| Titel: | Ueber einige Eigenschaften der Salpetersäure; von Dietzenbacher. | 
| Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXVII., S. 229 | 
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                        LXVII.
                        Ueber einige Eigenschaften der Salpetersäure; von
                           Dietzenbacher.
                        Aus den Comptes rendus, t. LX p. 1022; Mai
                              1865.
                        Dietzenbacher, über einige Eigenschaften der
                           Salpetersäure.
                        
                     
                        
                           Heiße Salpetersäure ist ein in unseren Laboratorien häufig zur Anwendung kommendes,
                              kräftiges Oxydationsmittel; rauchende Salpetersäure vermag schon bei gewöhnlicher
                              Temperatur Oxydationserscheinungen hervorzurufen, welche sehr energisch werden, wenn
                              man ein Gemisch von einfach-gewässerter Salpetersäure mit Nordhäuser
                              Schwefelsäure anwendet. Es ist eine allbekannte Thatsache, daß Schwefel durch
                              kochende Salpetersäure zu Schwefelsäure oxydirt wird; dieser Vorgang findet bei
                              Anwendung von rauchender Salpetersäure schon bei gewöhnlicher Temperatur statt;
                              bringt man nämlich diese Säure bei gewöhnlicher Temperatur mit Schwefelblüthen
                              zusammen, so entwickeln sich sogleich röthliche Dämpfe, die Temperatur steigt und
                              die Flüssigkeit trübt sich auf Zusatz von Chlorbaryum. Je nach der Temperatur und
                              dem Concentrationsgrade der Säure tritt diese Erscheinung sogleich oder erst nach
                              einiger Zeit ein.
                           Stangenschwefel wird auf diese Weise gleichfalls oxydirt, aber mit weniger
                              Lebhaftigkeit. Der Concentrationsgrad der Salpetersäure ist von sehr bedeutendem
                              Einflusse auf die Erscheinung; versetzt man sie mit einigen Tropfen Nordhäuser
                              Schwefelsäure, so ist die Reaction sehr lebhaft.
                           Rauchende Salpetersäure löst auch Phosphor bei gewöhnlicher Temperatur auf; bei
                              Berührung mit einem Gemische von gleichen Raumtheilen rauchender Salpetersäure und
                              Nordhäuser Schwefelsäure verbrennt der Phosphor. Der Versuch ist nicht ganz
                              gefahrlos.
                           Rother Phosphor wird bei gewöhnlicher Temperatur von rauchender Salpetersäure nur
                              sehr wenig angegriffen; nachdem die Einwirkung einige Zeit gedauert hat, wird die
                              Flüssigkeit von saurem salpetersaurem Wismuthoxyd gefällt. In einem Gemisch von
                              einfach-gewässerter Salpetersäure und rauchender Schwefelsäure wird rother
                              Phosphor theilweise zu Phosphorsäure umgewandelt und entzündet sich. Bei dieser
                              Reaction findet eine reichliche Entwickelung von dicken röthlichen Dämpfen
                              statt.
                           Das Gemisch von rauchender Salpetersäure und Nordhäuser Schwefelsäure ist eines der
                              kräftigsten Oxydationsmittel; die letztere Säure, welche bekanntlich sehr begierig
                              Wasser anzieht, wirkt nicht allein concentrirend auf die Salpetersäure, sondern
                              veranlaßt, sobald die Temperatur sich steigert, eine wirkliche Zersetzung derselben.
                              Erhitzt man ein Gemisch von rauchender Salpetersäure und Nordhäuser Schwefelsäure in
                              einer Glasretorte bis
                              zum Siedepunkte, so entwickelt sich (bekanntlich) eine reichliche Menge von reinem
                              Sauerstoffgas.
                           Metallisches Arsen wird durch das Säuregemisch binnen wenigen Minuten in Arsenigsäure
                              verwandelt, wogegen rauchende Salpetersäure allein bei gewöhnlicher Temperatur auf
                              das Arsen nicht merklich einwirkt.
                           Holzkohle und Kienruß verbrennen in dem Gemisch von rauchender Salpetersäure und
                              Nordhäuser Schwefelsäure mit großer Lebhaftigkeit; ebenso in einem Gemisch von
                              rauchender Salpetersäure und wasserfreier Phosphorsäure.
                           Auf die leicht oxydirbaren Metalle hat das Gemisch von Salpetersäure und
                              Schwefelsäure keine Wirkung.
                           Zink, welches von concentrirter Salpetersäure sehr lebhaft angegriffen wird, erleidet
                              in Berührung mit dem Gemisch von einfach-gewässerter Salpetersäure und
                              Nordhäuser Schwefelsäure keine Veränderung; man kann es mehrere Tage in demselben
                              liegen lassen, ohne daß sich eine Wirkung zeigt. Selbst beim Siedepunkt wird das
                              Metall von der Flüssigkeit nicht angegriffen.
                           Auch auf Eisen, Kupfer und Zinn hat das Säuregemisch keine Wirkung. Das Eisen wird
                              nicht passiv.
                           Baumwolle wird von dem Gemisch aus gleichen Raumtheilen rauchender Salpetersäure und
                              Nordhäuser Schwefelsäure binnen wenigen Secunden in Pyroxylin verwandelt, welches in
                              einem Gemisch von Aether und Alkohol unlöslich ist. Die auf diese Weise dargestellte
                              Schießbaumwolle entzündet sich augenblicklich und hinterläßt keinen Rückstand.
                           Taucht man die Baumwolle nicht gleich ganz vollständig in das Säuregemisch ein, so
                              entzündet sie sich und verbrennt sehr lebhaft unter Entwickelung von dichten rothen
                              Dämpfen.