| Titel: | Der atmosphärische Webstuhl von C. W. Harrison in London. | 
| Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. CIX., S. 426 | 
| Download: | XML | 
                     
                        CIX.
                        Der atmosphärische Webstuhl von C. W. Harrison in London.
                        Aus dem London Journal of
                                 arts, Februar 1865, S. 73.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VII.
                        Harrison's atmosphärische Webstuhl.
                        
                     
                        
                           Bei dem von dem Civilingenieur Charles Weightman Harrison
                              in London (26, Lombard-street) erfundenen sogenannten
                              atmosphärischen oder pneumatischen Webstuhle (patentirt in England am 18. November
                                 1862) werden die verschiedenen arbeitenden Theile mittelst Luftdruck in Bewegung
                              gesetzt.
                           Fig. 25 ist
                              ein verticaler Längendurchschnitt dieses Webstuhles;
                           Fig. 26 ist
                              die Vorderansicht desselben; dieselbe zeigt auch zugleich einen Längendurchschnitt
                              der Schützenkästen.
                           Fig. 27 ist
                              ein besonderer Verticaldurchschnitt der Vorrichtung zur Einführung der Luft, welche
                              die Schützen treibt;
                           Fig. 28 ist
                              eine Seitenansicht derselben.
                           
                           A ist das Stuhlgestell, B
                              die Lade, welche sich in den oben im Nahmen befindlichen Schlitzen C vor und zurück bewegt und dabei von den
                              Antifrictionsrollen D getragen wird, welche längs der an
                              die Innenseiten des Rahmens entweder angegossenen oder in dieselben eingefügten
                              Leitschienen E laufen. In der Mitte der Lade sind an die
                              Welle d der Rollen die Schnüre F,
                                 F' befestigt, von welchen die eine über die zwei Leitrollen a, b geht und an ihrem anderen Ende mit der Kolbenstange
                              G verbunden ist, die sich durch die beiden Böden des
                              horizontalliegenden und mittelst Bolzen an das Stuhlgestell (in dessen
                              Längenrichtung) befestigten Luftcylinders H bewegt. Der
                              Luftcylinder wird aus irgend einem passenden Behälter mit comprimirter Luft
                              versehen, wobei ein beliebiges gutes Ventilsystem angewendet wird, um die Luft
                              abwechselnd an jedem Ende des Cylinders ein- und austreten zu lassen und die
                              Kolbenstange in eine hin und her gehende Bewegung zu versetzen. An das
                              entgegengesetzte Ende der Kolbenstange ist die Schnur F'
                              befestigt, welche um die Leitrollen c, e, f geht und mit
                              ihrem anderen Ende an dem eisernen Haken an der Welle oder Achse d der Laderollen angehängt ist. Sobald die Luft in den
                              Cylinder eingelassen ist, theilt die alternirende Bewegung des Kolbens der Lade in
                              ihren Führungen eine vor- und zurückgehende Bewegung mittelst der Riemen F und F' mit, welche
                              dieselbe abwechselnd nach entgegengesetzten Richtungen ziehen und dadurch das
                              Anschlagen des Einschusses hervorbringen. Die Schäfte I,
                                 I' sind an den Rollen g der Spindel g' mittelst der Riemen h
                              aufgehängt. Die unteren Theile der Schäfte sind durch die Riemen h' verbunden, welche um entsprechend angebrachte Rollen
                              herum zu den oben bei g befindlichen führen; diese in
                              der Abbildung nicht sichtbaren Rollen werden von der Welle k in Bewegung gesetzt. Durch die Uebertragung einer abwechselnd nach
                              beiden Richtungen hin stattfindenden Bewegung auf die Welle k werden die Schäfte auf und nieder gehen, und diese abwechselnde Bewegung
                              wird der Welle k eben durch die combinirte Leitrolle e mitgetheilt. Denn die Rolle e dreht sich in Folge der Reibung des Riemens F' um, so daß wenn letzterer sich hin und her bewegt, auch die Scheibe e sich in der einen oder anderen Richtung umdreht,
                              wodurch auch die Schäfte in Bewegung gesetzt werden. An jedem Ende der Lade ist ein
                              Schützenkasten L angebracht, welcher an seinen Seiten
                              geschlossen, aber an jedem seiner Enden offen ist. In diese Kästen tritt die Schütze
                              M ein und füllt sie zwar genau, aber doch nicht
                              luftdicht aus, damit eine unnöthige Reibung zwischen der Schütze und dem Kasten
                              vermieden wird. Die Schützenbahn besteht aus Glas oder Porzellan, oder die Schütze
                              selbst wird mit einem dieser beiden Materialien bekleidet. Mit den äußeren Enden der Kästen sind
                              die Luftleitungsröhren N, N' verbunden, von denen ein
                              Stück entweder biegsam hergestellt oder mit verschiebbaren Gelenken versehen wird,
                              damit dieselben den Bewegungen der Lade folgen können. Diese Röhren N, N' stehen an ihren entgegengesetzten Enden mit den
                              Hebeln O, O' in Verbindung; P ist ein unbeweglicher Halter (Unterlage), welcher die Vorrichtung zur
                              Vertheilung der Luft (das Pneumatom genannt) trägt. Q, Q' sind zwei Scheiben, welche in der Nähe ihres
                              Umfanges mit gleich weit von einander abstehenden Löchern i,
                                 i versehen sind. Diese Scheiben sitzen auf einer Welle oder Spindel R fest, welche in Lagern rotirt, die an das Hauptgestell
                              befestigt sind. Die Enden der Röhren N, N' reichen bis
                              dicht an die Außenseiten der sich drehenden Scheiben und passen genau auf deren
                              Löcher i, so daß beim Rotiren der Scheiben der Reihe
                              nach jedes Loch dem Mundstück der einen oder anderen Luftleitungsröhre gegenüber
                              gebracht wird. S ist eine ringförmige, an den Halter P befestigte Luftkammer, an deren beiden
                              entgegengesetzten Seiten die sich drehenden Scheiben Q,
                                 Q' so angebracht werden, daß die Kammer. luftdicht geschlossen ist. Jede
                              Seite der Kammer hat bloß eine Oeffnung k, k', welche in
                              der Verlängerung des Endes der Luftleitungsröhren N, N'
                              liegen. Aus dem Behälter mit der comprimirten Luft wird letztere durch die Röhre T in die Luftkammer S
                              geleitet. Auf die Welle R ist ein Sperrrad U aufgekeilt, welchem eine intermittirende rotirende
                              Bewegung bei jedem Vorwärtsgange des Kolbens in dem Cylinder durch einen kleinen
                              Sperrkegel l mitgetheilt wird, der von einem kurzen, die
                              Kolbenstange mit der Schieberstange V verbindenden
                              Kreuzkopfe fortgerückt wird. Die Bewegung wird auf folgende Weise regulirt: bei
                              jedem Zahne dreht sich das Sperrrad so weit um, daß eines von den Löchern i in der Scheibe Q oder Q' vor das Mundstück der Luftleitungsröhre N oder N' und vor die
                              gegenüber befindliche Oeffnung k oder k' in der Luftkammer gelangt, daher ein Luftstrahl durch
                              die eine oder andere von den Röhren N, N' hindurch in
                              den Schützenkasten geht, die Schütze aus demselben austreibt und sie nöthigt, quer
                              durch den Webstuhl zu schießen und in den entgegengesetzten Schützenkasten
                              einzutreten, aus welchem dieselbe ebenso durch einen hierauf in diesen eindringenden
                              Luftstrahl wieder ausgetrieben wird. Damit die Luft abwechselnd in jeden
                              Schützenkasten einströmen kann, werden die Löcher i in
                              der Scheibe Q so angebracht, daß sie nicht den Löchern,
                              sondern den Zwischenräumen zwischen diesen in der anderen Scheibe Q' gegenüberliegen. Da jede Bewegung der Scheiben gleich
                              dem halben Abstande der Mittelpunkte zweier Löcher i (in
                              ein und derselben Scheibe) ist, so folgt hieraus, daß die Löcher in beiden Scheiben
                              abwechselnd vor die Oeffnungen 
                              k, k' in der Luftkammer gebracht werden und die Luft
                              also das eine Mal durch die Oeffnung k und die Röhre N, das andere Mal durch die Oeffnung k' und die Röhre N' in die
                              zugehörigen Schützenkästen gelangt.
                           Der zuletzt beschriebene Theil der Erfindung kann jedoch auf verschiedene Art
                              ausgeführt werden; man macht z.B. die Scheiben unbeweglich und läßt dagegen die
                              Kammer S sich umdrehen; dann decken sich die beiden
                              Lochreihen i, i in den zwei Scheiben, während die
                              Oeffnungen k, k' in der Kammer nicht auf einander
                              treffen, sondern so angebracht sind, daß die eine derselben vor das Loch i in der einen Scheibe, die andere aber vor den
                              Zwischenraum zwischen den Löchern in der zweiten Scheibe zu stehen kommt.
                           Die Bewegung des Zeugbaumes veranlaßt der Riemen F,
                              welcher an der Rolle W herstreicht und dieselbe durch
                              Reibung umdreht. Auf die Achse der Rolle W ist ein
                              Getriebe X befestigt (in der Zeichnung punktirt),
                              welches in ein entsprechendes Zahnrad Y auf der Welle
                              des Zeugbaumes Z eingreift und demselben eine rotirende
                              Bewegung für das Aufwickeln des Zeuges mittheilt. Die Rolle W und das Getriebe X sind durch ein Sperrrad
                              und einen Einfallhaken verbunden, damit die Rolle, wenn sie sich in Folge der in
                              umgekehrter Richtung stattfindenden Bewegung des Riemens F in entgegengesetztem Sinne bewegt, dieß thun kann, ohne das Getriebe
                              umzudrehen und so auch dem Zeugbaum eine intermittirende rotirende Bewegung
                              mitgetheilt wird. Um die Reibung zwischen dem Riemen und der Rolle W zu vergrößern, wird ein Kautschukstück an die Stelle
                              des Riemens befestigt, welche an der Rolle herstreicht.Nach einem Berichte im Observer, welcher in das
                                    Mechanics' Magazine übergieng, hat der
                                    atmosphärische Webstuhl vor Kurzem in London seine öffentliche Prüfung vor
                                    einer Zahl Fabrikanten, Techniker etc. bestanden. Den bis jetzt
                                    gebräuchlichen Maschinenwebstühlen wird in jenem Bericht das betäubende
                                    Geräusch, großer Kraftverlust, Unregelmäßigkeit der Gewebe, großer
                                    Oelverbrauch, unangenehmer Geruch in Folge der Berührung des Oeles mit der
                                    warmen Oberfläche des Pickers etc. vorgeworfen und dieß erkläre die große
                                    Zahl von Verbesserungen, welche seit Jahren in Vorschlag gebracht wurden,
                                    sich aber nur auf Details erstreckten. Die großen Vorzüge des neuen Stuhles
                                    sollen dagegen namentlich in der rascheren Arbeit bestehen, da das
                                    Schiffchen wenigstens 240mal in der Minute stiege; bei der erwähnten Probe,
                                    wo ein pneumatischer und ein gewöhnlicher Kraftstuhl unter denselben
                                    Verhältnissen der Dampfkraft arbeiteten, wurde außer dieser
                                    Geschwindigkeitsvermehrung noch der Wegfall der Fadenbrüche hervorgehoben;
                                    ein bei der Probe Anwesender, der als praktisch mit der Weberei vertraut
                                    bezeichnet ward, glaubte die durch die raschere Arbeit erzeugte
                                    Productionsvermehrung auf wenigstens 25 Proc. veranschlagen zu können, was
                                    bei einer jährlichen Production von 11,000 Yards für einen gewöhnlichen
                                    Stuhl ein Mehr von 2800 Yards ergibt. Der Kraftbedarf eines pneumatischen
                                    Stuhles wird zu 8/15 von dem eines gewöhnlichen angegeben (was ziemlich
                                    unwahrscheinlich ist). Der neue Stuhl soll aber weiter aus gleichem
                                    Garne ein entschieden besseres Gewebe als der alte liefern, weil bei ihm das
                                    Schiffchen in mathematisch gerader Linie hin und her getrieben werde, und
                                    habe auch das auf ihm bei der Probe dargestellte Gewebe unter dem Mikroskop
                                    eine viel größere Regelmäßigkeit erkennen lassen. Endlich sollen noch die
                                    Anlage- und Unterhaltungskosten wesentlich geringer und der neue Stuhl auch
                                    für die Gesundheit der Arbeiter vortheilhafter seyn, da der 240mal in der
                                    Minute zur Bewegung des Schiffchens ausgelassene Luftstrom eine Ventilation
                                    der Arbeitsräume bewirte etc.Dagegen bemerkt ein Correspondent im Glasgow
                                       Herald (Mechanics' Magazine vom 20.
                                       Januar 1865), daß es mit großen praktischen Schwierigkeiten verbunden sey,
                                    die Klappen, Kolben etc. vollkommen dicht zu halten, lange Röhrenleitungen
                                    unter dem Fußboden anzubringen, welche jedem Webstuhle die comprimirte Luft
                                    zuführen, eine Druckpumpe zum Comprimiren der Luft mittelst der
                                    Dampfmaschine zu treiben, von einem auf der Hauptachse des Webstuhls
                                    angebrachten Getriebe aus die Klappen zu bewegen etc., und daß dadurch der
                                    Wegfall von 38 Bestandtheilen des bisherigen Maschinenwebstuhls mehr als
                                    ausgeglichen werde.Uebrigens hat man schon vor zehn Jahren das betäubende Geräusch, welches eine
                                    größere Zahl Kraftstühle durch das Schützenwerfen verursacht, dadurch zu
                                    vermeiden gesucht, daß man die Treiber mit den Kolben kleiner Luftcylinder
                                    verband, in welche aus einem Vorrathsbehälter comprimirte Luft eintrat, um
                                    durch das plötzliche Verschieben der Kolben die Schützenbewegung zu
                                    erzeugen; man s. die Beschreibung von Rob. Boyd's
                                    geräuschlosem Maschinenstuhl im Jahrgang 1854 des polytechn. Journals, Bd.
                                       CXXXII S. 181. A. d. Red.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
