| Titel: | Archereau's Verfahren zur Gewinnung von Sauerstoffe und Anwendung des Sauerstoffgases um mit dem Leuchtgase ein stärkeres Licht zu erzeugen. | 
| Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. XIX., S. 57 | 
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                        XIX.
                        Archereau's Verfahren zur Gewinnung von Sauerstoffe und Anwendung des
                           Sauerstoffgases um mit dem Leuchtgase ein stärkeres Licht zu erzeugen.
                        Archereau's Verfahren zur Gewinnung von Sauerstoff.
                        
                     
                        
                           Wenn man in eine Leuchtgasflamme einen Sauerstoffstrom hineinbläst, so steigert sich
                              die Leuchtkraft derselben bis zu einer gewissen Grenze ganz ungemein, indem der
                              unverbrannte Kohlenstoff durch die sehr gesteigerte Temperatur zur stärksten
                              Weißgluth erhitzt wird. Besonders schön ist der Effect, wenn man das Leuchtgas
                              vorher mit kohlenstoffreichen flüchtigen Oelen, z.B. Benzoldämpfen, schwängert.
                              Steigt indessen die zugeführte Sauerstoffmenge über eine gewisse Grenze hinaus, so
                              wird auch der Kohlenstoff gänzlich verbrannt, und man erhält eine zwar äußerst
                              heiße, aber nur wenig leuchtende Flamme, welche erst wieder Leuchtkraft erhält, wenn
                              man sie auf einen sehr feuerbeständigen Körper, z.B. Platin, Kalk, Magnesia, wirken
                              läßt.
                           Es ist dieß ein ungemein instructives Experiment. Man sieht bei vorsichtiger
                              Steigerung des Sauerstoffzutritts die gelblichweiße Flamme des Leuchtgases, die an
                              ihrem unteren Theile wenig leuchtet, plötzlich sich verkürzen und in ihrer ganzen
                              Ausdehnung glänzend weiß werden. Sie erscheint merkwürdig undurchsichtig und
                              leuchtend. Steigert man dann den Sauerstoffzutritt, so bleibt nur ein kleiner
                              bläulichweißer Kern, über den sich eine langgezogene Spitze erhebt, die nur äußerst
                              schwach leuchtet. Der glänzende Kern ist nach Bunsen's
                              und Morren's Untersuchungen reiner Kohlenstoffdampf. Hält man nun Platin oder Kalk hinein, so erhält man das
                              blendende Knallgaslicht.
                           
                           Wenn man im Stande wäre, das Sauerstoffgas im Großen zu einem mäßigen Preise zu
                              erzeugen, so könnte man mit viel weniger Leuchtgas durch Zutritt von Sauerstoff ein
                              ungemein viel stärkeres Licht erzeugen.
                           Für zahlreiche metallurgische und andere Operationen wäre ebenfalls die Anwendung des
                              Sauerstoffgases, rein oder mit Luft gemischt, sehr vortheilhaft. H. Deville gab schon vor mehreren Jahren eine Methode zur
                              Sauerstoffbereitung an, die auf der Zerlegung von Schwefelsäure oder Zinkvitriol in
                              glühenden Röhren basirt war. Die erstere liefert schweflige Säure und Sauerstoff,
                              der Zinkvitriol außerdem noch Zinkoxyd. Die schweflige Säure soll durch Waschen mit
                              Wasser, Sodalösung oder Kalkmilch beseitigt, der Sauerstoff aufgefangen werden.
                           Jetzt scheint ein analoges Verfahren seiner Ausführung im Großen nahezustehen. Ein
                              Hr. Archerau hat einen Ofen construirt, der zur
                              Uebertragung der Wärme sehr geeignet ist. In eine Muffel oder Retorte bringt er ein
                              Gemenge von Gyps und Sand, beide fein gemahlen und innig gemischt. Durch die
                              Erhitzung bildet sich kieselsaurer Kalk, die ausgetriebene Schwefelsäure zerfällt in
                              schweflige Säure und Sauerstoff. Das entstehende Gasgemisch wird abgekühlt und einem
                              Drucke von 3 Atmosphären unterworfen. Die schweflige Säure condensirt sich hierbei
                              theilweise, der Sauerstoff dagegen, gemischt noch mit kleinen Mengen schwefliger
                              Säure, entweicht, streicht durch eine dünne Kalkmilch und wird im Gasometer
                              aufgefangen. Die schweflige Säure kann dann nach dem bekannten Verfahren in den
                              Bleikammern in Schwefelsäure umgewandelt werden.
                           Der so erhaltene Sauerstoff soll nicht mehr als 50 Centimes per Kubikmeter oder 4 Sgr. für 32,3 Kubikfuß, 4 Thlr. 4 Sgr. per 1000 Kubikfuß kosten; ja der Erfinder hofft ihn noch
                              billiger, vielleicht zu 35 Centimes per Kubikmeter, also
                              zu 2 Thlr. 27 Sgr. per 1000 Kubikfuß, herstellen zu
                              können. Die sich bildende Gesellschaft würde den Kubikmeter freilich, bis in's Haus
                              geleitet, mit 1 1/2–1 1/4 Frcs. bezahlt nehmen, wornach die 1000 Kubikfuß
                              sich auf 12 Thlr. 11 Sgr. – 10 Thlr. 9 Sgr. stellen würden. Dieß wäre zwar
                              theurer als das Leuchtgas, indessen immerhin bedeutend billiger als jetzt das
                              Sauerstoffgas zu stehen kommt. Aus chlorsaurem Kali bereitet, der billigsten Quelle
                              die man jetzt anwendet, kostet der Kubikmeter 16–18 Frcs., der Kubikfuß also
                              bis zu 5 Sgr.
                           Das erzeugte Sauerstoffgas soll nicht durch Leitungen geführt, sondern mittelst einer
                              Druckpumpe auf 4–5 Atmosphären Druck comprimirt werden und die damit
                              gefüllten Gefäße aus Eisenblech dann den Abnehmern zugeführt werden, wo man das Gas
                              in besondere kleine Gasometer übertreten läßt. Von hier aus gehen besondere kleine Leitungen nach den
                              Gasbrennern, wo sich beide Gase unmittelbar vor der Brennermündung mischen.
                              Hierdurch wird jede Furcht einer Explosion beseitigt. Durch die Stellung der Hähne
                              kann man den Zufluß beider Oase so reguliren, daß das größte Lichtquantum erhalten
                              wird. Um die Lichtmenge einer Wachskerze zu erhalten, braucht man 16 Liter
                              gewöhnliches Leuchtgas per Stunde. Bei Anwendung des
                              Sauerstoffes braucht man dagegen nur 2 Liter Leuchtgas und 1 Liter Sauerstoff, um
                              dasselbe Resultat zu erzielen. Rechnet man die 1000 Kubikfuß Leuchtgas zu 2 Thlr.,
                              die 1000 Kubikfuß Sauerstoff zu 12 Thlr. 11 Sgr., so kostet die stündliche
                              Lichtstärke einer Kerze mit reinem Leuchtgas 0,368 Pfg., während bei Anwendung des
                              Sauerstoffs
                           
                              
                                 das Leuchtgas
                                 0,046 Pfg.,
                                 
                              
                                 das Sauerstoffgas
                                 0,144 Pfg.,
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 Summa
                                 0,190 Pfg.
                                 
                              
                           kosten, also nahezu nur halb so viel. Dabei hat man noch den
                              Vortheil, daß das Sauerstofflicht bedeutend weißer ist, also bei Abend die Stoffe
                              viel reiner gefärbt zeigt, und daß entsprechend der geringen Menge verbrannten Gases
                              auch die Wärmeentwickelung, die Verschlechterung der Luft wegfällt, die sonst bei
                              brillanter Beleuchtung so sehr lästig ist.
                           Die schweflige Säure, welche man bei der Operation selbst als Nebenproduct gewinnt,
                              ist geeignet, die ganzen Kosten durch ihre Umwandlung in Schwefelsäure zu decken.
                              Wenn alle praktischen Schwierigkeiten zu überwinden sind, darf man dem Archereau'schen Unternehmen großen Erfolg
                              versprechen.
                           Fleitmann's Bereitungsmethode für SauerstoffPolytechn. Journal Bd. CLXXVII S.
                                       157. ist ebenfalls sehr zu empfehlen, wenn auch nicht so billig wie die Archereau'sche. (Breslauer Gewerbeblatt, 1865, Nr.
                                 19.)