| Titel: | Ueber die chemische Zusammensetzung der Espartofaser oder des spanischen Grases und über die Verwendung dieser Substanz in der Papierfabrication; von Dr. Stevenson Macadam. | 
| Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. CXI., S. 398 | 
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                        CXI.
                        Ueber die chemische Zusammensetzung der
                           Espartofaser oder des spanischen Grases und über die Verwendung dieser Substanz in der
                           Papierfabrication; von Dr. Stevenson
                              Macadam.
                        Aus der Chemical News, September 1865, Nr.
                              303.
                        Macadam, über die Zusammensetzung der Espartofaser.
                        
                     
                        
                           In den letzten drei Jahren wurden große Mengen eines Grases aus Spanien nach England
                              eingeführt und haben daselbst in der Papierfabrication Verwendung gefunden. Dasselbe
                              wird in verhältnißmäßig wüsten und unbebauten Ländern eingesammelt, und kostet in
                              Großbritannien ungefähr 6 Pfd. Sterling per Tonne. Der
                              in der neueren Zeit so hoch gestiegene Preis der Lumpen verursachte eine große
                              Nachfrage nach dem Espartograse als Surrogat der erstern für die Papierfabrication,
                              und wenn diese Nachfrage anhaltend seyn sollte, so werden ohne Zweifel auch noch
                              andere Länder – so namentlich die Berberei, welche ganz dasselbe Gras liefert
                              – viel von diesem Rohmaterial einführen. Die chemische Zusammensetzung der
                              Espartofaser ist im Durchschnitt folgende:
                           
                              
                                 Wasser
                                 9,62
                                 
                              
                                 Oel
                                 1,23
                                 
                              
                                 eiweißartige Verbindungen
                                 5,46
                                 
                              
                                 Holzfaser
                                 56,28
                                 
                              
                                 Stärke, Gummi und Zucker
                                 22,37
                                 
                              
                                 Asche (mineralische Bestandtheile)
                                 5,04
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           Behufs der Verwendung zu Papier wird das Rohmaterial zunächst sorgfältig ausgelesen
                              und gereinigt, und dann mit Aetznatronlauge behandelt. Auf 1 Centner Espartofaser
                              nimmt man 14 Pfd. Aetznatron oder auf die Tonne der ersteren 2 1/2 Centner des
                              letzteren. Die zu dieser Operation angewendeten Kessel fassen gewöhnlich 12 Centner
                              des Rohmaterials; dieser Quantität werden 800 bis 900 Gallons (à 10 Pfd.) Wasser und 154 Pfd. Aetznatron
                              zugesetzt. Die Kessel sind entweder verschlossen oder offen, und das Kochen währt
                              sechs bis acht Stunden, während welcher Zeit die eiweißartigen Substanzen, Oel, Harz
                              und Kieselsäure vom Aetznatron aufgelöst, zugleich auch Stärke und Gummi entfernt
                              werden, wohingegen die Holzfaser als weiche, geschmeidige, braungefärbte Masse
                              zurückbleibt. Nachdem letztere reichlich und vollständig mit Wasser ausgewaschen
                              worden, wird sie auf ähnliche Weise wie die Lumpen zu Papier verarbeitet; nur ist
                              ein stärkeres Bleichen nöthig. Da indessen die Espartofaser von etwas kurzer
                              Beschaffenheit ist, so
                              ist das aus ihr ausschließlich angefertigte Papier äußerst brüchig; deßhalb mischt
                              man den aus ihr dargestellten Zeug mit verschiedenen Mengen von aus Lumpen
                              erhaltenem Stoffe oder Zeuge, gewöhnlich nimmt man gleiche Theile von beiden.
                           Das auf diese Weise theils aus Espartogras, theils aus Lumpen dargestellte Papier
                              wird in sehr bedeutenden Massen als Druckpapier benutzt; namentlich werden jetzt die
                              meisten der schottischen Zeitungen auf solches Papier gedruckt.
                           Die in den Kesseln von der Behandlung des spanischen Grases mit Aetznatron
                              zurückbleibende Flüssigkeit ist dunkelbraun gefärbt und enthält noch ein Drittel des
                              angewandten Natrons in freiem, caustischem Zustande. Indessen haben mehrfache
                              Versuche, dieselbe unter Zusatz von frischem Natron nochmals zu dem gleichen Zwecke
                              zu benutzen, gezeigt, daß es unausführbar ist, den ganzen Aetznatrongehalt der
                              Flüssigkeit zur Wirkung zu bringen. Denn bei den oben angegebenen Verhältnissen
                              – 14 Pfd. Aetznatron auf 1 Ctr. Espartofaser, oder im Kessel 1 1/2 Ctr.
                              Natron auf 12 Ctr. Faser – wird von der letzteren nur 1 Ctr. Natron
                              aufgenommen und neutralisirt, während 1/2 Ctr. von diesem in caustischem Zustande
                              bleibt. Verschiedene mit nur 1 Ctr. Natron und 12 Ctr. Faser angestellte Versuche
                              gaben keine günstigen Resultate.
                           Die gebrauchte Natronlauge enthält viel gelöste organische Substanz, und in Folge
                              dieses Umstandes, sowie ihres caustischen Zustandes, wird sie, wenn man sie
                              unmittelbar in ein Fischwasser ablaufen läßt, den Fischen verderblich. Selbst in
                              sehr verdünntem Zustande tödtet sie diese Thiere binnen wenigen Stunden. Die für
                              Papierfabriken unentbehrliche große Menge von Wasser schließt die Notwendigkeit der
                              Anlage derartiger Etablissements an den Ufern von Flüssen in sich, und wenn auch die
                              Vernichtung von Forellen ein Gegenstand von nur untergeordneter Bedeutung seyn
                              dürfte, so ist doch jedenfalls die Entleerung größerer Mengen von solcher Lauge in
                              ein Gewässer, in welchem Lachse leben, von großer individueller und
                              nationalökonomischer Wichtigkeit, indem in Folge davon das Wasser faulig und des in
                              ihm gelösten Sauerstoffgases zum großen Theile beraubt wird, selbst abgesehen davon,
                              daß es dadurch auch eine alkalische Beschaffenheit erhält. In Schottland sind
                              bereits mehrere, durch diese Ursache herbeigeführte Fälle von Vernichtung der
                              Lachse, namentlich der Lachsbrut, beobachtet worden, und selbst da, wo sich eine
                              directe Vergiftung nicht nachweisen läßt, ist es unzweifelhaft, daß die durch solche
                              Lauge verursachte Verderbniß des Wassers die Fische krank macht, ihr Wachsthum hemmt
                              und sie schließlich aus dem Gewässer vertreibt.
                           
                           Um die natronhaltige Flüssigkeit mehr oder weniger unschädlich zu machen und sie
                              möglichst wieder zu verwerthen, sind zwei Methoden empfohlen worden. Die eine
                              besteht darin, die Lauge zur Trockne zu verdampfen, den Rückstand mit
                              kohlenstoffhaltigen Substanzen, wie Kohlenlösche oder Sägespänen, zu erhitzen und
                              aus dem erhaltenen Product das Natron auszulaugen. Nach dem zweiten Verfahren wird
                              die Flüssigkeit in große, offene Behälter geleitet, und hier durch eine Kies-
                              und Sandschicht colirt oder filtrirt. Beide Methoden sind auch mit günstigem Erfolge
                              praktisch ausgeführt worden.
                           Dieß sind einige der wesentlichsten Punkte, welche die Verwendung der Espartofaser
                              oder des spanischen Grases als Lumpensurrogat für die Papierfabrication betreffen,
                              und da dieses Material billig ist und die Hälfte seines Gewichtes an Papier liefert,
                              so wird dasselbe von den Fabrikanten mit Recht als eine große Wohlthat
                              betrachtet.