| Titel: | Beschreibung der nach Dr. Dauglish's Verfahren arbeitenden Brodfabrik der Aërated Bread-Company in London; von Franz Hoffmann. | 
| Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. XXXVIII., S. 159 | 
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                        XXXVIII.
                        Beschreibung der nach Dr. Dauglish's Verfahren arbeitenden Brodfabrik der Aërated Bread-Company in London; von Franz Hoffmann.
                        Aus dem Gewerbeblatt für das Großherzogthum
                                 Hessen, 1864, Nr. 43.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. II.
                        Beschreibung der Brodfabrik der Aërated Bread-Company in London.
                        
                     
                        
                           Man kann die ganze Operation des Brodmachens der gewöhnlichen Handbäckerei in drei
                              Abschnitte theilen, nämlich: 1) das Mischen der Substanzen und Kneten, 2) das
                              Zumischen von Sauerteig und Gähren und 3) das Backen.
                           Das Verfahren der zu betrachtenden Brodfabrik der „Aërated-Bread-Company“ in London (White-Croß-street)
                              unterscheidet sich in jedem dieser drei Abschnitte wesentlich von der
                              Handbäckerei.
                           Das Kneten des Teiges geschieht durch eine Knetmaschine,
                              und ist es nicht nöthig, daß dabei eine Hand den Teig berührt.
                           Der Gährungsproceß fällt ganz weg; dagegen tritt an dessen
                              Stelle das Einmischen einer beträchtlichen Menge von in Wasser gebundener
                              Kohlensäure. Es wird also bei vorliegender Fabricationsweise die für das Backen
                              durchaus nöthige und sonst sich durch die Gährung indirect erzeugende Kohlensäure
                              direct dem Teig zugeführt. Hiernach nennt sich auch die Gesellschaft „Aërated Bread-Company.“ Dieses
                              Verfahren ward von einem englischen Arzt, Dr. Dauglish, erfundenMan s. den Bericht über dieses Verfahren von W. Odling im polytechn. Journal Bd. CLV S. 148. A. d. Red. und dem Publicum als ein für die Gesundheit höchst günstiges empfohlen. Das
                              Gährungsverfahren bedingt eine Beimischung einer gewissen Menge irgend eines
                              Fermentes (hier Sauerteig). Bei dem Proceß entstehen Kohlensäure, Alkohol, und je
                              nach der Fortdauer, durch Oxydation des Alkohols, wenig oder mehr Essigsäure. Bei
                              dem Backen entweichen erstere beide gänzlich und erfüllen durch dieses Entweichen
                              ihre Function, indem sie die Porosität des Brodes schaffen. (Das Brod der Juden, wie
                              auch das spanische, hat keine Poren und wird die Verdaulichkeit durch die geringe
                              Dicke bei ersterem und durch die Anwesenheit von Fett bei letzterem erzielt.) Der
                              gebildete Essig bleibt zum Theil mit einigen Verwesungsproducten des Sauerteiges im
                              Brod zurück. Der Erfinder der neuen Verfahrungsweise ging jedenfalls von der Meinung
                              aus, daß das Gähren
                              ausschließlich den Zweck habe, durch Bildung von entweichenden Gasen und Dämpfen die
                              Porosität herbeizuführen, legte dabei aber gar keinen Werth auf den Geschmack, der
                              durch die angeführten Gährungsstoffe dem Brod verliehen wird. Das Brod der Aërated Bread-Company schmeckt nach deutscher
                              Gewohnheit läppisch, wie überhaupt das englische Brod, welches stets sehr wenig
                              gesalzen ist und eine kurze Gährung durchgemacht hat. Für englische Verhältnisse ist
                              daher das Verfahren ganz am Platze; wollte man es in Deutschland einführen, so müßte
                              untersucht werden, ob durch Zumischen von mehr Salz und einer gewissen Menge von
                              Essigsäure der Geschmack des deutschen Brodes erzielt würde. In wie fern jedoch jene
                              bei dem Gährungsverfahren auftretenden Substanzen das Brod für die Gesundheit
                              nachtheilig machen sollen, mag dahin gestellt bleiben.
                           Das Backen des Brodes geschieht in jener Fabrik in Oefen von wesentlich anderer
                              Construction, als bei der Handbäckerei.
                           Die verschiedenen Arbeiten der Brodbereitung sind nun der Reihe nach folgende:
                           Man eröffnet den mit einer mechanischen Verschlußvorrichtung (c) (s. die betreffende Abbildung Fig. 20) versehenen
                              Eingangshals o des kugelförmigen starken Gußeisengefäßes
                              g (Mischer) und nimmt alsdann den gewöhnlich an der
                              Decke aufgehängten Sackschlauch h ab, um eine Verbindung
                              zwischen dem Trichter und dem Mischer herzustellen. Darauf wird ein geeignetes
                              Quantum Mehl durch Einschütten in den Trichter in den Mischer gebracht und dann
                              derselbe wieder vermittelst seiner Vorrichtung luftdicht geschlossen. Nach dieser
                              Arbeit wird der Kondensator a, ein kupfernes,
                              cylindrisches, oben halbkugelförmiges, auf dem Mischer angebrachtes Gefäß nebst dem
                              Mischer durch die mit beiden communicirende Röhre e
                              luftleer gepumpt. Man öffnet zu diesem Zweck einfach den Hahn der Röhre e und sorgt für Herstellung der Bewegungstransmission
                              zwischen der im unteren Raum aufgestellten Dampfmaschine und Luftpumpe. Ist dieß
                              genügend geschehen, was durch den an der Wand angebrachten Vacuumzeiger K angezeigt wird, und ist zu gleicher Zeit durch die
                              Röhre f, welche mit einem Wasserbehälter communicirt,
                              das Wasser in dem Condensator a so hoch gestiegen, daß
                              die Wasserstandsröhre b durch Ablesen der Theilstriche
                              die gewünschte Anzahl von Gallonen angibt, so werden sowohl der Hahn der
                              Luftausgangsröhre, wie der der Wassereintrittsröhre geschlossen und es beginnt die
                              Einpressung der Kohlensäure in das im Condensator enthaltene Wasserquantum, oder,
                              mit anderen Worten, die Fabrication von Sodawasser. Dafür wird der Hahn der mit der
                              Gaspumpe communicirenden Röhre d geöffnet und die
                              Bewegungstransmission zwischen Dampfmaschine und Gaspumpe hergestellt. Die Pumpe
                              drückt so das kohlensaure Gas aus dem gefüllten, in der Nähe. befindlichen Gasometer
                              in den Condensator. Dieses wird so lange fortgesetzt, bis der an der Wand
                              angebrachte Manometer einen Druck von 195 Pfd. per
                              Quadratzoll englisch anzeigt. Darauf wird abgeschlossen und der Inhalt des
                              Condensators zur Eindringung der Kohlensäure in das Wasser 10 Minuten lang sich
                              selbst überlassen. Nach dieser Zeit wird durch die Röhre p eine Communication zwischen Condensator und Mischer hergestellt, wodurch
                              sich sofort das ganze Sodawasser, mit dem Druck seines eigenen Gewichts nebst der
                              expandirenden Kraft der noch ungebundenen Kohlensäure, in den Mischer ergießt.
                           Nun ist das Gemisch zum Kneten fertig. Dieß geschieht durch die Rotation der
                              Knetflügel s. In dem kugelförmigen Mischer ist nämlich
                              eine horizontale Welle r vermittelst Stopfbüchsen in der
                              Wandung des Mischers rotirbar gelagert; auf dieser Welle sind sechs Paar Schaufeln
                              radial befestigt, so daß immer ein Paar in einer Ebene liegt, in der sich auch die
                              ganze Wellenachse befindet. Die Schaufeln sind am Ende umgebogen und ein Paar ist
                              stets durch ein oder zwei mit der Achse parallel laufende Querstücke verbunden. (Um
                              die Schaufeln s deutlicher zu erkennen, ist der
                              kugelförmige Mischer nicht rund schraffirt.)
                           Nach genügendem Kneten wird der Mischer in Ruhe gestellt, der den Auslauf n verschließende Schieber durch Herausziehen in der
                              Richtung der Achse langsam geöffnet und dabei eine hölzerne, nach unten verengte
                              Form zur Bildung des Brodlaibes untergehalten. Der Teig quillt vermittelst des noch
                              vorhandenen Gasdruckes mit Gewalt in die Form, und es kommt hier nur auf die
                              Geschicklichkeit des Arbeiters an, daß durch richtiges Bewegen der Form unter dem
                              Auslauf her und durch rechtzeitiges Schließen des Schiebers die Gestalt und das
                              Gewicht des Brodlaibes richtig ausfällt. Die gefüllte Form wird sofort von einem
                              zweiten Arbeiter abgenommen, auf der geneigten zweitheiligen Bahn m nach dem circa 12 Fuß
                              entfernten Backofen gestoßen, dort auf eine Einschießschaufel gesetzt und in den zum
                              Backen vorbereiteten Ofen eingeschossen. Die leere Form ist indessen durch einen
                              zweiten am Backofen aufgestellten Arbeiter nach der Maschine zurückgestoßen worden.
                              Auf diese Art sind fortwährend die beiden Arbeiter an der Maschine und die beiden
                              anderen an dem Backofen, jeder mit seiner Arbeit, so lange beschäftigt, bis der
                              Mischer geleert und der Ofen gefüllt ist.
                           Der Backofen ist ganz von Eisen und doppeltwirkend eingerichtet, d.h., er besteht aus
                              zwei über einander befindlichen, unter sich vollständig abgeschlossenen Räumen, von
                              welchen zuerst der obere und dann der untere gefüllt wird. Beide besorgen dann zu gleicher
                              Zeit das Backen ihres Inhaltes und es entspricht ein jeder derselben dem halben
                              Inhalt des Mischers = 100 Laibe à 2 Pfund. Die
                              Einrichtung und damit die Bedienung des Ofens ist insofern abweichend von
                              derjenigen, wie sie in Deutschland gewöhnlich gebräuchlich ist, daß die
                              Backbodenplatte nicht durch unmittelbare Berührung des brennenden Brennmaterials
                              (Holz) erwärmt wird, sondern in den beiden, nach je einer der zwei erwähnten
                              Abtheilungen offenen Räumen wird ein Feuer (Steinkohlen) so lange erhalten, bis die
                              über die Backbodenplatten hinziehenden Verbrennungsgase in den Backräumen eine
                              genügende Temperatur erzeugt haben. Diese Temperatur ist 850° F. (=
                              363° R. = 454° C.) und wird durch ein an der Einschußthüre
                              angebrachtes Thermometer controlirt. Der Ofen wird vor dem Einfüllen mit einem
                              Wischer gereinigt; das Brod schmeckt nicht im geringsten nach Rauch oder sonst einer
                              von der Feuerungsart herrührenden fremden Substanz.
                           Die Bereitung der Kohlensäure geschieht in faßartigen,
                              liegend aufgehängten Gefäßen und besitzen dieselben im Innern eine um die
                              geometrische Achse des Gefäßes rotirende Rührvorrichtung. Die Erzeugungsmaterialien
                              sind: Kreide, Wasser und Schwefelsäure.
                           
                              Dauer der einzelnen Arbeiten und Productionsfähigkeit der
                                 Fabrik:
                              
                           
                              
                                 das Einfüllen des Mehls in dem Mischer dauert, mit Einschluß
                                    der    Vorbereitungsarbeiten, Oeffnen,
                                    Schließen etc.
                                   3 Minuten
                                 
                              
                                 das Auspumpen der Luft, Einpumpen des Gases
                                   5     „
                                 
                              
                                 die Einwirkung des Gases unter Wirkung seines eigenen
                                    Druckes    auf das Wasser
                                 10     „
                                 
                              
                                 das Kneten
                                   7     „
                                 
                              
                                 das Entleeren des Mischers und Füllen des Ofens
                                   5     „
                                 
                              
                                 das Backen
                                 30     „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 Summa
                                 60 Minuten.
                                 
                              
                           Die Fabrik besitzt drei Knetmaschinen, und zwar zwei je für 350 Pfund Mehl, 200 Laib
                              Brod à 2 Pfd., und eine für das doppelte Quantum;
                              ferner sind zwei Doppelöfen (für 200 Laib Brod à
                              2 Pfd.) vorhanden. Gewöhnlich sind die zwei kleinen Maschinen abwechselnd und ein
                              Ofen im Gang. Nach obiger Zeitberechnung können also bei einfacher Arbeit per Stunde 200 Laib Brod = 400 Pfd., in 12 Stunden 2400
                              Laib Brod = 4800 Pfd. fabricirt werden; bei doppeltem Arbeiten 4800 Laib Brod = 9600
                              Pfd. Nach Aussage des Führungsbeamten soll sich manchmal die tägliche Production auf
                              30 bis 40 Ofenfüllungen belaufen, was einem Quantum von 6000 bis 8000 Laib = 12000
                              bis 16000 Pfd. Brod entspräche.
                           
                           Zur Controle der Dauer der verschiedenen Arbeiten ist zweckmäßiger Weise in der Nähe
                              einer gewöhnlichen Uhr noch ein Zifferblatt mit verstellbaren Zeigern
                              angebracht.
                           In der Fabrik selbst herrscht große Reinlichkeit und Ordnung. Das fertige Brod wird
                              auf Gerüsten aufgesetzt und ein großer Theil befindet sich in einem auf die Straße
                              gerichteten, mit der Fabrik eng verbundenen Laden. Außer diesem sind noch
                              verschiedene Niederlagen in der Stadt errichtet, die durch Aushängschilder
                              „Aërated
                                    Bread-Company“ auffallen. Mehrere eigens dazu eingerichtete
                              Wagen bringen das Brod aus der Fabrik an die verschiedenen Orte des Consums.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
