieben die Gegenstände
                              unvollkommen und konnten nur von geringer Größe dargestellt werden.
                           Jetzt wird in folgender Weise gearbeitet: Die Sägespäne, namentlich solche von
                              Palisanderholz, werden in sehr feines Pulver verwandelt, mit einer passenden Menge
                              mit Wasser verdünnten Blutes vermischt und in einem Trockenraum bei 50 bis
                              60° C. getrocknet. Hierbei vereinigt sich das Albumin des Blutes innig mit
                              dem Holzpulver. Das Formen geschieht nun in Ringen, welche Matrizen von polirtem
                              Stahl enthalten, die
                              äußerst fein und künstlerisch ausgearbeitet sind. Das trockene Pulver wird in die
                              Formen gefüllt, so daß kein überschüssiges Material vorhanden ist und daher nach dem
                              Zusammenpressen keine Nähte bleiben.
                           Das Zusammenpressen geschieht mittelst sehr kräftiger hydraulischer Pressen. Die
                              Platten werden mit Gas erhitzt und während der ganzen Operation auf einem bestimmten
                              Hitzegrad erhalten. Die Formen mit ihren Ringen bewegen sich in Falzen, die so
                              angeordnet sind, daß sie keine Veränderung erleiden können. Während des Pressens
                              werden die Platten durch eine Arretirungsvorrichtung in den bestimmten Entfernungen
                              gehalten; diese Entfernung ist der Art berechnet, daß in jeder Abtheilung eine Form
                              mit ihrem Ring Platz hat.
                           An jeder sogenannten Heizplatte ist ein Gasapparat befestigt, der den auf- und
                              niedergehenden Bewegungen der Platten folgt. Das Gas wird durch eine Röhre von
                              ringförmigem Querschnitte eingeführt, durch deren Mitte mittelst eines Ventilators
                              kalte Luft eingeblasen wird; die so bewirkte regelmäßige Erhitzung gestattet die
                              Herstellung von sehr scharf geformten Gegenständen. Allerdings ist der Gasverbrauch
                              ein erheblicher, doch werden die Kosten durch die Vorzüge der Arbeit
                              ausgeglichen.
                           Das Gas kostet jetzt noch 30 Centimes per Kubikmeter und
                              die Fabrik verbraucht etwa 40000 Kubikmeter für zwei Pressen, so daß diese Erhitzung
                              jährlich etwa 12000 Fr., täglich 40 Fr., kostet.
                           Die bei dieser Darstellung des künstlichen Holzes stattfindende Wirkung des Albumins
                              ist nicht sofort klar. Lange Zeit glaubte man, daß sie derjenigen des Firnisses auf
                              die Gewebe entspreche; allein dieß kann hier nicht der Fall seyn, wo das mit dem
                              Blutalbumin geformte Holzpulver erst getrocknet wird. Eine genauere Untersuchung
                              führte auf die Gegenwart einer gewissen Menge von Harz in den Sägespänen, und dieses
                              Harz bringt im Verein mit dem Albumin den festen Zusammenhang hervor. Nimmt man bloß
                              Sägespäne von weißem, nicht harzreichem Holz (z.B. von der Buche), so erhält man
                              allerdings eine feste Masse, aber diese ist wenig dicht und widersteht dem kochenden
                              Wasser nicht. Setzt man 33 Proc. Blut (Blutalbumin) zu, so wird die Masse zwar
                              fester, zerfällt aber nach 10 bis 15 Minuten in kochendem Wasser. Bei einem Zusatz
                              von 66 Proc. werden die Gegenstände dichter, brauner, dauerhafter, kommen aber doch
                              denen aus harzigem Holze nicht gleich. Man sieht also, daß das Blut zwar nicht
                              unumgänglich nöthig, aber sehr nützlich bei dieser Fabrication ist. Durch das
                              Trocknen wird das Blut aus den Schlächtereien intensiv braun und zeigt dann
                              glänzende Punkte, die sich bei den fertigen Gegenständen sehr gut ausnehmen.
                           Beim Erhitzen auf 170–200° C. erleidet das Blut eine anfangende Schmelzung und gewinnt
                              dabei soviel Adhäsionsvermögen, daß nach dem Erkalten seine einzelnen Theile
                              ziemlich fest aneinander halten.
                           Man kann also diese Erhitzung als eine Art Schmelzung betrachten, denn wenn man die
                              Formen während des Processes öffnet, so findet man eine welche, schwärzliche,
                              halbflüssige Masse, ähnlich geschmolzenem Asphalt. In diesem Augenblick sind
                              wahrscheinlich die feinsten Theile der Matrizen ausgefüllt und werden also nach dem
                              Erkalten genau wiedergegeben.
                           Das Resultat dieses ganzen Vorganges ist eine harte holzartige Masse, welche sich
                              nach jeder Weise wie Holz bearbeiten läßt. Die Dichtigkeit beträgt nach dem Erkalten
                              1,300 (Wasser = 1,000), während das mit Albumin getränkte und getrocknete Sägemehl
                              nur 0,800 schwer ist.
                           Die Producte der Latry'schen Fabrik verdienen alle
                              Beachtung, nicht allein vom technischen, sondern auch vom künstlerischen
                              Standpunkt.