| Titel: | Ueber die Schwierigkeiten der Zuckerfabrication aus Runkelrüben in gewissen Jahrgängen und die Mittel zu deren Vermeidung; von Leplay und Cuisinier. | 
| Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. CXIX., S. 456 | 
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                        CXIX.
                        Ueber die Schwierigkeiten der Zuckerfabrication
                           aus Runkelrüben in gewissen Jahrgängen und die Mittel zu deren Vermeidung; von Leplay und Cuisinier.
                        Aus den Comptes
                                 rendus, 1865, t. LX p. 221.
                        Leplay und Cuisinier, über Rübenzuckerfabrication.
                        
                     
                        
                           Die Zuckerfabrication aus Runkelrüben bietet in gewissen Jahrgängen, ja fast jedes
                              Jahr in den letzten Arbeitsmonaten, zwei Schwierigkeiten dar, welche man mit
                              „schwierigem Kochen“ und mit „Gährung“
                              bezeichnet. So oft diese Uebelstände eintreten, erschweren sie die Arbeit und
                              verringern Qualität und Quantität des erzeugten Zuckers. In der Campagne 1863/64
                              haben sie sich in bisher noch nicht beobachteter Verbreitung gezeigt. Unter diesen
                              Verhältnissen waren wir in der Lage, darüber eingehende Untersuchungen in der Fabrik
                              vorzunehmen, alle Phasen der Erscheinungen zu studiren und die Mittel zu ihrer
                              Vermeidung aufzusuchen.
                           Alles was bisher über die Zuckerfabrication geschrieben wurde, wirft nur wenig Licht
                              auf diese Fragen. Unsere chemischen Untersuchungen haben uns folgende Resultate
                              geliefert:
                           1) Die sogenannte „Gährung“ ist eine freiwillige Zersetzung
                              derjenigen stickstoffhaltigen Substanzen, welche den üblichen Reinigungsmitteln
                              entgangen sind.
                           2) Wenn man den Rübensaft und Syrup einige Zeit mit caustischen Alkalien und Kalk
                              kocht, so werden diese stickstoffhaltigen Substanzen zersetzt und es entstehen
                              daraus: Ammoniak, welches entweicht, kohlensaurer Kalk, welcher niederfällt, und
                              eine viel vollkommenere Reinigung als sie die gewöhnlichen Mittel (Saturation,
                              Filtration) ergeben.
                           
                           3) Diese Alkalien und der Kalk sind so zu sagen von Natur in den geschiedenen Säften,
                              und man erzielt also diese Reinigung, wenn man letztere vor jeder anderen Operation
                              kochen läßt.
                           4) Oft auch sind Kali und Natron im geschiedenen Rübensaft nicht in hinreichender
                              Menge vorhanden, um die Zersetzung jener Stoffe bewirken zu können; in diesem Falle
                              wird die Reinigung mittelst des Kochens durch Zusatz von Alkalien vermehrt.
                           5) Der Uebelstand des schwierigen Kochens ist nicht allein, wie angenommen zu werden
                              pflegt, die Folge der Anwesenheit von freiem Kalk oder Zuckerkalk, wohl aber eine
                              Folge der Anwesenheit der neutralen Kalksalze, auf welche die wiederbelebte
                              Knochenkohle ohne Wirkung ist und welche selbst die neue Kohle nur wenig
                              aufnimmt.
                           6) Wenn man diese neutralen Kalksalze durch ein lösliches Salz zerlegt, dessen Säure
                              mit Kalk eine unlösliche Verbindung eingeht, so wird das Kochen stets leicht,
                              schnell und vollkommen geschehen können.
                           7) Eine solche Zerlegung bewirken gewisse Kali- und Natronsalze, und zwar geben wir
                              den kohlensauren Verbindungen den Vorzug.
                           8) Wir haben ferner gefunden, daß man, um das leichte Kochen zu bewirken und die
                              Gährung zu vermeiden, jene chemischen Producte am besten, einzeln oder zugleich, mit
                              feiner Knochenkohle verbindet, welche die gebildeten unlöslichen Kalksalze aufnimmt
                              und ihr Festsitzen auf den Schlangen u.s.w. verhindert, indem sie dieselben
                              vollkommen abscheidet.
                           9) Hiernach haben wir eine pulverige Knochenkohle dargestellt, die wir Reinigungskohle (noir
                                 épurant) nennen, und welche, in den Verdampfapparaten zugesetzt,
                              sowohl das Kochen stets leicht und schnell macht, als auch die Gährung verhindert;
                              außerdem aber bewirkt sie noch eine weit vollkommenere Reinigung der Säfte als alle
                              bisher angewendeten Mittel, so daß man schon beim ersten Product eine reichlichere
                              Krystallisation und ein schärferes und härteres Korn wahrnehmen kann, als alle
                              anderen Methoden sie ergeben.
                           10) Wir haben ferner gefunden, daß wenn man diese Kohle in hinreichender Menge und
                              unter gewissen Verhältnissen anwendet, man sogar die Filtration der Säfte und Syrupe
                              über die gekörnte Knochenkohle ganz umgehen und somit diese letztere Substanz ganz
                              ersparen kann.
                           11) Die in dieser Weise, ohne gekörnte Knochenkohle erzielten, allerdings dunkleren
                              Syrupe können dennoch eben so helle Zucker geben wie die filtrirten, wenn man sie
                              vor dem Verkochen klärt und gut mechanisch filtrirt, so daß die feine Kohle und die
                              niedergeschlagenen Stoffe, welche sich während des Kochens ausscheiden, vollkommen daraus entfernt
                              sind.
                           12) Die Färbung der Rohzucker erfolgt hauptsächlich durch das Ausfällen einer
                              unlöslichen während des Kochens entstehenden Substanz, welche den Farbstoff in den
                              Zuckerkrystallen festhält. Wenn die Reinigung während der ersten Verdampfungsperiode
                              hinreichend war, so bildet sich in der letzten Periode kein Niederschlag mehr.
                           13) Die während des Kochens mit der Reinigungskohle sich entwickelnde Ammoniakmenge
                              ist namentlich zu Anfang sehr beträchtlich und könnte leicht gewonnen werden.
                              Directe Versuche ergaben für eine Fabrik von 1000 Hektoliter Saft bis zu 300 Kilogr.
                              schwefelsaures Ammoniak täglich.
                           Alle diese Beobachtungen haben uns auf eine neue Fabricationsmethode geführt, welche
                              die berührten Uebelstände sowie die Anwendung der gekörnten Knochenkohle ganz umgeht
                              und mittelst folgender Operationen vorzüglichen Zucker zu erzeugen gestattet:
                           a) Scheidung, wie gewöhnlich, mit Kalk;
                           b) Kochen des geschiedenen Saftes, bis zur Verminderung
                              auf sein halbes Volumen, ohne vorherige andere Reinigung;
                           c) Behandlung des eingedickten Saftes mit
                              Reinigungskohle;
                           d) Verdampfung auf 25° Baumé in Gegenwart
                              der Reinigungskohle;
                           e) Klärung und mechanische Filtration durch
                              Baumwolle;
                           f) Kochen, wie gewöhnlich;
                           g) Krystallisirenlassen;
                           h) besondere Einrichtung zum Auffangen des zu Anfang
                              entwickelten Ammoniaks.