| Titel: | Ueber die Gase und Dämpfe, welche sich bei der hier zu Lande üblichen Feldziegelei entwickeln; von Dr. Herm. Vohl in Cöln. | 
| Autor: | Hermann Vohl | 
| Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXXXII., S. 297 | 
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                        LXXXII.
                        Ueber die Gase und Dämpfe, welche sich bei der
                           hier zu Lande üblichen Feldziegelei entwickeln; von Dr. Herm. Vohl in Cöln.
                        Vohl, über die bei der Feldziegelei sich entwickelnden
                           Gase.
                        
                     
                        
                           Die vielen Klagen, welche sich rücksichtlich der bei der Feldziegelei entwickelnden
                              übelriechenden Gase erheben und die angebliche Schädlichkeit derselben für Pflanzen
                              und Thiere, veranlaßten mich, seit einer Reihe von Jahren mich mit der Untersuchung
                              dieser bei der Feldziegelei sich entwickelnden Dämpfe und Gase zu befassen.
                           Die meisten dieser Untersuchungen wurden bei den Feldziegeleien in der Umgegend
                              Bonns, eine andere Anzahl bei den Ziegeleien bei Berge-Borbeck an der
                              Cöln-Mindener Eisenbahn angestellt. Erstere hatten sogenannte magere Kohlen
                              angewandt, wogegen in der Gegend letzteren Ortes Fett- oder Backkohle in
                              Anwendung kam. Die sich dabei entwickelnden Gase sind:
                           
                              
                                 
                                 CO²
                                 Kohlensäure,
                                 
                              
                                 
                                 CO
                                 Kohlenoxyd,
                                 
                              
                                 
                                 C²H⁴
                                 Sumpfgas,
                                 
                              
                                 
                                 C⁴H⁴
                                 ölbildendes Gas,
                                 
                              
                                 
                                 HS
                                 Schwefelwasserstoff,
                                 
                              
                                 
                                 SO²
                                 schweflige Säure,
                                 
                              
                                 
                                 SO³
                                 Schwefelsäure,
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 
                                 HCl
                                 Chlorwasserstoff,
                                 
                              
                                 
                                 NH⁴Cl
                                 Salmiak,
                                 
                              
                                 
                                 Fe²Cl³
                                 Eisenchlorid,
                                 
                              
                                 
                                 HO
                                 Wasser
                                 
                              
                                 und
                                 außerdem empyreumatische Dämpfe.
                                 
                              
                           Wenn man die obengenannten Gase und Dämpfe genauer in's Auge faßt, so ersieht man
                              leicht, daß sie in Folge ihrer chemischen Einwirkung auf einander nicht alle
                              gleichzeitig auftreten können. Sie verdanken ihre Entstehung theils dem
                              Brennmaterial, theils dem zu den Ziegeln verwendeten Thon. Während des Auftretens
                              der Gase und Dämpfe kann man verschiedene Perioden wahrnehmen.
                           Die zuerst genannten sechs Gase rühren zum größten Theil, wenn nicht alle, von dem
                              Brennmaterial her; es läßt sich jedoch der angewandte Thon nicht als Quelle
                              derselben ausschließen. Die anderen fünf Bestandtheile, welche wahre Dämpfe sind,
                              sind jedoch fast nur dem angewandten Thone zuzuschreiben.
                           Im Allgemeinen eignet sich eine magere Kohle besser zur Feldziegelei, als eine fette
                              oder Backkohle, da erstere eine langsamere Verbrennung bedingt. Der Thon wird bei
                              Anwendung ersterer Kohlensorte von der erzeugten Wärme allmählich durchdrungen und
                              einer sehr gleichmäßigen hohen Temperatur ausgesetzt, wohingegen bei Anwendung
                              letzterer Kohlensorte ein rasches Durchbrennen stattfindet.
                           Die Ziegel werden in letzterem Falle von außen einer heftigen Weißgluth ausgesetzt,
                              die aber nachläßt ehe der Stein im Inneren gar geworden
                              ist. Die Folge davon ist ein äußerliches Verglasen des Ziegels, wohingegen er im
                              Innern keinen festen Halt hat und beim Behauen dem Maurer in unzählige Stücke
                              springt. Wenn dieses fette Brennmaterial in zu reichlicher Menge angewandt wird,
                              oder wenn durch einen heftigen Strichwind, der nicht vorsichtiger Weise durch Matten
                              oder Schirme abgehalten wurde, der Ofen an der dem Winde ausgefetzten Stelle einer
                              raschen Verbrennung unterliegt, erfolgt auch oft ein vollständiges Verschlacken des Thones und die erzielten Steine sind
                              theils nicht mehr gerade und scharfkantig, sondern krummgezogen und unförmlich,
                              theils sind sie zu conglomeratischen Massen von 10, 20, ja 50 und 100 Steinen
                              zusammengebacken. Ein solches Product wird hier zu Lande „Schmolzen“ genannt, und ist das
                              Vorhandenseyn desselben fast immer für den Fabrikanten nachtheilig. (Das
                              Verschlacken der Ziegel kann auch von anderen Ursachen herrühren, z.B. von einem zu
                              großen Kalk- oder Eisenoxydgehalt.)
                           Bezüglich des Brennmaterials muß bemerkt werden, daß dasselbe, da es der geringsten Sorte
                              entnommen ist, nicht unerhebliche Mengen von Schwefelkies enthält, welche zu einer
                              enormen Entwickelung von schwefliger Säure Veranlassung geben.
                           In der ersten Zeit nachdem der Ofen angezündet ist, bestehen die sich entwickelnden
                              Gase und Dämpfe größtentheils aus den Producten der Verbrennung des Brennmaterials
                              und denen der trockenen Destillation der Kohle und des Thons, nämlich aus:
                           
                              
                                 CO²
                                 Kohlensäure,
                                 
                              
                                 CO
                                 Kohlenoxyd,
                                 
                              
                                 C²H⁴
                                 Sumpfgas,
                                 
                              
                                 C⁴H⁴
                                 ölbildendem Gas,
                                 
                              
                                 SO²
                                 schwefliger Säure,
                                 
                              
                                 HO
                                 Wasser,
                                 
                              
                                 empyreumatischen
                                 Substanzen, resp. Theer und
                                 
                              
                                 NH³
                                 Ammoniak.
                                 
                              
                           Das Sumpfgas, ölbildende Gas, der Schwefelwasserstoff, die
                                 empyreumatischen Producte und das Ammoniak sind Producte der trockenen
                                 Destillation des in dem Ofen schichtenweise gelagerten Brennmaterials.
                              Selbstredend kann nur dann Schwefelwasserstoff und Ammoniak auftreten, wenn die
                              durch das Brennmaterial erzeugte schweflige Säure nicht im Ueberschuß vorhanden
                              ist.
                           In den vielen von mir angestellten Beobachtungen trat nur höchst selten das
                              Schwefelwasserstoffgas auf, und zwar fast nur bei Anwendung von fetter Kohle, welche
                              bekanntlich häufiger schwefelfrei ist als die magere Kohle.
                           Cyanverbindungen konnten in den Gasen und Dämpfen der Ziegelöfen nicht nachgewiesen
                              werden, obgleich das Auftreten dieser Verbindungen nicht unmöglich ist und dann wohl
                              immer vom Brennmaterial herrühren wird.
                           Der bei der Ziegelei anzuwendende Thon enthält außer Thonerdesilicaten immer
                              Eisenoxyd und humose Substanzen, welche von den Pflanzenüberresten und theils vom
                              Dünger herrühren. Auch ist letzterer die Ursache des Vorkommens der Chloride und der
                              schwefelsauren Salze der Alkalien, sowie der stickstoffhaltigen thierischen
                              Substanzen.
                           Es fehlen also dem Thone nie die Chloride der Alkalien und alkalischen Erdmetalle,
                              und außerdem sind schwefelsaure Salze und Ammoniak seine steten Begleiter.
                           In manchen Gegenden, wie z.B. in der Gegend von Berge-Borbeck und
                              Alten-Essen, welche in dem Kohlenrevier der Ruhr liegen, kommt ein fetter
                              Thon vor, welcher fein zertheilten Schwefelkies enthält und zur Ziegelei verwandt wird.
                              (Auch die Braunkohlen-Formation enthält Thone, die mit fein zertheiltem
                              Schwefelkies geschwängert sind.)
                           Dieser Schwefelkies-Gehalt des Thones gibt ebenfalls zur Entwickelung von
                              Schwefelwasserstoff und schwefliger Säure Veranlassung.
                           Tritt nun bei der Ziegelei ein solcher schwefelkieshaltiger Thon mit
                              schwefelkieshaltiger Kohle zusammen, so findet eine so massenhafte Entwickelung von schwefliger Säure statt, daß dieselbe nicht ohne
                                 nachtheiligen Einfluß auf die nächste Vegetation bleiben kann.
                           Die meisten Thonarten, welche zur Ziegelei angewendet werden, enthalten auch Mergel;
                              ist der Thon zu fett, so sucht man durch Zusatz von Mergel und Sand denselben zu
                              verbessern.
                           Der Mergel gibt Veranlassung zu einer Entwickelung von Kohlensäure und geringen
                              Mengen Ammoniak.
                           Außer den Verbrennungsproducten der Kohle, wobei die schweflige Säure den der
                              Vegetation und den Thieren nachtheiligen Bestandtheil ausmacht, ist der Thon selbst
                              die Quelle des größten Theiles der höchst belästigenden Gase, welche in die
                              Atmosphäre der Feldziegeleien ausgestoßen werden, nämlich der Salzsäure,
                              Schwefelsäure und schwefligen Säure.
                           Der Vorgang ist folgender:
                           Bei der Einwirkung der Wärme auf den Thon tritt zunächst eine Art trockener
                              Destillation ein. Es entbindet sich zuerst Wasserdampf und Kohlensäure; ersterer
                              rührt theils von dem chemisch gebundenen, theils von dem mechanisch anhaftenden
                              Wasser her; die Kohlensäure ist das Product der Zersetzung des Mergels und der
                              organischen Substanzen.
                           Die Chlorwasserstoffsäure und Schwefelsäure entstehen erst im letzten Stadium des
                              Brennprocesses, und zwar auf Kosten der Zersetzung der Chloride und schwefelsauren
                              Salze der Alkalien durch die Kieselsäure der kieselsauren Thonerde, wobei jene
                              beiden Säuren als Dampf entweichen.
                           Während dieses Stadiums tritt auch die Einwirkung des Kohlenstoffs auf die
                              schwefelsauren Salze ein, wodurch sich neben Kohlenoxydgas Schwefelmetalle erzeugen,
                              wovon ein Theil durch die frei gewordene Salzsäure und Schwefelsäure sich in
                              Chloride, resp. schwefelsaure Salze verwandelt, wobei Schwefelwasserstoff frei
                              wird.
                           Kommen nun schweflige Säure (aus dem Brennmaterial etc.) und Schwefelwasserstoff
                              zusammen, so scheidet sich der Schwefel beider Verbindungen aus, welcher aber bei
                              der hohen Temperatur und an den oberen Theilen des Ofens, bei Zufuhr atmosphärischen
                              Sauerstoffs verbrannt wird und eine neue Quelle von schwefliger Säure bildet.
                           Die Ammoniak-Bildung, welche hauptsächlich von den stickstoffhaltigen
                              organischen Bestandtheilen des Thons und der in ihm enthaltenen Düngsalze herrührt,
                              tritt mit der frei gewordenen Salzsäure zu Salmiak zusammen, welcher sich am
                              kälteren Theile des Ofens als eine Sublimations-Efflorescenz zeigt.
                           Das Eisenchlorid entsteht durch die Einwirkung der Salzsäure auf das rothglühende
                              Eisenoxyd des Thons und bildet mit den Salmiakdämpfen Eisensalmiak, den man in
                              gelbrothen Krystallen oder Krystall-Efflorescenzen am kälteren Theile des
                              Ofens wahrnimmt. Die Salzsäure, Schwefelsäure und schweflige
                                 Säure sind die Gase, welche auf die in nächster Nähe sich befindenden
                              Vegetabilien schädlich einwirken.
                           Cöln, im Februar 1865.