| Titel: | Ueber Portland-Cement; von A. Winkler. | 
| Autor: | August Winkler | 
| Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXIV., S. 220 | 
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                        LXIV.
                        Ueber Portland-Cement; von A. Winkler.
                        Winkler, über Portland-Cement.
                        
                     
                        
                           Im ersten Juniheft (Bd. CLXXVI S. 378) dieses Journals veröffentlichte Hr. Dr. Feichtinger einen zweiten
                              Aufsatz gegen meine Ansicht von der Zusammensetzung und dem Erhärtungsproceß des
                              Portland-Cements. In neuester Zeit sind auch von Dr. Heldt
                              Studien über die Cemente, von Dr. W. Heldt; im Journal für praktische Chemie, Bd. XCIV
                                    S. 129 und 202. und Prof.
                              Fremy
                              Chemische Untersuchungen über die hydraulischen Cemente, von E. Fremy; im polytechn. Journal Bd. CLXXVII S. 376. zwei neue Theorien aufgestellt worden. Ich will nun zuerst eine kurze
                              Vergleichung dieser Theorien mit derjenigen des Hrn. v. Fuchs und der meinigen geben, indem ich sowohl die verschiedenen Ansichten
                              über die Zusammensetzung des frischen Cements, als auch über den unter Wasser
                              eintretenden chemischen Proceß mittheile, und dann erst auf Dasjenige in dem Aufsatz
                              von Dr. Feichtinger eingehen,
                              was noch zu berichtigen bleibt.
                           Nach v. Fuchs enthält frisches Cement freie Kieselsäure
                              oder kalkarme Silicate mit weniger Kalk als im Wollastonit (3 CaO, 2SiO³)
                              vorhanden ist, und mit etwa vorhandener Thonerde als Basis; außerdem freien Kalk.
                              Unter Wasser erfolgt Verbindung des freien Kalkes mit der Kieselsäure oder den
                              Silicaten zu einem zeolithartigen Körper, der wahrscheinlich nicht mehr Kalk enthält
                              als Wollastonit. Zu bemerken ist, daß v. Fuchs mit
                              Portland-Cement nicht experimentirt hat.
                           Nach Dr. Heldt sind im
                              frischen Cement basische Silicate und die Thonerde als Säure vorhanden, und freier
                              Kalk. Unter Wasser verbindet sich der freie Kalk mit den basischen Silicaten zu dem
                              Doppelsilicat {3 CaO, 1 SiO³ + 3 aq.} + (2CaO, 1 SiO³ + 2 aq.). Es
                              wird nachgewiesen, daß das auf nassem Wege dargestellte Silicat 3CaO, 2SiO³
                              noch freien Kalk unter Erhärten bindet, daß aber alle auf trockenem Wege
                              dargestellten Kalksilicate mit freiem Kalk nicht oder nur sehr langsam erhärten.
                              Nicht speciell mitgetheilt ist, ob das Silicat 3CaO, 2SiO³, wenn es für sich
                              oder mit freiem Kalk gemengt der Temperatur unterworfen worden wäre, bei welcher
                              Portland-Cement gebrannt wird, noch erhärtungsfähig bleibt. v. Fuchs führt nämlich an, daß Wollastonit, ebenfalls 3CaO,
                              2SiO³, weder vor noch nach dem Glühen Kalk bindet und erhärtet.
                           Nach Fremy besteht frisches Cement aus freiem Kalk, den
                              Silicaten 2CaO, SiO³ oder 3CaO, SiO³ und den Kalkaluminaten CaO,
                              Al²O³; 2CaO, Al²O³; oder 3CaO, Al²O³. Die
                              Aluminate erhärten unter Wasser, indem sie sich hydratisiren, die Silicate indem sie
                              freien Kalk und Wasser binden. Die hierbei unter Wasser entstandenen Silicate sind
                              nicht untersucht.
                           Nach meiner Ansicht enthält frisches
                              Portland-Cement Kalksilicate mit wenigstens 3 Aeq. Kalk auch 1 Aeq.
                              Kieselsäure. Der Kalkgehalt kann aber noch höher steigen. Die Thonerde vertritt
                              Kieselsäure. Unter Wasser erfolgt dann eine Abscheidung von Kalk gleichzeitig mit der Wasserbindung
                              desselben. Im erhärteten Cement ist demnach weniger basisches Kalksilicat und
                              Kalkaluminat vorhanden, und neben diesen krystallinisch abgelagertes Kalkhydrat.
                              Außer den früheren Versuchen, aus denen ich diese Ansicht erhalten habe, führe ich
                              noch folgenden neuen an: Ein acht Wochen unter Wasser erhärtetes käufliches Cement
                              wurde gelinde geglüht, und zerfiel dann an der Luft liegend langsam zu Pulver, oder
                              löschte sich mit Wasser vorsichtig befeuchtet unter starkem Erhitzen gleich
                              hydraulischem Kalk. In dem gelinde geglühten Product ist also jedenfalls viel freier
                              Kalk enthalten. Mengt man nun mit dem erhaltenen Pulver noch 10 Procent thonfreie
                              Kreide und etwa 5 Proc. auf's Feinste geriebenen Flußspath und glüht sehr stark bis
                              zur Sinterung, so erhitzt sich die wieder pulverisirte Masse unter Wasser nicht, sondern erhärtet.
                              Anstatt Kreide und Flußspath kann man auch nur 5 Proc. Fluornatrium beimengen.
                              Kohlensäure Alkalien beizumengen, habe ich vermieden, weil diese zerlegend auf die
                              Silicate wirken können. Die zu brennenden Proben werden zwischen Holzkohlen oder
                              schon glühende Kohks gebracht, um Schwefelbindung zu vermeiden; und die richtige
                              Hitze wird in der Weise gefunden, daß man die Probe so oft stärker glüht, bis das
                              dargestellte Pulver unter Wasser nicht mehr aufschwillt und zerfällt, sondern
                              erhärtet. Von den zugesetzten Alkalien verdampft der größte Theil.
                           Durch dieses zweite stärkere Brennen kann nur die Wiedervereinigung des im gelinde
                              geglühten erhärteten Cement vorhandenen freien Kalkes mit den Silicaten bewirkt
                              worden seyn, wobei sehr basische Silicate entstehen mußten. Da nun v. Fuchs nachgewiesen hat, daß Wollastonit nicht mehr Kalk
                              unter Wasser bindet, und ich gefunden hatte, daß Portland-Cement an Wasser so
                              lange Kalk abgibt, bis nur noch ein an Kalkgehalt dem Wollastonit ungefähr gleiches
                              Silicat vorhanden ist, so hatte ich angenommen, daß überhaupt unter Wasser kein
                              Kalksilicat mit höherem Kalkgehalt existirt, und daher das sehr basische Silicat des
                              Portland-Cementes auch dann in freien Kalk und weniger basisches Silicat
                              zerfällt, wenn das vorhandene Wasser nicht ausreicht, um den abgeschiedenen Kalk zu
                              lösen. Das abgeschiedene Kalkhydrat lagere sich vielmehr krystallinisch ab und
                              bewirke dabei das Verwachsen. Dr. Heldt hat indeß neuerdings nachgewiesen, daß noch das Silicat 5CaO,
                              2SiO³ + 5 aq. mit viel mehr Kalk, als Wollastonit
                              enthält, unter Wasser besteht, und nur in Berührung mit viel Wasser zerfällt. Aber
                              auch neben diesem Silicat 5CaO, 2SiO³ + 5 aq.
                              müßte im erhärteten Cement noch viel freier Kalk vorhanden bleiben, da sehr gute
                              Cemente 4 Aeq. Kalk auf
                              1 Aeq. SiO³ + Al²O³ enthalten. Von je 8 Aeq. Kalk des Cements
                              wären dann etwa 5 als freier Kalk vorhanden gewesen, und 3 auch frei geblieben. Bei
                              so viel freiem Kalk hätte sich das Cement mit Wasser unter Erwärmen und Zerfallen
                              löschen müssen. Ich halte daher immer noch meine Ansicht für richtig, daß im
                              Portland-Cement stets aller oder nahezu aller Kalk gebunden ist, und unter
                              Wasser sich ein Theil nach und nach, ohne gelöst zu werden, abscheidet und
                              krystallinisch ablagert.
                           Welches aber auch der chemische Proceß wäre, der das Erhärten vermittelt, so ist der
                              chemische Proceß doch niemals identisch mit dem Erhärtungsproceß; denn das Erhärten
                              geschieht erst durch das Aneinanderlagern derjenigen Molecüle, welche das Resultat des chemischen Processes sind, also der
                              basischen Silicatmolecüle an ganz gleiche basische Silicatmolecüle, oder der
                              Molecüle von hydratisirtem Kalkaluminat an eben solches, oder von Kalkhydrat-
                              an Kalkhydratmolecüle, stets also in Folge der Anziehung gleicher Molecüle, wie bei der Krystallbildung; der chemische Proceß
                              ermöglicht demnach nur das Erhärten, d.h. das Verwachsen der Cementpulvertheilchen
                              und Sandtheilchen zu einer zusammenhängenden Masse,
                              dadurch, daß die neuentstandenen Molecüle so weit beweglich sind, daß sie nicht sämmtlich in den
                              Cementpulvertheilchen, aus denen sie herstammen, liegen bleiben, sondern sich zwischen diese und an den Sand lagern und dadurch eine
                              Verkittung bewirken. Diese vorübergehende Beweglichkeit der Molecüle ist unläugbare
                              Thatsache. Eine vorübergehende Lösung aber ist nicht nothwendig; dagegen habe ich
                              mich ausdrücklich schon im Jahre 1858 (polytechn. Journal Bd. CXLIX S. 262) ausgesprochen.
                           Ich muß jetzt noch Einiges aus der letzten Abhandlung des Hrn. Dr. Feichtinger berichtigen. Wie sich zunächst
                              aus der Vergleichung der verschiedenen kurz mitgetheilten Theorien ergibt, ist für
                              die Gültigkeit der Theorie des Hrn. v. Fuchs, welche Dr. Feichtinger vertritt,
                              nicht der Beweis der Anwesenheit von freiem Kalk im Portland-Cement zu
                              führen, denn freien Kalk nehmen auch Prof. Fremy und Dr. Heldt an, sondern es sind
                              vorzugsweise die kalkarmen Silicate oder die freie Kieselsäure nachzuweisen, welche
                              v. Fuchs im frischen Cement annimmt. In Bezug auf die
                              Versuchsmethode des Hrn. Dr. Feichtinger muß ich jedoch nochmals wiederholen, daß dieselbe nur ein
                              Gemenge von sehr verschiedenartigen Silicaten liefert; denn es bleibt sowohl bei
                              mehrstündiger Behandlung des Cements mit concentrirter Lösung von kohlensaurem
                              Ammoniak, als auch bei 9 Tage langer Digestion mit höchst concentrirter Lösung von
                              kohlensaurem Kali ziemlich ein Drittheil
                               der Cementmasse,
                              nämlich die durch Schlämmen und Reiben mit den Fingern getrennt zu erhaltenden
                              sandartigen gröberen Theilchen, so unverändert, daß sie,
                              nach schnellem Trocknen fein gerieben, wohl etwas
                              langsamer, aber ebenso gut erhärten, als die
                              ursprüngliche Cementmasse.
                           Die Verwahrung des Hrn. Dr. Feichtinger gegen falsche Auffassung kann ich ebenfalls nicht unberichtigt
                              lassen. Ich habe in meiner Erwiederung geschrieben, daß der Schluß Dr. Feichtinger's, frisches
                              Cement enthalte freie Kieselsäure, irrig sey. Dr. Feichtinger hatte allerdings gesagt, frisches Cement
                              enthält „freie Kieselsäure oder Silicate,“ da aber von diesen
                              Silicaten keine Zusammensetzung angegeben ist, und dieselben als gleichwirkend mit
                              freier Kieselsäure betrachtet werden, so habe ich mich nur an den bestimmten Begriff
                              der freien Kieselsäure gehalten und deren Anwesenheit bestritten. Das Vorhandenseyn
                              des freien Kalkes bewiese, wie erwähnt, noch nicht die Gültigkeit der Theorie des
                              Hrn. v. Fuchs. Freie Kieselsäure aber und solche
                              Silicate, wie v. Fuchs verlangt, sind im
                              Portland-Cement nicht vorhanden, und wenn ich demnach vorzugsweise die
                              Anwesenheit von freier Kieselsäure bestritten habe, so liegt darin sicher keine
                              falsche Auffassung der Worte Feichtinger's.
                           In Betreff der Erörterungen meiner Versuche, durch welche Hr. Dr. Feichtinger meine Ansicht von der
                              Zusammensetzung der Portland-Cemente, daß dieselben nämlich basische Silicate
                              sind, als unbegründet erwiesen erachtet, bemerke ich nur, daß die basische Natur der
                              Silicate des Portland-Cementes wohl überhaupt nicht mehr bezweifelt werden
                              kann.
                           Endlich wende ich mich noch zu einer Stelle, wo Hr. Dr.
                              Feichtinger mich persönlich angreift. Er bezeichnet
                              nämlich das von mir durch kochendes Wasser vorgenommene Löschen des Strehlener
                              Kalkes als einen „Kunstgriff,“ um die Silicate gegen den freien
                              Kalk zu schützen. Hierauf entgegne ich, daß ich den Grund, warum ich heißes Wasser
                              statt kaltem anwandte, bei der Beschreibung des betreffenden Versuches ausdrücklich
                              angegeben habe, und zwar war der Grund der, daß sich der Kalk in kaltem Wasser
                              nicht, wohl aber in heißem zu dem beabsichtigten feinen Brei löscht. Ferner mußte
                              der erhaltene Schlamm getrocknet werden. Dieß geschah bei gewöhnlicher Temperatur,
                              und es waren hierbei die Silicate mehrere Tage der kalten
                              Kalklösung ausgesetzt. Endlich wird die Kalklösung durch heißes Wasser nur von 1/700
                              Gehalt auf 1/1300 verdünnt, also nicht in einem Verhältniß, daß ihre
                              Wirkungsfähigkeit wesentlich abnehmen kann, und da sie bei dem großen Ueberschuß von freiem Kalk immer
                              gesättigt bleibt, so konnten die Silicate auch nie Mangel an Kalk leiden.
                           Aus diesen Verhältnissen ergibt sich, daß zu der Vermuthung, ich hätte die Silicate
                              schützen wollen, keine Veranlassung vorhanden ist.