| Titel: | Ueber Papiersurrogate; von Dr. F. Varrentrapp. | 
| Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. XXIX., S. 107 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXIX.
                        Ueber Papiersurrogate; von Dr. F. Varrentrapp.
                        Aus den Mittheilungen des Gewerbevereins für das
                                 Herzogthum Braunschweig, 1864 S. 17.
                        Varrentrapp, über Papiersurrogate.
                        
                     
                        
                           Bei dem hohen Preise der Lumpen und der Schwierigkeit, die für den Bedarf nöthige
                              Menge anzuschaffen, ist es natürlich, daß fortwährend nach Surrogaten gesucht wird
                              und täglich neue angepriesen werden. Leider ist es bis heute noch nicht gelungen,
                              irgend einen Ersatz für die Lumpen zu finden, wenn auch verschiedene Substanzen
                              angewandt werden, um das Gewicht des aus Lumpen gefertigten Papiers zu vermehren.
                              Fast ohne alle Ausnahme verringern dieselben die Festigkeit des Papiers, oder sind
                              zu theuer. Seit langer Zeit hat man versucht, das Stroh als Lumpensurrogat zu
                              empfehlen; es ist aber kein nennenswerther Erfolg erreicht. Da die Strohfaser sehr
                              wenig Zähigkeit besitzt, so gibt sie nicht einmal im ungebleichten Zustande ein
                              brauchbares Packpapier für sich allein, soll dieselbe aber von ihrer durch
                              Kieselerde erzeugten Härte befreit und gebleicht werden, so sind die Kosten der
                              hierzu erforderlichen Operationen so hoch, daß man billiger mit Lumpen aus Baumwolle
                              und Leinen arbeitet.
                           In Oesterreich hat man Maisstroh, namentlich die Fasern und Scheiden, welche sich an
                              den Samenkolben befinden, als ein unübertreffliches Surrogat empfohlen. Abgesehen
                              davon, daß es schwierig erscheint, eine wirklich in's Gewicht fallende Menge dieser
                              Substanz zu beschaffen, darf man nur die von der österreichischen Fabrik
                              ausgegebenen Papierproben betrachten, um sich zu überzeugen, daß ein wirklicher
                              Ersatz der Lumpen auch hier nicht geboten wird. Das sogenannte Maispapier ist fast
                              durchsichtig, gelblich, man kann sagen, es gleicht weit eher Pergament oder einer
                              mit trüber Leimlösung gefertigten Platte als Papier. Weder als Druck- noch
                              Schreibpapier wird es in diesem Zustande Beifall finden.
                           Man verwendet verschiedene aus Indien, Algerien, Spanien kommende Grasarten, ähnlich der Jute zur
                              Papierfabrication. Aus letzterer z.B. läßt sich ohne Zweifel ein Papier erzeugen,
                              auf gleichem Wege wie aus Flachs, Hanf, der Brennnessel oder aus Werg, sogenannter
                              Heede, nur ist die Jutefaser wenig zähe, liefert daher allein ein wenig haltbares
                              Papier. Sie formt sich schlecht, indem sie wollartig sich auf dem Siebe spreizt.
                              Aber wie soll sich der Preis bei allen diesen Dingen günstig für den
                              Papierfabrikanten stellen?
                           Man bedenke nur, daß bei den Lumpen die großen Kosten, welche die Ausschälung der
                              Faser aus der Pflanze verursacht, die Reinigung derselben von Leimsubstanz,
                              Farbstoff und Schewe mit mehr oder minderer Vollständigkeit von dem Garnfabrikanten
                              und Weber, oder wenn man lieber will, von dem Stoffconsumenten bezahlt wurden. Der
                              Papierfabrikant kauft in den Lumpen ein Rohmaterial, welches von diesen lästigen
                              Begleitern fast oder doch zum größten Theile frei ist. Ferner hat in den Lumpen die
                              Faser durch langen Gebrauch noch andere vortreffliche Eigenschaften für die Zwecke
                              des Papierfabrikanten angenommen. Sie ist zerquetscht, gelockert, sie wird im
                              Ganzzeug-Holländer leicht zu beliebiger Kürze und Feinheit zerrissen, je nachdem man
                              mit schärferen oder stumpferen Messern den dicker oder mit mehr Wasser verdünnt
                              eingetragenen Halbstoff mahlt. Solcher Stoff liefert wenig durchscheinende,
                              gutsaugende, daher genügende Druckpapiere, zumal wenn, soweit es die verlangte
                              Festigkeit im Griff des Papieres gestattet, Baumwolle mit verarbeitet worden ist.
                              Betrachtet man dagegen aus reinem Hanf oder Flachs bereitetes Papier, so hat
                              dasselbe zwar eine große Zähigkeit, es ist aber viel zu durchscheinend und nimmt die
                              Druckerschwärze sehr schlecht an. Selbst für Banknoten hat man sich meist bequemt,
                              dem Papier Baumwolle einzuverleiben, um den Druck zu erleichtern. Zu solchen
                              Zwecken, wo der Preis nicht wesentlich in Frage kommt, dagegen die größte Zähigkeit
                              das wichtigste Moment ist, kann man jede erforderliche Zeit und Kraft auf das Mahlen
                              verwenden, nicht so bei der Fabrication der currenten Papiersorten. Für diese ist
                              die unversehrte Faser, selbst wenn sie zu gleichem Preise wie die abgenutzten Lumpen
                              zu haben wäre, nicht gleich nützlich, weil sie mehr Kraft beim Mahlen, mehr Chlor
                              zum Bleichen verlangt und trotzdem Papiere liefert, die zu hart und zu durchsichtig
                              für den Drucker sind.
                           Wenn man also eine Verbesserung des Fabricates von der Anwendung unversehrter Faser
                              nicht erlangen kann, wenn man sehr wahrscheinlich finden muß, daß die Reinigung der
                              Pflanzensubstanz bis zu dem Punkte, daß daraus die Faser rein erhalten wird, mehr
                              Kosten verursacht, als man für geeignete Lumpen bezahlt, so wird nur in bestimmten
                              Fällen von diesen
                              Surrogaten ein Gebrauch zu befürworten seyn, als wirklicher Ersatz für die Lumpen
                              können sie nicht dienen.
                           Bei der Zertheilung der Baumstämme in Breter fallen sehr große Massen von Sägespänen
                              ab. Man hat versucht, diese für Papierfabrication zu verwenden. Man hat dieselben
                              auf verschiedene Weise behandelt, gesiebt, durch Werfen im Luftstrom sortirt, auf
                              Mühlsteinen gemahlen u.s.w. Das Tannenholzzeug läßt sich ökonomisch nicht bleichen,
                              weil, um ein genügendes Resultat zu erreichen, alle Harzantheile durch Auskochen mit
                              Soda zuvor entfernt seyn müssen und dennoch sehr viel Chlor erforderlich bleibt. Die
                              Späne von Erlen, Pappeln u.s.w. bleichen sich auch schwer und sind massenweise nicht
                              zu haben. Ein noch größerer Uebelstand, welcher der Benutzung der Sägespäne aber
                              entgegensteht, ist, daß dabei die sogenannten Spiegel nicht in zerfaserter Form,
                              sondern als dünne Blättchen von dem Holze abgerissen werden. Diese Blättchen
                              zertheilen sich weder beim Kochen und Bleichen, noch beim Mahlen auf dem Steine oder
                              im Holländer genügend und ertheilen dem mit diesem Stoff versetzten Papier das
                              Ansehen, als sey es ganz voll Schewe. Man ist daher darauf verfallen, das Holz zu
                              zermahlen, in Fasern zu zerschleifen, indem man es gegen rasch umlaufende
                              Schleifsteine unter fortwährendem Wasserzufluß andrückt. Für geringere Papiersorten
                              läßt sich vom Bleichen absehen, zumal auch dieses Material nicht für sich allein,
                              sondern nur mit Lumpenstoff gemischt benutzbar ist. Die Sortirung macht aber auch
                              hier viel Schwierigkeit; es bleiben die kurzen, fast pulverförmigen Theile mit
                              längeren, sogar einzelnen sehr langen Fasern gemengt. Dieß beeinträchtigt mindestens
                              die schöne Durchsicht der daraus gefertigten Papiere. Mehr als 20 Proc. lassen sich
                              dem Papiere nicht gut zusetzen, da es sonst sehr lappig wird. Dennoch bestehen
                              augenblicklich viele Holzschleifmaschinen, welche den Papierfabriken ihr
                              Halbfabricat verkaufen. Es ist nicht zu bezweifeln, daß einzelne Papierfabrikanten
                              bei der Anwendung ihre Rechnung finden, ich habe aber viel Grund zu bezweifeln, daß
                              dieß allgemein der Fall ist. Der gemahlene Holzstoff wird in feuchtem Zustande
                              verkauft, damit er sich beim Eintragen in den Holländer wieder leicht vertheilt, was
                              sonst umständlich ist, da, wenn er zu trocken geworden, man ihn nur dadurch wieder
                              zur Lockerung bringen kann, daß man ihn im Keller mit der Brause benetzt, anziehen
                              läßt, wieder bebraust, umsticht u.s.f. ehe man ihn in den Holländer bringt, wo trotz
                              solch vorsichtiger Behandlung leicht viel Knoten bleiben.
                           Die in dem Holzzeug enthaltene Feuchtigkeit läßt sich durchaus nicht nach dem Ansehen
                              beurtheilen. Je feiner der Stoff gemahlen ist, um so mehr Feuchtigkeit pflegt er
                              zurückzuhalten. Die feinen Sorten, wie sie in den Handel gelangen, enthalten in 100 Pfd.
                              gewöhnlich nur 20 bis höchstens 25 Pfd. trockene Holzsubstanz und 80 bis 75 Pfd.
                              Wasser. Die geringeren Sorten haben dagegen oft nur einen Wassergehalt von 66 bis 70
                              Proc. Der Papierfabrikant muß also 5, 4 oder von den gröberen Sorten wenigstens 3
                              Centner des feuchten Halbfabricates bezahlen, um in der Wirklichkeit 1 Centner
                              Zusatz zu seinem Papier zu machen. Dabei ist ferner nicht zu übersehen, daß viel
                              feines Pulver dazwischen ist, welches theilweise durch das Sieb geht und selbst im
                              Zeugfänger nicht alles wieder gefunden wird. Der Papierfabrikant ist nicht ohne
                              Weiteres in der Lage genau zu sagen, wie viel mehr Papier er erhalten hat durch
                              Zusatz von 4 Centnern feuchten Holzstoffes. Er wiegt seinen Lumpenhalbstoff nicht,
                              den er damit versetzt hat, sondern mißt denselben, weil auch hierin bald mehr bald
                              minder Feuchtigkeit enthalten ist und zwar in den oberen Partieen ein und desselben
                              Haufens von Halbstoff weniger als in den unteren, so daß es recht schwer wird, eine
                              genaue Durchschnittsprobe zu nehmen, diese zu trocknen und darnach die Rechnung zu
                              stellen, obwohl ein solches Verfahren versuchsweise namentlich wohl ausgeführt wird
                              und genügende Genauigkeit geben kann.
                           Daß ich hierin nicht schwärzer sehe, als es in der Praxis in der That der Fall,
                              scheint mir bewiesen zu werden, indem von Vielen Gyps zu dem Papier zugesetzt wird
                              und zwar zum Theil mit dem exorbitanten Preise von 4 Thlrn. gekauft, wie englische
                              Fabrikanten sehr weißen und feinen Gyps ausbieten und absetzen, und daß manche
                              Fabrikanten nicht bemerkt haben, daß bei Zusatz von 15 Proc. sich nicht 1/2 Proc.
                              Gyps in ihrem Papiere findet, sondern daß derselbe von dem Wasser gelöst wurde und
                              ungesehen mit diesem abfloß. Da man bei uns den Gyps zu 1 Thlr. pro Centner kaufen kann, so kann man zuletzt so viel
                              zusetzen, daß das Wasser nicht mehr im Stande ist denselben ganz zu lösen, indem es
                              mit Gyps gesättigt abfließt. Der übrigbleibende Theil wird sich dann etwa zur Hälfte
                              in dem Papiere finden, der Rest bleibt in den Sand- und Knotenfängen liegen oder
                              geht mit durch das Sieb. Es fehlen daher dem Fabrikanten 15, 20 oder mehr Procent an
                              Gewicht, er wird aber darauf nur schwer aufmerksam, weil er wenig wegfließen sieht,
                              und bei der Unkenntniß der Gewichtsmenge von Faserstoff, die er wirklich eingetragen
                              hat, keine genaue Controle besitzt.
                           Wenn ich daher die Meinung ausspreche, es könne bei der Ansicht, die Verwendung des
                              Holzzeuges sey überall sehr vortheilhaft, leicht und oft eine Täuschung obwalten, so
                              ist dieß nicht sehr gewagt, da in der currenten Fabrication keine directe Controle
                              vorhanden ist, um die Frage zu beantworten, wie viel trockener Holzstoff ist zu
                              einer bestimmten Menge
                              trockenen Lumpenstoffs gesetzt worden, und ohne die präcise Beantwortung dieser
                              Frage ist natürlich der Werth, den man dem Holzstoff zuschreibt, ein
                              willkürlicher.
                           Da man einen genügenden Ersatz für die Lumpen in der Papierfabrication an
                              verwendbaren Faserstoffen bislang nicht gefunden hat, so hat man anorganische
                              Substanzen, um das Gewicht zu vermehren, zuzusetzen versucht. Bei der in diesem
                              Falle unbedingten Anforderung, daß der hinzugefügte Stoff bedeutend billiger seyn
                              müsse, als der aus Lumpen darstellbare, ist die Zahl der Substanzen, welche in Frage
                              kommen konnten, eine sehr beschränkte, zumal eine große Feinheit und große Weiße
                              gleichzeitig gefordert werden müssen. Der reine weiße Thon, der Kaolin, wie er in
                              der Porzellanfabrication verbraucht wird, auch der Pfeifenthon für geringere Sorten,
                              sind eigentlich das einzige Material, was allen diesen Bedingungen bislang
                              einigermaßen entsprochen hat. Er läßt sich durch Schlämmen leicht von den gröberen
                              Sandtheilen u.s.w. reinigen, und etwa noch beigemengte bleiben in den Sandfängen
                              leicht liegen. Er übt keine nachtheilige Wirkung auf die Faser aus, verändert weder
                              die Harzseife noch den Alaun, noch den daraus gefällten Leim, wirkt weder chemisch
                              noch auch mechanisch zerstörend auf die Metalltheile der Maschine, da er ein weicher
                              schlüpfriger Körper ist, so daß weder das Sieb, noch die Walzen eine nennenswerthe
                              Benachtheiligung dadurch erleiden; höchstens verschmiert er etwas die Filze und
                              zwingt zur öfteren Reinigung derselben. Auch auf die Chemikalien, welche dazu
                              dienen, den Papieren eine röthliche und bläuliche Farbe zu ertheilen und zum Theil
                              sehr empfindlich sind, äußert er keinen Einfluß. Das Papier gewinnt dadurch freilich
                              nicht an Festigkeit und Zähigkeit, aber bei Zusätzen, wo nicht mehr als 15 Proc.
                              etwa in dem Papiere verbleiben, ist der Nachtheil nicht groß, das Papier wird
                              dadurch minder durchscheinend, was ein großer Vortheil ist, und saugt die Druckfarbe
                              gut an. Bei zu großem Zusatz fällt etwas von dem Pulver im Papier beim Drucken auf
                              den Letternsatz, was bei mäßigem Gehalt nur in so geringem Maaße der Fall ist, daß
                              es nicht störend wirkt. Bei der Weichheit und geringeren Schärfe des Pulvers nutzt
                              solches Papier gute harte Lettern und Stereotypen nicht viel mehr ab, als
                              gewöhnliches. Feine Holzstöcke darauf zu drucken ist nicht räthlich, weil es nicht
                              fehlen wird, daß öfter doch einzelne Sandkörner vorkommen als in Papier aus den
                              besseren Sorten reiner Lumpen. Für Kupferdruck ist es zu verwerfen und auch die
                              Lithographen sollten sich bei besseren Arbeiten, namentlich wenn größere Auflagen
                              gefordert werden, vor allem Papier hüten, was beim Verbrennen viel Asche hinterläßt. Mehr oder minder
                              greifen alle diese Stoffe doch die Druckplatten und Steine an.
                           Der Fabrikant darf bei allen pulverförmigen Materialien nicht bloß fragen, wie viel
                              sie ihm als solche kosten, denn sie enthalten in der Regel nennenswerthe Mengen von
                              Feuchtigkeit, und da sie sich nur sehr unvollkommen an die Faser anhängen, so wird
                              immer ein großer Theil durch das Formsieb mit dem Wasser abfließen, außerdem bleiben
                              viel gröbere Theilchen in dem Sandfange liegen. Nach vielen Proben findet man von
                              dem Thon selten die Hälfte, oft nur ein Drittel in dem Papier wieder, den man der
                              Masse zugesetzt hat. Es ist leicht verständlich, daß die Menge, welche zurückbleibt,
                              eben so gut von der verschiedenen Qualität des Thones abhängt, wie von der
                              Beschaffenheit des Ganzstoffes, ob er schleimiger oder röscher gemahlen ist u.s.w.
                              und endlich von der Menge Wasser, mit der man gerade zu arbeiten veranlaßt ist.
                           Wenn man das Druckpapier halb leimt oder etwas Alaun zusetzt und daraus durch
                              Sodalösung die Thonerde im Holländer niederschlägt, so kann man, nachdem man den
                              aufgeschlämmten Thon dem fertig gemahlenen Ganzstoff zugesetzt und kurze Zeit damit
                              durchgeschlagen hat, die Alaunlösung hinzufügen und endlich die entsprechende Menge
                              Sodalösung hineingeben; so verliert man weit weniger von dem Kaolin, aber die Kosten
                              für den Alaun und die Soda wiegen die paar Procente Kaolin, die man mehr in dem
                              Papier erhält, ungefähr wieder auf.
                           Der oft empfohlene Zusatz von fein pulverisirtem schwefelsauren Baryt hat nie
                              ernstliche Anwendung finden können. Durch Pulverisiren von Mineralien wird man
                              dieselben nie von solcher Feinheit darzustellen vermögen, daß sie ein wirklich
                              unfühlbares Pulver bilden, welches sich gleichmäßig zwischen der Papierfaser
                              vertheilt und daran haftet, am allerwenigsten wird dieß der Fall seyn bei einem
                              Körper von so großem specifischen Gewicht wie der Schwerspath.
                           Daß gebrannter und gepulverter Gyps beim Anrühren mit seinem 16fachen Gewicht Wasser
                              zu einem äußerst feinen Pulver wird, ist bekannt und würde dieß Material in solcher
                              Feinheit, Leichtigkeit und Billigkeit vortrefflich Verwendung finden, wenn der Gyps
                              nicht in etwa seinem 400fachen Gewicht Wasser löslich wäre. Da aber der Papierstoff
                              nur mit sehr viel Wasser vermengt verarbeitbar ist, so reicht dieses gewöhnlich hin,
                              um selbst einen Zusatz von 15 bis 20 Proc. des trockenen Papierstoffes an Gyps
                              vollständig aufzulösen. Man verliert aber nicht allein das Geld, was dieser Gyps
                              gekostet hat, sondern man erzeugt auch noch zwei wesentliche Uebelstände. Alle
                              Unreinigkeiten, die in dem Gyps vorhanden waren, und solche fehlen in einem rohen
                              Materiale wohl so gut
                              wie nie, Eisenoxyd, ferner der Staub, die Asche, die Kohlen- und Rußtheilchen,
                              welche beim Brennen des Gypses sich zumengen, bleiben alle unglöst und gelangen
                              wenigstens zum Theil in das Papier. Der unter dem Namen Annaline in hiesiger Gegend
                              gangbare Gyps für Papierfabrication ist reich an solchen Kohlenstückchen, die eine
                              unendliche Zahl kleiner schwarzer Punkte veranlassen. Es würde dieß nur zu vermeiden
                              seyn, wenn der Gyps in geschlossenen Gefäßen, Retorten oder dergleichen gebrannt
                              würde, was offenbar nicht der Fall ist.
                           Der zweite Nachtheil besteht darin, daß die gebildete Gypslösung in die Filze
                              gelangt, hier auftrocknet, die Filze allmählich dicht macht und durch Waschen und
                              Walken sehr schwer zu entfernen ist. Jedenfalls dürfen solche Filze nur mit reinem
                              Wasser ohne Zusatz von Soda, und niemals mit Seifenlösung gewaschen und gewalkt
                              werden. Außerdem aber rosten die Walzen auch etwas leichter durch Gypswasser, als in
                              reinem Wasser, und man wird daher öfter Rostflecke und Gelbwerden der Filze
                              bemerken, als bei gewöhnlicher Arbeit. Nichts zerstört aber die organische Faser
                              leichter als der Rost, wie Kuhlmann's schöne Versuche uns
                              belehrt und erklärt haben.
                           Man hat, um von den ganz unpassenden Vorschlägen, dem Steroxylin z.B., der
                              Thonerdefällung u.s.w., zu schweigen, künstlichen Schwerspath, sogenanntes
                              Permanentweiß empfohlen. Gegen diese prachtvoll weiße, unendlich feinvertheilte
                              Substanz, wenn sie im Pastenzustand belassen und nicht getrocknet wird, die wegen
                              absoluter Unlöslichkeit keinerlei chemische Wirkungen befürchten läßt, wäre wenig
                              einzuwenden, selbst bei dem hohen specifischen Gewicht, da sie so fein vertheilt
                              ist, wenn ihr Preis nicht zu hoch wäre, als daß man den Verlust von 30 bis 40 Proc.
                              etwa, welcher durch Abfließen mit dem Wasser und sonstige Anlässe entsteht, tragen
                              könnte.
                           Es mag seyn, daß man durch Fällung von Alaun mit Soda im Holländer, wie oben
                              beschrieben, diesen Verlust recht nennenswerth zu verringern im Stande wäre.
                              Glücklicherweise steht aber hier ein billigeres und besser wirkendes Mittel zu
                              Gebote, um diese prachtvolle weiße, gut deckende, äußerst zarte Substanz vollständig
                              auf der Papierfaser zu fixiren, so daß in der That fast gar nichts davon mit dem
                              Wasser weggeschwemmt wird und nur ein kleiner Theil sich im Sandfang und den Ecken,
                              wo die Masse ruhiger steht, absetzt.
                           Man erhält nämlich jetzt in chemischen Fabriken zu sehr billigen Preisen (circa 4 Thlr. den Zollcentner) geschmolzenes
                              wasserfreies Chlorbaryum; dieß löst man in kochendem Wasser, etwa dreimal so viel
                              dem Gewicht nach, läßt,
                              nachdem bei fleißigem Umrühren Alles gelöst ist, rein absetzen und gießt die Lösung
                              durch einen dichten wollenen Beutel, um alle Unreinigkeiten zurückzuhalten. Die
                              Flüssigkeit läuft trotzdem etwas trübe durch, was von gebildetem schwefelsauren
                              Baryt herrührt, erzeugt durch den fast stets vorhandenen Gypsgehalt des Wassers.
                              Dieß verursacht aber keinen Nachtheil. Nachdem das Ganzzeug fertig gemahlen, setzt
                              man im Holländer so viel Chlorbaryumlösung zu, als man für geeignet hält, etwa 10
                              bis 15 Pfund geschmolzenes Chlorbaryum auf 100 Pfund trockene Lumpenfaser und läßt
                              etwa 5 Minuten lang durchschlagen. Dann gibt man von einer Lösung von eisenfreiem
                              Glaubersalz so viel hinzu, daß aller Baryt gefällt wird. 10 1/2 Pfd. reines
                              geschmolzenes Chlorbaryum erfordern reichlich 7 Pfund trockenes und 16 1/2 Pfund
                              krystallisirtes Glaubersalz. Wegen der nicht vollständigen Reinheit der Salze kann
                              man auf 10 Pfund Chlorbaryum 7 Pfund trockenes und 15 1/2 Pfund krystallisirtes
                              Glaubersalz rechnen. Ersteres löst man in seinem drei- bis vierfachen, letzteres in
                              seinem doppelten Gewicht warmen Wassers und gießt die Lösung ebenfalls durch einen
                              Filzbeutel, aber nicht durch denselben, der zur Filtration des Chlorbaryums gedient
                              hat, wenigstens nicht ohne vorhergegangenes sehr sorgfältiges Waschen in viel
                              Wasser, weil sich sonst die Poren ganz verstopfen und die Filtration zu langsam vor
                              sich geht. Die filtrirte Lösung wird ebenfalls in den Holländer in eben bezeichnetem
                              Verhältniß gegeben und 5 Minuten durchgeschlagen, bevor man in die Stoffkiste
                              abläßt. 10 Pfd. Chlorbaryum geben etwa 11 Pfd. schwefelsauren Baryt im Papier. Will
                              man solches Papier mit vegetabilischem Leim leimen, so setzt man erst, nachdem das
                              Chlorbaryum durch das Glaubersalz gefällt worden ist, den Alaun, dann die Harzseife
                              in dem Holländer zu. Es ist jedoch nicht anzurathen, daß man Schreibpapiere mit viel
                              Zusatz von erdigen Stoffen versieht. Sie saugen die Tinte zu stark an und geben
                              namentlich bei Gebrauch von Stahlfedern etwas von dem pulverigen Niederschlage in
                              die Feder ab, wodurch diese verschmiert wird. Außerdem schäumt die geleimte Masse
                              leicht auf der Maschine so stark, daß daraus Uebelstände, Schaumflecken entstehen.
                              Statt des Glaubersalzes kann man Gyps anwenden. Für je 4 Pfd. geschmolzenes
                              Chlorbaryum wiegt man 3 Pfd. frisch gebrannten Gyps ab, rührt diesen mit 30 Pfd.
                              Wasser so lange, bis er dicklich zu werden beginnt, mischt dann noch 30 Pfd. Wasser
                              hinzu und spült den milchartigen Brei durch ein feines Sieb. Freilich muß der Gyps
                              von Natur sehr rein und bei dem Brennen vor Beimengung von Asche- und
                              Kohlentheilchen geschützt worden seyn. In 10 Minuten bis einer Viertelstunde ist die
                              Verwandlung des Chlorbaryums in schwefelsauren Baryt nach dem Eingießen des Gypsbreies
                              in den Holländer sicher vollendet.
                           Aus dem Gesagten geht hervor, daß der schwefelsaure Baryt im Papier pro Centner 5 bis 6 Thlr. kostet, aber auch, daß man
                              fast allen Baryt im Papier wieder findet, weil er bei der Fällung im Holländer nicht
                              als pulverförmiger Körper zwischen den Fasern schwimmend, sondern als ein
                              Niederschlag in und auf die Faser gefällt ausgeschieden wurde. Er kann daher von dem
                              Wasser nicht abgespült und weggewaschen werden, das Wasser läuft auf der Maschine
                              ganz klar durch das Sieb, die obere und untere Seite des Papiers ist gleich stark
                              mit Baryt versehen, was nicht der Fall ist, wenn man einen so schweren Körper in
                              Pulverform zusetzt, da ein solcher sich auf dem Siebe stets zu senken vermag.
                           Die damit gefertigten Papiere zeigen einige sehr erwünschte Eigenschaften, die
                              wichtigste ist, daß sie die Druckerschwärze weit stärker ansaugen, als Papier aus
                              demselben Stoff ohne Barytzusatz gefertigt. Namentlich bei dem Druck feiner
                              Holzstöcke wird man eine ganz überraschende Wirkung beobachten, die
                              Kupferniederschläge halten sich viel länger rein und die halben Töne kommen mit viel
                              größerer Zartheit und Reinheit als bei gleich sorgfältiger Zurichtung auf
                              gewöhnlichem Papier.
                           Das Papier erscheint durch die Einverleibung des Permanentweiß viel weißer, als aus
                              demselben Stoff gefertigtes. Es ist undurchsichtiger, Schön- und Wiederdruck
                              beeinträchtigen daher einander weniger. Die Dicke des Papiers bei gleichem Gewicht
                              ist nicht so viel vermindert, als man erwarten sollte; dieß läßt sich nur dadurch
                              erklären, daß der Baryt eben nicht zwischen die einzelnen Fasern als pulverförmiger
                              Stoff sich gelagert hat, sondern auf und in dieselben gefällt wurde. Auch erscheint
                              das Papier nicht lappig, wenn nicht über 15 Proc. Baryt einverleibt wurde, und zeigt
                              einen angenehmen festen Griff, wenn der Stoff von richtiger Qualität und richtig
                              gemahlen war. Für ganz geringe Papiere wird der Kaolin sich besser stellen und
                              seinen Platz behaupten. Für feine Papiere aber, denen man Kaolin nicht zusetzen mag,
                              weil man die Qualität damit herabdrückt, wird der Baryt selbst bei dem hohen Preis
                              von 6 Thlr. pro Centner nicht zu theuer erscheinen
                              können, denn der Stoff dazu kostet viel mehr, wenn man bedenkt, daß die besseren
                              Lumpen roh schon wenigstens durchschnittlich 4 bis 5 Thlr. kosten, bedeutend Schmutz
                              und Feuchtigkeit enthalten, viel Mahl- und Bleichkosten verursachen und viel Abgang
                              erleiden. Schon oben wurde angeführt, daß wir solche Papiere nicht für den Kupfer-
                              und Steindruck empfehlen. So weich, fein und zart der Baryt auch seyn mag, er ist
                              doch nachtheilig für die
                              feinen Schraffirungen und Striche dieser Druckplatten. Bei dem Druck der feinsten
                              Holzschnitte hat aber ein solcher Nachtheil nicht beobachtet werden können und ist
                              bei dem senkrechten nicht schleifenden Druck und der Natur der Stöcke nach auch wohl
                              nicht zu fürchten.
                           Wenn es sich darum handelt, zu untersuchen, wie viel schwefelsaurer Baryt in einem
                              Papier enthalten ist, so genügt es nicht, dasselbe einzuäschern und den Rückstand zu
                              wiegen, weil dieser Körper sich verändert, wenn er mit organischer Substanz bis zum
                              Glühen erhitzt wird, indem ein Theil des schwefelsauren Barytes zu Schwefelbaryum
                              reducirt wird. Auch ist es sehr schwer, den letzten Antheil Kohle durch Glühen bei
                              Luftzutritt ganz zu entfernen. Nachdem man daher das Papier verbrannt hat, bringt
                              man die Asche sorgfältig in einen kleinen Tiegel, befeuchtet sie schwach mit einigen
                              Tropfen reiner englischer Schwefelsäure und verjagt den Ueberschuß derselben durch
                              allmähliches Erhitzen, welches man zuletzt bis zum Glühen steigert und einige
                              Minuten lang erhält. Man wird finden, daß die Asche dadurch in der Regel um 4 bis 7
                              Proc. an Gewicht zunimmt, daß also in dem Papier in der That ein größeres Gewicht an
                              schwefelsaurem Baryt enthalten ist, als man durch einfaches Einäschern findet.