| Titel: | Ueber die Verwendung des überhitzten Dampfes in den Dampfmaschinen; von A. Dinse. | 
| Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. II., S. 2 | 
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                        II.
                        Ueber die Verwendung des überhitzten Dampfes in
                           den Dampfmaschinen; von A.
                              Dinse.
                        Aus der Zeitschrift des deutschen Ingenieurvereins. 1865,
                              Bd. IX S. 573 u. 666.
                        Dinse, über die Verwendung des überhitzten Dampfes in den
                           Dampfmaschinen.
                        
                     
                        
                           I. Eigenschaften des überhitzten
                                 Dampfes.
                           Die Erfahrung, welche wir seit Anwendung der Dampfmaschinen gemacht, daß man bei den
                              verschiedensten Constructionen der Dampfkessel, den scheinbar scharfsinnigsten
                              Verbesserungen an denselben, dennoch nur einen verhältnißmäßig geringen Theil der
                              Wärme nutzbar mache, welche durch Verbrennung der verschiedenen Heizmaterialien
                              erzeugt wird, rechtfertigt wohl das Bestreben, welches in den beiden letzten
                              Jahrzehnten lebhafter als je hervorgetreten ist, endlich einmal ein Mittel zu
                              finden, um diesem Uebelstande gründlich abzuhelfen. Man sagte sich sehr richtig, daß
                              durch eine bessere Ausnutzung der erzeugten Wärme, welche bisher im Maximum nur 18
                              Procent betragen hatte, nothwendig eine Ersparniß an Brennmaterial und in Folge
                              dessen ein billigerer Betrieb erzielt werden müsse.
                           Endlich scheint es gelungen zu seyn, eine wesentliche Verbesserung erreicht zu haben,
                              und diese besteht in der Anwendung des „überhitzten Dampfes.“
                              Der Wasserdampf tritt bekanntlich in zwei Zuständen auf, welche man als
                              „gesättigten“ und „ungesättigten“ oder
                              „überhitzten“ Dampf bezeichnet.
                           Ueber das Ausdehnungsgesetz des überhitzten Dampfes ist zwar bis jetzt nichts
                              Bestimmtes festgestellt; man nimmt aber im Allgemeinen an, daß der überhitzte Dampf,
                              wie ein permanentes Gas, nach dem Mariotte-Gay-Lussac'schen Gesetz sich ausdehne. Die meisten
                              Versuche, namentlich von Fairbairn und Tate
                              Mitgetheilt im polytechn. Journal Bd. CLV
                                       S. 1 und Bd. CLVII S.
                                       406., sowie frühere Versuche von Regnault und W. Siemens, deuten darauf hin, daß diese Annahme unstatthaft
                              sey. Die erstangeführten Versuche gaben, so weit sie bis jetzt veröffentlicht sind,
                              keine deutliche Form über dieses Ausdehnungsgesetz an, so daß es, von dieser Basis
                              ausgehend, möglich wäre, eine sogenannte „Theorie des überhitzten
                                 Dampfes“ aufzustellen.
                           Im Allgemeinen läßt sich daher über die Eigenschaften des überhitzten Dampfes nur Folgendes
                              feststellen und dieß ist auch durch die Erfahrung bestätigt:
                           1) Ueberhitzter Dampf hat eine höhere Temperatur und Spannung als gesättigter Dampf
                              von gleichem Volumen (der Gewichtseinheit), oder
                           2) derselbe hat stets eine höhere Temperatur und ein größeres Volumen (der
                              Gewichtseinheit) als gesättigter Dampf von gleicher Spannung, oder
                           3) derselbe hat ein größeres Volumen und eine geringere Spannung als gesättigter
                              Dampf von gleicher Temperatur.
                           Die ad 2) angeführten Eigenschaften des überhitzten
                              Dampfes sind es, welche die Anwendung desselben in den Dampfmaschinen so
                              vortheilhaft machen.
                           Es ist bei jeder Dampfmaschine unter übrigens gleichen Umständen die ausgeübte Kraft
                              proportional dem verbrauchten Volumen Dampf von bestimmter Spannung. Es können wohl
                              verschiedene Maschinen bei gleicher Kraft verschiedene Quantitäten Dampf consumiren;
                              aber die Wirkungen jeder einzelnen Maschine, für sich betrachtet, bleiben
                              proportional den verwendeten Volumen Dampf, wenn die Spannung dieselbe bleibt.
                           Wenn man nun durch eine geringere Wärmemenge, als zur Erzeugung eines bestimmten
                              Volumens gesättigten Dampfes erforderlich ist, im Stande ist, das Volumen desselben
                              durch Ueberhitzung zu vergrößern, so wird man eine entsprechend größere Kraft
                              erhalten, dazu aber ein geringeres Quantum Brennmaterial gebrauchen.
                           Bedeutend günstiger wird sich dieses Resultat herausstellen, wenn man im Stande ist,
                              zu dieser Ueberhitzung zu gelangen, ohne direct Brennmaterial dazu zu verwenden, und
                              dieß ist gelungen, indem man, wie ich später zeigen werde, fast allgemein die
                              Verbrennungsgase dazu benutzt, welche in einem sehr heißen Zustande durch den
                              Schornstein abziehen.
                           Prof. Fink gibt anVerhandlungen des Vereins für Eisenbahnkunde in Berlin, 1855 bis 1856, IV.
                                    Heft., daß, obwohl man zuverlässige Daten über das Ausdehnungsgesetz des
                              Wasserdampfes nicht kenne, doch so viel feststehe, daß der Ausdehnungscoefficient
                              desselben größer sey, als der der Luft. Da nun nach Regnault die specifische Wärme des Wasserdampfes noch nicht die Hälfte,
                              nämlich 0,475, von der des Wassers betrage, so ergebe eine einfache Rechnung, daß
                              man ungefähr mit dem vierten Theile des zur Entwickelung eines bestimmten
                              Dampfvolumens nöthigen
                              Wärmequantums das Volumen verdoppeln könne, wenn man den Dampf überhitze; man
                              brauche daher bei so weit getriebener Ueberhitzung nur 5/8 des früheren
                              Brennmaterials, um dieselbe Kraft hervorzubringen, wie mit nicht überhitztem
                              Dampfe.
                           Eine fernere Vermehrung des Dampfvolumens durch Ueberhitzung besteht in
                              Folgendem:
                           Jede im Kessel aufsteigende Dampfblase führt Wassertheilchen mit; sich, mag der
                              Dampferzeuger unmittelbar in die Luft ausmünden oder mag die Dampfentwickelung in
                              einem abgeschlossenen Gefäße, also unter Druck, vor sich gehen. Hierzu kommt, daß
                              das Wasser im Wasserspiegel in Folge der Adhäsion immer das Bestreben hat, im
                              unverdampften Zustande mit dem Dampfe sich zu mischen. Erhitzt man nun diesen
                              feuchten Dampf noch weiter, so werden die im Dampfe vorhandenen Wassertheilchen
                              frei, wandeln sich in Dampf um und vermehren somit das Volumen desselben.
                           Es ist klar, daß die Vermehrung des Dampfvolumens durch Verdampfen des in jenem
                              enthaltenen Wassers nur dann einen Vortheil gewährt, wenn die dazu nöthige
                              Wärmemenge eine solche ist, die ohnehin verloren gehen würde. Anderenfalls könnte
                              man dieses Dampfvolumen ja direct im Kessel erzeugen.
                           Aus Vorstehendem übersieht sich leicht, daß, obgleich der zu verwerthende Gewinn
                              durch die Ueberhitzung der Dämpfe nicht wissenschaftlich genau sich feststellen
                              läßt, es für die Praxis doch von Wichtigkeit seyn muß, mit überhitzten Dämpfen in
                              den Maschinen zu arbeiten und zu untersuchen, wie weit man die Ueberhitzung treiben
                              kann ohne Schaden für die einzelnen Maschinentheile; auf letzteren werde ich später
                              ausführlich zurückkommen.
                           Es kommt aber noch ein anderer Umstand hinzu, der, abgesehen von der
                              Brennmaterialersparniß, wohl schon allein den Vortheil darlegt, welchen der Gebrauch
                              der überhitzten Dämpfe gewährt.
                           Bei allen Maschinen ist das Innere des Cylinders während einer halben Kurbeldrehung
                              nach der Atmosphäre oder bei Condensationsmaschinen nach dem Condensator hin offen,
                              d.h. mit einem Raume in Verbindung, in welchem eine bedeutend niedrigere Temperatur
                              herrscht, als im Inneren des Cylinders selbst. Es findet daher eine schnelle
                              Wärmeabgabe von den Cylinderwänden, dem Cylinderdeckel und dem Kolben aus statt, und
                              in Folge dessen eine beträchtliche Abkühlung dieser ganzen Metallmasse. Tritt nun
                              der gesättigte Dampf beim nächsten Hube in diesen Raum, so gibt er seinerseits zur
                              Wiedererwärmung jener Theile einen Theil seiner eigenen Wärme ab, und da er eben nur
                              eine seiner Spannung
                              entsprechende Temperatur hat, wird nothwendig eine Condensation im Cylinder
                              stattfinden.
                           Das so entstandene Wasser wird nun noch durch das mit dem Dampfe aus dem Kessel
                              fortgerissene vermehrt, sammelt sich auf dem Boden des Cylinders anDaß das condensirte Wasser ganz oder theilweise im Dampfcylinder wieder
                                    verdampft, ist in der Abhandlung „Ueber die Condensation des
                                       Dampfes in den Cylindern der Dampfmaschinen“ in der
                                    Zeitschrift des deutschen Ingenieurvereins Bd. VII S. 424 näher
                                    dargethan.R. Weber. und verursacht Stöße des Kolbens, welcher diese Wassermasse trifft.
                           Wird nun dieses Wasser durch den Maschinisten nicht rechtzeitig abgelassen, so können
                              die Stöße so heftig werden, und werden es in der That auch, daß entweder ein Theil
                              des Kolbens oder der Cylinderboden oder die Kolbenstange zersprengt wird. Solche
                              Unfälle, welche bei stationären Maschinen freilich nur eine verhältnißmäßig kurze
                              Außerbetriebsetzung zur Folge haben, so lange bis die betreffenden Theile erneuert
                              sind, können jedoch, hauptsächlich bei Seedampfschiffen, bedeutende Gefahren für das
                              Schiff, sowie für die auf demselben befindlichen Menschen, zur Folge haben. Und
                              Vorfälle dieser Art sind nicht selten.
                           Als Bemerkung diene hier noch, daß bei den meisten Schiffsmaschinen auf See die
                              Wasserablaßhähne am Cylinder stets theilweise geöffnet bleiben müssen, und daß
                              dadurch selbst direct eine beträchtliche Menge Dampf geradezu in die Luft geblasen
                              wird.
                           Der letztgenannte Uebelstand fällt bei der Benutzung des überhitzten Dampfes ganz
                              fort. Dieser tritt in der Regel mit höherer Temperatur als der gesättigte Dampf von
                              gleicher Spannung aus dem Ueberhitzungsapparat in die Rohrleitungen und schließlich
                              in den Cylinder, verliert bei der Arbeit in demselben freilich eine beträchtliche
                              Menge seiner Wärme; seine Temperatur hat sich jedoch, nachdem er seine Arbeit
                              verrichtet, noch nicht bis zu dem Punkte vermindertEs ist wünschenswerth, die Ueberhitzung so weit zu treiben, daß diese Annahme
                                    zutrifft.R. Weber., daß eine Condensation eintreten könnte, d.h. sie ist noch höher als die,
                              welche dem gesättigten Dampfe von gleicher Spannung entspricht.
                           Prof. Fink fand bei einem Versuche, daß die Ueberhitzung,
                              nachdem der Dampf durch eine nahezu 20 Fuß lange Rohrleitung geführt war, fast
                              gleich Null war. Dennoch war eine bedeutende Brennmaterialersparniß erzielt, und
                              glaubt er den Grund hierfür einzig und allein in der Vermehrung des Dampfvolumens
                              durch Verdampfung der mitgerissenen Wassertheilchen zu finden. In diesem Falle war der Apparat
                              in Wirklichkeit also nur ein Nachverdampfungsapparat.
                           Was nun schließlich die Anwendung des überhitzten Dampfes bei Condensationsmaschinen
                              betrifft, so hat der Ingenieur J. M. Ryder in London (London Journal of arts, 1860; polytechn. Journal Bd. CLVIII S. 97) gefunden, daß die
                              Injectionswassermenge geringer zu seyn braucht, als bei gesättigtem Dampfe. Hieraus
                              folgt, daß dem Dampfe durch die Ueberhitzung keine größere Gesammtwärme mitgetheilt
                              worden ist, daß vielmehr die sensible Wärme vermehrt, die latente aber vermindert
                              worden, die Summe beider aber eine constante Größe geblieben ist.Wir sind der Meinung, daß die erwähnte Erscheinung einer anderen Erklärung
                                    bedarf, als der des Hrn. Verfassers. Wir denken uns bei Anwendung von gesättigtem Dampfe denselben bei seinem Eintritte
                                    in den Condensator aus zwei Theilen bestehend. Der eine Theil hat seine
                                    Dampfform vom Eintritte in den Cylinder bis zum Uebergange in den
                                    Condensator beibehalten, während er fast ganz allein die mechanische Arbeit
                                    geleistet hat. Der andere Theil – sey es nun, daß er als
                                    mitgerissenes Wasser dem Cylinder zugeführt oder erst an den Wänden
                                    desselben condensirt wird, oder auch in Folge der Entziehung von Wärme,
                                    welche in mechanische Kraft umgewandelt wird – verwandelt sich bei
                                    seinem Austritte wieder in Dampf, ohne wesentlich zur Kraftproduction
                                    beigetragen zu haben.Dieser schädliche Dampf erfordert natürlich einen
                                    entsprechenden Zuwachs an Condensationswasser, welches bei überhitztem Dampf
                                    erspart wird. Diese Ersparniß hängt von dem Grade der Ueberhitzung, d.h.
                                    davon ab, ob der Dampf nur getrocknet, oder so weit überhitzt wird, daß die
                                    erwähnten beiden Arten von Condensation im Dampfcylinder verhindert
                                    werden.R. Weber.
                              
                           Die Größe der Heizfläche, welche ein Ueberhitzungsapparat erhalten muß, ist abhängig
                              von dem Orte, an welchem derselbe aufgestellt wird, und der Temperatur, welche man
                              erreichen will. Bei einer Temperatur von circa
                              232° C. hat man dieselbe in der Größe von 1/2 bis 5 Quadratfuß per nominelle Pferdestärke beobachtet. (Ryder, a. a. O.)
                           Bei einem von Pilgrim in London construirten Apparat sind
                              0,5 bis 0,55 Quadratfuß per Pferdestärke ausreichend
                              gewesen, um die Temperatur des Dampfes bis auf 205° C. zu bringen.
                           
                        
                           II. Historische Uebersicht der
                                 Verwendung des überhitzten Dampfes.
                           Obwohl die Eigenschaften des überhitzten Dampfes schon seit langer Zeit bekannt sind,
                              und auch J. Watt, wie aus einzelnen Andeutungen
                              hervorgeht, schon mit demselben experimentirt hatte, so fand derselbe doch erst zu
                              Ende der vierziger Jahre dieses Jahrhunderts wirkliche praktische Verwendung, und
                              zwar hauptsächlich in Frankreich. Violette gebrauchte im
                              Jahre 1848 überhitzten Dampf von 200 bis 250° C. zum Austrocknen des Holzes.
                              Solcher Dampf ist nämlich im Stande, das im Holze enthaltene Wasser vollständig zu
                              absorbiren, resp. zu verdampfen, ohne daß seine Temperatur bei diesem Processe so
                              weit sinkt, daß eine Condensation eintreten könnte. Kurze Zeit darauf fing Violette an, in einer Pulverfabrik der damaligen
                              französischen Republik überhitzten Dampf von circa
                              300° C. zur Fabrication von Holzkohle zu verwenden, und erzielte damit eine
                              sehr gute gleichartige Kohle, wie sie zur Pulverfabrication nothwendig ist.
                              Weiterhin versuchte er mit Dampf von 200° C. Brod und Schiffszwieback zu
                              backen und schließlich Gyps zu brennen. Zu letzterem Zweck verwendete er Dampf von
                              1/2 Atmosphäre Ueberdruck, welcher dann auf 200° erwärmt und somit bedeutend
                              überhitzt wurde. – Im J. 1849 verwendete Prof. Scharling überhitzten Dampf zum Wiederbeleben der Knochenkohle in
                              Zuckerfabriken. Die Qualität dieser wiederbelebten Kohle stand jedoch derjenigen
                              bedeutend nach, welche man auf gewöhnlichem Weg durch Glühen erhielt. Besser ließ
                              sich der überhitzte Dampf zum Reinigen von Palmöl, stinkenden Theeren u.s.w.
                              gebrauchen.
                           Alle diese Verwendungsarten fanden jedoch in der technischen Welt wenig Anklang; da
                              kam man anfangs der fünfziger Jahre darauf, auch zum Betrieb
                                 der Dampfmaschinen des überhitzten Dampfes sich zu bedienen. Schon im Jahre
                              1854 hatte die Verwendung derartiger Dämpfe in den Maschinen, hauptsächlich in den
                              Vereinigten Staaten, ziemliche Verbreitung gefunden. Wegen der Nachtheile, mit
                              welchen diese Verwendung verbunden war, schien es jedoch bald, als ob man sich von
                              dem ganzen Principe vollständig abwenden wolle. Der bisher verwendete gesättigte
                              Dampf tritt nämlich mit einer Temperatur in den Cylinder, welche es sehr wohl
                              zuläßt, sämmtliche Bewegungstheile, da wo sie auf einander laufen, zu schmieren und
                              so vor einem Einfressen derselben in einander zu bewahren. Dazu kommt, daß da, wo
                              fette Schmiere in genügender Quantität nicht wohl zugeführt werden konnte,
                              namentlich am Umfang des Dampfkolbens, das im Dampf enthaltene Wasser die Stelle der
                              Schmiere vertrat und so auch diesen Theil des Bewegungsmechanismus schützte. Bei
                              Anwendung überhitzten Dampfes war dieß nicht mehr möglich. Da der Dampf mit einer
                              bedeutend höheren Temperatur als früher in den Cylinder trat, so wurde das Fett
                              verflüchtigt, die Verpackung in den Stopfbüchsen verbrannte, und die Dichtung hörte
                              damit auf. Ferner gelangte zum Kolbenumfang gar keine Schmiere mehr, und da nun auch
                              das Wasser, was bisher dessen Stelle vertreten hatte, im Dampfe fehlte, so fing der
                              Kolben an, trocken an der Cylinderwandung zu schleifen, und beide Theile fraßen sich
                              ein und fest. Dadurch hörte auch die Dichtung des Kolbens auf, und es gieng der
                              Vortheil, welcher durch die Vermehrung des Dampfvolumens gewonnen war, auf diese Weise größerentheils
                              direct wieder verloren; ja es wurde derselbe durch die schnelle Abnutzung der
                              Bewegungstheile vollständig aufgewogen. – Da tauchte in Amerika eine
                              Entdeckung auf, welche geeignet war, die Aufmerksamkeit aller Fachmänner auf sich zu
                              ziehen. Wethered in Wetheredville fieng nämlich an, ein Gemisch von gesättigtem und überhitztem Dampfe in
                              seinen Maschinen zu verwenden, und gewann dadurch die Vortheile, welche die
                              Anwendung des überhitzten Dampfes gewährt hatte, ohne die hiermit verbundenen
                              Nachtheile. Die amerikanische Regierung erkannte sofort die Wichtigkeit dieser
                              Entdeckung, und Martin, Ober-Ingenieur der Verein.
                              Staaten-Marine, wurde beauftragt, seine schon früher über die Verwendung des
                              überhitzten Dampfes angestellten Versuche auch auf die des gemischten Dampfes
                              auszudehnen. Kurze Zeit früher von dem Maryland-Institut angestellte Versuche
                              hatten ergeben, daß, um das Wasser einer Cisterne zum Sieden zu bringen, bei
                              Anwendung von gesättigtem Dampf 73 Minuten, von überhitztem Dampf 80 Minuten, von
                              gemischtem Dampf 44 Min. bei derselben Spannung erforderlich gewesen waren. Sollten
                              diese Angaben richtig seyn, so gienge daraus hervor, daß reiner überhitzter Dampf
                              ein äußerst schlechter Wärmeleiter ist. Martin's Versuche
                              ergaben Folgendes:Polytechn. Journal, 1859, Bd. CLI S. 406.
                              
                           Die ersten Versuche wurden mit einer Hochdruckmaschine angestellt (ohne
                              Condensation). Die Leistung der Maschine bestand im Wasserheben mittelst zweier
                              Pumpen mit Behältern mit verdichteter Luft. Die Versuchsreihe mit
                           
                              
                                 gesättigtem Dampf
                                 ergab
                                 Arbeitseinheiten
                                 per Pfd.
                                 Kohle
                                 790.
                                 
                              
                                 (von 109° C.)
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 überhitztem     „
                                 „
                                 „
                                 „    
                                    „
                                 „
                                 1302.
                                 
                              
                                 (von 178° C.)
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 gemischtem     „
                                 „
                                 „
                                 „    
                                    „
                                 „
                                 1625.
                                 
                              
                                 (von 148° C.)
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           Die Arbeitseinheiten per Pfund Kohle verhalten sich also
                              wie 1 : 1,649 : 2,057. Daraus folgt bei so weit getriebener Ueberhitzung: 1) daß,
                              wenn man bei demselben Kessel in der Maschine überhitzten Dampf anwendet, man eine
                              Zunahme des Nutzeffectes von 65 Procent, 2) bei gemischtem Dampf von 105,7 Proc.
                              erzielt, und schließlich 3) daß bei der Benutzung des Gemisches gegen überhitzten
                              Dampf allein der Gewinn noch 25 Proc. beträgt.
                           Aus einer zweiten Reihe von Versuchen, die im Januar 1854 auf dem Dampfer „Joseph
                                 Johnson“ auf dem Hudson bei New-York angestellt wurde, ergibt
                              sich, wenn man als Maaß des Nutzeffectes die Kubikzahlen der Umdrehungen (nur bei
                              Vergleichen zulässig) und als Maaß der Erzeugungskosten der erhaltenen Leistungen
                              die verbrauchten Kohlenmengen annimmt, den erhaltenen Nutzeffect pro Pfund Kohlen mit gesättigtem Dampf gleich 1 gesetzt,
                              daß der mit gemischtem Dampf erhaltene gleich dem 1,727fachen ist; mithin betrug bei
                              diesen Versuchen der Gewinn 72 Procent. (Für gesättigten Dampf war der Ueberdruck
                              19,5'' Quecksilber, Temperatur des Cylindermetalls 111° C., des
                              Condensatormetalls 51° C.; für gemischten Dampf Ueberdruck im Kessel 18,5''
                              Quecks., mittlere Temperatur des Cylindermetalls 143° C., des
                              Condensatormetalls 64° C., Temperatur des überhitzten Dampfes vor der
                              Vermischung 303° C., des Gemisches 173° C.) Da mehrere Techniker,
                              unter anderen auch W. Siemens, bezweifelten, daß der
                              gemischte Dampf, bei gleichem Druck und gleicher Temperatur wie der überhitzte
                              angewendet, einen größeren Nutzeffect als letzterer liefert, so stellte Wethered im Oct. 1855 einen vergleichenden Versuch an,
                              welcher folgende Resultate ergab:
                           1. Versuch mit überhitztem Dampfe für sich allein.
                           Dauer 3 Stunden; Druck 2,57 Atmosphären. Temperatur des Dampfes im Cylinder
                              147,7° C. Temperatur desselben beim Ausströmen aus dem Cylinder 107°
                              C. Gesammtzahl der Umdrehungen des mit der Maschine betriebenen Ventilators 6430, in
                              der Minute 35,7. Verdampftes Wasser 460 Liter, verbrauchte Kohlenmenge 180 Pfd. (162
                              Zollpfd.)
                           2. Versuch mit gemischtem Dampfe.
                           Dauer 3 Stunden; Druck 2,57 Atmosphären. Temperatur der vereinigten Dämpfe beim
                              Einströmen in den Cylinder 145,5° C.; beim Ausströmen aus demselben
                              102° C. Gesammtzahl der Umdrehungen des Ventilators 6680, in der Minute 37.
                              Verdampftes Wasser 520 Liter, verbrauchte Kohlenmenge 140 Pfd. (126 Zollpfd.)
                           Nimmt man hier die Arbeit des überhitzten Dampfes gleich 1 an, so findet man die des
                              gemischten Dampfes gleich 1,4427; mithin hat man bei Anwendung des Gemisches einen
                              Gewinn von 44 Procent. Der Wärmeverlust betrug bei 1) 40,7° C., bei 2)
                              43,5° C. Hierin sucht, und wohl mit Recht, Wethered die Ursache des beim zweiten Versuch erhaltenen günstigeren
                              Resultats. – Nachdem diese Ergebnisse veröffentlicht waren, ließen auch die
                              französische und englische Regierung Versuche anstellen. Der Vortheil der Anwendung
                              gemischten Dampfes war somit erwiesen, aber eine Erklärung der Thatsache, wie es
                              möglich sey, und welche Vorgänge dazu beitragen, daß mit dem gemischten Dampfe eine
                              größere Wirkung erzielt werde, als mit nur überhitztem, war man nicht im Stande aufzufinden und hat
                              sie auch heute noch nicht gefunden. Daß man mit dem gemischten Dampfe eine größere
                              Wirkung erzielen muß, als mit dem gesättigten Dampfe, ist wohl unschwer einzusehen.
                              Vereinigen sich die beiden Dampfströme, was gleich nach dem Austritte des
                              überhitzten Dampfes aus dem Apparat zu geschehen pflegt, so trägt die höhere
                              Temperatur des überhitzten Dampfes dazu bei, das in dem gesättigten enthaltene
                              Wasser zu verdampfen und überhaupt letzteren gleichfalls zu überhitzen. Die
                              Temperatur wird dann freilich eine bedeutend geringere als die des nur überhitzten
                              Dampfes, obwohl sie immerhin noch viel höher bleibt als die des gesättigten Dampfes
                              war. Dadurch wird es möglich, daß bei der Anwendung des gemischten Dampfes die
                              schädlichen Einflüsse der zu hohen Temperatur fortfallen, und daß man somit, wie
                              schon oben erwähnt, die Vortheile des überhitzten Dampfes ohne die mit seiner
                              Verwendung verbundenen Nachtheile erhält.
                           Im J. 1856 befanden sich auf der Industrieausstellung in Paris zwei Maschinen, welche
                              mit überhitztem, resp. gemischtem Dampf arbeiten sollten, letztere von Wethered und erstere von W. Siemens. Der Kessel der Wethered'schen Maschine
                              hat einen Ueberhitzer, wie er auch heute noch angefertigt wird, bestehend aus einem
                              Schlangenrohr in der Kuppel der Esse. Die Heizfläche desselben betrug 3 Quadratfuß
                              (0,179 Quadratmeter) per Pferdestärke. Der überhitzte
                              Dampf vereinigte sich in einer besonderen Dampfkammer mit dem gesättigten. Besondere
                              Umstände verhinderten die rechtzeitige Aufstellung des Apparates im
                              Ausstellungsgebäude und blieb derselbe, da auch keine speciellen Versuche mehr damit
                              angestellt werden konnten, ziemlich unberücksichtigt. Aus zwei Versuchen von Moigno aber, bei deren einem die Maschine mit
                              gewöhnlichem gesättigtem Dampfe (von durchschnittlich 124° C.) und bei deren
                              zweitem sie mit gemischtem Dampf (von durchschnittlich 164° C. und 2,1
                              Atmosphären Druck) betrieben wurde, ergibt sich, wenn man für beide Fälle die Anzahl
                              der per Liter verdampften Wassers erlangten
                              Arbeitseinheiten berechnet, daß diese Zahlen nahezu in dem Verhältnisse 1 : 2
                              stehen, oder daß die Kraftzunahme beim zweiten Versuch circa 100 Proc. betragen hat.
                           Zwei spätere Versuche ergaben gleiche Resultate. Die Versuchszeit betrug 3 Stunden,
                              der Dampfdruck in beiden Fällen 2,5 Atmosphären. Für gesättigten Dampf wurden 515,
                              für den gemischten 500 Liter Wasser verdampft. Die Anzahl der Kolbenhübe betrug im
                              ersten Fall 4735, im letzteren 5845, der Kohlenverbrauch 168 Pfd. (151,2 Zollpfd.),
                              resp. 158 Pfd. (142,2 Zollpfd.)
                           Die so gewonnene Ersparniß ist jedoch sowohl bei der Verwendung von nur überhitztem Dampfe, als
                              auch bei der von gemischtem Dampfe von einer anderen begleitet, welche nicht weniger
                              wichtig ist als jene. Was die Dampfschifffahrt so kostspielig macht, ist nicht das
                              große Gewicht der Maschinen, welche einen bedeutenden Raum einnehmen, sondern die
                              schnelle Zerstörung der wesentlichen Bewegungsorgane, der Schieber, Kolbenringe und
                              selbst der Cylinder. Die gesättigten Meerwasserdämpfe reißen eine bedeutende Menge
                              von den in dem Wasser enthaltenen Salzen mit sich, und diese greifen die erwähnten
                              Oberflächen an. In gewissen Gewässern ist ein Betrieb der Maschine von einigen
                              Stunden oder Tagen hinreichend, um die nachtheiligsten Unfälle zu veranlassen, so
                              daß kostbare Reparaturen erforderlich werden. Dieser große Nachtheil verschwindet
                              bei der Anwendung überhitzter, resp. gemischter Dämpfe. Dieselben führen kein
                              flüssiges Wasser und folglich auch nicht die diesem beigemischten Salze mit sich. Es
                              kommt in allen Fällen nur reiner Dampf mit den reibenden Flächen in Berührung,
                              welche daher nicht so leiden, wie es unter gewöhnlichen Umständen der Fall ist.
                           Die erwähnte zweite Maschine auf der Pariser Ausstellung von W. Siemens, welche mit von ihm sogenannten regenerirten Dämpfen getrieben
                              wurde, beruht im Wesentlichen auf demselben Princip. Es wird gesättigter Dampf
                              erzeugt, überhitzt, und der im Cylinder verbrauchte Dampf wieder erhitzt und kommt
                              dann nochmals zur Verwendung. Dieß wiederholt sich mehrere Male. In einem Kessel,
                              welcher die ganze Maschine umhüllte, wurden Dämpfe von circa 5 Atmosphären Spannung erzeugt. Dieser Dampf strömte, ehe er zur
                              Wirkung auf den Kolben gelangte, an einem Cylinder von Drahtgewebe vorbei, welcher
                              an einem Ende eine Temperatur von 400° C., am anderen von 150° C.
                              hatte. Hierbei wurde der Dampf überhitzt und kam in diesem Zustande zur Wirkung auf
                              den Kolben, wodurch der Kurbel eine halbe Umdrehung ertheilt wurde.
                           Nun begann dasselbe Spiel in einem zweiten Cylinder, und wurde dadurch der Kurbel die
                              andere halbe Umdrehung ertheilt. Jede einzelne dieser beiden Maschinen war also
                              einfachwirkend. Um während der Bewegung des einen Kolbens den schädlichen Gegendruck
                              auf den anderen zu vermindern, hatte die Maschine einen dritten Cylinder, in welchen
                              der verbrauchte Dampf strömen und expandiren konnte. Dabei strich er in
                              entgegengesetzter Richtung an dem Drahtgewebe vorbei und wurde seine Temperatur auf
                              diese Weise wieder auf 150° C. vermindert. Nachdem die Umdrehung erfolgt war,
                              begann das Spiel von Neuem und zwar mit demselben Dampfe, welchem etwa nur 1/10 des
                              ganzen Dampfvolumens frischer Dampf zugeführt wurde. Moigno führt mehrere Resultate an, welche mit der ersten derartigen Maschine erzielt seyn
                              sollen; von diesen sey nur eines einzigen hier erwähnt. Die Maschine machte 100
                              Umdrehungen. (Siemens sagt, daß die Wärmeabgabe und
                              Aufnahme von den Drahtgeweben und zu denselben zurück so schnell erfolgen, daß eine
                              derartige Maschine 300 Umdrehungen in der Minute machen könne.) Der Dampfdruck im
                              Mantel betrug 5 Atmosphären, der Effect, mit Mac Naught's
                              Indicator gemessen, 25,1 Pferdekräfte. Der Brennmaterialverbrauch per Pferdekraft erreichte in der Stunde nur die Höhe von
                              2,54 Pfd. (1,15 Kilogr.)
                           
                        
                           
                              (Der Schluß folgt.)