| Titel: | Versuche zur Herstellung eines zuverlässigen Brandgeschosses für gezogenes Geschütz. | 
| Autor: | D.....y | 
| Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXXVI., S. 279 | 
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                        LXXVI.
                        Versuche zur Herstellung eines zuverlässigen
                           Brandgeschosses für gezogenes Geschütz.
                        Mit Abbildungen.
                        Ueber Herstellung eines zuverlässigen Brandgeschosses für gezogenes
                           Geschütz.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich fehlt es dem gezogenen Geschütze bis daher noch an einem vollständigen
                              Ersatz für die glühende Kugel und für die mit geschmolzenem Eisen gefüllte Bombe
                              (Martin's
                              shell) des glatten Rohres. Die hier zur Mittheilung
                              kommenden Versuche, ein diese Lücke ausfüllendes Geschoß herzustellen, wurden im
                              Jahre 1861 durch den Umstand angeregt, daß die Militär-Literatur des
                              genannten Jahres zwar wiederholt die Nachricht brachte, es werde in England von den
                              HHrn. Capitän Norton und Mac
                                 Intosh versucht, eine von Hrn. Allison mit dem
                              Namen liquid fire belegte Auflösung des Phosphors in
                              Schwefelkohlenstoff für die Kriegsfeuerwerkerei nutzbar zu machen, von einem
                              befriedigenden Resultate dieser Bestrebungen aber niemals die Rede war.
                           Zur Lösung des Problems, diese Phosphorlösung zur Herstellung eines Brandgeschosses
                              für gezogenes Geschütz verwerthen zu können, mußte aber offenbar folgenden
                              Forderungen entsprochen werden:
                           1) Feststellung desjenigen Sättigungsgrades der Lösung, welche zu vollkommener
                              Sicherheit der Feuererzeugung bei freiem Hinzutritt der atmosphärischen Luft
                              führt;
                           2) Schutz der inneren Geschoßwand vor etwaigen chemischen Einwirkungen der
                              Phosphorlösung auf dieselbe;
                           3) Gefahrlosigkeit der Zusammenstellung dieser zündenden Composition mit der
                              Sprengladung etc. im Inneren des Geschosses;
                           4) Sicherung einer wirksamen Fortpflanzung des von genanntem Pyrophor bei Hinzutritt
                              der atmosphärischen Luft erzeugten Feuers auf andere, mit diesem in Berührung
                              kommende brennbare Gegenstände.
                           
                           Der Forderung ad 1 wird nach gemachten Versuchen
                              vollkommen entsprochen, wenn man die Anordnung trifft, daß stets m Gramme Phosphor auf m/3
                              Kubikcentimeter Schwefelkohlenstoff genommen werden, und die Lösung dann drei bis
                              vier Tage an einem dunklen und nicht zu kalten Orte, wohlverschlossen stehen bleibt.
                              – Eine in dieser Art zusammengesetzte und behandelte Composition soll in der
                              Folge hier stets mit dem Namen „Grundmischung“ bezeichnet
                              werden. – Der fein zertheilt in ihr enthaltene Phosphor entzündet sich
                              sofort, wenn die ihn umgebende Schwefelkohlenstoff-Hülle verdampft ist, und
                              sauerstoffreiche atmosphärische Luft an deren Stelle tritt.
                           Der ad 2 verlangte Schutz der inneren Geschoßwand vor
                              chemischen Einwirkungen der Grundmischung auf dieselbe wird bei Geschossen, welche
                              aus Gußeisen bestehen, schon von selbst durch die Eigenschaft dieses Materials
                              gewährt, von besagter Lösung nicht angegriffen zu werden.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 178, S. 280
                              Der ad 3 aufgeführten Forderung einer gefahrlosen
                                 Zusammenstellung von Grundmischung, Sprengladung und Zündung im Inneren des
                                 Geschosses ließ sich durch eine in letzteres einzugießende Querscheidewand
                                 entsprechen, wie das durch nebenstehende Fig. 1
                                 angedeutet wird, und es ist dann die Erzeugung der Grundmischung selbst in dem
                                 für sie bestimmten Geschoßraume ganz ungefährlich, da, wenn zuerst der
                                 Schwefelkohlenstoff eingegossen wird, sich hierdurch im Geschoßinneren eine
                                 Atmosphäre von Schwefelkohlenstoffdämpfen bildet, innerhalb deren der
                                 hinzuzusetzende Phosphor sich nicht entzünden kann.
                              
                           Größere Schwierigkeiten aber machte es, der ad 4
                              gestellten Forderung, einer sicheren Fortpflanzung des durch die Grundmischung bei
                              dem Hinzutritte des Sauerstoffes der atmosphärischen Luft erzeugten Feuers auf
                              andere, in seinem Bereiche liegende, brennbare Gegenstände zu entsprechen, und es
                              ließ sich bei den nach dieser Richtung hin angestellten Versuchen gar bald erkennen,
                              aus welchem Grunde die Militär-Literatur diese Brandgeschoßfrage nun schon
                              seit längerer Zeit wieder hatte fallen lassen, denn so brillant auch die
                              Feuererscheinung war, welche sich beim Zersprengen von mit Grundmischung versehenen
                              Glasgefäßen in der atmosphärischen Luft zeigte, so pflanzte sich dieses Feuer, trotz seines Glanzes,
                              selbst auf sehr leicht verbrennliche Substanzen, wie z.B. fein gehobelte Kienspäne
                              etc. gar nicht fort. Es beschlugen sich diese Gegenstände vielmehr in der Nähe des
                              brennenden Phosphors sehr bald mit Phosphorsäure und wurden hierdurch mehr oder
                              minder unverbrennlich, indem sie gar bald in eine feuchte klumpige Masse
                              übergiengen, welche selbst durch angezündete Schwefelhölzer und Stücke brennenden
                              Papiers nicht mehr in Brand zu bringen war.
                           Eine Reihe von Versuchen, diesen Uebelstand durch Hinzufügen der bisherigen
                              Brandsätze etc. zu heben, scheiterte an der hohen Entzündungstemperatur der
                              letzteren, bis nach langem Hin- und Herprobiren endlich in der Camphine, dem flüchtigen Bestandtheile des Terpenthinöls,
                              – die Naphta des amerikanischen Stein- oder Erdöls leistet nach
                              späteren Versuchen denselben Dienst – das Mittel gefunden wurde, dem durch
                              die Grundmischung erzeugten Feuer eine sichere Uebertragung auf andere, in seinem
                              Bereiche liegende, brennbare Gegenstände geben zu können. Gießt man nämlich, kurz vor dem Gebrauche der richtig zubereiteten
                                 Grundmischung, in das dieselbe enthaltende Gefäß Camphine, oder auch, setzt man
                                 der Grundmischung mit Camphine getränkte Baumwolle zu, so überträgt sich
                                 hierdurch das Feuer, welches beim Zersprengen des die Grundmischung enthaltenden
                                 Gefäßes erzeugt wird, mit Leichtigkeit auf Holzstöße von Buchenholz und
                                 dergleichen Gegenstände.
                           Noch sicherer wurde dieser Zweck erreicht, wenn man die
                              mit Camphine zu tränkende Baumwolle vorher mit gepulvertem Kalisalpeter
                              überstreute, wobei zu größtmöglichem Effecte 9 Gewichtstheile Salpeter auf 1
                              Gewichtstheil Baumwolle zu nehmen sind, und weiter ließ sich die Sicherheit der
                              Brandübertragung noch dadurch steigern, daß man den genannten Brandmitteln einen aus
                              1 Gewichtstheil Schwefel, 10 Gewichtstheilen Schwefelantimon und 40 Gewichtstheilen
                              Salpeter bestehenden Brandsatz hinzufügte, welcher letztere in beliebigen
                              Quantitäten beigegeben werden kann, da er die Bedingungen zu seinem kräftigen
                              Abbrennen in sich selbst enthält.
                           Als Resultat der im Jahre 1862 gemachten Versuche zur Herstellung eines wirksamen
                              Brandgeschosses für gezogenes Geschütz durch Verwendung des in Schwefelkohlenstoff
                              eingehüllten diffusen Phosphors als Pyrophor traten hiernach also etwa die folgenden
                              technischen Vorschriften hervor:
                           
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 178, S. 282
                              I. Ist es gestattet, den mit Grundmischung versehenen Geschossen erst kurz vor
                                 ihrem Gebrauche die weiteren Zusätze zu geben, so kann dadurch allen oben
                                 angegebenen Forderungen entsprochen werden. Läßt man diese Zusätze aber vor dem
                                 Gebrauche des Geschosses längere Zeit auf die in dem Brandmassenraume desselben
                                 enthaltene Grundmischung einwirken, so verliert letztere dadurch ihre
                                 Eigenschaft der Selbstentzündlichkeit beim Hinzutritte atmosphärischer Luft,
                                 indem dann der Phosphor nicht nur chemische Verbindungen mit den
                                 Brandsatzbestandtheilen eingeht, sondern durch die Camphine auch aus seiner
                                 Lösung im Schwefelkohlenstoff ausgeschieden wird, wornach er sich als eine
                                 indifferente käsige Masse zu Boden setzt.
                              
                           
                              
                              Fig. 3, Bd. 178, S. 282
                              II. Für solche Geschosse, welche, bereits fertig laborirt, noch längere Zeit
                                 lagern, oder auch transportirt werden sollen, müssen den vorhergehenden
                                 Einrichtungen also noch neue hinzugefügt werden, welche, je nach Umständen, etwa
                                 Folgendem zu bestehen haben würden:
                              1) Trennung von Grundmischung und Camphine, Brandsatz etc. durch eine Membrane,
                                 indem man die der Grundmischung zu gebenden Zusätze in eine fest zugebundene
                                 Thierblase einschließt, und so in den Brandmassenraum des Geschosses einsetzt,
                                 siehe Figur 2, oder
                              2) Bewirkung dieser Trennung durch eine zweite in das Geschoß einzugießende
                                 innere Querscheidewand, siehe Fig. 3, in welchem
                                 Falle dann zunächst des Sprengladungsraumes a der
                                 Grundmischungsraum b liegen und nach diesem erst der
                                 Camphine- und Brandsatz etc. -Raum c
                                 kommen würde.
                              
                           III. Soll hernach, um auf einen concreten Fall überzugehen, z.B. ein Brandgeschoß für
                              den gezogenen Sechspfünder von 3,5 Zoll Kaliberdurchmesser laborirt werden, dessen
                              Brandmassenraum, bei einfach geschiedenem Geschoßinneren, also etwa 12 Kubikzoll
                              rheinländisch betragen würde, so würde man etwa für 1/6 dieses Volums Grundmischung
                              zu bilden haben, wozu, da das Schwefelkohlenstoff-Volum durch Aufnahme des
                              Phosphors nur wenig geändert wird, circa 2 Kubikzoll
                              oder 36 Kubikcentimeter Schwefelkohlenstoff, und, dem entsprechend 3 . 36 = 108
                              Gramme Phosphor gehören. Die übrigen 10 Kubikzoll des Brandmassenraumes aber würden
                              mit Camphine, salpetrisirter Baumwolle und Brandsatz auszufüllen seyn, und es hängen
                              die weiteren Specialitäten im Laboriren des herzustellenden Brandgeschosses dann nur
                              noch von der Bestimmung desselben ab.
                           Soll das Geschoß nämlich erst kurz vor seinem definitiven Gebrauche zum Schusse
                              fertig gemacht werden, so gießt man in den mit Schwefelkohlenstoff getränkten
                              Brandmassenraum zunächst die oben bezeichnete Quantität von 36 Kubikcentimetern
                              Schwefelkohlenstoff durch die Bodenöffnung des Geschosses ein, setzt dann die
                              hinzugehörigen 108 Gramme Phosphor in Stangenform bei, und verschließt hierauf den
                              Brandmassenraum mit seiner Bodenschraube, wornach dem Geschosse bis zu seiner
                              Verwendung mindestens drei Tage Zeit gelassen und ein mäßig warmer Aufstellungsort
                              gegönnt werden muß, damit die Grundmischung sich gehörig bilden kann. Soll das
                              Geschoß hiernach zum Schusse fertig gemacht werden, so wird die Bodenschraube
                              desselben wieder geöffnet, wobei das Geschoß natürlich auf seinen Kopf zu stellen
                              ist, dann füllt man den noch übrigen Brandmassenraum mit salpetrisirter, in Camphine
                              getränkter Baumwolle, sowie mit Brandsatz aus, schraubt die Bodenschraube wieder ein
                              und versieht das Geschoß endlich mit seiner Sprengladung und seiner Zündung.
                           Sollen die zu laborirenden Geschosse aber in einem zum sofortigen Gebrauche fertigen
                              Zustande aufbewahrt oder transportirt werden, so gießt man
                           1) bei Geschossen mit nur einer Scheidewand des inneren
                              Raumes zuerst in den mit Schwefelkohlenstoff getränkten Brandmassenraum nur die
                              Hälfte des zur Grundmischung gehörenden Schwefelkohlenstoffes, im vorliegenden Falle
                              also 18 Kubikcentimeter desselben ein, und setzt hierauf den ganzen Phosphor, in
                              diesem Falle also 108 Gramme in Stangenform zu. Dann füllt man in einem
                              Cylindermaaße, welches dem Reste des Brandmassenraumes, hier 10 Kubikzoll,
                              entspricht, eine feste und wohlerhaltene Thierblase mit salpetrisirter, in Camphine
                              getränkter Baumwolle und beziehungsweise auch mit Brandsatz an, bindet die Blase
                              hierauf, deren Füllung in ihrem Inneren beweglich lassend, mit Windfaden fest zu,
                              und setzt sie weiter durch die Bodenöffnung des Geschosses in den Brandmassenraum
                              desselben ein; worauf auch noch die zweite Hälfte des Schwefelkohlenstoffes der Grundmischung
                              hinzugegossen und der Brandmassenraum durch die Bodenschraube und eine unter deren
                              Kopf gelegte Bleiplatte hermetisch geschlossen, das Geschoß überhaupt aber mit
                              seiner Sprengladung und demjenigen Theile seines Zünderapparates versehen wird,
                              welchen die bestehende Dienstvorschrift für zu transportirende Geschosse
                              anordnet;
                           2) bei Geschossen aber, welche für eine längere Lagerung oder heftige
                              Transportbewegungen bestimmt und deßhalb mit zwei gußeisernen inneren Scheidewänden
                              versehen sind, gießt man in den der Sprengladung zunächst liegenden und mit
                              Schwefelkohlenstoff getränkten Brandmassenraum b,
                              Figur 3, sogleich den ganzen Schwefelkohlenstoff der
                              Grundmischung ein, setzt dann den Phosphor hinzu und verschließt diesen Raum mit der
                              zugehörigen Schraube und einer unter deren Kopf gelegten Bleiplatte. Dann tränkt man
                              den zweiten, zunächst des Geschoßbodens liegenden Brandmassenraum c,
                              Fig. 3, mit Camphine, füllt ihn hierauf mit
                              salpeterisirter, in Camphine getränkter Baumwolle und mit einer angemessen
                              erachteten Quantität Brandsatz, verschließt hiernach auch diesen Raum mit seiner
                              Schraube und einer unter deren Kopf gelegten Bleiplatte und verfährt endlich weiter
                              gerade so, wie es bei 1) angegeben worden ist.
                           Da es, nach hierauf angestellten technischen Ermittelungen, jedoch sehr schwierig
                              ist, das Geschoß-Innere der Quere nach in drei von einander abgeschiedene
                              Kammern zu theilen, Längenscheidungen des inneren Geschoßraumes durch eingegossene
                              cylindrisch oder ebenflächig geführte Wände dem zum Erfolge nothwendigen
                              Zusammentreffen von Grundmischung und Brandmasse nach der Geschoßzertrümmerung aber
                              hinderlich seyn könnten, während möglichste Einfachheit der Construction und volle
                              Sicherheit der Wirkung des Geschosses als das zur Lösung des Problems zu erreichende
                              Ziel fest im Auge gehalten werden müssen, so wurden später noch weitere Versuche
                              nach der Richtung hin angestellt, ob es nicht möglich sey, in allen obengenannten
                              Fällen mit nur einer einzigen Querscheidewand im Geschoß-Inneren
                              auszureichen, indem die Substanz der thierischen Blase so präparirt wird, daß sie
                              Endosmose und Exosmose von Schwefelkohlenstoff außerhalb und von Camphine innerhalb
                              derselben dauernd zu hindern vermag.
                           Der endliche Erfolg dieser Bemühungen war ein durchaus günstiger, als man Collodium,
                              oder in Schwefeläther aufgelöste Schießbaumwolle und concentrirte Lösungen des
                              arabischen Gummis in Wasser zur Präparation von Kalbsblasen anwendete, indem man
                              letztere innen und außen mit genügend dicken Schichten der einen oder der anderen
                              Flüssigkeit überzog und
                              hierauf ein Trocknen derselben in freier Luft eintreten ließ, wobei die Blase sich
                              immer in einem etwas aufgeblasenen Zustande befinden mußte, damit ein
                              Aufeinanderkleben ihrer inneren Wandungen nicht stattfinden konnte.
                           Auf solche Weise behandelte Thierblasen standen, mit Camphine etc. gefüllt und von
                              Grundmischung umgeben, drei bis vier Wochen lang in luftdicht verschlossenen
                              Glasgefäßen, – sogenannten Einmachgläsern mit weiter Oeffnung, – deren
                              Verkorkung mit Gyps luftdicht gemacht worden war, ohne daß dadurch die zündende
                              Kraft des in Rede stehenden Pyrophors auch nur im mindesten beeinträchtigt worden
                              wäre, indem die in dem Gefäße enthaltenen Brandkörper vielmehr sofort die
                              verbrennlichen Stoffe, Holzhaufen etc. entzündeten, in deren Nähe man das zum
                              Versuche dienende, mit der Brandmasse gefüllte Glasgefäß zersprengte.
                           Die Präparation der thierischen Blase mit Collodium hatte, bei gleicher Wirkung in
                              Bezug auf Undurchdringlichmachung der Membrane, vor derjenigen mit Gummi den Vorzug,
                              daß die Thierblase bei ihr geschmeidiger blieb; jedoch möchten zur endlichen
                              Feststellung des praktisch Geeignetsten Parallelversuche im Großen nach beiden
                              Richtungen hin anzustellen seyn.
                           Die Geschmeidigkeit der Membrane dürfte sich auch noch durch eine vorherige
                              Behandlung derselben mit Glycerin erlangen und beziehungsweise erhöhen lassen.
                           Weiter trat in Folge der inmittelst gemachten Versuchserfahrungen auch noch die Frage
                              auf, ob der oben angegebene, sehr rasch auflodernde
                              Brandsatz von 1 Gewichtstheil Schwefel auf 10 Gewichtstheile Schwefelantimon und 40
                              Gewichtstheile Salpeter, welcher den zu seiner Verbrennung nöthigen Sauerstoff in
                              sich selbst enthält, unter Umständen, z.B. zum Anzünden nasser Hölzer etc., nicht
                              zweckmäßiger durch einen nachhaltiger brennenden Satz zu
                              ersetzen sey, in welcher Beziehung nach gemachten Versuchen der aus 6 Theilen
                              Mehlpulver, 6 Theilen Schwefelantimon, 16 Theilen Schwefel und 72 Theilen Salpeter
                              bestehende Brandsatz der in großherzoglich badischer Artillerie verwendeten
                              Brandröhren eine besondere Aufmerksamkeit verdient. Auch nach dieser Richtung hin
                              dürften also in einem größeren Maaßstabe anzustellende Parallelversuche angemessen
                              erscheinen.
                           Die Bodenöffnung des nach Figur
                                 1 mit nur einer inneren Querscheidewand
                              versehenen Geschosses wird man zum bequemeren Einsetzen der mit Camphine und
                              Brandsatz etc. gefüllten und vorher mit Collodium oder mit Gummi präparirten
                              Thierblase, möglichst weit
                               zu machen haben, und
                              das Verfahren beim Laboriren des Geschosses wird nach diesen neueren Erfahrungen
                              dann folgendes seyn:
                           1) Das Collodiiren oder Gummiiren der Thierblasen geschieht in größeren Gefäßen und
                              so lange, bis man durch wiederholtes Eintauchen der Membrane in die betreffende
                              Auflösung von Gummi oder Schießwolle sich die Ueberzeugung verschafft hat, daß die
                              Blase innen und außen mit dem beabsichtigten Ueberzuge versehen ist, wornach
                              dieselbe, mit Beobachtung der oben angegebenen Vorsichtsmaßregel des vorherigen
                              Aufblasens, in freier Luft getrocknet wird.
                           2) Nachdem der Brandmassenraum des Geschosses mit Schwefelkohlenstoff getränkt worden
                              ist, setzt man in demselben zunächst die Grundmischung an, und verschließt diesen
                              Raum dann wieder bis zum späteren Einsetzen der mit Camphine etc. gefüllten Blase
                              mittelst seiner Schraube.
                           3) Die gummiirte oder collodiirte Thierblase wird, nachdem sie vollkommen
                              ausgetrocknet worden ist, in der früher angegebenen Weise mit salpetrisirter
                              Baumwolle, Camphine und einem der vorgeschlagenen Brandsätze versehen, hierauf mit
                              Bindfaden etc. fest zugebunden, und nachdem auch dieser Bund mit Collodium oder
                              Gummi überzogen worden ist, mit einem Beutel von starkem und recht weichem
                              Baumwollenzeug überzogen.
                           4) Das Einsetzen der so vorbereiteten Blase in's Geschoß
                              geschieht dann ganz gefahrlos, da die im Brandmassenraume
                              desselben herrschende Atmosphäre von
                                 Schwefelkohlenstoff-Dämpfen ein Entzünden der frisch bereiteten Lösung
                                 von Phosphor im Schwefelkohlenstoff um so weniger zulassen kann, als, wie
                              schon oben bemerkt wurde, diese Lösung zur Erlangung ihrer pyrophorischen
                              Eigenschaft einer Zeit von etwa drei Tagen bedarf.
                           5) Der Verschluß des Brandmassenraumes wird durch eine unter den
                              Verschlußschraubenkopf gelegte Bleiplatte hermetisch gemacht.
                           6) Das Einfüllen der Sprengladung in die obere Geschoßkammer, sowie das Versehen des
                              Geschosses mit seinem Zünderapparate geschieht nach den bestehenden
                              Dienstvorschriften.
                           Das Ueberziehen der präparirten und mit Brandsatz etc. gefüllten Thierblase mittelst
                              eines derben und doch weichen Baumwollenstoffes hat den doppelten Zweck:
                              Scheuerungen der Blase an den Geschoßwänden zu verhüten, und den Pyrophor durch die
                              Capillarität dieses Ueberzuges auf alle Oberflächenpunkte der mit Camphine etc.
                              gefüllten Blase zu vertheilen, damit nach dem Crepiren des Geschosses eine möglichst
                              sichere Brandwirkung
                              eintrete. Hinsichtlich der, wie schon oben bemerkt wurde, bei
                                 richtiger Verfahrungsweise völlig gefahrlosen Darstellung der in
                              vorstehendem Projecte als „Grundmischung“ bezeichneten Lösung von Phosphor in
                              Schwefelkohlenstoff mag schließlich noch bemerkt werden, daß beim Bilden derselben
                              das Abmessen und Einfüllen des flüssigen Schwefelkohlenstoffes am einfachsten
                              vermittelst einer nach Kubikcentimetern graduirten Pipette geschieht; der hiernach
                              zuzusetzende Phosphor wird aus dem Behälter, in welchem er in Stangenform und unter
                              Wasser aufbewahrt wurde, mit einer Pincette herausgenommen, durch entsprechende
                              Handbewegungen vorsichtig zwischen Schießpapier-Lagen getrocknet und darauf
                              vermittelst der Pincette zur Waagschale und beziehungsweise in das zum Ansetzen der
                              Grundmischung bestimmte Gefäß gebracht.
                           Da eine geänderte dienstliche Stellung mir die Fortsetzung der hier mitgetheilten, an
                              sich gewiß interessanten Versuche unmöglich macht, die neuesten auf den in Rede
                              stehenden Gegenstand bezüglichen Berichte des zu New-York erscheinenden Scientific American aber beweisen, daß der dortigen
                              Verwendung des in Schwefelkohlenstoff eingehüllten diffusen Phosphors zu wirksamen
                              Brandgeschossen bisher noch immer die Unmöglichkeit entgegengestanden hat, das durch
                              Hinzutritt der atmosphärischen Luft zu diesem Pyrophor entstehende Feuer auf andere
                              verbrennliche Gegenstände, wie Holzstöße etc. zu übertragen, während andererseits
                              hier die Erfahrung gemacht wurde, daß selbst mit dem oben angegebenen Brandgemische
                              aus Versehen übergossene wollene Bekleidungsstücke noch
                              nach mehrtägigem Auswaschen mit Wasser und Hängenlassen im Freien wieder Feuer
                              fiengen, sobald sie zur Reparatur in die Schneiderwerkstätte kamen, und dann nur
                              nach Behandlung mit einem aufgefundenen chemischen Mittel als dauernd gelöscht zu
                              betrachten waren, so glaube ich durch Vorlegung dieses Referates jetzt um so weniger
                              einen uninteressanten Beitrag zur Frage des Ersatzes der den glatten Rohren
                              dienenden glühenden Kugeln und Martin's
                              shells für gezogenes Geschütz zu geben, als nach dem
                              Urtheile eines hochstehenden Seemannes, welcher die oben angeführten Versuche seiner
                              Aufmerksamkeit zu würdigen die Güte hatte, eine Realisirung des hier vorliegenden
                              Projectes auch für den Seekrieg von der größten Wichtigkeit seyn würde, indem ein
                              Schiff, auf dessen Deck der Inhalt eines einzigen der hier vorgeschlagenen
                              Brandgeschosse sich ergießt, ohne Anwendung des geeigneten chemischen Löschmittels,
                              von welchem eben die Rede war, selbst nach dem momentanen Löschen der Brandmasse mit
                              Wasser, bei entsprechender Anwesenheit von verbrennlichen Stoffen, noch sechs bis sieben
                              Tage lang der ernstesten Feuersgefahr unterworfen bleibt.
                           Cassel, im October 1865.
                           D.....y,      
                              Major im Generalstabe.Der Verfasser ist der durch seine wissenschaftlichen Leistungen
                                       rühmlichst bekannte Artillerie-Officier, welcher seine Beiträge
                                       in unserem Journal bisher mit der Namens-Chiffre Dy. unterzeichnet hat.Die Redaction.