| Titel: | Ueber das gewässerte Zinnchlorid; von Dr. G. Th. Gerlach in Kalk bei Deutz. | 
| Autor: | G. Th. Gerlach | 
| Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. XVIII., S. 50 | 
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                        XVIII.
                        Ueber das gewässerte Zinnchlorid; von Dr.
                           G. Th. Gerlach in Kalk bei Deutz.
                        Gerlach, über das gewässerte Zinnchlorid.
                        
                     
                        
                           Das wasserfreie Zinnchlorid (liquor Libavii fumans) ist
                              eine wasserhelle, außerordentlich schwere Flüssigkeit. Das spec. Gewicht fand ich
                              bei 15° C. = 2,234. An der Luft raucht bekanntlich das wasserfreie
                              Zinnchlorid, indem es mit Begierde Feuchtigkeit aus derselben anzieht und stechende,
                              die Lungen belästigende und die Schleimhäute zur Absonderung reizende Nebel bildet.
                              Das wasserfreie Zinnchlorid läßt sich leicht und vollständig verflüchtigen.
                           Das Zinnchlorid ist in Wasser löslich; verdampft man aber eine höchst concentrirte
                              wässerige Lösung bei Luftzutritt zur Trockne, so verflüchtigt sich mit den
                              Wasserdämpfen Zinnchlorid; je mehr aber die Concentration zunimmt, eine um so
                              saurere Beschaffenheit nehmen die Dämpfe an, es findet also eine Zersetzung in ein
                              saures und ein basisches Salz statt, und glüht man den endlichen Rückstand von
                              Zinnoxyd, so kann man durch Auskochen mit Wasser kein Chlor mehr nachweisen.
                           Beim Vermischen von wasserfreiem Zinnchlorid mit Wasser erwärmt sich die Flüssigkeit
                              außerordentlich stark; bei vorsichtigem Mischen tritt ein Zeitpunkt ein, wo eine
                              wässerige heiße Lösung schwerer ist als das wasserfreie Zinnchlorid, denn das
                              letztere schwimmt auf der heißen concentrirten wässerigen Lösung oder, richtiger
                              ausgedrückt, auf dem geschmolzenen Salze von dreifach-gewässertem
                              Zinnchlorid. Geschieht die Mischung von Zinnchlorid mit kaltem Wasser schnell, so
                              ist die Erwärmung so groß, daß die Mischung in's Kochen kommt und sich reichlich Zinnchlorid
                              verflüchtigt.
                           Bei diesem Vorgange des Mischens tritt gleichzeitig eine so bedeutende Verdichtung
                              ein, wie sie bis jetzt noch nie beim Mischen zweier Flüssigkeiten beobachtet wurde;
                              es hängt dieß mit der plötzlich erfolgenden Aufnahme von Krystallwasser zusammen.
                              Daß entwässerte Salze beim Hinzufügen der entsprechenden Menge
                              Krystallisationswasser sich so erhitzen, daß das Wasser zum Kochen kommt, hat Hr.
                              Professor Böttger durch einen interessanten
                              Collegienversuch beim Kupfervitriol nachgewiesen (Böttger's Vorlesungen 1846, S. 54). Ich führe zum gegenseitigen Vergleich
                              die ermittelten spec. Gewichte der wässerigen Lösungen des Zinnchlorids und die
                              daraus abgeleiteten Volumina an, sowie die hypothetischen berechneten Volumina, wie
                              sie sich ergeben müßten, wenn keine Verdichtung
                              stattfände, vorausgesetzt daß das spec. Gewicht des Wassers = 1 und das spec.
                              Gewicht des wasserfreien Zinnchlorids = 2,234 ist; aus dem Vergleich dieser beiden
                              Volumina ergibt sich die Größe der eingetretenen Verdichtung nach dem Mischen von selbst.
                           
                              
                                 Procenteder Lösung
                                    anwasserfreiemZinnchlorid.
                                 Spec. Gewichtderwässerigen Losungbei
                                    15° C.
                                 Voluminader Lösung,das Volumendes
                                    Wassers = 100.
                                 HypothetischeberechneteVolumina
                                 Wirkliches Volumennach
                                    dem Mischen,wenn das Volumenvor dem
                                    Mischen= 100 angenommenwird.
                                 
                              
                                     0
                                 1,000
                                 100,00 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                                   10
                                 1,082
                                   92,42
                                   94,48
                                   97,82
                                 
                              
                                   20
                                 1,174
                                   85,18
                                   88,95
                                   95,76
                                 
                              
                                   30
                                 1,279
                                   78,19
                                   83,43
                                   93,72
                                 
                              
                                   40
                                 1,404
                                   71,22
                                   77,90
                                   91,42
                                 
                              
                                   50
                                 1,556
                                   64,26
                                   72,33
                                   88,78
                                 
                              
                                   60
                                 1,743
                                   57,37
                                   66,86
                                   85,81
                                 
                              
                                   70
                                 1,973
                                   50,68
                                   61,33
                                   82,63
                                 
                              
                                   80
                                 
                                 
                                   55,81
                                 
                                 
                              
                                   90
                                 
                                 
                                   50,28
                                 
                                 
                              
                                 100
                                 2,234
                                   44,76
                                   44,76
                                 100,00
                                 
                              
                           Das wasserfreie Zinnchlorid hat die Formel Sn Cl² und mithin folgende
                              Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Sn
                                 58,82
                                 oder
                                 45,34
                                 
                              
                                 Cl²
                                 70,92
                                 
                                 54,66
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 129,74
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Mischt man 1 Aeq. wasserfreies Zinnchlorid mit 1 Aeq. Wasser:
                           
                              
                                 
                                 129,74
                                 Gewichtstheile
                                 
                              
                                 mit
                                 9
                                 Gewichtstheilen,
                                 
                              
                           
                           so scheidet sich unter starker Erhitzung 1/3 des Zinnchlorids
                              mit dem Wasser als feste Masse aus, welche schwerer ist als das wasserfreie
                              Zinnchlorid und zu Boden fällt; 2/3 des Zinnchlorids bleiben im wasserfreien
                              Zustande. Die ausgeschiedene Masse ist also SnCl² + 3 HO. Es ist somit
                              erwiesen, daß selbst bei Gegenwart von überschüssigem Zinnchlorid sich nicht
                              SnCl² + HO, auch nicht SnCl² + 2HO bildet, welche Verbindungen
                              überhaupt nicht existiren.
                           Werden
                           
                              
                                 1 Aeq. wasserfreies Zinnchlorid und
                                 
                              
                                 2 Aeq. Wasser gemischt, also
                                 129,74
                                 Gewichtstheile
                                 
                              
                                 und
                                   18
                                 Gewichtstheile,
                                 
                              
                           so erhitzt sich das Gemisch sehr stark, aber die Wassermenge
                              reicht nicht aus, um alles Zinnchlorid zu lösen. Die Mischung wird trübe und
                              erstarrt sehr bald noch heiß zu einer festen krystallinischen Masse, welche an der
                              Luft raucht und 1/3 Zinnchlorid in wasserfreiem Zustande enthält.
                           Beim Mischen von 1 Aeq. wasserfreiem Zinnchlorid
                           
                              
                                 mit 3 Aeq. Wasser, also
                                 129,74
                                 Gewichtstheile
                                 
                              
                                 und
                                   27
                                 Gewichtstheile,
                                 
                              
                           löste sich das Zinnchlorid ganz, das Gemisch erhitzte sich bis
                              zum Sieden und aus der klaren Lösung setzten sich schon bei 60° Cels.
                              Krystalle ab von SnCl² + 3HO; nach kurzer Zeit erstarrte die ganze Masse. Die
                              Masse zog mit ungemein großer Begierde Wasser an und die Kanten der herausgenommenen
                              Krystalle zerschmolzen schon nach 1/2stündigem Aufbewahren. Die zarten, leicht
                              zerfließlichen Efflorescenzen, welche sich am Rande offener Gefäße bilden, in denen
                              wasserfreies Zinnchlorid aufbewahrt wird, oder welche sich an dem Rande des
                              Trichters bilden beim Umfüllen von Zinnchlorid, ja selbst die Nebel, welche das
                              Zinnchlorid verbreitet, sind nichts anderes als dieses leicht zerfließliche
                              SnCl² + 3 HO, gemengt mit etwas freiem Zinnchlorid.
                           Beim Mischen von 1 Aeq. wasserfreiem Zinnchlorid
                           
                              
                                 mit 4 Aeq. Wasser, also
                                 129,74
                                 Gewichtstheile
                                 
                              
                                 und
                                   36
                                 Gewichtstheile,
                                 
                              
                           konnte die klare Lösung bis 30° C. erkaltet werden, ehe
                              Krystalle anfingen sich auszuscheiden. Als ungefähr die Hälfte in bestimmt
                              ausgebildeten weißen, undurchsichtigen, spitzen Krystallen sich ausgeschieden hatte,
                              wurde die Mutterlauge abgegossen, welche noch vollständig weiter krystallisirte, bis
                              sie endlich zu einer festen Krystallmasse erstarrte. Die zuerst erhaltenen, von der
                              Mutterlauge abgegossenen Krystalle waren nach der Formel Sn Cl² + 4 HO
                              zusammengesetzt, denn 10 Gramme dieses Salzes erforderten 121 Kubikcentimeter Normallösung von
                              kohlensaurem Natron bis zum Eintritt der Neutralität.
                           Es sind mir dessenungeachtet Zweifel aufgestiegen, ob die Annahme eines solchen
                              Salzes SnCl² + 4HO wirklich gerechtfertigt ist. Man kann nämlich wasserfreies
                              Zinnchlorid mit jeder beliebigen Menge zwischen 3 und 5 Aeq. Wasser mischen und
                              erhält jedesmal Krystalle, resp. eine krystallinische Masse mit deutlich
                              ausgesprochenen Krystallspitzen, deren Zinngehalt dem Zinngehalt der Lösung selbst
                              entspricht. Diese Krystallisation schreitet voran, bis Alles zu einer Masse mit
                              krystallinischem Bruch erstarrt ist.
                           Nach der Krystallform zu urtheilen, krystallisirt SnCl² + 5HO und es ist sehr
                              wahrscheinlich, daß während des Krystallisirens, wenn der weiche Krystall nur
                              angedeutet aber noch nicht fertig gebildet ist, die eingeschlossene concentrirtere
                              Mutterlauge zum gleichzeitigen Erstarren in der Krystallform veranlaßt wird. Analoge
                              Fälle dürften aus dem Grunde nur selten seyn, weil in der Regel beim
                              Krystallisationsproceß eine Mutterlauge von geringerer Concentration hinterbleibt,
                              während im vorliegenden Falle die Mutterlauge concentrirter ist als der sich
                              bildende Krystall.
                           Es ist bekannt, daß noch 3 Theile Zinnchlorid mit 1 Theile Wasser zu einer farblosen,
                              in der Wärme schmelzbaren Krystallmasse erstarren.
                           Läßt man eine wässerige Zinnchloridlösung von hinreichend hoher Concentration ruhig
                              stehen, so scheiden sich aus der längst erkalteten Lösung oft erst nach einigen
                              Tagen Krystalle aus, welche dem hemirhombischen (monoklinischen) System angehören,
                              und zwar sind hauptsächlich ausgebildet die Basis und zwei Hemipyramiden, an manchen
                              Krystallen findet sich noch das Prisma erster Ordnung vor. (Cohen.)
                           Beim Eintritt der Krystallisation, welche nur sehr langsam fortschreitet, steigert
                              sich die Temperatur der Lauge allmählich um einige Grade und das krystallisirte Salz
                              nimmt einen kleineren Raum ein als die Lauge vorher. Diese Krystalle sind ebenso wie
                              die vorher beschriebenen Salze niemals ganz wasserhell, sondern haben eine dem
                              Alabaster ähnliche durchscheinende weiße Farbe.
                           Diese opaken Krystalle enthalten 33,6 Proc. metallisches Zinn, entsprechen der Formel
                              SnCl² + 5HO und haben folgende Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Sn
                                 58,82
                                 oder
                                 33,6
                                 
                              
                                 Cl²
                                 70,93
                                 
                                 40,6
                                 
                              
                                 5HO
                                 45,00
                                 
                                 25,8
                                 
                              
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 174,74
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           
                           Mit der Zeit zerfließen diese Krystalle, indem sie Feuchtigkeit anziehen, aber auch
                              in hermetisch verschlossenen Gläsern zerfließen kleinere Mengen bei längerem
                              Aufbewahren in den Sommermonaten im eigenen Krystallwasser; gleichwohl ist das
                              fünffach-gewässerte Zinnchlorid das beständigste Salz von allen
                              Zinnchloridkrystallen.
                           Schmilzt man dieses fünffach-gewässerte Zinnchlorid in der Wärme, so
                              krystallisirt beim Erkalten dasselbe Salz wieder heraus, bis schließlich das Ganze
                              zu einer Masse mit kristallinischem Bruch erstarrt.
                           Specifische Gewichte der wässerigen
                                 Lösungen von krystallisirtem fünffach-gewässertem
                                 Doppelt-Chlorzinn (SnCl² + 5HO) bei 15° C.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 178, S. 53
                              Procente in 100 Gewichtstheilen der
                                 Lösung; Specifische Gewichte
                              
                           Das Doppelt-Chlorzinn findet in der Färberei seine Verwendung, und da in den
                              Laboratorien der Färber vielleicht häufiger das Aräometer nach Baumé
                              angewendet wird, so mag aus diesen Gründen auch eine Tabelle für diese Scala Platz
                              finden.
                           
                           Procentgehalte einer wässerigen Lösung von
                                 krystallisirtem fünffach-gewässertem Doppelt-Chlorzinn, wie solche
                                 den Graden eines Aräometers nach Baumé entsprechen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 178, S. 54
                              Grade nach Baumé;
                                 Entsprechender Procentgehalt in 100 Gewichtstheilen der Lösung
                              
                           Ueberläßt man eine minder concentrirte wässerige Lösung von Zinnchlorid längere Zeit
                              der Ruhe, so bilden sich namentlich bei großer Kälte große, ganz wasserhelle,
                              vollkommen durchsichtige Krystalle; diese Krystalle gehören ebenfalls dem
                              hemirhombischen (monoklinischen) System an und finden sich dieselben Flächen vor,
                              wie bei dem fünffach-gewässerten Salze, jedoch mit dem Unterschiede, daß die
                              Basis sehr klein, die Hemipyramiden und das Prisma vollständig vorherrschend sind.
                              (Cohen.)
                           Diese Krystalle entsprechen nach meiner Untersuchung der Formel SnCl² + 8HO,
                              enthalten nur 29,16 Procent metallisches Zinn und haben folgende
                              Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Sn
                                 58,82
                                 oder
                                 29,16
                                 
                              
                                 Cl²
                                 70,92
                                 
                                 35,15
                                 
                              
                                 8 HO
                                 72,00
                                 
                                 35,69
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 201,74
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Die Zerfließlichkeit dieser Krystalle ist größer, als die des fünffachgewässerten
                              Chlorzinns.
                           
                           Es sind dieß ohne Zweifel dieselben Krystalle, welche nach Lewy über Vitriolöl 3 Atome Wasser verlieren (Comptes rendus t. XXI p. 369; siehe Gmelin's Handbuch der Chemie, Bd. 111 S. 83).
                           Es hat dieses wasserhelle, achtfach-gewässerte, krystallisirte Zinnchlorid
                              eine Zeit lang Handelswaare gebildet, wozu es sich aber trotz seines verlockenden
                              hellen und durchsichtigen Aeußeren wegen seiner Zerfließlichkeit nicht eignet.
                              Dieses Salz besitzt für die technische Verwendung durchaus keinen Vorzug vor dem
                              weit beständigeren ebenfalls durch Krystallisation gewonnenen fünffach-gewässerten Zinnchlorid
                              Dieses fünffach-gewässerte, durch Krystallisation gewonnene
                                    Doppelt-Chlorzinn ist als Handelsware in
                                       vorzüglicher Reinheit und Schönheit aus der chemischen Fabrik von
                                    Dr. G. Th. Gerlach in
                                    Kalk bei Deutz a. Rh. zu beziehen.Die Redaction., wohl aber ist letzteres dem gewöhnlich im Handel vorkommenden amorphen
                              Chlorzinn vorzuziehen, einestheils weil es durch Krystallisation gereinigt ist und
                              eine constante chemische Zusammensetzung hat, anderntheils weil es frei ist von
                              absichtlichen Beimengungen fremder Salze, welche nicht mit in die Krystallform
                              übergehen würden, während dem amorphen Chlorzinn bei seinem Erstarren nach üblichem
                              Gebrauche oft Kochsalz untergerührt wird. Manche Sorten des käuflichen Chlorzinns
                              lösen sich nicht klar auf und hinterlassen anomales Zinnoxydhydrat; es ist dieß der
                              Fall, wenn bei der Bereitung als Oxydationsmittel die Salpetersäure angewendet
                              wurde, denn beim Eindampfen Salpetersäure enthaltender Zinnlösungen bildet sich
                              stets anomales Zinnoxyd, und zwar um so sicherer je concentrirter die Lösung
                              ist.
                           Eigenthümlich ist das Verhalten des wässerigen Zinnchlorids zu den meisten
                              Metalloxyden, es verhält sich hier wie eine Säure; so löst das wässerige Zinnchlorid
                              noch genau 1 Aequivalent Zinnoxydhydrat auf und bildet damit ein lösliches
                              Zinnoxydchlorid; auch alle in Salzsäure löslichen Metalloxyde werden davon
                              aufgenommen. Metallisches Zinn wird von dem wasserfreien Zinnchlorid nicht gelöst,
                              wenn dasselbe nicht freies Chlorgas enthält; die wässerige Lösung des Zinnchlorids
                              aber reducirt sich damit zu Zinnchlorür, ebenso wirken alle in Salzsäure löslichen
                              Metalle.
                           Daß Zinnchlorid mit allen Chloriden der Alkalien und der alkalischen Erden
                              Doppelsalze bildet, ist bekannt; ein solches ist das Pinksalz (SnCl² +
                              NH⁴, Cl), welches in der Färberei und Druckerei vielfach Anwendung
                              findet.
                           Die Bestimmung des Zinngehaltes in den wässerigen Lösungen des Zinnchlorids kann man
                              sehr gut auf alkalimetrischem Wege mit einer Normallösung von kohlensaurem Natron
                              vornehmen; so lange Chlorzinn im Ueberschuß vorhanden ist, hat man nicht zu
                              befürchten, daß der Niederschlag alkalihaltig werde und hierdurch ein Mehrverbrauch
                              von der Normallösung stattfindet.
                           1 Aeq. SnCl² erfordert genau 2 Aeq. NaO, CO² bis zum Eintritt der
                              Neutralität, welche man aus der heißen abgesetzten Lösung mit Lackmuspapier erkennt;
                              es fällt hierbei Zinnoxyd nieder, während die Kohlensäure entweicht; die
                              Ausscheidung des Zinnoxyds beginnt natürlich erst, nachdem 1 Aeq. NaO, CO²
                              zugefügt wurde und sich neben NaCl² lösliches Zinnoxydchlorid gebildet
                              hat.
                           Die Bestimmung des Zinngehaltes geschieht übrigens ebenso leicht durch Reduction mit
                              reinem metallischen Zink.
                           Aus einer neutralen concentrirten Lösung von Zinnchlorid ohne Zusatz von freier Säure
                              wird zwar durch metallisches Zink nur eine schleimige Masse von Zinnoxydhydrat
                              abgeschieden, aber bei hinreichend starker Ansäuerung und namentlich bei gehöriger
                              Verdünnung der Lösung scheidet sich alles Zinn vollständig in glänzenden
                              Metallnadeln ab, gerade so wie aus den Lösungen des Zinnchlorürs.
                           Ich wiederhole zum Schluß, daß das Zinnchlorid drei verschiedene krystallisirbare
                              Verbindungen mit Wasser eingeht, nämlich
                           SnCl² + 3HO
                           SnCl² + 5HO
                           SnCl² + 8HO.
                           Die Constitution dieser letzteren beiden Salze wurde festgestellt erstens durch
                              Titriren mit einer Normallösung von NaO, CO² und zweitens durch das
                              specifische Gewicht der Lösungen.
                           10 Gramme von SnCl² + 5HO erforderten 114,4 Kub. Cent. Normallösung von NaO,
                              CO² und 10 Gramme SnCl² + 8HO erforderten 99,3 K. C. dieser
                              Normallösung von NaO, CO², wovon 1000 K. C. 53 Gramme wasserfreies
                              kohlensaures Natron enthielten.
                           Eine Lösung von 80 Grammen SnCl² + 5HO in 20 Grammen Wasser zeigte das
                              specifische Gewicht von 1,727 bei 15° C. (entsprechend 100/1,727 = 57,90
                              Volumina); eine Lösung von 80 Gram. SnCl² + 8HO in 20 Grm. Wasser hingegen
                              das specifische Gewicht 1,580 (entsprechend 100/1,580 = 63,29 Volumina). Die
                              specifischen Gewichte und Volumina der Lösungen von wasserfreiem Zinnchlorid habe
                              ich weiter vorn angegeben. Aus der graphischen Aufzeichnung der Volumina ergibt sich
                              für den ersteren Fall ein Procentgehalt von 59,4, für den zweiten Fall ein Procentgehalt von 51,4;
                              da aber statt 100 nur 80 Gewichtstheile des Salzes genommen worden waren, so
                              berechnet sich hieraus weiter ein Gehalt von 74,25 und 64,25 Procent wasserfreiem
                              Zinnchlorid. In Wahrheit enthält auch SnCl² + 5 aq. 74,2 Procent und SnCl² + 8 aq. 64,3
                              Procent wasserfreies Zinnchlorid. Die Salze entsprechen also wirklich den gefundenen
                              Formeln, wie sie die alkalimetrische Bestimmung ergab. Ich habe diese Bestimmung
                              durch die specifischen Gewichte um so lieber hier anführen wollen, als es vielleicht
                              nur selten der Fall seyn dürfte, daß aus den specifischen Gewichten der Lösungen ein
                              sicherer Rückschluß auf die Konstitution zweier gelösten Salze gemacht wurde.