| Titel: | Nordamerikanischer Commissions-Bericht über Rodman-, Dahlgren-, Parrott- und Ames-Geschütze. | 
| Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. XIV., S. 35 | 
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                        XIV.
                        Nordamerikanischer Commissions-Bericht
                           über Rodman-, Dahlgren-, Parrott- und
                           Ames-Geschütze.
                        Nordamerikanische Comissions-Bericht.
                        
                     
                        
                           Der Scientific
                                    American vom 5. August 1865 veröffentlicht einen von der
                              „Commission für schweres Geschütz“ über gußeiserne,
                              gepanzerte und schmiedeeiserne Geschütze erstatteten Bericht, wornach
                           1) die Rodman- und Dahlgren-KanonenMan vergl. polytechn. Journal Bd. CLXXVII: „Ueber die künstlichen
                                       Metallconstructionen der Geschützrohre“ S. 174, 176, 198., die einzigen noch im Dienste befindlichen gußeisernen und meistens glatten
                              Geschütze, zugleich die überhaupt besten, jetzt in irgend einem Dienste vorkommenden
                              Geschütze dieser Art sind, und von der Landarmee den ersteren, von der Seemacht aber
                              den letzteren der Vorzug gegeben wird;
                           2) das vorgekommene Zerspringen der durch Panzer-Thurm-Schiffe
                              bedingten schweren Kaliber des gepanzerten und gezogenen Parrott-GeschützesMan vergl. polytechn. Journal Bd. CLXXIII
                                       S. 321: „Die Parrott-Kanone.“
                                     einem Crepiren der Granaten desselben im Rohre zuzuschreiben ist, worüber
                              Parrott sich folgendermaßen ausspricht:
                           
                              „Ich schreibe diesen Uebelstand der Friction des Pulvers in der Granate
                                 zu. Anfangs war es natürlich, dieses Hemmniß im Fortschritte in schlechtem
                                 Geschoßgusse, schlechten Zündern etc. zu suchen, allein vielfach angestellte
                                 Versuche haben es jetzt unzweifelhaft gemacht, daß die Sprengladung der Granaten
                                 durch Reibung an der inneren Geschoßwand explodirt. – Eine 300pfündige
                                 Bombe von zehn Zoll Durchmesser erhält als sphärisches Geschoß drei Pfund
                                 Pulver-Sprengladung; mein 300 Pfünder hat deren aber etwa
                                 siebenzehn.“
                              
                           
                              „Wenn nun bei dem heftigen Stoße der entzündeten Geschützladung gegen den
                                 Boden des Geschosses und dem dadurch bedingten Zurückfahren der Sprengladung
                                 nach dem unteren Geschoßtheile hin, dem Pulver Rauhigkeiten der Geschoßwand
                                 entgegentreten, so wird es explodiren und die Granate im Rohre zersprengen. Ich
                                 bin daher schon seit längerer Zeit darauf bedacht gewesen, das
                                 Geschoß-Innere mit Firniß oder Lack zu bekleiden und thue dieses jetzt
                                 immer mit vollständigstem Erfolge. Viele haben daran gezweifelt, und diese
                                 Vorsichtsmaßregel deßhalb nicht so rasch angewendet, als sie es hätten thun
                                 sollen. Ich schmelze Harz, Talg und braune Seife zu einer flüssigen Mischung
                                 zusammen, gieße dieselbe in das Innere der Geschosse, hiernach, einen Ueberzug
                                 an der inneren Geschoßwand zurücklassend, wieder heraus, und kann dann die
                                 Granate ohne jede Gefahr einer vorzeitigen Entzündung ihrer Sprengladung zur
                                 Anwendung bringen.“
                              
                           
                              „Capitain Temple, welcher an Bord seines
                                 Schiffes zwei 100 Pfünder hat, überzeugte sich vor etwa zwei Monaten bei einem
                                 Besuche der Gießerei von dieser Thatsache, fand bei seiner Zurückkunft, daß die
                                 Granaten seiner Munition ohne innere Bekleidung waren, ließ dieselben hierauf
                                 sofort in ihrem Inneren mit Asphalt etc. überziehen und hatte dann während eines
                                 Gefechtes, in welchem jedes seiner Geschütze fünfzig bis sechzig Schüsse that,
                                 keine einzige vorzeitige Granaten-Explosion, während deren auf den
                                 Nachbarschiffen vorkamen, welche das Herausziehen von Granatresten aus den
                                 Rohren nothwendig machten. Ein mir gestern zugekommener Brief liefert hiervon
                                 die Bestätigung.“
                              
                           Endlich wird im obenbezeichneten Berichte noch
                           3) über die aus Schmiedeeisen bestehende Ames-KanoneMan vergl. über dieselbe polytechn. Journal Bd. CLXXVII S. 354. gesagt:
                           
                              „Die Schießversuche verzögerten sich wegen Mangel eines geeigneten
                                 Geschosses, und wurden endlich mit solchen nach dem Modell Hotchkiß von 104 bis 127 Pfund Gewicht angestellt.“
                              
                           
                              „Als Ladung wurde das Versuchspulver Nr. 7, im achtzölligen
                                 Rohre 57000 Pfund Pressung per Quadratzoll der
                                 inneren Rohrwandung ergebend, in Mengen von 13 bis 30 Pfund angewendet, welche
                                 Gewichte oft geändert
                                 werden mußten, weil vielfach noch Abstrippungen der Geschoßliderung und
                                 Zerbrechen der Geschoßkappe vorkamen.
                              
                           
                              „Als Resultat dieser Schießversuche ist es die einstimmige Meinung der
                                 Commission, daß die schmiedeeiserne Ames-Kanone eine noch nie dagewesene Festigkeit gegen
                                 Längenauf- oder Querabreißungen durch starke Ladungen und überhaupt große
                                 Gewaltproben darbietet; daß dieselbe ferner niemals plötzlich und ohne vorher
                                 warnende Zeichen gegeben zu haben, zerspringen wird und also wohl geeignet ist,
                                 überall da als Ergänzungsmaterial in den Dienst eingeführt zu werden, wo große
                                 Schußweiten und bedeutende Geschoßgeschwindigkeiten verlangt werden. Ebenso ist
                                 es auch unsere einstimmige Meinung, daß die siebenzöllige Ames-Kanone, von welcher bereits fünfzehn Stück fertig sind,
                                 auf acht Zoll und noch mehr ausgebohrt werden kann, den Durchmesser von zehn
                                 Zoll hierbei aber nicht erreichen darf.
                              
                           
                              „Um das volle Vertrauen der Commission in die Widerstandsfähigkeit und in
                                 die Ausdauer des mit 700 Schüssen probirten Versuchsgeschützes darzuthun, wird
                                 darauf angetragen, dasselbe auf acht Zoll ausbohren, ziehen, hiernach einer
                                 ähnlichen Schußprobe unterwerfen und dann zur Untersuchung aufschneiden zu
                                 lassen.“
                              
                           Besonders interessant für diesseitige Artillerien dürfte wohl die in diesem Berichte
                              enthaltene Erfahrung Capitain Parrott's seyn, welche hier
                              ad 2 mitgetheilt, in Verbindung mit den (vorstehend
                              besprochenen) schweizerischen Breschirversuchen – gezogene Vierpfünder gegen
                              das Mauerwerk an den Paßbefestigungen vom Luziensteig verwendet – beweisen,
                              daß bei der Percussionskraft, welche die Granate des gezogenen Vierpfünders auf etwa
                              300 Schritt Zielentfernung hat und bei der Concussion, welche großkalibrige, an
                              ihrem Boden mit einer Expansionsvorrichtung versehene Granaten in gezogenen Rohren
                              von entsprechenden Durchmessern und angemessener Ladung erleiden, die vom Gußkerne
                              herrührenden Rauhigkeiten der inneren Granatwandung vollkommen genügend sind, um die
                              Sprengladung des Geschosses zur Explosion zu bringen.
                           Dy.,                    
                              Hauptmann im Generalstabe in Cassel.