| Titel: | Die Thonwaarenfabrik zu Bishop's Waltham in Süd-England; von Dr. Lunge. | 
| Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. LXX., S. 287 | 
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                        LXX.
                        Die Thonwaarenfabrik zu Bishop's Waltham in
                           Süd-England; von Dr. Lunge.
                        Aus dem Breslauer Gewerbeblatt, 1864, Nr.
                              20.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              IV.
                        Lange, über die Thonwaarenfabrik zu Bishop's Waltham in
                           Süd-England.
                        
                     
                        
                           Die Werke der Bishop's Waltham Clay Company sind zu
                              Bishop's Waltham in der Grafschaft Hantshire, zwischen Southampton und Portsmouth
                              gelegen. Diese Werke sollen die größten ihrer Art in ganz England werden, und bieten
                              schon jetzt eine so große Menge interessanter Einzelheiten dar, daß eine
                              Beschreibung derselben vielleicht am Orte ist.
                           Sie stehen unter der Direction von Dr. Versmann, welcher anderweitig besonders durch seine
                              Untersuchungen über das Unentzündlichmachen von Geweben bekannt ist.
                           Er hat die Werke auch architektonisch bis ins Einzelne hinein construirt, und damit
                              zum erstenmale den berühmten Fabriken in Staffordshire Concurrenz gemacht. Vor zwei
                              Jahren war Alles in der Gegend noch grünes Kleefeld, und eigentlich kräftig in
                              Angriff genommen wurden die Werke erst seit der Berufung des Dr. Versmann, vor etwa einem Jahre; jetzt aber
                              sieht man dort Reihen von großen Gebäuden, in welchen bereits eine großartige
                              Production sowohl von gewöhnlichen-Mauerziegeln, als auch namentlich von
                              feineren, ornamentalen Gegenständen stattfindet.
                           Die Gesellschaft besitzt 200 Acres (etwa 300 preußische Morgen) Land welches durchweg
                              ein Lager von Thon von der Erd-Oberfläche bis zu 150 Fuß Tiefe enthält, wo
                              dann der Thon auf weißer schreibender Kreide aufruht. Die Qualität des Thones ist
                              eine ganz ausgezeichnete, und namentlich ist er so frei von Steinen, daß ein
                              Schlämmen desselben selbst zu den feinsten Ornamenten nicht nöthig ist, weßhalb auch
                              gar keine. Schlämmvorrichtungen vorhanden sind. Nach dem Brennen zeigen sich die
                              Waaren auf das Schönste scharfkantig und hell klingend, dabei von sehr großer Härte;
                              eine sechszöllige Drainröhre z.B., welche doch zu den rohesten Fabricaten gehört und
                              sehr dünn im Thon ist, konnte ich durch das heftigste Aufwerfen auf Steinboden nicht
                              zerbrechen; sie gab erst dann nach, als ich mehrmals kräftig darauf trat, wodurch
                              sie der Länge nach in zwei regelmäßige, halbrunde Stücke zersprang. Bei dieser
                              vorzüglichen Eigenschaft des Thones, welcher außerdem höchst plastisch ist, läßt er sich natürlich
                              leicht zu den feinsten Ornamenten, großen Blumenvasen, Balustraden u. dergl.
                              verwenden, dagegen eignet er sich zu feuerfesten Steinen nicht, weil er zu viel
                              Eisen und Kalk enthält. Zwar könnte man dem durch Behandeln mit Salzsäure abhelfen;
                              es ist aber rentabler, ihn für sich zu ornamentalen Zwecken zu verarbeiten, und man
                              hat daher von dem ersteren Verfahren abgesehen.
                           Noch eine interessante Eigenschaft des Thones will ich anführen, bevor ich zur
                              Beschreibung seiner Verarbeitung übergehe; dieß ist die regelmäßige Farbenänderung,
                              welche er beim Brennen erfährt. Man hat es durch Regulirung der Hitzegrade
                              vollkommen in der Gewalt, die Farbe der Waare je nach Wunsch des Abnehmers ganz
                              weiß, Hellroth, dunkelroth oder dunkelblau (namentlich letzteres eine sehr schöne
                              Nüance) zu erhalten, und zwar erscheinen die Farben mit Steigerung der Hitze in der
                              angegebenen Reihenfolge. Dabei schwindet, wie mit angegeben wurde, der Thon, wenn er
                              weiß gebrannt wird, um ein Zehntel, wenn roth, um ein Achtel, und wenn blau, um ein
                              Sechstel; man muß also für Gegenstände verschiedener Farbe, wenn sie gleich groß
                              werden sollen, ganz verschiedene Formen haben. Sehr schön macht sich die
                              Abwechselung zwischen diesen Farben, besonders bei gemusterten Fußböden, welche aus
                              vier-, sechs-, acht – oder zwölfeckigen Fliesen von weißer,
                              rother und dunkelblauer Farbe zusammengesetzt werden.
                           Aus dem Lager, welches wie erwähnt, unmittelbar zu Tage ausgeht, wird der Thon auf
                              einer schiefen, mit Schienen versehenen Ebene mittelst Dampfkraft nach dem
                              Maschinengebäude gefördert, und aus den Förderwagen sofort durch einen Trichter in
                              die erste Vorbereitungsmaschine gestürzt. Das System der Bearbeitungsmaschinen, wie
                              es hier eingerichtet ist, soll das beste bestehende seyn. Zunächst passirt also der
                              Thon nacheinander drei horizontale Walzenpaare von Gußeisen, welche senkrecht
                              übereinander liegen und durch eine Maschine von 45 Pferdestärken ziemlich langsam,
                              aber mit großer Kraft umgedreht werden. Die Walzen haben circa 4 Fuß Länge und 3 Fuß Durchmesser, und scheinen nahezu massiv zu
                              seyn. Bei dem ersten (obersten) Walzenpaare hat die eine Walze eine zur Achse
                              parallele Leiste angegossen, von etwa 1 oder 1 1/2 Zoll Querschnitt der Hervorragung
                              über die Oberfläche, während die andere Walze eine entsprechende Vertiefung hat;
                              dieß hat den Zweck, etwa doch vorkommende Steinchen gewaltsam zu zerschlagen. Im
                              Uebrigen ist die Oberfläche aller Walzen glatt. Der Thon geht dazwischen ganz
                              trocken, wie er aus der Grube kommt, unter bedeutendem Drucke durch und fällt dann
                              in einen etwa 8 Fuß im Durchmesser haltenden Trog, welchem eine ringförmige,
                              durchlöcherte Röhre Wasser zuführt. Hier wird er mit Wasser angemacht, aber nicht mehr, als
                              eben hinreicht, um ihn gut plastisch zu machen, und zwar wird er durch etwas schräg
                              stehende Messer durchgearbeitet, welche an horizontalen Armen sitzen, die an einer
                              in der Mitte des Troges vertical stehenden und sich drehenden Welle befestigt sind.
                              Von da kommt der Thon in einen Thonschneider von gewöhnlicher Form mit 3 Messern, in
                              Form einer archimedischen Schraube gestellt, und erscheint unten in völlig
                              plastischer, zum Formen geeigneter Beschaffenheit. Er wird also von dem Augenblicke
                              an, wo er in die Förderwagen geladen ist, bis zu dem wo er in die Hand des Formers
                              gelangt, von Menschenhänden gar nicht berührt und passirt immer selbstthätig von
                              einer Maschine in die andere.
                           Bei dem Formen und Trocknen der gewöhnlichen Mauersteine (von denen bei meiner
                              Anwesenheit Abschlüsse für 10 Millionen vorlagen) und Drainröhren wollen wir uns
                              nicht aufhalten, da hier nichts Besonderes zu erwähnen ist und wollen gleich zur
                              Erzeugung der feineren Sachen übergehen. Dieselbe geschieht in einem geräumigen
                              Locale, welches durch das unten in Canälen durchziehende, überschüssige
                              Dampfkesselfeuer erwärmt wird. Hier werden alle diese Gegenstände durch mit der Hand
                              bewegte Pressen geformt und dann platt auf den Boden nebeneinander hingelegt. Da,
                              wie erwähnt, Sorge getragen wird, nicht zu viel Wasser zum Anmachen des Thones zu
                              nehmen, so haben die Gegenstände schon 24 Stunden nach dem Formen hinreichende
                              Consistenz gewonnen, um in größere Stöße übereinander gelegt werden zu können, wobei
                              sie, wenn nöthig, unterstützt werden. Ein bemerkenswerther Kunstgriff ist dabei, daß
                              größere Platten absichtlich gebogen werden, da sie sich beim Brennen unvermeidlich
                              ziehen; freilich gehört wohl große Geschicklichkeit dazu, um das Biegen gerade so zu
                              treffen, daß sich die Platten nachher ganz gerade ziehen. In diesen Stößen bleiben
                              die Gegenstände drei Wochen lang liegen, werden dann einzeln vorgenommen, mit Lineal
                              und Schabmesser noch einmal bearbeitet und von Unreinigkeiten gesäubert; ohne dieses
                              würden sie nicht so genau und schön ausfallen. Die hierauf verwendete, freilich sehr
                              zeitraubende Arbeit wird von den Abnehmern gern bezahlt. Darauf bleiben die
                              Gegenstände nochmals drei Wochen liegen und kommen dann in den Brennofen.
                           Von Brennöfen sind augenblicklich noch einige kleinere, theils kreisrund mit
                              Kuppelgewölbe, theils oblong mit Tonnengewölbe vorhanden. Alles Interesse
                              concentrirt sich aber auf den großen Ring-Ofen nach Hoffmann-Licht'scher Construction, den ersten welcher in England
                              erbaut worden ist. Er ist, wenn auch schon im Betriebe, noch nicht fertig, und soll
                              nach seinem Ausbau bei einem Durchmesser von 150 Fuß, sieben concentrische Ringe von
                              Brennöfen enthalten, deren 96 Züge sämmtlich in den Mittelschornstein gehen. Von
                              diesen 7 Ringen sind erst zwei fertig und im Betriebe, und könnte ich über sie
                              nichts weiter anführen, als was allgemein bekannt ist; nach seiner Vollendung wird
                              der Ofen eine tägliche Production von einer
                              Viertelmillion Steine haben. Höchst merkwürdig ist dagegen der Schornstein, welcher,
                              bei einer Weite von 24 Fuß am Fuße, eine Höhe von 180 Fuß erreichen soll, aber kaum
                              halb fertig ist, und immer nur weitergebaut werden soll, so wie es die neu
                              anzulegenden Ringe erfordern. Derselbe hat vom Fuße bis zur Spitze gleichmäßig die
                              Stärke von einem halben Ziegel (4 1/2 Zoll engl. Maaß).
                              Seine Festigkeit erlangt dieses kartenhausähnliche Bauwerk außer durch die
                              ausgezeichnete Qualität der Steine, durch die Zungen, welche ihn in 16 Theile
                              zerlegen, und zwar so, daß vier ganz durchgehen und sich in der Mitte treffen, vier
                              einen halben, und acht einen Viertel-Radius bilden (Fig. 17). Sie haben
                              ebenfalls nur 4 1/2 Zoll Stärke und springen nach außen als Pfeiler vor, welche am
                              Fuße wohl 3 Fuß vorragen, aber nach oben hin immer schmäler werden und sich
                              schließlich ganz verlaufen. Verankerungen und sonstiges Eisenwerk kommen an dem
                              Schornsteine gar nicht vor.
                           Bei dieser Gelegenheit will ich darauf hinweisen, wie schwach man gewöhnlich in
                              England auch Wohnhäuser construirt. Die Hauptwände sind bei sehr vielen, wohl den
                              allermeisten auf Speculation gebauten Wohnhäusern nur einen Ziegel – 9 Zoll
                              engl. stark, selbst im ersten Geschoß, die Scheidewände nur einen halben Ziegel = 4
                              1/2 Zoll engl. Allerdings sind die Häuser selten mehr als 3 Stock hoch incl.
                              Erdgeschoß. Breite Thüren, Schaufenster u. dgl. werden bei solchen Bauten meist
                              nicht überwölbt, sondern nur mit einem Balken bedeckt, auf welchem dann, selbst ohne
                              Entlastungsbögen, fortgemauert wird. Gewöhnliche Fenster werden meist mit einem
                              Steinbalken bedeckt. In dem Lande des Eisens ist es gewiß selbst für
                              Speculationsbauten auffällig, daß man so wenig Eisen beim Bau von Privathäusern
                              angewendet sieht; denn auch eiserne Balkenanker sind in diesen nicht häufig.
                              Allerdings muß ich darauf zurückkommen, daß die Qualität der Ziegel ausgezeichnet
                              ist, während ihr Preis weit unter dem unserigen steht, z.B. 18–21 Shilling
                              für das Tausend, welche von derselben Qualität das Doppelte bei uns kosten würden;
                              die besten Stourbridge feuerfesten Ziegel kosten 45 Shilling.
                           Es sey mit noch gestattet, einige andere constructive Einzelheiten hervorzuheben. Das
                              zeltförmige Dach des Ringofens ruht ausschließlich auf 3 concentrischen Ringen von
                              gebogenen Eisenbahnschienen als Unterzügen, zwischen denen sich vom einen zum
                              anderen, statt der Sparren, fächerförmig angeordnete 1 1/2zöllige Breter, auf der
                              hohen Kante stehend, erstrecken; auf diesen Bretern ruhen dann quer aufliegend die
                              Schalbreter auf. Der Abstand der einzelnen Breter von einander mag durchschnittlich
                              zwei Fuß betragen. Das Dach bedeckt nur die zwei vorhandenen Ringe, und soll sich
                              beim Erbauen der folgenden ein neues im Winkel daran anstoßendes anschließen. Ein
                              anderes, langes Gebäude wird bei verhältnißmäßig schwachen Seitenmauern in allen
                              drei Stockwerken mit gewölbten Decken versehen, in der Art, daß von 12 zu 12 Fuß
                              quer auf die Längswände gußeiserne, hohle Balken von dreieckigem Querschnitt als
                              Widerlager gelegt sind, zwischen denen sich Tonnengewölbe ausspannen. Diese Balken
                              nehmen nach der Mitte hin an Stärke zu und sind die beiden Schenkel des Dreiecks hin
                              und wieder durch Querstege abgesteift (Fig. 18 und 19). Das
                              Eisengewicht ist ein verhältnißmäßig sehr geringes.
                           Endlich will ich noch eine Art Gewölbe-Anker erwähnen, welche mit bei den
                              kleineren, länglich-viereckigen, mit Tonnengewölben bedeckten Brennöfen
                              auffielen. Die Anker nämlich, welche sich an den beiden schmalen Enden befanden und
                              bei den an der Stirnseite der Gewölbe altgebrachten Arbeitsöffnungen vorbeigiengen,
                              waren mit Haken und Schrauben verbunden, ganz nach Art der Kuppelung von
                              Eisenbahnwaggons; sie können also nicht nur während des Brennens angezogen werden,
                              sondern man kann auch beim Ausräumen das Mittelstück ganz entfernen, wodurch die
                              Arbeitsthüren ganz frei werden.
                           Was die in Bishop's Waltham erzeugten Fabricate betrifft, so habe ich schon über die
                              Vorzüglichkeit ihrer Qualität gesprochen; einige Arten derselben habe ich bei uns
                              noch nicht gesehen und würde ihre Einführung gewiß auch für uns von Nutzen seyn.
                              Dahin gehören die Dachziegel Fig. 20 und 21, im
                              Englischen hips und valleys
                              genannt, welche angewendet werden, um eine Regenrinne zu bilden, da, wo zwei Dächer
                              aneinanderstoßen. Die Biegung konnte in der Zeichnung nur angedeutet werden. Ferner
                              Firstornamente in allen möglichen Formen, von denen ich in Fig. 22 bis 25 Beispiele
                              gebe; dazu gehören die Nuthenziegel Fig. 26 oder 27, in
                              welche sie mit Cement eingesetzt werden. Diese Firstbekrönungen machen einen sehr
                              schönen Effect. Sehr praktisch scheinen die Fliesen Fig. 28 und 29 zu seyn,
                              welche zur Pflasterung von Pferdeställen bestimmt sind und durch die Furchen das
                              Ausgleiten der Pferde verhindern sollen; sie werden stets in der härtesten (blauen)
                              Sorte ausgeführt.
                           Man bemerke endlich noch die Fig. 30, Pflaster mit
                              Drainage verbunden, und Fig. 31, Regen-
                              und andere Abfallrinnen darstellend.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
