| Titel: | Ueber Preßhefe; von Prof. V. Kletzinsky. | 
| Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. XIX., S. 72 | 
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                        XIX.
                        Ueber Preßhefe; von Prof. V. Kletzinsky.
                        Kletzinsky, über Preßhefe.
                        
                     
                        
                           10 PfundOesterreichische Gewichte und Maaße. Gerstenmalzschrot, 8 Pfd. Maismehl, 5 Pfd. Weizenmehl, 7 Pfd. Roggenmehl und
                              5 Pfd. früher gedämpfte und geschälte Kartoffeln werden mit 10 Maaß kalten Wassers
                              gut durchgerührt; 20 Maaß Wasser werden zum Wallsud erhitzt, mit 10 Maaß
                              gewöhnlichen, gestandenen Wassers getempert und sogleich obiger Dickmaische
                              zugesetzt; die Maische bleibt nun bedeckt 6–12 Stunden bis zur erfolgten
                              Zuckerbildung stehen, in welcher Zeit die Temperatur, die anfangs
                              60–70° C. beträgt, allmählich auf 20–30° C. sinkt; nun
                              werden 2 Pfd. guter Preßhefe, oder in Ermangelung derselben 3 Pfd. gewöhnliches
                              Oberzeug mit Wasser, in dem man 1/4 Pfd. doppelt-kohlensaures Natron
                              aufgelöst hat (circa 5 Wiener Seidel), zerrührt, und
                              diese dicke Hefenmilch der Maische zugesetzt; nach guter Durchmischung mittelst
                              Rühren bleibt die Masse sechs Stunden sich selbst überlassen, bei einer Temperatur
                              die nicht unter 20° C. sinken darf; hierauf wird eine von folgenden drei
                              Säuren in drei Seidel Wasser aufgelöst: entweder 4 Loth englischer Schwefelsäure,
                              oder 6 Loth krystallisirte Weinsäure, oder was am Besten ist, 1 Pfd. der käuflichen
                              reinen flüssigen Phosphorsäure vom specifischen Gewichte 1,05 (7 Proc.
                              Phosphorsäuremonohydrat enthaltend), diese saure Flüssigkeit der Maische zugemischt,
                              gut durchgerührt und die Maische bis zur Reise bei einer Temperatur von mindestens
                              20° C. sich selbst überlassen.
                           Nach dem Durchbruche, schon noch während der abnehmenden Gährung wird die Maische
                              durch ein Haarsieb laufen, in einem Decantirbottich absetzen gelassen, nach Abzug
                              des Branntweingutes mit einem bis zwei Eimern kalten Wassers gewaschen, der gut decantirte
                              Hefenschlamm in die Preßsäcke gefüllt und bei sehr langsam gesteigertem Drucke stark
                              abgepreßt.
                           Die solchergestalt erhaltene Preßhefe ist außerordentlich triebkräftig; durch
                              Zumischung von 10 Proc. Gerstenmalzmehl wird ihre Triebkraft bei schnellem
                              Verbrauche erhöht, so daß sie 5 Triebe leistet, allein sie bräunt sich dann in der
                              Luft sehr stark und büßt an Haltbarkeit ein; ein Zusatz von 5–10 Proc.
                              Stärkemehl macht sie weißer, trockener und haltbarer, aber nicht ohne eine
                              Verringerung der Triebkraft; ein Zusatz von 1/4–1/8 Pfd. Weinsteinrahm (Cremor tartari) zu einem Centner Hefe erhöht etwas die
                              Triebkraft und bedeutend die Haltbarkeit; alle diese Zusätze müssen dem
                              Hefenschlamme unter fleißigem Rühren unmittelbar vor dem Pressen zugesetzt
                              werden.
                           Bändert man dis frische Preßhefe oder knetet man sie zu dünnen flachen Scheiben aus,
                              und legt dieselben auf Geflechten in einem Kasten oder sonstig abgeschlossenen Raume
                              über flachen, offenen Trögen von Zinkblech, in welchen sich geschmolzenes
                              Chlorcalcium befindet, auseinander, so kann man ihr bei gewöhnlicher Temperatur 30
                              Proc. Wasser entziehen, ohne daß sie nach dem Erweichen mit Wasser ihre
                              Keimfähigkeit oder Triebkraft eingebüßt hätte; selbstverständlich hat ihre
                              Haltbarkeit durch diesen künstlichen Entwässerungsproceß bedeutend gewonnen, da die
                              Gefahr der faulen Selbstentmischung und Schwefelwasserstoffentwickelung beseitigt
                              ist.
                           Da das zum Entwässern der Hefe dienende Chlorcalcium, welches in den Zinktrögen
                              allmählich zerfließt, durch bloßes Abrösten und Calciniren in eisernen Pfannen auf
                              billigen Wärmequellen, wobei das der Hefe entrissene Wasser sich wieder
                              verflüchtigt, oftmals regenerirt und wieder belebt werden kann, um demselben Zwecke
                              der Hefenentwässerung wiederholt und neuerdings zu dienen, so stellen sich in
                              Gegenden, wo Chlorcalcium als Nebenproduct chemischer Fabriken billig zu haben oder
                              in der Nähe von Sodafabriken aus roher Salzsäure und Kalkstein billig darzustellen
                              ist, bei rationellem Betriebe die Kosten dieses künstlichen Entwässerungsprocesses
                              als so gering heraus, daß selbst der Anwendung dieses Verfahrens im großen
                              Fabriksbetriebe nichts im Wege steht.
                           Verpackt man solche künstlich entwässerte Hefe noch überdieß in Holzgebünden, welche
                              innen einen Anwurf oder eine Rinde von Portlandcement erhalten, so hat man solcher
                              Preßhefe selbst die Bahnen des Welthandels eröffnet und sie zur überseeischen
                              Verfrachtung geeignet gemacht; an Ort und Stelle, selbst nach einmonatlicher Reise
                              mit lauem Wasser angerührt, erlangt sie in kurzer Zeit ihre beinahe unverkümmerte
                              Keimfähigkeit und
                              gährungserregende Triebkraft wieder. (Aus des Verfassers „Mittheilungen
                                    aus dem Gebiete der reinen und angewandten Chemie.“ Wien 1865 V. Kletzinsky.)