| Titel: | Ueber das Färbevermögen der Wurzeln von Galium tataricum und Galium physocarpum; von Em. Schöne. | 
| Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. CXIII., S. 443 | 
| Download: | XML | 
                     
                        CXIII.
                        Ueber das Färbevermögen der Wurzeln von Galium tataricum und Galium
                              physocarpum; von Em.
                              Schöne.
                        Aus dem Bulletin de la Société impériale des
                                 naturalistes des Moscou, 1864, No. II, p. 587.
                        Schöne, über das Färbevermögen der Wurzeln von Galium tataricum und
                           Galium physocarpum etc.
                        
                     
                        
                           Der kais. Gesellschaft der Naturforscher in Moskau waren von Hrn.
                              Becker in Sarepta Proben der Wurzeln von Galium tataricum, 
                              Galium physocarpum, sowie von Rubia tinctorum (daselbst cultivirt) eingesandt, und es war die Frage
                              gestellt, ob die beiden ersteren vielleicht als Färbematerial in Anwendung gebracht
                              werden könnten, und eventuell welche Färbekraft dieselben, verglichen mit derjenigen
                              des Krapps, besäßen.
                           Die eingeschickten Proben waren mit zur deßfallsigen Untersuchung übergeben und ich
                              erlaube mit die Resultate der Prüfung, soweit sie vorläufig gewonnen sind, im
                              Folgenden mitzutheilen.
                           Die Wurzel von Galium physocarpum ist in mancher
                              Beziehung derjenigen von Rubia tinctorum ähnlich. Sie
                              ist, wie die letztere, faserig und besteht bei der mit vorliegenden Probe aus einem
                              knotigen, wie es scheint, kriechenden Hauptstamm, an dem dünne Fasern sitzen. Sie
                              unterscheidet sich dagegen von der Krappwurzel zunächst dadurch, daß ihre Epidermis
                              nicht die leichte Ablösbarkeit besitzt, wie dieß beim Krapp der Fall ist, und daß in
                              Folge dessen bei einer Behandlung, ähnlich derjenigen, welche der Krapp gleich
                              anfangs bei seiner Bearbeitung erleidet – Schütteln und Klopfen –
                              keine „mullartigen“ Abfälle sich ergeben. Es hat ferner die
                              eigentliche Rinde des Krapps eine hellere, mehr in's Röthliche spielende Farbe, als
                              die der in Rede stehenden Wurzel, welche dunkel-, fast schwarzbraun ist.
                              Dagegen erscheint das Holz der letzteren Heller, als das des Krapps, zeigt aber, wie
                              bei diesem, die Eigenthümlichkeit, daß frische Bruchflächen gelblich erscheinen,
                              beim Liegen aber einen röthlichen Ton annehmen. Die Dimensionen bei Gal. physoc. sind geringer als bei Rub. tinct.; im Mittel ist der Durchmesser der Stengel
                              von ersterer etwa 1/3 derjenigen von letzterer.
                           Die Wurzel von Galium tataricum hat in ihrer äußeren
                              Erscheinung weniger Aehnlichkeit mit der Krappwurzel. Die mit übergebene Probe ist
                              ein Haufwerk fadenförmiger, wenig knotiger Fasern, deren Durchmesser vielleicht nur
                              1/10 von demjenigen des Krapps ist. Der eigentliche Hauptstamm scheint hier auf ein
                              Minimum reducirt Zu seyn, wogegen die von ihm ausgehenden Fasern, welche dicker als
                              diejenigen von Rub. tinct. und Gal. physoc. sind, anscheinend vorherrschen.
                           Die Menge der mit übergebenen Proben war eine zu geringe, als daß es mit möglich
                              gewesen wäre, eine gründliche chemische Untersuchung des Materials, Abscheidung und
                              Reindarstellung der Bestandtheile, namentlich der Farbstoffe, vorzunehmen. Ich sah
                              mich daher auf eine technische Probe, d. i. auf eine Feststellung der Färbefähigkeit
                              und weiterhin der Färbekraft beschränkt.
                           Da es vorzugsweise auf eine Vergleichung der zu untersuchenden Wurzeln mit Krapp
                              ankam, so wurden alle drei Wurzelsorten einer gleichmäßigen Behandlung in der Art, wie sie der Krapp zu
                              erfahren pflegt, unterworfen und schließlich zur Feststellung des Färbevermögens die
                              von Schlumberger für die Prüfung verschiedener
                              Krappsorten vorgeschlagene Probe angewandt. Der geringen Menge des vorliegenden
                              Materials wegen konnte aber auch hier nur sehr im Kleinen operirt werden.
                           Nachdem die Wurzeln getrocknet und durch Schütteln und Schlagen möglichst von Erde
                              und „Mull“ befreit waren, wurden sie theils durch Mahlen,
                              theils durch Stoßen im Mörser zerkleinert und alle drei durch dasselbe Sieb
                              gesiebt.
                           Das grobe Pulver, welches vom Abgesiebten zurückblieb, hatte anfangs bei allen dreien
                              sehr annähernd dieselbe Farbe, nach zweimonatlichem Liegen dagegen zeigten sich
                              Unterschiede, indem Gal. physoc. sehr wenig
                              nachgedunkelt hatte, Rubia tinct. aber und noch mehr Gal. tatar. einen entschiedeneren röthlichen Ton
                              angenommen hatten.
                           Das durchgesiebte Pulver zeigte gleich anfangs bei den drei Sorten ein durchaus
                              verschiedenes Ansehen. Es rührt dieß augenscheinlich von den verschiedenen
                              Verhältnissen von Rinde zu Holz bei dem verschiedenen Material her; Gal. physoc. hat relativ mehr Rinde, als Rub. tinct., Gal. tatar.
                              aber hat am meisten. Da die Rinde spröder ist, als das trotz des scharfen Trocknens
                              noch immer zähe Holz, so kommt in das Durchgesiebte verhältnißmäßig mehr Rinde, als
                              in dem ursprünglichen Material vorhanden ist. Dadurch und in Folge der verschiedenen
                              Farben der Rinden haben die durchgesiebten Pulver ein so verschiedenes Aussehen. So
                              sah anfangs Rub. tinct. entschieden orangefarben, Gal. physoc. schmutzig gelblich, Gal. tataric. aber grau aus. Nach zweimonatlichem Liegen war dann das
                              Pulver von Rub. tinct. röthlich, das von Gal. tatar. röthlich-braun geworden, während das
                              von Gal. physoc. sich kaum verändert hatte. Während
                              dieser Zeit waren alle drei Pulver zusammengebacken, und diese Erscheinungen machen
                              es unzweifelhaft, daß die in angegebener Weise bearbeiteten Wurzeln der Galiumarten
                              beim Liegen einen ähnlichen Gährungsproceß durchmachen, wie er bekanntlich beim
                              Krapp statt hat.
                           Mit diesen abgesiebten Pulvern wurden sodann die Färbeversuche in folgender Weise
                              angestellt.
                           Stücke weißen Kattuns, von einem Decimeter Länge und einem halben Decimeter Breite,
                              im Durchschnitt 0,5 Gramme wiegend, erhielten die Rothbeize. Eine concentrirte
                              Lösung von 54 Grm. Alaun wurde mit einer ebensolchen von 5,4 Grm. kohlensaurem
                              Natron versetzt, dazu eine ebenfalls concentrirte Lösung von 40 Grm. essigsaurem
                              Bleioxyd gefügt und die
                              vom schwefelsauren Bleioxyd abfiltrirte Lösung zum Beizen von 10 Stücken Kattuns von
                              oben angegebenen Dimensionen verwendet.
                           Zur Herstellung einer Farbenscala von Krapp wurden zunächst von dessen Pulver Proben
                              von 0,2 Grm., 0,4 Grm., 0,6 Grm., 0,3 Grm., 1,0 Grm. und 1,2 Grm. abgewogen,
                              dieselben in je 150 Grm. Wasser suspendirt und in dieß Färbebad der gebeizte Kattun
                              gebracht.
                           In gleicher Weise wurden vom Pulver der Wurzeln von Gal.
                                 physoc. drei Proben zu 0,6 Grm., 1,0 Grm. und 1,2 Grm. abgewogen und mit
                              ebenfalls je 150 Grm. Wasser zum Färbebad gebraucht.
                           Von Gal. tatar. wurde 1,0 Grm. in derselben Art
                              verwendet.
                           Zu einem jeden Färbebade wurde eine kleine Menge geschlämmter Kreide, und zwar je
                              1/10 vom Gewicht des angewandten Färbematerials hinzugefügt.
                           Alle 10 Färbebäder wurden hierauf gleichzeitig auf einem Sandbad allmählich erwärmt,
                              so daß in stetiger Steigerung die Temperatur sich nach zwei Stunden auf 70°
                              C. erhöht hatte. Dann wurden alle noch eine halbe Stunde lang im Kochen
                              erhalten.
                           Ein Theil der so gefärbten, gewaschenen und getrockneten Zeuge wurde hierauf in einem
                              Seifenbade (4 Grm. Seife auf 1600 Grm. Wasser) bei 40° C. eine halbe Stunde
                              lang behandelt, und wiederum ein Theil des so Erhaltenen eine halbe Stunde in ein
                              Säurebad (2 Grm. Salpetersäure von 1,33 specifischem Gewicht auf 1600 Grm. Wasser
                              von 40° C.) gebracht.
                           Diese Proben haben Folgendes ergeben:
                           Die Wurzel von Galium tataricum färbt den rothgebeizten
                              Kattun sehr schön gleichmäßig. Die erhaltene Farbe ist von der des Krapps kaum zu
                              unterscheiden, sie ist vielleicht ein klein wenig mehr in's Rosafarbene spielend. 1
                              Grm. des Färbematerials gibt eine Nüance, welche zwischen der von 0,6 Grm. und der
                              von 0,8 Grm. Krapp erhaltenen liegt, so zwar, daß sie der von 0,6 Grm. näher, als
                              der von 0,8 Grm. steht; man kann sagen: die Färbekraft der
                                 Wurzel von Gal. tatar. ist 2/3 von derjenigen der
                                 Krappwurzel.
                           Die Wurzel von Galium physocarpum färbte bei Anwendung
                              der beschriebenen Methode den Zeug weniger schön, als Krapp, namentlich war die
                              Farbe sehr ungleichmäßig vertheilt, ein Umstand, der die Beurtheilung der Nuance
                              erschwerte. Nach ungefährer Schätzung entsprach die mit 1,4 Grm. gefärbte Probe der
                              von 0,4 Grm. Krapp erhaltenen; entsprechend waren die von 1,0 Grm. und 0,6 Grm.
                              erzielten Proben nüancirt, so daß man die Färbekraft dieser
                                 Wurzel auf nahezu 2/7 von derjenigen des Krapps schätzen kann.
                           
                           Die Seifen- und Säurebäder äußerten bei den Galiumarten genau die gleiche
                              Wirkung wie beim Krapp, d. i. das Seifenbad machte die Zeuge etwas blässer,
                              verschönerte aber die Farbe, das Säurebad dagegen wirkte sehr stark, bei allen
                              dreien aber in gleichem Verhältnisse bleichend.
                           Mit Eisen gebeizte Zeuge erhielten durch die Wurzeln der beiden Galiumarten eine
                              Farbe, welche der unter denselben Umständen mit Krapp erzielten durchaus ähnlich
                              war. Es war ein Violettbraun, dessen Nuancen bei allen drei Wurzeln in demselben
                              Verhältniß standen, welches sich bei den rothgebeizten Zeugen zeigte.
                           Die in allen drei Fällen erhaltenen Farbentöne machen es in hohem Grade
                              wahrscheinlich, daß die Wurzeln von beiden Galiumarten dieselben färbenden
                              Principien besitzen, wie diejenige von Rubia tinctorum;
                              in welcher Menge und welchem Verhältnisse freilich, das wird nur eine genaue
                              chemische Untersuchung, auf die ich, wie gesagt, bei dem geringen mit zur Verfügung
                              stehenden Material vorläufig verzichten mußte, ergeben können. Nicht unmöglich ist
                              es auch, daß sie einen besonderen Farbstoff enthalten, wie dieß ganz neuerdings von
                              Stenhouse
                              Polytechn. Journal Bd. CLXXIII S.
                                       366. bei einer anderen Rubiacea, nämlich Rubia munjistina nachgewiesen ist, in deren Wurzel
                              – dem Munjeet – der genannte Chemiker einen neuen von ihm Munjistin
                              benannten Farbstoff – dessen chemische Formel sehr einfache Beziehungen zu
                              denjenigen von Alizarin und Purpurin aufweist – beobachtet hat.
                           Uebrigens scheint der im Handel vorkommende Krapp von
                                 Montevideo, über welchen wir eine Untersuchung von Fr. Weil
                              Polytechn. Journal Bd. CLXX S.
                                       236. besitzen, mit der von mit geprüften Wurzel von Galium
                                 tataricum identisch zu seyn. Die äußeren Eigenschaften desselben, wie die
                              von ihm auf Baumwolle erzeugten Farben machen es in hohem Grade wahrscheinlich, daß
                              er von dieser Galiumart herstammt.
                           Selbstverständlich können die ausgesprochenen Urtheile über das Färbevermögen nur
                              einen bedingten Werth haben. Wiewohl alle drei Wurzeln in genau derselben Weise
                              bearbeitet und die Färbeversuche mit ihnen nach genau denselben Methoden angestellt
                              sind, so liegen doch in der verschiedenen äußerlichen Beschaffenheit des Materials,
                              sowie in der Verschiedenheit des Verhaltens bei der dem Färbeversuch vorausgehenden
                              Bearbeitung Einwände genug dagegen, daß die Bedingungen, unter denen die Prüfungen
                              geschahen, in allen drei Fällen genau dieselben gewesen wären. Unzweifelhaft besteht
                              beispielsweise, worauf ich schon aufmerksam machte, in den zum Färben verwandten Pulvern ein anderes
                              Verhältniß zwischen Holz und Rinde als in den ursprünglichen Wurzeln selbst. Es wäre
                              nicht unmöglich, daß geeignetere Verfahren bei der Bearbeitung den Färbewerth bei
                              beiden Galiumarten erhöhten. Ferner könnte vielleicht die Herstellung von Garancin
                              aus dem Rohmaterial oder die Anwendung anderer Beizen für die eine oder die andere
                              Wurzel von Vortheil seyn.In Rußland wurde (nach brieflicher Mittheilung des Verf.) schon längst von
                                    dortigen Bauersfrauen die Wurzel von Galium
                                       rubioides zum Rothfärben benutzt. Doch wächst diese Pflanze wild
                                    nicht gerade sehr häufig. Die vom Verf. geprüften Galium physocarpum und Galium
                                       tataricum dagegen kommen massenhaft in den Schluchten an der Wolga
                                    und auf den Wolgainseln vor.Der Krappbau in Rußland verdient einige Aufmerksamkeit; wenn sich die
                                    Verkehrswege gebessert haben, was nicht in ferner Aussicht steht, so ist zu
                                    erwarten, daß der Vertrieb dieses Productes größere Dimensionen annehmen
                                    wird. Vorläufig klagen allerdings die Krappproducenten an der unteren Wolga
                                    über schlechten Absatz.A. d. Red.