| Titel: | Ueber die in Amerika angewandten Methoden um die absolute Festigkeit des Gußeisens für Geschütze etc. zu erhöhen. | 
| Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. XV., S. 37 | 
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                        XV.
                        Ueber die in Amerika angewandten Methoden um die
                           absolute Festigkeit des Gußeisens für Geschütze etc. zu erhöhen.
                        Aus der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und
                                 Architektenvereins, 1865 S. 150.
                        Ueber die amerikanischen gußeisernen Geschütze.
                        
                     
                        
                           Bei der Aufmerksamkeit, mit welcher jeder Fortschritt im Geschützwesen gegenwärtig
                              verfolgt wird, wird es nicht unzeitgemäß erscheinen, einen in neuester Zeit
                              stattfindenden bedeutsamen Umschwung der Ansichten über das Material von Geschützen
                              zu constatiren.
                           Der Anstoß hierzu ist von Amerika ausgegangen und zwar waren die erstaunlichen
                              Resultate, welche man dort mit gußeisernen Geschützen erzielte, die Veranlassung
                              hiezu.
                           Während man in England Versuch an Versuch reihte, um endlich die vollkommenste Art,
                              das Schmiedeeisen zu Geschützen zu verwenden, ausfindig zu machen, haben die
                              Amerikaner mit ihren einfachen und verhältnißmäßig billigen gußeisernen Kanonen
                              Resultate zu erzielen gewußt, welche denen der raffinirtesten englischen
                              Geschützsysteme gleichkommen, ja diese übertreffen.
                           Der Grund zu dieser überraschenden Erscheinung liegt darin, daß man in Amerika
                              Methoden in Anwendung gebracht hat, durch welche die absolute Festigkeit des
                              Gußeisens erhöht wurde; ferner aber, und dieß war weit wichtiger, hat man es dort
                              durch ein richtiges Vorgehen beim Abkühlen des Gusses dahin gebracht, daß die dem
                              verwendeten Materiale eigene Festigkeit auch wirklich ganz dem Zwecke der
                              Widerstandsfähigkeit des Geschützes dienstbar wurde und daß nicht, wie bei dem
                              früher gebräuchlichen Verfahren der Abkühlung, hierdurch allein schon so heftige
                              Spannungen im Geschützmateriale eintraten, daß ein sehr bedeutender Theil der
                              Widerstandsfähigkeit dadurch seiner eigentlichen Bestimmung verloren ging.
                           Ein Vortheil des Gußeisens gegen das Schmiedeeisen in der Anwendung zu Geschützen,
                              den man freilich nie bestritten hat, ist der, daß das Gußeisen der deformirenden
                              Einwirkung der Geschosse auf die innere Fläche der Bohrung besser widersteht.
                           Das Gußeisen hat nämlich eine größere rückwirkende Festigkeit und ist elastischer
                              gegen Druck als Schmiedeeisen. Diese beiden Eigenschaften machen die Bohrung
                              gußeiserner Geschütze viel haltbarer gegen Zerstörung als die der schmiedeeisernen,
                              und diese Wahrnehmung vor Allem hat auf die zahlreichen, aus beiden Materialien
                              combinirten Geschütze geführt, bei welchen man den Lauf von Gußeisen herstellte und ihm
                              durch schmiedeeiserne Umhüllung die erwünschte Festigkeit geben wollte.
                           Keines dieser combinirten Geschütze jedoch hat vollkommen befriedigt und angesichts
                              der neuen Thatsachen haben sie wohl auch keine Zukunft.
                           Was nun die Behandlungsweise anbelangt, welche das Gußeisen so vortheilhaft für
                              Geschütze macht, so deutet die Natur des Gegenstandes darauf hin, daß diejenigen
                              Gießereien, welche im Besitze der erprobten Methoden sind, mit der Bekanntmachung
                              derselben zurückhaltend seyn werden.
                           Um so willkommener ist daher die Darlegung, welche Hr. L. Colburn, ein mit der amerikanischen Industrie wohlvertrauter Ingenieur, in
                              einem vor Kurzem in London gehaltenen Vortrage über diesen Gegenstand gegeben hat,
                              und da diese Mittheilungen sowohl für Artilleristen als auch für jeden Techniker,
                              der mit größeren Gußstücken zu thun hat, vieles Interesse bieten, so sollen sie im
                              Folgenden, soweit sie sich auf den Guß größerer Stücke beziehen, wiedergegeben
                              werden.
                           Das Gußeisen, welches in Amerika gegenwärtig für Kanonen von 13'', 15'', in neuester Zeit selbst 20'' Kaliber Anwendung findet, ist von besonderer
                              Vorzüglichkeit. Dieß beweisen die Marineberichte über ausgeführte Schießproben. Eine
                              15''-Kanone hielt 900 Schüsse mit
                              Vollgeschossen von 440 Pfund aus. Die Pulverladung war anfänglich 35 Pfund und wurde
                              allmählich gesteigert; die letzten 220 Schüsse wurden mit 60 Pfund Pulverladung
                              gefeuert und erst als man beim 900sten Schuß 70 Pfund Pulver verwendete, barst die
                              Kanone. Es ist zweifelhaft, ob ein solches Resultat mit der besten
                              Schmiedeeisen-Kanone von gleichem Kaliber erreichbar ist oder je seyn
                              wird.
                           Etwa 100 solcher 15''-Geschütze sind jetzt im
                              Dienst. Kanonen von 20'' Kaliber, deren jetzt eine
                              Anzahl erzeugt wurde, wiegen je 51 1/2 engl. Tonnen, ihre Gesammtlänge ist über 20,
                              die der Bohrung 17 1/2 Fuß, der größte Durchmesser 5'
                              4''. Sie erhalten 100 Pfund Pulverladung und
                              Geschosse von 1000 Pfund. Die erste dieser Kanonen war 13 Tage in Abkühlung
                              begriffen.
                           Was nun die Erhöhung der absoluten Festigkeit des Materials anbelangt, so ist
                              bekannt, daß die Mischung verschiedener eigens zu diesem Zwecke ausgewählter
                              Eisensorten und ihre gute Vermengung im Kupolofen allein schon eine bedeutende
                              Steigerung der Festigkeit hervorbringt.
                           Bei dem Gußeisen der amerikanischen Kanonen wird die Festigkeit ferner noch
                              gesteigert durch erneutes Schmelzen, und indem man die geschmolzene Masse durch
                              einige Zeit in flüssigem Zustande erhält. Dieses Umschmelzen geschieht in Flammöfen,
                              da die Kupolöfen wegen ihrer Eigenschaft, einige Theile des Metalls zu überhitzen,
                              und wegen der Wirkung des
                              in den Kohks allenfalls enthaltenen Schwefels weder beim Guß von Kanonen noch irgend
                              welcher Stücke, welche große Festigkeit verlangen, in Anwendung kommen dürfen.
                           Dieses Verfahren des Umschmelzens ist einst bis zur dreimaligen, ja selbst
                              viermaligen Wiederholung getrieben worden, wobei die Masse jedesmal etwa drei
                              Stunden im flüssigen Zustande erhalten wurde.
                           Auf diese Art wurde die absolute Festigkeit des Gußeisens, welche im Roheisen
                              5–6 1/2 Tonnen beträgt, nach dem ersten Guß und 2 Stunden flüssigen Zustandes
                              auf 9 T., nach dem zweiten Umguß auf 13 T., nach dem dritten auf 15 1/2 T. gebracht,
                              bei jedesmaligem Verweilen von 1–3 St. im flüssigen Zustande. Die schließlich
                              auf diese Art erzielbare Festigkeit ist sehr groß und erreichte in einem Falle 20
                              1/2 engl. Ton. per 1 Quadratzoll.
                           Eisensorten von diesen höchsten Festigkeitsgraden wurden jedoch in früherer Zeit für
                              nicht so widerstandsfähig an Geschützen befunden und man schritt daher zurück zu
                              Gußeisen von circa 13 Tonnen Festigkeit, dem man eine
                              größere Elasticität zuschrieb als dem Eisen von höherer Festigkeit. Seither hat man
                              jedoch eingesehen, daß der eigentliche Uebelstand bei dem festeren Eisen darin lag,
                              daß es sich beim Abkühlen mehr zusammenzog, woraus, da nicht die genügenden
                              Vorkehrungen zur Erfüllung gleichförmiger Zusammenziehung getroffen waren, eine
                              stärkere Spannung im Materiale resultirte. Solches Gußeisen von großer Festigkeit
                              zieht sich im Allgemeinen per Fuß um 3/16'' in der Form zusammen. Die Treibräder der
                              amerikanischen Locomotiven sind von Gußeisen und als man im Jahre 1851, um größere
                              Sicherheit zu erzielen, begann, das Kanoneneisen dazu zu verwenden, wurden die
                              Brüche zahlreicher als je, da solche Räder bereits durch ihre eigene Zusammenziehung
                              stark in Anspruch genommen waren, ehe sie die Gießerei verließen.
                           Da jede Art die absolute Festigkeit des Gußeisens zu erhöhen, und darunter auch die
                              Methode des Umschmelzens, durch die dabei vorgenommene Verminderung des Gehaltes an
                              ungebundener Kohle und Kieselsäure zu erklären ist, so scheint die Hoffnung
                              gerechtfertigt, daß man eine Methode auffinden werde, um den Effect, der beim
                              Umschmelzverfahren nur mit bedeutendem Zeit- und Kostenaufwand erzielt wird,
                              durch ein rascheres und billigeres Verfahren zu erreichen.
                           Hr. Colburn glaubt, daß eine theilweise Anwendung des
                              Bessemer-Verfahrens jene Hoffnung erfüllen dürfte.
                           Die absolute Festigkeit des Eisens großer Gußstücke wäre jedoch von wenig Werth, wenn
                              man nicht Mittel hätte, die Abkühlung solcher Stücke derart zu leiten, daß dieselben
                              von bedeutenden inneren Spannungen verschont bleiben. Man weiß, daß Hodgkinson fand, daß das von ihm untersuchte Gußeisen eine
                              sechsmal größere rückwirkende als absolute Festigkeit habe, und daß demnach die
                              untere Flantsche eines gußeisernen Trägers einen sechsmal größeren Querschnitt
                              bekommen sollte, als die obere. Doch sehr selten, wenn je findet dieses Verhältniß
                              Anwendung, da ein solches Gußstück wahrscheinlich bei der Abkühlung bereits brechen
                              würde. Es ist bereits öfter vorgekommen, daß gußeiserne Träger, bei welchen man die
                              Form ohne genügende Beachtung der durch die Abkühlung entstehenden Spannungen
                              gewählt hatte, entweder bereits in der Gießerei, oder später bei der kleinsten
                              Veranlassung brachen, und somit für ihre Bestimmung gänzlich unbrauchbar waren,
                              obwohl man zu ihrer Herstellung das beste Material verwendet hatte.
                           Führt man eine zu rasche Abkühlung absichtlich herbei, so kann man dadurch beinahe
                              jedes große Gußstück entweder sogleich zum Bersten bringen, oder doch seine
                              Widerstandsfähigkeit auf Null reduciren. Es tritt in solchen Gußstücken ein
                              ähnlicher Zustand ein, wie er in den rasch gekühlten, sogenannten batavischen
                              Glastropfen zu finden ist, die schnell erstarrte Rinde umschließt die noch heißen
                              und daher bedeutend ausgedehnten Theile des Innern. Die natürliche Folge der
                              weiterschreitenden Abkühlung ist nun, daß in der Rinde, die sich dem weiteren
                              Zusammenziehen widersetzt, eine heftige Pressung, und in den inneren Theilen, welche
                              durch die Form der Rinde in ihrer Zusammenziehung gehindert werden, eine heftige
                              Spannung entsteht.
                           Um Gußstücke von großer Widerstandsfähigkeit herzustellen, ist es daher nothwendig,
                              daß alle Theile sich nahezu gleichförmig abkühlen. Dieß ist jedoch praktisch nicht
                              erreichbar in vollgegossenen Geschützen.
                           Vollgegossene Geschütze, auf die gewöhnliche Art gekühlt, zeigen sich oft löcherig im
                              Innern und es ist nachweisbar, daß ihre inneren Theile unter starker Spannung
                              stehen. Man ist daher schon vor längerer Zeit dazu gelangt, Kanonen hohl zu gießen
                              und seit 1847 ist in Amerika ein Verfahren patentirt, durch
                                 einen im Innern des Bohrloches circulirenden Wasserstrom zu erreichen, daß die
                                 Abkühlung von innen aus mit der nach außen gleichen Schritt hält. In das
                              senkrecht stehende Geschütz tauchen zwei concentrische Röhren; durch die innere
                              sinkt das Wasser hinab, um dann in der sie umgebenden äußeren Röhre wieder
                              aufzusteigen und dabei Wärme aufzunehmen.
                           Bei dem am 11. Febr. 1864 erfolgten Gusse einer Kanone von 20'' KaliberMan sehe über den Guß dieses Riesengeschützes den Bericht im polytechn.
                                    Journal Bd. CLXXVI S. 280. durchströmte das Wasser auf diese Art durch 26 Stunden den Lauf des
                              Geschützes und zwar in der ersten Stunde 30 Gallons (136 Liter) per Minute, in jeder folgenden Stunde 60 Gallons (272
                              Liter) per Minute; hierauf jedoch, da man das Material
                              für zu hart hielt, um es weiter mit Wasser zu kühlen, wurden per Minute 2000 Kubikfuß Luft durch den Lauf getrieben. In der ersten
                              Stunde erwärmte sich das durchfließende Wasser von 2° C. auf 33° C.,
                              in der zweiten bei der doppelten Wassermenge auf 16° C.
                           In anderen Fällen beim Guß von 10''-Kanonen ließ
                              man im Zeitraum von 4 Tagen, gegen 700 Tonnen Wasser den Lauf durchströmen. In
                              einigen dieser Fälle wurde an der Sohle der Geschützgrube ein Feuer durch 60 Stunden
                              unterhalten, um dadurch die eiserne Hülle der Kanonenform durch die ganze Zeit in
                              Rothgluth zu erhalten.
                           Solcher Art sind die Mittel, um alle Theile eines Geschützes nahezu gleichförmig
                              abzukühlen, und dadurch mit Gußeisen von einer absoluten Festigkeit von 13 Tonnen
                              per Quadratzoll, Geschütze von so großer
                              Widerstandsfähigkeit herzustellen.
                           Auch den Schalengußrädern, welche sich für die
                              Verhältnisse auf amerikanischen Bahnen so vorzüglich eignen, hat man durch eine
                              richtige Kühlmethode eine ungemeine Widerstandsfähigkeit verliehen. In der
                              Räderfabrik von Whitney in Philadelphia, der größten und
                              besteingerichteten von Amerika, werden die Räder, sobald sie nur Consistenz gewonnen
                              haben, aus der Form genommen und in Gruben versenkt, welche so heiß gemacht werden,
                              als die Räder selbst sind. In diesen luftdicht verschlossenen Gruben verbleiben sie
                              drei Tage und kühlen in dieser Zeit möglichst gleichförmig aus. Das Resultat ist,
                              daß in diesen Rädern gar keine inneren Spannungen vorkommen, was sich dadurch
                              beweisen läßt, daß, wenn man auf der Drehbank mittelst eines Schneidstahles Nabe und
                              Radreif zu trennen sucht, diese sich nicht selbstständig von einander trennen, so
                              lange auch nur die dünnste Schicht von Gußeisen sie noch verbindet. Die
                              oberflächliche Härtung, welche im Schalenguß bezweckt wird, scheint im Momente zu
                              entstehen, wo das Eisen die Form berührt und leidet in den heißen Gruben
                              nachträglich nicht mehr.
                           Die Leistungen derart erzeugter Eisenbahnräder haben die der besten englischen
                              schmiedeeisernen Räder auf amerikanischen Bahnen verdunkelt.
                           Alles dieß muß nun wohl zu dem Schlusse führen, daß das Gußeisen in Folge der bisher
                              gebräuchlichen mangelhaften Abkühlung aus der Stellung verdrängt worden ist, welche
                              einzunehmen es durch seine Eigenschaften berufen ist, und es ist vorauszusehen, daß
                              man künftig das Gußeisen wieder zu verschiedenen Zwecken verwenden wird, für welche
                              man es an vielen Orten bereits aufgegeben hatte, eine Erscheinung, welche sich im
                              Geschützwesen bereits geltend macht.
                           Kleyle.