| Titel: | Ueber Panzerschiffe; vom Admiral Paris. | 
| Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. XXXIX., S. 169 | 
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                        XXXIX.
                        Ueber Panzerschiffe; vom Admiral Paris.
                        Aus den Comptes rendus,
                              t. LVII p. 969.
                        Paris, über Panzerschiffe.
                        
                     
                        
                           Ich übergebe hiermit der (französischen) Akademie eine Abhandlung über die
                              gegenwärtig die Marine am meisten beschäftigende Frage, nämlich die der
                              Panzerschiffe.
                           Die Umgestaltung der Kriegsfahrzeuge in Panzerschiffe ist, soweit sie sich auf deren
                              Verwendung in ruhigem Wasser bezieht, mit vollständigem Erfolge durchgeführt worden,
                              indem sich die Aufgabe hierbei auf die Gewichtsberechnung der weggenommenen und
                              durch Eisenplatten ersetzten Kanonen, Verdecke und Masten reducirte.
                           Weniger einfach jedoch gestaltet sich die Frage, sobald es sich um das Verhalten
                              dieser neuen Constructionen in bewegter See handelt, d.h. wenn alle die
                              beträchtlichen Massen, deren Wirkung auf das ganze System durch die vorgenommenen
                              Aenderungen ihrer Lagen umgestaltet wurde, den heftigsten Bewegungen ausgesetzt
                              sind. In der That zeigte es sich auch alsbald, daß diese in so vielen anderen
                              Beziehungen bemerkenswerthen neuen Fahrzeuge den Fehler haben, bedeutend stärker zu
                              rollen als die älteren Schiffe, woraus sich für erstere ein doppelter Nachtheil
                              ergibt, indem sie statt übereinander liegende Batteriedecke zu besitzen, deren obere
                              außer dem Bereiche der Wellen liegen, ihre ganze Bestückung in der unbedeutenden
                              Höhe von 1,70 bis 2 Met. über der Schwimmfläche führen. Es bedarf demnach keines
                              sehr bedeutenden Rollens, um dieselben zum Schließen der Lucken zu nöthigen, während
                              überdieß dieselben Bewegungen jede sechste oder achte Secunde den unteren Theil des
                              Panzers bloßlegen, da derselbe bloß bei vollem Tiefgange und in der Mitte des
                              Schiffes bis zu 2 Meter unter die Schwimmfläche sich erstreckt. Solche Schiffe
                              verlieren in diesem Falle zu gleicher Zeit an Stärke und an
                              Widerstandsfähigkeit.
                           Es ist begreiflich, daß diese wichtige Frage mich, sowie viele andere Officiere
                              beschäftigt und daß sie die Erinnerung an die alten Constructionen wachgerufen hat,
                              deren Bewegungen durchgehend weniger stark waren als die der neueren Schiffe.
                              Diese alten Formen unterscheiden sich von den neuen mit senkrecht über der
                              Wasserlinie aufsteigenden Bordwänden, besonders durch ihre wie unter Wasser ebenso
                              auch oberhalb in kreisförmiger Krümmung fortgesetzten Spantenformen. Sie besaßen
                              nämlich die mit so vieler Schönheit ausgeführten einfallenden Seiten, wodurch die
                              Form des Schiffes sich der Gestalt eines Umdrehungskörpers mit in der Schwimmfläche
                              liegender horizontaler Achse näherte, welcher, falls er homogen wäre, gar keine
                              Stabilität besitzen würde und sich mit dem Finger umdrehen ließe. Weil aber einem
                              solchen Körper in Folge seiner Form keine Kraft innewohnt, um ihn in irgend einer
                              Lage zu erhalten oder in eine solche zurückzuführen, so besitzt er auch keine Kraft,
                              um eine Lage zu verändern, welche durch ein außerhalb der Achse befindliches Gewicht
                              hervorgerufen würde. Ein Floß hingegen hält sich durch seine eigene Form horizontal,
                              es folgt aber auch den geringsten Wellenbewegungen des Meeres. Man kann sich hiervon
                              täglich überzeugen durch Vergleichung der als Ankerbojen dienenden schwimmenden
                              Fässer, mit den sogenannten Kielbrahmen; wenn die ersteren auf- und niedersteigen
                              ohne eine Winkelbewegung zu machen, erleiden letztere die heftigsten Schwankungen
                              und sind mit Schaum überdeckt.
                           Es wirft sich hier von selbst die Frage auf, warum man denn von diesen alten Formen
                              abgekommen sey? Die Ursache hiervon ist, daß sie mit ihren Vorzügen den Nachtheil
                              verbanden, einen bedeutenden Ballast zu bedürfen, und daß folglich ein Schiff,
                              welches etwa 400 Tonnen des letzteren zu führen genöthigt war, ein gleiches.
                              Gewichtsquantum weniger Ausrüstungsgegenstände einnehmen konnte. Man hat deßhalb
                              auch die interessante Aufgabe der Construction von Kriegsschiffen älterer Form ohne
                              Ballast zu lösen versucht, erhielt jedoch so heftige Bewegungen, daß man auf die
                              Lösung dieser Aufgabe verzichten mußte, während gegenwärtig Maschine und Kessel
                              einen bleibenden Ballast bilden, daher ein Umschlagen unter drei Vorsegeln nicht
                              mehr zu befürchten ist. Unter den gegen das Einfallen der Schiffswände erhobenen
                              Einwürfen wurde namentlich der Mangel an Raum zu vollständigen Segelmanövern auf
                              schmalem Verdecke, die Hindernisse des Ueberspringens von einem Schiffe auf's andere
                              beim Entern, sowie der zu spitze Winkel der Wanten und Pardunen geltend gemacht. Auf
                              einem Panzerschiffe gibt es jedoch keine Gesammtmanöver mit drei Schooner- und einem
                              Marssegel; mit Maschinen von 4000 Pferdekräften ist keine Enterung mehr möglich, und
                              drei schwache Masten werden leicht getragen. Hingegen kommt es hier, wie wir gesehen
                              haben, mehr denn je darauf an, wenigst möglich zu rollen. Der erwähnte Uebergang von
                              der älteren rückspringenden zu den neueren Schiffsformen erklärt sich auch noch dadurch, daß unter
                              Ludwig XIV. und bis zum Kaiserreiche alle Kriege auf
                              dem Ocean ausgefochten, seit dem Frieden aber die Flotten durch die politischen
                              Verhältnisse auf den ruhigen Gewässern des Mittelmeeres und besonders des Archipels
                              zurückgehalten wurden; von letzterem Zeitabschnitte an finden wir die geraden Wände
                              und die heftigen Rollbewegungen.
                           Zum Verständnisse dieses Einflusses der Formen auf die Bewegungen ist in Betracht zu
                              ziehen, daß, indem die Welle auf der einen Seite eben so viel aufsteigt als sie auf
                              der anderen Seite sinkt, sie bloß in der äußeren Gestalt des Schiffes einen
                              Anhaltspunkt findet, um dasselbe aus seiner Lage zu bringen; indem sie letzteres
                              thut, theilt sie aber die Bewegung allen vorhandenen Massen mit, deren
                              Trägheitsmomente nach Maßgabe ihrer Ortspunkte selbst derartig wirken, daß bisweilen
                              sogar Kanonen über Bord geschleudert werden trotz der sie festhaltenden Seile.
                           Diese Wirkungen der Massen haben zu einer Vergleichung der Rollbewegungen mit denen
                              eines Pendels Veranlassung gegeben, welche jedoch bloß in dem Falle richtig wäre,
                              wenn das Schiff nur einmal einen Antrieb empfienge. Dem ist jedoch nicht so, da die
                              Wellenwirkungen periodisch fortdauern, so daß es sich nicht um die bei einem Pendel,
                              sondern um die bei einem heftig bewegten Waagbalken eintretenden Erscheinungen
                              handelt; wenn man z.B. die 5 Secunden dauernde normale Schwingungszeit des
                              Waagbalkens mit Gewalt auf 4 oder 3 Secunden reducirt, so muß eine gewisse
                              Heftigkeit in seinen Bewegungen eintreten, während selbige, obwohl sanft bleibend,
                              an Ausdehnung zunehmen wenn der Antrieb stets von 5 zu 5 Secunden erfolgt; auf 6
                              Secunden ausgedehnt vermindert sich die Intensität, weil der Antrieb mit der
                              Differenz der Geschwindigkeiten erfolgt. Da die Wellen ungefähr nach 5 bis 8
                              Secunden auf einander folgen, je nach dem Zustande des Meeres, so geschehen auch die
                              Rollbewegungen in denselben Zwischenräumen, jedoch mit großer Verschiedenheit in
                              Ausdehnung und Heftigkeit. Es ist dieß ersichtlich, wenn bei todtem Seegange die
                              Wellen in ganzer Einfachheit ihrer Formen erscheinen und alsdann jedes Schiff,
                              welches auch seine Größe seyn mag, augenblicklich ihren Einwirkungen gehorcht. Was
                              nämlich bei einem Waagbalken durch Stöße geschieht, wird bei einem Schiffe durch
                              Niveau-Schwankungen des Wassers verursacht; während auf der einen Seite 300 aus dem
                              Wasser gehobene Kubikmeter sich ohne Unterstützung befinden und sich zu senken
                              beginnen, werden auf der anderen Seite 300 Kubikmeter, die unter das Wasser getaucht
                              sind, nach aufwärts getrieben. Alles Angeführte scheint sehr einfacher Natur zu
                              seyn, läßt aber keine Erklärung durch Rechnung zu, da es nicht möglich ist, in Ziffern ausgedrückte
                              Rechnungselemente zu erhalten. Denn was sind diese Hügel, welche so schnell sich
                              fortzubewegen scheinen, daß noch nie ein Schiff ihnen folgen konnte und die doch nur
                              durch Auf- und Niedersteigen der einzelnen Wassertheilchen erzeugt werden? Man ist
                              noch nicht einmal über die Form der Wellen unterrichtet, und die Hydrauliker werden
                              zugeben müssen, daß diese mächtigen Bewegungen der Flüssigkeiten auf noch nicht
                              ergründeten Gesetzen beruhen.
                           Man muß demnach zu den durch eine alte Erfahrung erprobten Schiffsformen
                              zurückkehren, welche jetzt keine Nachtheile mehr darbieten; einem Umdrehungskörper
                              ähnlich, werden sie weniger heftige Bewegungen annehmen und die Trägheitsmomente der
                              Eisenmassen des Panzers nicht zur Wirkung kommen lassen. Ich habe zu diesem Zwecke
                              eine große Anzahl der während der denkwürdigen Zeitepoche Ludwig's des XVI. gebauten Schiffe copirt und verglichen, und endlich das
                              im Jahre 1740 von Ollivier gebaute berühmte Linienschiff
                              Royal-Louis zum Modelle genommen. Da jedoch den
                              durch die Panzerung und die Bewegung mittelst Dampfkraft gegebenen Bedingungen
                              Rechnung getragen werden mußte, so war es nöthig die Formen des Vorder- und
                              Hintertheiles mehr scheinbar als wirklich zu verändern, während die das Rollen
                              hauptsächlich beeinflussenden Querschnittsformen sorgfältig beibehalten wurden. Da
                              der alte Dreidecker ein bedeutend geringeres Gewicht zu tragen hatte, so mußten die
                              Dimensionen vergrößert und das Deplacement von 4730 auf 7500 Tonnen erhöht, also das
                              der Panzerfregatte Couronne noch um 1200 Tonnen
                              übertroffen werden, weil die täglich zunehmende Zerstörungskraft der Artillerie
                              unter Wasser schon Platten von 0,15 statt 0,12 Met. und über Wasser von 0,12 statt
                              0,10 Met. Dicke erheischt. Deßgleichen ist statt einer 900pferdigen Maschine eine
                              solche von 1100 Nominal-Pferdekräften erforderlich, um den größeren Schiffskörper
                              auch noch mit vermehrter Geschwindigkeit zu bewegen.
                           Es sind dieses die allgemeinen Grundzüge des in einem Maaßstabe von 0,1 Met. per Meter gezeichneten Planes, welchen ich der Akademie
                              vorlege.
                           Dieser Entwurf bietet noch einige Eigenthümlichkeiten dar, welche ich hier kurz
                              besprechen will. So zeigt derselbe einen horizontalen Kiel, wie die vorzüglichsten
                              Packetboote, statt einer um 1,20 Met. stärkeren Tauchung achter, wie sie bei den
                              meisten Kriegsschiffen vorkommt. Es ermöglicht dieß bei gleichem Deplacement das
                              Einlaufen in Häfen, welche außerdem unzugänglich wären. Anderntheils jedoch würde in
                              Folge dessen die Schraube einen zu geringen Durchmesser erhalten, um die Wirkung der
                              Maschine auf eine Masse von 7,500,000 Kilogrammen übertragen zu können. Ich schlage demnach
                              die Anwendung von zwei Schrauben vor, wie sie schon auf mehreren kleinen Schiffen
                              vorhanden sind und worin ich hauptsächlich den Vortheil einer Theilung der
                              Maschinenwirkung erblicke; bei diesen großen Treibapparaten stehen nämlich die
                              Wirkungen nicht mehr im Verhältnisse zu den Dimensionen der entsprechenden Theile,
                              und eine Maschine von 1000 Pferdekräften, in allen ihren Theilen einer 500pferdigen
                              ähnlich, besitzt nicht gleich gute Elemente eines guten Ganges. Bei voller
                              Geschwindigkeit ist ein durch eine einzige Schubstange übertragener Druck von mehr
                              als 50,000 Kilogrammen furchterregend, wenn man diese Schubstange in einer Minute
                              sich 50mal hin und 50mal zurück bewegen sieht. Zwei auf eine doppelte Wassermenge
                              wirkende Schrauben haben einen geringeren Rücklauf als eine einzige, d.h. das Wasser
                              weicht unter dem Drucke weniger zurück, gerade so wie der breite Fuß eines Kameeles
                              wenig in den Sand einsinkt. Die auf zwei Schrauben vertheilte Arbeit wird jedenfalls
                              auch die zu häufigen Brüche der Flügel seltener machen, was namentlich von großer
                              Wichtigkeit ist für solche Schiffe, welche zu wenig Segel führen, um im Falle der
                              Gefahr auf den mechanischen Treibapparat verzichten zu können. Bloß die Seeleute
                              werden in dem Systeme der Doppelschrauben Nachtheile erblicken, weil sich dieselben
                              weiter hinaus auf die Seiten des Schiffes erstrecken und somit größere Gefahr der
                              Umstrickung der Schraubenflügel durch schwimmende Gegenstände besteht. Dagegen
                              besitzt man aber im Falle der Beschädigung des einen Propellers am anderen stets
                              einen Reserveapparat von noch hinreichender Stärke, um das Schiff mit einer nicht zu
                              geringen Geschwindigkeit zu treiben, ohne die Wirkung des Steuerruders viel zu
                              beeinträchtigen. Dieses System wurde wohl deßhalb nicht schon früher in Vorschlag
                              gebracht, weil es bei hölzernen Schiffen unausführbar ist, da das Gerippe zum
                              Durchgange einer jeden der beiden Achsen hätte durchschnitten werden müssen. Bei
                              eisernen Constructionen hingegen läßt sich den Rippen jede beliebige Form geben und
                              das Ausgangsrohr der Achse erhält die gleiche Stärke wie der übrige Bau.
                           Schließlich bemerke ich, daß die gegenwärtigen Panzerschiffe um den vierten Theil
                              schwerer sind als ein ehemaliger Dreidecker und gleichwohl nicht höher über Wasser
                              ragen als eine Fregatte. Es folgt hieraus, daß bei einem Seegange, welcher das
                              Linienschiff zur Schließung seiner oberen Lucken nöthigt, das Wasser über das
                              Panzerschiff hinausschlägt und theilweise in den Raum hinabfließt, von wo es bloß
                              durch Pumpen entfernt werden kann. Ich habe deßwegen schon vor drei Jahren
                              vorgeschlagen, sich wie bei den schnellfahrenden Packetdampfern hiegegen durch
                              Ueberdachung des Vordertheiles vermittelst eines ziemlich ausgedehnten Verdeckes zu schützen. Da jedoch
                              das über dieses Deck hinschwellende Wasser mit einer Geschwindigkeit gleich der des
                              Schiffes gegen den Hintertheil zu abfließt, so würde es den durch das Deck
                              erstrebten Schutz zu nichte machen, wenn man letzteres nicht mit schiefen Leisten
                              versähe, um die Richtung des Wasserstromes abzulenken und denselben wieder über Bord
                              zu leiten. Ohne diese Vorsichtsmaßregeln werden die Panzerschiffe den reich
                              beladenen Packetdampfern nachschauen müssen, ohne sie verfolgen zu können, weil das
                              in den Raum hinabstürzende Wasser die Kesselfeuer auslöscht.
                           Dieß sind in Kurzem die hauptsächlichen von mir der französischen) Marine
                              vorgeschlagenen Aenderungen.