| Titel: | Die Zeichen-Instrumente „Radial“ und „Radiarc“ des Architekten Prof. L. Bohnstedt in Gotha. | 
| Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. LV., S. 185 | 
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                        LV.
                        Die Zeichen-Instrumente
                           „Radial“ und „Radiarc“ des Architekten
                           Prof. L. Bohnstedt in
                           Gotha.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              III.
                        Bohnstedt's Zeichen-Instrumente.
                        
                     
                        
                           1. Der Radial (Fig. 16 und 17).
                           Angenommen: In Fig.
                                 16 sey die gerade Linie ab = Linie cd, und die Entfernung von ihrem
                              gemeinschaftlichen Schnittpunkte m, ma = mc; ferner an = cn = am = cm; endlich die Linie mo
                              (welche durch den Schnittpunkt
                              m geht) = no.
                           Die Linie ac, nach o hin
                              verlängert, halbirt das Viereck amon (die Dreiecke amo und an
                              o sind congruent; ebenso die Dreiecke amc und anc,
                              weil sie gleiche Seiten haben). Werden die Linien mo und
                              bd verlängert, bis sie sich in p schneiden, so entstehen zwei ähnliche Dreiecke amo und bmp, bei welchen die
                              Linien ao und bp
                              parallel sind, denn dm = mb, am = mc, Winkel pmb = (Winkel pmd + Winkel
                              dmb) = Winkel amo =
                              (Winkel cmo + Winkel amc).
                              In den beiden Dreiecken pmb
                                 und
                              amo
                              verhält sich mp zu mo, wie bm zu ma
                                 .
                           Ist das Verhältniß von am zu mb gegeben und auf der Linie AB die
                              Entfernung des Punktes p von m bekannt (p bezeichnet den Punkt, in welchem
                              oberhalb AB zu ziehende gerade Linien sich
                              schneiden sollen), so ist umgekehrt der Punkt 0 zu finden, indem mo = (pm . am)/mb gesetzt wird. o ist der Punkt auf AB, um welchen mit dem Radius mo (= no) ein Bogen beschrieben werden kann, worin der Punkt
                              n sich bewegen wird. Je weiter n von m gerückt wird, um so
                              mehr werden die Punkte a und c genähert (bis sie ganz zusammenfallen) und ebenso die gegenüberliegenden
                              Punkte b und d (siehe Fig. 16
                              ma', me', a'n', c'n', md' und mb'). Sämmtliche gerade Linien aber, welche Verlängerungen von den Linien
                              bd, b'd' etc. sind, werden in p die Linie AB schneiden, d.h. werden
                              Radien zu Kreisen seyn, welche den Punkt p zum Centrum
                              haben.
                           Das InstrumentIn einigen Theilen ein Storchschnabel., welches „Radial“ (von radius) genannt ist, beruht auf obigen Sätzen, und bezweckt, das Zeichnen
                              von geraden Linien zu ermöglichen, welche nach einem gemeinschaftlichen
                              Schnittpunkte (Centrum) gerichtet sind, solches auch dann, wenn dieser Schnittpunkt
                              außerhalb des Reißbretes liegt, ein Fall, der namentlich beim Ausführen von
                              perspectivischen Darstellungen mit fernliegenden Verschwindungspunkten nur zu oft
                              vorkommt. Dieses Instrument soll bei dergleichen Arbeiten das mühsame und
                              zeitraubende Ausmessen mit dem Proportionalzirkel, und das von Hrn. Professor Streckfuß angegebene sehr sinnreiche Verfahren mit dem
                              bogenförmigen Pappdeckelausschnitt (der für jeden neuen Verschwindungspunkt immer
                              neu herzustellen ist) ersparen, und namentlich für jeden beliebigen
                              Verschwindungspunkt (selbstverständlich innerhalb gewisser Grenzen) verwendbar
                              seyn.
                           
                           Der „Radial“, Fig. 17, besteht aus vier
                              Metall-Schienen ab, cd, an und nc, welche in den Punkten a, m,
                                 c und n mit einander drehbar verbunden sind,
                              und aus einer Schiene mB, auf welcher in m der Drehpunkt für ab und
                              c
                              d fixirt ist (oder fixirt werden kann)Die Einrichtung ist so getroffen, daß das Gestell mit dem Drehpunkt m entweder in der Mitte der Schiene, oder auf
                                    einem der beiden Enden derselben festgeschraubt werden kann., ebenso wie der Punkt o auf derselben sich
                              fixiren läßt, um die Leitstange no, welche in n mit an und cn verbunden ist und durch eine Stellvorrichtung bei n geht, beliebig länger oder kürzer stellen zu können.
                              Ferner sind die beiden Enden b und d durch eine Stange in der Weise mit einander verbunden,
                              daß entweder b oder d auf
                              der Stange beweglich bleibt. Diese Stange endlich ist mit einer Schiene in
                              Verbindung gesetzt, unter welcher (vermittelst Heftzwecken) ein Lineal αα befestigt werden kann.
                           Wird die Schiene mB auf der Zeichnung
                              festgehaltenUm die Schiene nicht mit der Hand halten zu müssen, sind dem Instrumente zwei
                                    Messingschienen beigelegt, welche mit dem einen Ende vermittelst je zweier
                                    Zapfen an die Schiene AB fixirt werden,
                                    und mit dem anderen Ende durch dazu gehörige Schraubzwingen an das
                                    Zeichenbret sich befestigen lassen. und die durch b und d gehende Stange dem Punkte m genähert (oder,
                              umgekehrt, entfernt), so wird das Lineal auf der Zeichnung mit fortbewegt und erhält
                              dabei beständig eine solche Richtung, daß an ihm hin die gewünschten radialen Linien
                              mit Sicherheit gezogen werden können.
                           Anmerkungen: 1) Auf der ersten Linie, welche auf dem Papiere als Ausgangslinie
                              gezeichnet wird, muß ein Punkt in (am sichersten über m)
                              angemerkt und dann auch auf dem Lineale bezeichnet werden, um, wenn das Instrument
                              weggenommen worden und es wieder benutzt werden soll, dasselbe sogleich richtig an
                              die Ausgangslinie stellen zu können. Beim Beginne des Zeichnens müssen m und n übereinander zu
                              liegen kommen, und auf dem Lineale der Ausgangspunkt lothrecht über m, an der Kante des Lineals angegeben werden, entlang
                              welcher die Linien gezogen werden sollen. 2) Die Breite des Lineals ist insofern zu
                              berücksichtigen, als die Entfernung der zu benutzenden Kante desselben von den
                              Punkten m und o auch die
                              Entfernung des Punktes p' lothrecht (soweit das
                              Instrument überhaupt handlich ist) über p ergibt. 3)
                              Sind m und n, wie das
                              anfänglich stets der Fall seyn muß, übereinander befindlich, so muß der Zeichner den
                              Beginn der richtigen Bewegung des Instrumentes dadurch hervorbringen, daß er den
                              Drehpunkten n und m durch
                              eine auseinanderschiebende Bewegung vermittelst der Finger die erforderliche
                              Richtung gibt. – Kleine andere Handgriffe beim Gebrauche des Instrumentes
                              besonders anzugeben, wird nicht nöthig seyn, da es doch nur von solchen Personen
                              verwendet wird, deren Beschäftigung den erforderlichen Scharfblick für dergleichen
                              Dinge voraussetzen läßt.
                           
                        
                           2. Der Radiarc (Fig. 18).
                           Angenommen: Die in k (Fig. 18) sich
                              schneidenden geraden Linien ab und cd sind gleich lang, ferner ak = kc = ae = ce, dann kd = kb = df = bf: km = em, ferner kg = fh, und gi = hi.
                           Wird die Linie mk über g hinaus verlängert und ebenso die Linie bd, bis sie mit der Linie mg in n sich schneidet und f mit
                              n verbunden, so wird die Linie fn parallel seyn der Linie
                              em und die Entfernung des Punktes m von k, km, sich
                                 verhalten zur Entfernung des Punktes n von k, zu nk, wie ak zu kb (oder
                              ck zu kd). Da km = me, und ke = ce = ae = ak, so sind die
                              Dreiecke amk und aem
                              congruent, ebenso die Dreiecke kcm und ecm (wegen der Gleichheit ihrer Seiten). Dasselbe findet
                              mit den Dreiecken nbk und nbf und den Dreiecken ndk und ndf statt. Das Dreieck akm
                              aber ist ähnlich dem Dreieck bkn (da dk = kb, ak = kc, Winkel dkb = Winkel akc und demzufolge auch der Winkel bnk = Winkel amk), demnach
                              sind die den gleichen Winkeln entsprechenden Seiten dieser Dreiecke
                              proportional.
                           Hieraus ergibt sich, daß die Linie nf
                              parallel
                              em, und nf = nk seyn müsse. Der Punkt n
                              wird somit zum Centrum eines Kreisbogens, der von k aus
                              gezogen den Punkt f in sich enthalten wird. Ist bn die gerade Linie, welche durch die beiden Punkte b und d geht und das
                              Parallelogramm kdfb halbirt, ist ferner der Punkt i in dieser Linie, so wird das Dreieck ign congruent dem Dreieck ihn seyn, weil hi = gi, in gemeinschaftlich und Winkel hin =
                              Winkel gin (Letzteres aus der Congruenz der Vierecke hibf und gibk zu ersehen,
                              bei denen, außer den vier gleichen Seiten, noch die Winkel ibf und ibk gleich sind).
                           Auf oben Gesagtem beruht die Einrichtung des Instrumentes,Ein Storchschnabel, bezüglich einiger Theile. welches „Radiarc“ (von radius und arcus) genannt
                              wurde und dazu dienen soll, beim Zeichnen und Darstellen solcher Kreisbogentheile
                              und dazu gehöriger Radien verwendet zu werden, deren Centren außerhalb des Zeichenbretes sich befinden,
                              und namentlich vorläufig beim Entwerfen von verschiedenen Maschinentheilen sich
                              vortheilhaft erweisen wird.
                           Der Radiarc besteht im Wesentlichen aus den (Metall-) Schienen ad, cd, ae, ec, df, fb, fh, hi und ig, welche in den Punkten a, k,
                                 b, e, c, d, f, h und i drehbar miteinander
                              verbunden sind, aus der Schiene gm, auf welcher die
                              Drehpunkte g und k sich
                              feststellen lassen, ferner der Punkt m sich fixiren
                              läßt, um die Stange em, die mit dem Drehpunkte e verbunden ist, beliebig lang bei m feststellen zu können, dann aus einer Stange db, die in d oder b, mit dem einen Drehpunkte d oder b verbunden ist, während der andere auf
                              ihr fortbewegt werden kann, und aus einer ähnlichen Vorrichtung, welche auch dem
                              Drehpunkte i eine Fortbewegung auf der Stange db gestattet. Endlich aus einer mit h und f fest verbundenen
                              Schiene, unterhalb welcher ein Lineal (mittelst Heftzwecken) befestigt werden
                              kann.
                           Wird die Schiene gm auf dem Reißbret festgehalten,Um dabei die linke Hand frei zu lassen, sind dem Instrumente zwei
                                    schaufelartige Ansätze beigefügt, die mit je zwei Zapfen auf der Schiene gm befestigt, und dann durch Auflegen von
                                    Gewichten (wie solche in den Ateliers der Maschinenzeichner als Beschwerer
                                    gebräuchlich sind) auch auf dem Zeichenbrete fixirt werden können. und die Schiene hf mit dem an derselben
                              befindlichen Lineal dem Punkte k genähert (oder
                              umgekehrt von ihm entfernt), so wird das Lineal bei der Fortbewegung stets eine
                              solche Richtung annehmen, daß die längs der KanteDiese Kante ist dadurch, daß Stiftchen unter der Metallschiene vorstehen, an
                                    welche anlehnend das Lineal fixirt wird, so gestellt, daß sie den
                                    Drehpunkten f und h
                                    entspricht. desselben auf dem Brete gezogenen Linien, fortgesetzt, auf einen
                              gemeinschaftlichen (außerhalb des Bretes befindlichen) Schnittpunkt zulaufen.
                              Gleichzeitig wird ein Zeicheninstrument (Bleistift, Ziehfeder etc.), an eine
                              beliebige Stelle des Lineals angehalten,Wird der Bleistift oder die Ziehfeder nicht an die Kante des Lineales
                                    angehalten, welche der Linie fh entspricht,
                                    sondern an die gegenüberliegende Kante, so muß der Zeichner die Breite des
                                    Lineales mit in Rechnung ziehen, da die auf solche Weise gezogene Bogenlinie
                                    zwar auch den Punkt
                                    n zum Centrum hat,
                                    als Radius aber, die Hypotenuse des Rechteckes, dessen eine
                                       Kathete die, von der Stelle, wo der Bleistift an das Lineal
                                    angehalten wird, auf die gegenüberliegende Kante des Lineales gezogene Lothrechte ist (also die Breite des Lineales),
                                    während die andere Kathete der Entfernung dieser Lothrechten von dem Punkte
                                    n gleichkommt.Die den Bogen entsprechenden Radien müssen demnach stets an der der Schiene
                                    gm zugekehrten Linealkante gezogen werden,
                                    wogegen die Bogenlinien durch Befestigung der Ziehfeder oder des
                                    Bleistifthalters an der anderen Kante des Lineales gezeichnet werden
                                    können.Die Ziehfeder ist mit einem Plättchen in Verbindung gebracht, welches
                                    vermittelst der unter demselben befindlichen Stiftchen auf dem Lineal an
                                    beliebiger Stelle fixirt werden kann. Bei kartographischen Arbeiten möchte
                                    es von Nutzen seyn, mehrere solcher Ziehfedern zugleich in den gewünschten
                                    Entfernungen anzubringen, wodurch dann gleichzeitig die Bogenlinien sich
                                    zeichnen lassen etc. bei Fortbewegung des Lineales eine Linie beschreiben, welche mit einer
                              Kreisbogenlinie, von dem erwähnten Schnittpunkte als Centrum aus beschrieben,
                              zusammenfällt, d.h. die also dargestellte Linie wird eine Kreisbogenlinie seyn,
                              deren Centrum jener, außerhalb des Reißbretes liegende Schnittpunkt ist.
                           Da nk : km = kb : ak, so ist km zu finden, indem man km = nk ak/kb nimmt. Verhält sich ak : kb = 1: 3, so ist km = 1/3 nk; oder ak : kb = 1: 4, so ist km = 1/4 nk. Ist
                              demnach ein Bogen zu zeichnen, dessen Centrum von k um 6
                              Fuß entfernt seyn soll, und das Instrument so eingerichtet, daß ak : kb = 1: 3, so muß der
                              Punkt m von k = 1/3. 6 = 2
                              Fuß weit festgestellt werden.
                           Da das Lineal von h über f
                              hinaus (in f ist die Stelle, wo die verlangten 6 Fuß von
                              n ab sich ergeben) noch einige Fuß nach p hin hinausragen kann, so wird man, wenn die Entfernung
                              von f nach o = 2 Fuß ist,
                              durch Anhalten des Bleistiftes bei o, einen Bogen 6 + 2
                              = 8 Fuß Halbmesser, mit demselben Centrum n zeichnen,
                              und von jeder beliebigen Stelle dieses Bogens, indem man entlang der Kante des
                              Lineals eine Linie zieht, die der Tangente dieses Bogenpunktes entsprechende
                              Lothrechte (den Radius) darstellen können.
                           (Ist das Verhältniß von ak : kb = 1: 4 und mk = 2 Fuß, so wird fn = 8 Fuß und no = 10 Fuß,
                              also für Kreise von 20 Fuß Durchmesser genügend seyn.)
                           Das Anmerken des Punktes f
                              auf der ersten Linie, die gezeichnet wird, ist anzurathen, um, wenn das Instrument
                              weggenommen worden und dann wieder weiter benutzt werden soll, dasselbe sogleich
                              richtig an die erste Linie, die Ausgangslinie, stellen zu können.Herr Hofmechanicus H. Ausfeld in Gotha
                                    (Schwabhäusergasse Nr. 8) hat die Ausführung von Radialen (à 20 Rthlr. mit Kästchen) und von
                                    Radiarcen (à 25 Rthlr. mit Kästchen)
                                    übernommen.
                              
                           Gotha, im September 1864.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
