| Titel: | Ueber die Verwerthung der Dungstoffe in größeren Städten; von Dr. Rob. Schmidt, Civilingenieur in Berlin. | 
| Autor: | Robert Schmidt | 
| Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXXXIX., S. 314 | 
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                        LXXXIX.
                        Ueber die Verwerthung der Dungstoffe in größeren
                           Städten; von Dr. Rob. Schmidt,
                           Civilingenieur in Berlin.
                        Schmidt, über Verwerthung der Dungstoffe in größeren
                           Städten.
                        
                     
                        
                           Unter dem Titel: „Die Abfuhr und Verwerthung der Dungstoffe in
                                 verschiedenen deutschen und außerdeutschen Städten und darauf bezügliche Vorschläge für
                                 Berlin“ ist unlängst (im Verlag von Wiegandt und Hempel in Berlin) ein mit 4
                              lithographirten Tafeln versehenes Werk von 114 Octavseiten erschienen, welches
                              Bericht erstattet über eine, von einer Commission in Deutschland, Belgien und
                              Frankreich gemachte Reise, die auf Veranlassung des königl. preußischen Ministeriums
                              für Landwirthschaft zur Untersuchung der betreffenden Verhältnisse gemacht
                              wurde.
                           Bei der großen Wichtigkeit dieses Gegenstandes in Bezug auf den Gesundheitszustand
                              der Städtebewohner, auf Nationalökonomie und Landescultur, wollen wir hier, mit
                              theilweiser Benutzung des citirten Werkes, jene Momente hervorheben, welche
                              einerseits dem Leser die jetzt bestehenden Einrichtungen vor Augen führen,
                              andererseits zeigen, wie der Mensch durch weise Anwendung seiner Kräfte auch auf
                              diesem Felde noch reichlichen Lohn finden kann, und endlich erkennen lassen, wie
                              viel nach dieser Richtung hin noch zu thun übrig geblieben ist.
                           Die Stoffe, um welche es sich hier hauptsächlich handelt, sind einerseits die
                              Auswurfstoffe, die Excremente des Menschen, andererseits die verschiedenen
                              Küchen- und Hausabgänge, sowie auch der Straßenkehricht. Die bei weitem
                              größere Beachtung verdienen jedoch die erstgenannten menschlichen Excremente, theils
                              weil ihre Aufbewahrung und Fortschaffung aus sanitätlichen Gründen nicht ohne
                              Schwierigkeit ist, theils weil sie einen nicht unbedeutenden Düngerwerth haben. Im
                              Nachfolgenden werden wir uns deßhalb auch vorzugsweise mit diesen Stoffen
                              beschäftigen und die weniger werthvollen nur in solchen Fällen ebenfalls
                              berücksichtigen, wenn sie in irgend welcher Weise in Combination mit den
                              menschlichen Auswurfstoffen treten.
                           Die Art und Weise, wie man sich der erwähnten Stoffe theils zu entledigen, theils
                              solche zu verwerthen sucht, ist verschieden, je nach den gestellten Anforderungen
                              und gegebenen Umständen.
                           In einer Anzahl von englischen Städten hat man z.B., die Verwerthung dieser Stoffe
                              unberücksichtigt lassend, das Canalsystem eingeführt. Es laufen durch die Straßen
                              Canäle, mit denen die Abfallröhren der Closets in Verbindung stehen, welche letztere
                              bei jedesmaligem Gebrauche durch Wasser gereinigt und dadurch zugleich die
                              Auswurfstoffe verdünnt werden. Diese Auswurfstoffe laufen also durch die Fallröhren
                              nach den Canälen und aus diesen nach Flüssen. Ein solches System hat sich
                              bekanntlich keineswegs empfehlenswerth dargestellt, da es theils die Flüsse und
                              somit auch die Städte verpestet, theils eine Verwerthung der Excremente fast
                              unmöglich macht.
                           In den Städten des Festlandes, in welchen dieser Gegenstand von Seiten der Behörden ebenfalls
                              besondere Beachtung gefunden, hat man sich bemüht, solche Anordnungen zur Ausführung
                              zu bringen, welche nach jeder Richtung hin befriedigende Resultate zu gewähren
                              versprechen und zum Theil auch geliefert haben. Diese Anordnungen bestehen im
                              Allgemeinen darin, daß man die Excremente in geeigneten Behältern, wie gemauerte
                              Gruben u.s.w., welche mit den Hausclosets in Verbindung stehen, sonst aber dicht
                              verschlossen sind, ansammelt, diese Behälter zeitweise durch geeignete Vorrichtungen
                              leert, die Latrinenstoffe in eigens dazu construirten Wägen fortschafft, und sie
                              dann entweder im rohen oder combinirten Zustande zur Düngung der Ländereien
                              benutzt.
                           Im Nachfolgenden wollen wir nun einige Einrichtungen, wie sie in Städten des
                              Festlandes bestehen, dem Leser specieller vor Augen führen und die financiellen
                              Verhältnisse derartiger Organisationen mit berücksichtigen.
                           Wir beginnen mit einigen in Deutschland gelegenen, zum Theil auch von uns besuchten
                              Städten, woselbst die beregten Verhältnisse noch keineswegs im günstigsten Stadium
                              sich befinden, berühren dann einige französische Städte und geben schließlich eine
                              Uebersicht der Einrichtungen einer belgischen Stadt (Antwerpen), wo dieselben wohl
                              am vollkommensten seyn möchten.
                           Leipzig mit 80,000 Einwohnern. – Die Aufsammlung
                              der Excremente geschieht in Leipzig in zweierlei Weise, nämlich in gemauerten Gruben
                              und in Tonnen (Kübeln). Der Grubeninhalt wird durch eiserne Kesselwagen
                              fortgeschafft. Ein solcher Wagen trägt einen cylindrischen Kessel von 8 3/4 Fuß
                              Länge und 3 Fuß Durchmesser, welcher mit den nöthigen Apparaten zum Ein- und
                              Ausbringen der Excremente versehen ist. Zum Füllen des Kessels wird derselbe durch
                              Dampf möglichst luftleer gemacht, indem man ihn von einem kleinen Dampfkessel aus
                              mit Dampf füllt und dann sich abkühlen läßt. Durch Rohr- oder
                              Schlauch-Verbindung der Kessel mit den Gruben wird nun der ziemlich flüssige
                              Grubeninhalt in den Kessel getrieben. Die in den Gruben zurückbleibenden festeren
                              Theile werden unter Desinfection in Kübeln ausgehoben und in vierräderigen
                              Kastenwagen von 75 Kubikfuß Inhalt besonders fortgeschafft. Die ersterwähnte
                              Operation kann, da sie geruchlos vor sich geht, zu jeder Tageszeit vorgenommen
                              werden, die letztere dagegen nur zur Nachtzeit. – Die bereits erwähnten, zur
                              Aufnahme und Fortschaffung der Excremente bestimmten Kübel haben die Form eines
                              abgekürzten Kegels von 2 3/4 Fuß Höhe mit 18 und 20 Zoll Durchmesser; sie stehen
                              beim Gebrauch mit den Fallröhren in Verbindung und sind für den Transport sicher
                              verschließbar. Letzterer erfolgt auf einem zweipferdigen Plattform-Wagen,
                              welcher 21 solche Kübel aufnehmen kann.
                           Die Abfuhr der Auswurfstoffe wird in Leipzig von einem Unternehmer besorgt, der dazu
                              auf Widerruf von der Stadt die Concession erhalten hat, und einen besonderen Pacht
                              dafür nicht zahlt. Dagegen erhält er für das Fortschaffen
                              der Excremente von den Hauswirthen festgesetzte Summen, nämlich für die Abfuhr eines
                              gefüllten Kessels 20 Silbergroschen und für diejenige eines Kübels 2 1/2
                              Silbergroschen. Die Excremente werden von diesem Unternehmer größtentheils zu
                              Poudrette verarbeitet, welche bei Leipzig sehr gesucht ist und wovon der Centner
                              daselbst mit 1 1/4 Thlrn. verkauft wird.
                           Das Fortschaffen und die Verwerthung des Straßenkehrichts steht in Leipzig in keiner
                              directen Verbindung mit den bisher erwähnten Einrichtungen. Das Fegen geschieht nach
                              gewissen Vorschriften von den Hauseigenthümern, die Fortschaffung aber von dem
                              Magistrate, an welchen die Bauern für eine zweispännige Fuhre 1 Rthlr. bezahlen.
                              Durch diesen Erlös werden nicht nur die Kosten für die Abfuhr gedeckt, sondern es
                              wird sogar oft noch ein kleiner Ueberschuß erzielt.
                           Dresden mit circa 130,000
                              Einwohnern. – Die Aufsammlung der Excremente geschieht hier, wie in Leipzig,
                              in Gruben und in Tonnen (Kübeln). Zum Fortschaffen des flüssigen Grubeninhalts
                              dienen ebenfalls Kesselwagen, jedoch geschieht das Füllen derselben nicht durch
                              selbstthätiges Einsaugen, sondern durch Pumpen. Diese sind entweder sogenannte
                              Priesterpumpen, welche nach dem Princip der Blasebälge construirt, oder Saug-
                              und Druckpumpen, die nach Art der Feuerspritzen eingerichtet sind. Die festeren
                              Theile werden unter Desinfection vermittelst Kübeln herausgeschafft, und in eigens
                              construirten Tonnen auf Wagen, nach Art der Brauerwagen, fortgeschafft. Die Abfuhr
                              der schon oben erwähnten Latrinenkübel geschieht in geschlossenen Wagen.
                           Die Excremente werden zum Theil im rohen Zustande an Bauern per Kubikelle (5,88 preuß. Kubikfuß) mit 2–3 Silbergroschen
                              verkauft, oder zu Poudrette verarbeitet, von welchen der Centner am Platze mit
                              1–1 1/4 Thlr. abgegeben wird.
                           Es bestehen in Dresden zwei Gesellschaften, welche das ausschließliche Recht zur
                              Abfuhr der Auswurfstoffe haben: nämlich der sogenannte
                              „Hausbesitzerverein“ und der „Actienverein für
                                 Düngerexport,“ dessen Utensilien jetzt dem Magistrate gehören, der
                              sie an einen Unternehmer verpachtet hat. Letzterer zahlt dem Magistrat einen
                              jährlichen Pacht von 930 Rthlr. Wie in Leipzig, so müssen auch in Dresden die
                              Hauseigenthümer für das Räumen der Gruben u.s.w. den Unternehmern bezahlen. Bei Räumung von Gruben
                              ist nämlich zu zahlen: für jede Kubikelle (5,88 preuß. Kubikfuß) entleerten Stoffes
                              3–7 Sgr., je nach Lage der Grube und Beschaffenheit ihres Inhalts; bei
                              Abholung von Latrinenfässern, je nach der Zahl, per
                              Stück 7 1/2 bis 10 Sgr.
                           München mit 175,000 Einwohnern. – Die Aufsammlung
                              der Excremente findet hier ausschließlich in Gruben statt, nach welchen Abfallröhren
                              gehen und die eine Größe von circa 112 Kubikfuß haben.
                              Die auf Wagen ruhenden Gefäße, in welchen die Latrinenstoffe abgefahren werden, sind
                              tonnenförmig gestaltet und aus Holz hergestellt; sie haben einen Inhalt von circa 66 Kubikfuß. Die zwei Abfuhrunternehmer Münchens
                              arbeiten mit zwei verschieden construirten Pumpen; der eine nämlich mit Saug-
                              und Druckpumpen, welche nach Art der Feuerspritzen construirt sind, der andere mit
                              Schiettinger'schen SchieberpumpenBeschrieben im polytechn. Journal Bd.
                                       CLXXIV S. 256., welche ähnlich wie liegende Dampfmaschinen gebaut sind. Um beim Füllen der
                              Tonnenwagen die sonst entweichenden und übelriechenden Gase für die Umgebung
                              unwirksam zu machen, werden dieselben mittelst eines Apparates verbrannt, welcher
                              aus einem tonnenförmigen Behälter besteht, der zum Theil mit Wasser gefüllt ist und
                              dessen oberer Boden ein Rohr trägt, worin ein kleiner Rost angeordnet ist, auf
                              welchem während des Betriebes ein Holzkohlenfeuer unterhalten wird; nach dem unteren
                              Theile dieses Apparates führt ein, von der Tonne herkommendes Luftrohr, und beim
                              Durchgehen der Luft durch das Feuer wird dieselbe verbrannt.
                           Was die financielle Seite des Abfuhrwesens in München betrifft, so bezahlen die
                              Hauseigenthümer den Unternehmern, welche an die Stadt keine Abgabe entrichten, für
                              das Abholen von so viel Excrementen als einen Tonnenwagen (66 Kubikfuß) füllen, 2
                              fl., während die Bauern den Unternehmern für den Inhalt eines Tonnenwagens nur 1 fl.
                              bezahlen. Der größte Theil der Excremente wird in der Umgegend von München von den
                              Bauern und zwar im rohen Zustande verbraucht.
                           Carlsruhe mit 25,762 Einwohnern. – Für die
                              Bürgerhäuser befindet sich Carlsruhe in Bezug auf die Abfuhr der Dungstoffe in einem
                              noch sehr primitiven Zustande, und bieten hier die städtischen Einrichtungen nichts
                              Bemerkenswerthes dar. Die Aufsammlung der Abtrittsstoffe findet nämlich in Gruben
                              statt, in welche zugleich auch der Straßenkehricht gethan wird, da das Kehren der
                              Straßen den Bürgern obliegt und besondere Fuhrwerke zum Abholen für dieselben nicht
                              existiren. Das Gemenge von Excrementen und Straßenkehricht, eine dicke Masse, wird
                              dort von Bauern
                              abgeholt, welche aber dafür von den Hauswirthen nichts
                              erhalten, sondern die Abholung entweder frei besorgen oder bei günstiger Lage der
                              Grube für eine etwa 3 Wagen haltende den Wirthen noch 3–5 fl. bezahlen.
                           Wie sehr indeß die Excremente als Dungstoffe in der Umgegend von Carlsruhe gesucht
                              und geschätzt sind, beweist der Umstand, daß die großherzoglich badische
                              Garnisons-Verwaltung aus den in ihren Gebäuden sich sammelnden
                              Abtrittsstoffen sehr bedeutende Summen löst.
                           Die Ansammlung der Excremente in den großherzoglichen Gebäuden, deren Anzahl zehn
                              beträgt, geschieht, je nach Anzahl der Bewohner, entweder in Gruben oder in
                              sogenannten Bohlenkästen. Die Gruben werden unter Desinfection mit den einfachsten
                              Hülfsmitteln geräumt. Ein Bohlenkasten der erwähnten Art hat einen Inhalt von circa 116 preuß. Kubikfuß und ist im Erdgeschoß des
                              Gebäudes so aufgestellt, daß sein Boden circa 5 1/2 Fuß
                              vom Fußboden entfernt ist. Zur Entleerung eines solchen Kastens und Fortschaffung
                              seines Inhalts dient ein Kastenwagen von 65 Kubikfuß Inhalt, welcher unter den
                              Bohlenkasten geschoben in einfachster Weise gefüllt und später fortgefahren wird.
                              Die Abfuhr geschieht durch Landwirthe, welche in Licitations-Terminen das
                              Recht der Abholung des Düngers für ein oder das andere Gebäude, und zwar immer für
                              ein Jahr, erstehen. Im Jahre 1864 wurde für die zehn großherzoglichen Gebäude die
                              Summe von 2040 Thlrn. 25 Sgr. Pacht an die Garnisonsverwaltung bezahlt! Hierbei
                              bleibt noch erwähnenswerth, daß den Landwirthen der Dünger durch sehr bedeutende
                              Nebenausgaben, wie das Abfahren der Stoffe u.s.w., noch viel höher zu stehen kommt,
                              als die angeführte Summe angibt, während auch die Garnisons-Verwaltung einige
                              Unkosten für Instandhaltung der Gruben und Wagen hat.
                           Die französischen Städte, welche von der Commission
                              besucht wurden, bieten in Bezug auf die Einrichtungen und Apparate gegen das bisher
                              Vorgeführte nicht viel Eigenthümliches dar, wenn auch die Administration in den
                              verschiedenen Städten zum Theil abweichend von derjenigen in den bereits erwähnten
                              deutschen Städten ist. – Man sammelt die Excremente fast ausschließlich in
                              gemauerten Gruben, welche durch Schlote mit den verschiedenen Etagen in Verbindung
                              stehen, entleert dieselben durch Pumpen, wie sie bereits erwähnt sind, und führt sie
                              durch luftdicht schließende Tonnen ab. Was die Administration anbetrifft, so
                              bestehen z.B. in Lyon drei Unternehmer, welche zusammen
                              für das Recht die Auswurfstoffe abzuholen und weiter in ihrem Nutzen zu verwenden,
                              an die Stadt eine jährliche Abgabe von 120,000 Frcs. oder 
                              per Kubikmeter Excremente 1 Fr. 25 Cent. zahlen, wogegen
                              die Hauswirthe für das Abholen von 1 Kubikmeter Excremente an die Unternehmer
                              durchschnittlich 1 Fr. 50 Cent. entrichten. Die Ausräumung der Gruben vollzieht sich
                              also für die Hauswirthe zu einem sehr niedrigen Preise, und die Unternehmer arbeiten
                              dabei mit ziemlich hohem Gewinne, da sie von den Bauern für jeden Kubikmeter
                              Latrinenstoff 1 Fr. 50 Cent. erhalten. In ähnlicher Weise vollziehen sich die
                              pecuniären Verhältnisse in anderen französischen Städten: die Abfuhr der Dungstoffe
                              geschieht für die Stadt entweder kostenlos oder doch zu einem sehr niedrigen
                              Preise.
                           Am vollkommensten findet man das Abfuhrwesen der Dungstoffe in belgischen Städten organisirt, wo meist die betreffenden Städte noch eine,
                              oft nicht unbedeutende Rente daraus beziehen. Als Musterstadt betrachten wir in
                              Bezug hierauf specieller die Stadt:
                           Antwerpen mit 170,000 Einwohnern. – Hinsichtlich
                              der Einrichtungen und Apparate, welche zur Sammlung und Fortschaffung der Excremente
                              dienen, bietet Antwerpen gegen andere Städte wenig Neues dar. Man sammelt die
                              Excremente ausschließlich in gemauerten Gruben, bedient sich zur Entleerung
                              derselben der bereits unter Dresden erwähnten Priesterpumpen, und zur Fortschaffung
                              der ebendaselbst beschriebenen Wagen mit eisernen Cylindern, die hier alle einen
                              Inhalt von 48,5 Kubikfuß haben. Abweichend von anderen Städten wird hier der
                              Latrinendünger in drei verschiedenen Qualitäten verkauft, welche wohl nur von dem Kenner
                              unterschieden werden können, und hauptsächlich durch den Ursprung des Stoffes
                              bedingt sind. Eine Vermischung der Auswurfstoffe mit anderen Körpern für die
                              Verwendung in der Landwirthschaft findet nirgends statt. Obgleich eine große
                              Nachfrage nach diesen Dungstoffen ist, so hat man doch zwei Lagerorte zur
                              Aufbewahrung des nicht sogleich verkäuflichen Düngers angelegt, welche indessen
                              nicht viel zur Benutzung kommen. Da nicht aller Latrinendünger in der nächsten
                              Umgebung von Antwerpen verwendet werden kann, so findet eine nicht unbedeutende
                              Ausfuhr desselben sowohl zu Lande als besonders zu Schiffe statt; letztere erstreckt
                              sich bis auf 10 Meilen von Antwerpen.
                           Was Antwerpen besonders beachtenswerth macht ist, daß seit dem Jahre 1862 das
                              Geschäft alle Unreinigkeiten aus der Stadt fortzuschaffen
                              nicht in mehreren Händen, sondern in einer einzigen Hand liegt, welche die städtische Verwaltung selbst ist. Hierdurch ist es
                              möglich geworden, alle Dienstzweige in einander greifen zu lassen, und eine Anstalt
                              in's Leben zu rufen, wie solche bisher noch in keiner Stadt besteht. Der gesammte
                              Dienst theilt sich in Antwerpen in drei bestimmt unterschiedene Zweige, nämlich: die eigentliche Straßenreinigung, die Entfernung der Abfälle
                                 der Haushaltungen nebst Schutt und Abraum, und endlich die Gewinnung
                                 des Latrinen-Inhalts.
                           An der Spitze des ganzen Instituts steht ein Director, welchem die nöthigen
                              Controleure und Bureau-Arbeiter zur Seite gestellt sind. Außer den
                              erforderlichen fest angestellten Stallknechten, welche die Pferde zu überwachen
                              haben, hält das Institut auch einen Thierarzt, mehrere Schmiede, Stellmacher und
                              Sattler zum Instandhalten der Utensilien. – Das Inventarium besteht aus 28
                              Tonnenwagen, 45 Kehrichtwagen, 13 Tonnenwagen zur Besprengung der Straßen, 13
                              Priesterpumpen, etwa 40 Pferden und 8 Transportschiffen. Mit diesem Inventarium und
                              dem nöthigen Personal stellt sich der Dienst in den verschiedenen Zweigen
                              folgendermaßen:
                           Das Reinigen der Straßen geschieht in Antwerpen in
                              zweierlei Weise. In einem Theile der Stadt müssen nämlich die Straßen von den
                              Bürgern gekehrt und der Kehricht zu Haufen gebildet werden; die umherfahrenden Wagen
                              (tours), haben hier nur die Aufgabe den Kehricht
                              aufzunehmen und fortzuschaffen. In den anderen Stadttheilen werden aber die Straßen
                              auch von dem einen Kehrichtwagen (troup) begleitenden
                              Personal gefegt (2 Männer und 9 Weiber) und dann fortgeschafft. – In jedem
                              Falle werden von diesen Wagen auch die Hausabfälle mitgenommen, welche die
                              Hausbewohner rechtzeitig in Körben, Molten auf die Straßen setzen. Ein Kehrichtwagen
                              hat einen Inhalt von circa 1 Kubikmeter und man zahlt
                              für den Inhalt eines solchen circa 2 Fr. –
                              Uebrigens dienen diese Wagen gleichzeitig zum Fortschaffen von Schutt u.s.w. und der
                              Eigenthümer hat für das Fortschaffen jeder Fuhre circa
                              75 Cent. zu zahlen.
                           Das Reinigen der Gruben und das Abführen der in denselben
                              befindlichen Dungstoffe geschieht, wie schon erwähnt, mittelst der Priesterpumpen
                              und Kesselwagen, der weitere Transport mittelst Schiffen. Um der städtischen
                              Verwaltung den sämmtlichen Latrinen-Inhalt der Stadt (bis jetzt erstreckt
                              sich die geregelte Organisation nur auf die innere Stadt mit 92,000 Einwohnern)
                              zugänglich zu machen, ist von derselben eine Verordnung erlassen, wornach jeder
                              Eigenthümer, wenn er über die Latrinenstoffe seines Hauses frei verfügen will, eine
                              Abgabe von 1 Fr. 50 Cent. per Hektoliter zu zahlen hat.
                              Da diese Summe einerseits den Handelswerth der Dungstoffe übertrifft, andererseits
                              der Eigenthümer auch nur mit den vorgeschriebenen Apparaten reinigen kann, so wird
                              diese Abgabe factisch nie gezahlt, und die Dungstoffe bleiben der Stadt überlassen. Für die
                              Reinigung der Gruben hat indeß jeder Eigenthümer der städtischen Verwaltung 18 Cent.
                              per Hektoliter zu entrichten. Die Verwaltung
                              verkauft die Latrinenstoffe im Durchschnitt zu folgenden Preisen: 1 Hektoliter
                              erster Qualität mit 1 Fr. 8 Cent., 1 Hektoliter zweiter Qualität mit 75 Cent., und 1
                              Hektoliter dritter Qualität mit 35 bis 45 Cent. Die Qualitäts-Classen werden
                              bestimmt theils nach der größeren oder geringeren Dichtheit der Masse, theils nach
                              dem bekannten Ursprungsorte der Stoffe, da die Lebensweise der verschiedenen
                              Bevölkerungsclassen Einfluß auf die Güte der Dungstoffe hat.
                           Die Abfuhr und Verwerthung der Latrinenstoffe bilden den eigentlichen einträglichen
                              Theil des Unternehmens, denn die Straßenreinigung erforderte in früheren Jahren, als
                              die Vereinigung derselben mit der Abfuhr der Latrinenstoffe noch nicht stattfand,
                              einen bedeutenden Zuschuß von Seiten der Stadt. Die günstige financielle Lage der
                              jetzt bestehenden Organisation, welche, wie bereits erwähnt, sich auf die innere
                              Stadt beschränkt, ergibt sich aus den uns vorliegenden Daten für das Jahr 1864. Die
                              Einnahmen für die sämmtlichen Dungstoffe betrugen 190,000 Fr.; die Ausgaben dagegen
                              für Gehalte, Löhne und Instandhaltung der verschiedenen Utensilien 118,000 Fr.; dieß
                              ergibt einen Reingewinn von 72,000 Fr. = 19,440 Thalern, und man hofft, daß dieser
                              sich von Jahr zu Jahr noch steigern wird.
                           Was die Abfuhr und Verwerthung des übrigen thierischen Düngers, wie Pferde-
                              und Kuhmist, anbetrifft, so hat die städtische Verwaltung diese nicht in den Kreis
                              ihres Instituts gezogen, sondern den Eigenthümern selbst überlassen. Es werden
                              jedoch auch diese Stoffe zu hohen Preisen abgegeben; so zahlt man z.B. für einen
                              zweiräderigen Karren Pferdemist, wie ihn ein gutes Pferd fortziehen kann, 7 1/2 Fr.,
                              und für einen eben solchen Karren Kuhmist 10–12 Fr.
                           Indem wir den Leser, welcher sich für den besprochenen Gegenstand speciell
                              interessirt, auf das oben citirte Werk verweisen müssen, bemerken wir schließlich,
                              daß die in den verschiedenen Städten gesammelten menschlichen Excremente in der
                              Landwirthschaft in verschiedener Form verwendet werden. Am meisten verbreitet finden
                              wir das Verfahren, diese Stoffe im natürlichen Zustande anzuwenden, was darauf
                              schließen läßt, daß es zugleich das vortheilhafteste ist. Viel weniger finden wir
                              dagegen das Verfahren angewandt, die Excremente mit anderen Stoffen zu mischen und
                              als Poudrette oder Compost in den Handel zu bringen. Der Grund davon möchte der
                              seyn, daß einerseits der Landwirth beim Kauf solcher Compositionen nicht sicher auf
                              die Zusammensetzung derselben schließen kann, andererseits aber auch in Wirklichkeit der
                              Handelswerth solcher Producte durch die erforderliche Umarbeitung des Rohmaterials
                              zu hoch wird. – In dieser Beziehung möchte es auch fraglich erscheinen, ob
                              die zwei neuerdings angeregten Verfahrungsarten zur Sammlung der Dungstoffe,
                              dasjenige von Mosselmann in Paris und das Müller-Schür'sche Verfahren (in Stettin), –
                              welche beide sich dadurch charakterisiren, daß die Excremente einen bedeutenden
                              Zusatz von Kalk erhalten, – im landwirthschaftlichen Publicum die Aufnahme
                              finden werden, welche sie in anderen Beziehungen wohl verdienen möchten.