| Titel: | Der gußeiserne Dampfkessel von J. Harrison in Philadelphia. | 
| Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. XXVII., S. 99 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXVII.
                        Der gußeiserne Dampfkessel von J. Harrison in
                           Philadelphia.
                        Nach dem Mechanics' Magazine, Juli 1864, S. 1 und
                              8.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              II.
                        Harrison's gußeiserne Dampfkessel.
                        
                     
                        
                           Dieser eigenthümliche Kessel besteht aus einer beliebigen Anzahl hohler gußeiserner Kugeln, welche durch hohle Hälse mit
                              einander in Verbindung stehen und mittelst quer hindurchgehender Stäbe aneinander
                              gereiht werden. Die Kugeln werden in Elementen (Gruppen) von je vier mit einander
                              verbunden, gegossen; sie haben 8'' äußeren Durchmesser und eine Wandstärke von 3/8
                              Zoll. Die Hälse oder Mündungen haben 3 Zoll Durchmesser. Jede Kugel hat einen Inhalt
                              von etwa 7 Pinten (ungefähr 3 1/2 Quart preuß.); ihre wirksame Heizfläche ist etwas
                              über 3/4 Quadratfuß. Jedes Element hat 8 Oeffnungen; die Dichtung derselben mit den
                              entsprechenden des zunächst liegenden erfolgt ganz einfach dadurch, daß die
                              Außenflächen in besonderen Drehbänken genau und sorgfältig eben geschliffen werden.
                              Die Mittelpunkte von je
                              zwei Kugeln liegen 9'' auseinander, eine Entfernung, welche bei sämmtlichen Kugeln
                              in dieser Drehbank sehr genau gleich erhalten wird. Die Instrumente, welche die
                              Berührungsflächen zuletzt bearbeiten, können durch besondere und sehr feine
                              Stellvorrichtungen bis auf 1/1000 Zoll eingestellt werden und es gelingt auf diese
                              Weise, die einzelnen Oeffnungen nachher durch bloße Berührung auf einander zu
                              dichten. Die durch jede Kugelreihe hindurchgehenden Stangen von 1 1/4zölligem
                              Rundeisen haben an beiden Endöffnungen passende Kappen und Schrauben mit Muttern,
                              und bewirken eine völlig wasser- und dampfdichte Verbindung.
                           Die ganze Masse von Kugeln wird in einem Ofen eingemauert und zwar so, daß die Reihen
                              eine Neigung von etwa 45° erhalten. Die ganze Anordnung ist aus den Figuren 22 und
                              23
                              deutlich ersichtlich.
                           Sämmtliche Kugeln haben eine in allen Theilen gleichförmige Eisendicke, was in
                              einfacher und leichter Weise durch die Einrichtung beim Gießen bewirkt wird.
                           Ein Theil der Kugeln enthält natürlich das verdampfende Wasser, ein anderer –
                              die höher liegenden – den Dampf. Diese letzteren Kugeln sind durch
                              Zwischenwände von Ziegeln gegen die directe Einwirkung des Feuers geschützt. Da sie
                              indessen doch noch immer in dem Heizraum liegen, so wird der Dampf bis zu einem
                              gewissen Punkt überhitzt und die Maschine erhält vollkommen trockenen, wasserfreien
                              Dampf.
                           Dieser Kessel erfüllt alle Bedingungen der Stärke, sofern Gestalt und Aufstellung der
                              einzelnen Theile in Betracht kommen. Allerdings ist das Gußeisen nicht so fest wie
                              Schmiedeeisen, doch berechnet sich der zum Sprengen einer Kugel erforderliche Druck
                              auf 1500 Pfd. per Quadratzoll. Wiederholte Versuche mit
                              1200 Pfd. Druck ließen sie unverletzt. Außerdem wirken die durchgehenden
                              Eisenstangen vermöge ihrer Verlängerung unter dem stattfindenden Druck selbst als
                              Sicherheitsventile, so daß man kaum annehmen kann, daß ein Harrison'scher Kessel, wenn Alles richtig ausgeführt ist, je springen
                              könne.
                           Ein großer Uebelstand schien dem Kessel durch den Kesselstein zu drohen, welcher
                              voraussichtlich das ganze System unausführbar machen konnte. Auch hat der Erfinder
                              ein eigenes Reinigungsinstrument für die Kugeln construirt. Indessen kam dasselbe
                              glücklicherweise nie zur Anwendung, da sich in den seit zwei Jahren in Betrieb
                              stehenden Kesseln (bei Hrn. Hetherington in Manchester)
                              nie ein bleibender Kesselstein gezeigt hat. Unzweifelhaft entsteht derselbe während
                              des Kochens, zerspringt aber durch die Zusammenziehung der Kugeln beim Abkühlen in
                              Folge seiner Sprödigkeit und wird dann wöchentlich beim Ausblasen des Kessels
                              entfernt.
                           
                           Die Heizfläche dieses Kessels ist offenbar eine sehr zweckmäßige und eine Ersparnis
                              an Brennmaterial daher sicher. Gute, obwohl nicht eben vorzügliche Kohlen
                              verdampften per Pfund 7,65 Pfund Wasser; der erzeugte
                              Dampf ist, wie oben bemerkt, von vorzüglicher Güte.
                           Die wichtigste Eigenschaft des Kessels ist natürlich die, daß er auf jede Pferdekraft
                              viel weniger Wasser enthält, als die gewöhnlichen (und hieraus folgt neben großer
                              Sicherheit ebenfalls Brennmaterialersparniß); er ist augenscheinlich ganz gefahrlos,
                              kann sehr hohen Druck liefern, und hat in Folge der großen Unveränderlichkeit des
                              Gußeisens große Dauerhaftigkeit. Da zugleich der Kostenpreis ein niedriger seyn
                              wird, so dürfte dieser neue Kessel unzweifelhaft die höchste Beachtung verdienen,
                              wie er denn der einzige im Großen angewandte Kugelkessel ist.
                           Zu bemerken ist endlich noch, daß dieser Kessel in jeder beliebigen Größe durch
                              einfaches Hinzufügen mehrerer Elemente (Gruppen) von Kugeln hergestellt werden kann,
                              sowie daß der gleichförmige Guß und die gleichförmige Bearbeitung aller Theile das
                              Auswechseln etwa beschädigter Kugeln thunlich macht, und daß bei allenfalls
                              vorkommender Explosion immer nur einzelne Kugeln zerspringen können.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
