| Titel: | Das Bleiwerk von Walker, Perkers und Comp. zu Chester; von Dr. Georg Lunge. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. XIV., S. 43 | 
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                        XIV.
                        Das Bleiwerk von Walker, Perkers und Comp. zu
                           Chester; von Dr. Georg
                              Lunge.
                        Lunge, über ein Bleiwerk zu Chester in England.
                        
                     
                        
                           Die Firma Walker, Perkers und Comp. ist eine der größten in der englischen Blei-Industrie; sie
                              besitzt fünf Etablissements in verschiedenen Theilen Englands, alle in dem größten
                              Maaßstabe angelegt. Doch ist die Blei-Industrie nicht in allen von Anfang bis
                              Ende durchgeführt, sondern die einen verhütten zunächst das Bleierz und stellen
                              zugleich Glätte und Mennige dar, welche Producte ja noch ganz in den Bereich der
                              Hüttenindustrie fallen; die anderen verarbeiten das Blei zu Blechen, Röhren, Schrot
                              und Bleiweiß. Die Fabrik zu Chester, welche ich besuchte, ist eine der letzteren
                              Art; sie empfängt ihr Blei von einer derselben Firma gehörigen Schmelzerei zu
                              Bagillt in Flintshire (Nord-Wales), welche nicht weit entfernt ist.
                           Die Fabrication des Schrotes ist insofern verschieden von
                              der zu Ballycorus betriebenen, welche ich bereits beschrieben habeIn diesem Journal Bd. CLXXIX S.
                                       444., als dem dazu bestimmten Blei direct Arsenik zugesetzt wird, während man zu
                              Ballycorus nur die
                              unreineren Sorten mit unbestimmtem Arsen- und Antimongehalte und ohne
                              weiteren Zusatz verwendet. In Chester wird das Blei in einem kleinen Kessel auf der
                              Höhe des Schrotthurmes geschmolzen, und das Arsenik (die käufliche arsenige Säure)
                              hineingerührt; ein Dunstabzug schützt den Arbeiter vor den giftigen Dämpfen, welche
                              sich natürlich entwickeln. Man nimmt einen Ueberschuß von Arsenik, was nichts
                              schadet, weil nur ein geringer Theil desselben sich zu Metall reducirt und mit dem
                              Blei legirt, während der größte Theil als Schlacke auf der Oberfläche des Bleies
                              schwimmen bleibt und abgeschäumt wird. Man verwendet dieses Abgeschäumte für eine
                              neue Portion Blei, und findet, daß es sich leichter mit demselben vereinigt; dieß
                              darf wohl einer partiellen Reduction der arsenigen Säure zu Arsensuboxyd, vielleicht
                              auch theilweise zu metallischem Arsen zugeschrieben werden; der größte Theil des
                              letzteren dürfte sich freilich schon beim ersten Schmelzen mit dem Blei legiren.
                              Antimon wird nicht direct zugesetzt, sondern ist schon in dem angewendeten Blei
                              enthalten, da man auch hier die unreinsten Sorten zum Schrotgießen verwendet; dieß
                              geschieht aber nicht auf's Gerathewohl, sondern man ermittelt den Antimongehalt
                              jeder betreffenden Partie Blei, und regulirt darnach den Zusatz von Arsenik, indem
                              die antimonärmeren Sorten mehr Arsenik bekommen und umgekehrt. Die dadurch
                              verursachten Unterschiede im Arsenzusatz sind sehr bedeutend; zuweilen sind nur 1/2
                              Procent Arsen im Blei nothwendig, zuweilen aber selbst 5 Procent. Das Gießen
                              geschieht immer von der Höhe des Thurmes (168 Fuß) in einen an dessen Boden
                              stehenden Wasserbottich (nicht in drei verschiedenen Höhen, wie in Ballycorus). Man
                              gießt durch eisenblecherne Siebe mit runden Löchern von verschiedener Größe bei den
                              verschiedenen Sieben. Auf den Boden derselben wird vorher eine Schicht Gekrätz
                              gelegt, welche dann zur Regulirung des Ausfließens dient. Das Blei darf nämlich, um
                              möglichst viel gutes Schrot zu bilden, nicht in Strahlen durch die Sieblöcher
                              laufen, sondern muß in einzelnen Tropfen hindurchfließen; wo es also im Strahle
                              fließt, drückt man das Gekrätz mittelst eines hölzernen Spatels fester zusammen und
                              verringert dadurch die Schnelligkeit des Ausfließens bis zur Bildung einzelner
                              Tropfen. Es werden 19 verschiedene Sorten Schrot von dem Thurme gegossen; außerdem
                              noch 17 gröbere in Formen. Die vom Thurme in Wasser gegossenen Sorten werden
                              getrocknet, in einer Rolltrommel mit Graphit überzogen, durch Rollen über eine
                              schiefe Ebene die unrunden Körner ausgeschieden, und die genaue Sortirung
                              schließlich durch Cylindersiebe mit archimedischer Schraube in ihrem Inneren
                              bewerkstelligt. Das Verfahren unterscheidet sich von dem zu Ballycorus beobachteten
                              und früher beschriebenen
                              nur dadurch, daß in Chester nicht, wie dort, die schiefe Ebene zweimal auf ihrer
                              Länge unterbrochen ist; dieß macht wohl die Trennung der runden von den unrunden
                              Körnern nicht ganz so genau.
                           Die erwähnten 17 gröberen Sorten werden in eisernen Formen zu je etwa 40 auf einmal
                              gegossen, indem sie in zwei Reihen mit Stielen an einem Mittelstege, wie Beeren an
                              einem Stengel sitzen; nach dem Erkalten werden die aus zwei Hälften bestehenden
                              Formen geöffnet und jede der beiden Reihen Kugeln auf einmal vermittelst einer
                              langen Kneipzange abgeschnitten. Die Kugelgestalt ist natürlich noch nicht
                              vollständig genau, da die Abschneidstelle eine flache Oberfläche zeigt; aber man
                              erreicht vollständige Abrundung, indem man die Kugeln in Trommeln mit scharfkantigen
                              Bruchstücken eines sehr festen Sandsteines (wie er zu Schleifsteinen dient)
                              herumgehen läßt.
                           Ueber das Walzen des Bleies ist nichts Besonderes zu
                              bemerken; das Walzwerk beansprucht 20 Pferdestärken, hat an jeder Seite eine mit
                              Holzrollen versehene Bahn von je 40 Fuß Länge, und ein über die ganze Breite der
                              Bahn gehendes Messer zum Abschneiden der Bleche Das Blei wird in der Regel in einer
                              Tafel von 5'' Dicke und 100 Ctr. Schwere gegossen, durch einen Krahn an die Walzen
                              herangeführt und noch warm bis zu der gewünschten Dünne ausgewalzt.
                           Zur Fabrication der Röhren sind drei hydraulische Pressen
                              vorhanden, welche sämmtlich von unten nach oben wirken, also umgekehrt wie in
                              Ballycorus, wo zwar der Preßkolben sich ebenfalls nach oben hin bewegt, aber die
                              Pressung von oben nach unten stattfindet, indem ein hängender Körper in die Höhlung
                              am Kopfe des Preßkolbens eintritt. In Chester ist der Preßkolben massiv und tritt in
                              einen starken, mit festen Widerlagern versehenen Hohlcylinder ein, in welchen das
                              Blei eingegossen wird; am Oberende befindet sich die Form und der Dorn (die and core) für das Bleirohr. Das Blei wird nur eben
                              geschmolzen erhalten, so daß es sofort erstarrt, so wie es durch die Form
                              hindurchgepreßt wird; für den öfter eintretenden Fall, daß es schon in dem Cylinder
                              selbst fest werden sollte, ist der Obertheil desselben mit einem Blechmantel zur
                              Aufnahme von glühenden Kohlen umgeben. Die Bleiröhre, so wie sie herauskommt, wird
                              auf große Trommeln aufgewunden. Wenn man verzinnte Röhren machen will, so gießt man
                              eine sehr kleine Menge Zinn (etwa 1/10 Procent vom Blei) aus einem Gießlöffel auf
                              die Form, gerade da, wo das Rohr heraustritt; dieses überkleidet sich, indem es
                              hindurchgeht, mit einem Ueberzuge von Zinn, welcher zwar unendlich dünn ist, aber
                              doch durchaus keine Lücken zeigt. Es ist ein Vortheil dieser Art Pressen gegenüber
                              den abwärtswirkenden, daß man die Bleirohre dabei verzinnen kann, während dieses bei dem anderen
                              Verfahren nicht möglich ist; doch ist die Nachfrage nach verzinnten Röhren jetzt
                              nicht mehr bedeutend, seitdem Wissenschaft und Praxis gezeigt haben, daß der
                              Zinnüberzug nicht nur keinen Schutz für das Blei gewährt, sondern sogar dessen
                              Angreifbarkeit durch seine galvanische Wirkung mit ihm noch verstärkt.
                           Die Anlage für Bleiweiß-Fabrication, nach
                              holländischer Methode, ist wohl eine der großartigsten, welche es gibt. Es werden 60
                              Tonnen (1200 Centner) Blei täglich verarbeitet, und es sind dafür 60 Kammern, jede
                              25 bis 30 Fuß lang, breit und hoch, vorhanden. Sie sind in Reihen angelegt und fast
                              ganz aus Mauerwerk construirt, mit Ausnahme der Decken und eines langen senkrechten
                              Schlitzes in einer Seitenwand, welcher zur Beschickung dient und nach derselben mit
                              Bretern dicht verschlossen wird. Jede Kammer braucht, incl. Füllung und Entleerung,
                              10–13 Wochen für jede Charge; es kann also beinahe jeden Tag eine andere
                              Kammer in Arbeit genommen werden. Die Schichtung ist die bekannte; auf den Boden
                              kommt eine Lage gebrauchte Gerberlohe, dann eine Schicht von irdenen Näpfen oder
                              Töpfen, auf deren Boden etwas HolzessigsäureDie Holzsäure wird in einer anstoßenden Fabrik derselben Firma dargestellt,
                                    deren Beschreibung ich besonders geben werde. gegossen wird; dann wird in den Napf ein sechsstrahliger Stern von Blei
                              gelegt, so, daß er die Säure nicht berührt, und auf diesen ein zusammengerolltes
                              Gitterwerk von Blei gestellt. Dann kommt über die Töpfe hin eine Lage von Bretern,
                              darauf wieder Gerberlohe u.s.f. Nach Oeffnung der Kammer findet sich das Blei in den
                              Töpfen manchmal ganz vollständig, immer aber mindestens bis auf einen ganz kleinen
                              Rest in Bleiweiß verwandelt, ohne die Form der Sterne und Gitter verloren zu haben.
                              Die Gerberlohe wird nach dem Gebrauche durchgesiebt und noch einmal verwendet; nach
                              dem zweiten Gebrauche ist sie nicht mehr zur Verwendung in den Kammern tauglich,
                              sondern muß umsonst als Dünger fortgegeben werden. Jedoch der Theil derselben,
                              welcher Blei und Bleiweiß enthält, wird erst noch einem Processe unterworfen, um
                              diese werthvollen Theile nicht zu verlieren; man setzt sie in einem Bottich einem
                              kräftigen Wasserstrahle aus, welcher die leichten Lohetheilchen schwimmend
                              wegschlämmt, während Blei und Bleiweiß zurückbleiben. Die aus den Töpfen genommenen
                              Sterne und Gitter selbst werden zunächst von dem nicht verwandelten Blei getrennt.
                              Sie werden zu diesem Zwecke in einen Wasserbottich gebracht, welcher über seinem
                              eigentlichen Boden noch einen durchlöcherten falschen Boden von Kupferblech hat, und werden mit
                              eisernen Rührkrücken in dem Bottich herumgetrieben, so daß der größte Theil des
                              Bleiweißes als Milch durch die Löcher des Siebbodens geht. Der Rest wird gewonnen,
                              indem man das auf dem Siebboden Zurückgebliebene durch ein kleines cannelirtes
                              Walzenpaar von Eisen passirt. Was hier durchgeht, ist reines Blei und wird wieder in
                              die Form von Gittern gegossen. Ganz neuerdings will man gefunden habenZenner, Wagner's Jahresbericht für 1864, S.
                                    278., daß sich die Verunreinigungen des Bleies gerade in diesen unangegriffenen
                              Theilen ansammeln, während das Bleiweiß fast rein bleiben soll; mir ist nicht ganz
                              klar, wie dieß vorgehen kann, da man den betreffenden Rest immer als soliden Kern in
                              einer Masse von Bleiweiß von der ursprünglichen Form des Bleies vorfindet, und man
                              doch nicht leicht eine Wanderung der Verunreinigungen während des Processes in den
                              stets im festen Zustande befindlichen Kern annehmen kann; diese Erscheinung bedürfte
                              jedenfalls näherer Untersuchung, ehe sie für zweifellos angenommen werden
                              könnte.
                           Das durchgewaschene Bleiweiß wird dann zwischen horizontalen Mühlsteinen von 2 1/2
                              bis 3 Fuß Durchmesser (ganz nach Art von Getreidemühlen) gemahlen, unter beständigem
                              Zufließen eines Wasserstrahles. Als Mühlsteine werden nur die sogenannten
                              französischen benutzt. Man hat eine Anzahl von Mühlen für die beste Sorte, und eine
                              andere für das zu lange in der Kammer Gebliebene, welches nicht ganz so weiß
                              ausfällt. Nach Beendigung des Mahlens schlämmt ein Wasserstrahl das Bleiweiß, mit
                              Ausnahme der gröbsten Theile, von den Steinen ab, worauf es in Absetztröge fließt.
                              Nach einiger Zeit wird das Wasser aus diesen ausgepumpt und der Bleiweißkuchen
                              ausgestochen. Das Trocknen geschieht in flachen irdenen Schüsseln von nur etwa 18
                              Zoll Durchmesser, so daß sie sich bequem handhaben lassen; natürlich wird eine
                              außerordentlich große Anzahl derselben erfordert. In der Trockenstube, welche den
                              Kammern an Größe gleichkommt, sind rings an den Wänden herum bis zur ganzen Höhe
                              hinauf (etwa 25 Fuß) Gerüste mit horizontalen Fächern angebracht; man setzt in jedes
                              Fach immer drei Schüsseln übereinander. Die Heizung wird bewirkt durch einen
                              hindurchgehenden Feuercanal, dessen strahlende Oberfläche durch einen großen,
                              domförmigen Aufsatz von Eisen vergrößert wird; die Temperatur wird auf 120°
                              F. (48,8° C.) gehalten.
                           Endlich wird noch eine beträchtliche Quantität Oelfarbe dargestellt, indem man
                              trockenes Bleiweiß mit Leinöl in Trögen mit Rührwelle anreibt und dann zwischen
                              horizontalen Steinen feinmahlt.