| Titel: | Ueber die Verwerthung der bei Bentheim (Königreich Hannover) vorkommenden Glanz- oder Gagathkohle; von Dr. S. W. Hofmann, Director der Photogenfabrik zu Bentheim. | 
| Autor: | S. W. Hofmann | 
| Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. XL., S. 135 | 
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                        XL.
                        Ueber die Verwerthung der bei Bentheim
                           (Königreich Hannover) vorkommenden Glanz- oder Gagathkohle; von Dr. S. W. Hofmann, Director der
                           Photogenfabrik zu Bentheim.
                        Hofmann, über die Verwerthung der Bentheimer Glanz- oder
                           Gagathkohle.
                        
                     
                        
                           An mehreren Stellen Deutschlands ist das Vorkommen einer ähnlichen Glanzkohle wie
                              die, welche sich hier findet, ein ziemlich gewöhnliches; es ist mit aber kein
                              Beispiel bekannt, wo diese Kohle sich in einer solchen Regelmäßigkeit und von einer
                              so bedeutenden Mächtigkeit zeigt, daß man sie durch einen regelmäßigen
                              bergmännischen Betrieb gewinnen könnte. Dieß ist bei Bentheim der Fall, wo die Kohle
                              in Gängen auftritt, welche, wenn sie auch bald dünner, bald mächtiger werden, uns
                              doch niemals gänzlich verlassen; sie besitzen eine durchschnittliche Mächtigkeit von
                              13 Zoll, die sich zuweilen auf 6 Zoll reducirt, dann aber auch wieder bis zu 36 Zoll
                              wächst. Von derartigen Gängen sind bereits vier aufgedeckt, in Entfernung von je
                              einigen hundert Schritten; einer davon befindet sich jetzt im bergmännischen
                              Betriebe.
                           Ueber die Entstehung dieser Kohle ist mit nichts bekannt; unsere Grube ist von den
                              ausgezeichnetsten Geologen und Bergleuten befahren worden, allein die Ansichten über
                              die Bildung der Kohle beruhen auf widersprechenden Hypothesen.
                           Die Kohle scheint aus der Tiefe in die Höhe gekommen zu seyn, und zwar von Süden nach
                              Norden unter einem Winkel von 22°; sie bildet Gänge, welche beinahe senkrecht
                              in die Tiefe hinunter gehen; sie ist durch Schurfgräben aufgedeckt worden, welche bei einer
                              Tiefe von 20 Fuß die verschiedenen Gänge biosiegten. Zwei davon sind bis jetzt auf
                              eine Tiefe von 120 Fuß abgeteuft, wobei sie immer an Mächtigkeit wuchsen, so daß man
                              die Hoffnung hegt, in der Tiefe mächtige Lager dieser Kohle aufzudecken.
                           Was die chemische Zusammensetzung der Kohle anbetrifft, so ergab die
                              Elementaranalyse:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                 84,1
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 8,6
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 1,0
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 5,5
                                 
                              
                                 Asche
                                 0,8
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           Bei 150° C. verliert die Kohle 1,15 Proc. Wasser. Wird sie in verschlossenen
                              Behältern erhitzt, so schmilzt sie vollständig, ohne sich dabei aufzublähen. Sie
                              besitzt einen sehr schönen Glanz und eignet sich zu Schmucksachen, wozu sie auch
                              schon vielfach verwandt worden ist, ganz vortrefflich, da sie außerdem mit
                              Leichtigkeit sich drechseln läßt.
                           Die reine Kohle ist frei von Schwefel, nur zeigen sich zuweilen auf ihrer Oberfläche
                              Spuren von Schwefelkies. Ihr specifisches Gewicht ist bei + 15° C. =
                              1,106.
                           Diese Gagatkohle wird nun seit einigen Monaten auf einer in unmittelbarer Nähe der
                              Grube sich befindenden Fabrik zur Darstellung von Photogen, Solaröl, Paraffin und
                              Schmieröl verarbeitet.
                           Sie wird hierzu in elliptischen Retorten, wovon immer zwei in einer Feuerung liegen,
                              verschmolzen; über diesen zwei Retorten befindet sich stets eine dritte, welche von
                              den aus der Kohle sich bildenden Gasen erhitzt wird. Diese Gase kann man mit voller
                              Sicherheit ohne Anwendung eines Gasometers verbrennen, denn die Kohle liefert so
                              viel Gas, daß während des Füllens der Retorten alle Luft aus den Apparaten entfernt
                              wird. Die Quantität Gas, welche sich aus einer Retorte entwickelt, ist beinahe
                              hinreichend um eine andere Retorte abzutreiben; es wird deßhalb gegenwärtig ein Ofen
                              gebaut, worin der Theer blos durch die aus der Kohle sich bildenden Kohks und Gase
                              abgetrieben werden soll.
                           Die Kohle liefert bei dunkler Rothglühhitze 45 Proc. Theer, welcher von ganz
                              ausgezeichneter Beschaffenheit ist. Sein Geruch ist angenehm aromatisch; er hat das
                              niedrige specifische Gewicht von 0,820; er ist grünlichbraun, aber bei niedriger
                              Temperatur so durchsichtig, daß man ihn für Rüböl halten könnte; bei + 10° C. erstarrt
                              er wegen seines großen Paraffingehaltes.
                           Man pflegt hier bei der Destillation des Theeres die Oele gleich in vier Theile zu
                              scheiden, und zwar geschieht dies, wie es gewöhnlich der Fall ist, nach dem
                              specifischen Gewichte.
                           
                              
                                 
                                 SpecifischesGewicht.
                                 Siedepunkt.
                                 Procentedes Theeres.
                                 
                              
                                 I.
                                 0,700–0,750
                                       
                                    70–120° C.
                                     6
                                 
                              
                                 II.
                                 0,750–0,820
                                 120–250°
                                   30
                                 
                              
                                 III.
                                 0,820–0,860
                                 250–350°
                                   30
                                 
                              
                                 IV.
                                 0,860–0,880
                                 über 350°
                                   15
                                 
                              
                                 
                                 Kohks, Wasser und Verlust
                                   19
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 100
                                 
                              
                           Die Oele I, II, III werden auf gewöhnliche Weise mit Schwefelsäure, Soda, Wasser und
                              durch wiederholte Destillation gereinigt; I dient als
                              Fleckenwasser und als Zusatz zum Terpenthinöl; II ist das Photogen und III das
                              Solaröl; IV wird, nachdem durch Pressen das Paraffin entfernt worden ist, auf
                              Schmieröl verarbeitet.
                           Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Oele, welche aus der hiesigen Kohle gewonnen
                              werden, in chemischer Beziehung von den aus dem amerikanischen Petroleum gewonnenen
                              sehr abweichen. Denn bei der Behandlung mit Schwefelsäure, selbst bei gewöhnlicher
                              Temperatur, bilden sich schwefelsaure Verbindungen, welche mit starker caustischer
                              Lauge bei 50° C. noch nicht zerstört werden können; außerdem bildet die
                              rauchende Salpetersäure mit den reinen Oelen mit Leichtigkeit Nitroverbindungen;
                              beide Umstände treten nach den Untersuchungen von Pelouze
                              und Cahours bei den Petroleumölen nicht ein. Auch brennen
                              die Oele aus unserer Kohle viel sparsamer.