| Titel: | Ueber die gebräuchliche Art der Spiritusablieferung; von Dr. C. Stammer. | 
| Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. XXXVIII., S. 147 | 
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                        XXXVIII.
                        Ueber die gebräuchliche Art der
                           Spiritusablieferung; von Dr. C.
                              Stammer.
                        Stammer, über die gebräuchliche Art der
                           Spiritusablieferung.
                        
                     
                        
                           Aller Verkehr mit Flüssigkeiten wird durch die Veränderungen beeinflußt, welche die
                              Temperaturverschiedenheiten auf das Volumen der Flüssigkeiten ausüben, und welche
                              bekanntlich weit beträchtlicher sind, als diejenigen, welche feste Körper unter
                              gleichen Umständen erleiden. Durch diese Volumenveränderungen wird natürlich auch das
                              specifische Gewicht und mithin der Handelswerth derjenigen Flüssigkeiten betroffen,
                              deren Gehalt an einem bestimmten – den Werth ausmachenden – Stoffe
                              durch das specifische Gewicht angezeigt wird.
                           Hieraus ist bekanntlich schon seit Jahren das Bedürfniß hervorgegangen, den durch
                              Flüssigkeitswaagen oder Aräometer bei den vorkomenden verschiedenen Wärmegraden
                              ermittelten Gehalt solcher Flüssigkeiten, welche besonders hierher zu rechnen sind,
                              nämlich der Mischungen von Weingeist und Wasser, auf denjenigen zurückzuführen,
                              welchen dieselben Flüssigkeiten bei einer bestimmten Normaltemperatur haben würden.
                              Wir besitzen namentlich die Brix'schen Tafeln, welche in
                              dieser Beziehung bei den Spirituskäufen und Verkäufen zu Grunde gelegt zu werden
                              pflegen, und welche unzweifelhaft in der erwähnten Richtung Alles leisten, was man
                              von derartigen Tafeln, sowohl in der Genauigkeit, wie in der Bequemlichkeit erwarten
                              kann.
                           Zwei Dinge sind es aber, welche bei Gebrauch dieser Tafeln unberücksichtigt bleiben,
                              nämlich der Mangel an rationeller Uebereinstimmung zwischen den Tafeln und den
                              Instrumenten, welche sie corrigiren sollen, den Alkoholometern, und die Veränderung
                              des bei der Verkaufsberechnung zu Grunde gelegten Volumens selbst durch die Temperatur. Wir kommen auf letzteren Punkt
                              später zurück und wollen jetzt nur dem ersteren unsere Aufmerksamkeit zuwenden.
                           Betrachten wir die Correctionstafeln, welche zur Berechnung der Grädigkeit
                              weingeistiger Lösungen dienen, die bei anderen als der Normaltemperatur mit dem
                              Alkoholometer geprüft worden, nämlich die Tafel IV. des Brix'schen „Alkoholometers,“ so finden wir, daß die
                              Spiritusstärken oder Procente, auch Grade genannt, in Ganzen angegeben sind, und daß
                              die Correctionen bei den verschiedenen Temperaturen diese Stärke dann bis auf die
                              erste Decimalstelle, also in Zehntelprocenten ergeben. Es ist dieß ebenso nothwendig
                              wie hinreichend. Da die Unterschiede für jeden Temperaturgrad bei den üblichen
                              Spiritusstärken fast durchweg 3 oder 4 Zehntelprocente ausmachen, so müssen diese
                              Differenzen, welche bei den großen zur Berechnung gelangenden Quantitäten nicht
                              unerhebliche Werthe darstellen können, in Rechnung gebracht werden, während eine
                              weitere Verfolgung auf mehr Decimalstellen über die Bedürfnisse der Praxis
                              hinausgehen dürfte. Die abgelesenen und zwischen den ganzen Procenten der Tabelle
                              liegenden Bruchtheile von Procenten werden nun, da der durch die fehlende Correction
                              dieser Bruchtheile nach der Temperatur veranlaßte Irrthum gar nicht in's Gewicht
                              fallen kann, direct der corrigirten Zahl zugezählt und so die der Normaltemperatur
                              entsprechende Stärke
                              gefunden. Man wird aber unzweifelhaft zugeben müssen, daß diese Bruchtheile, wenn
                              die Ablesung am Alkoholometer der Construction und Eintheilung der Tafeln
                              entsprechen soll, ebenfalls Zehntel-Procente
                                 begreifen oder mit anderen Worten ebenfalls auf die erste Decimalstelle
                              oder bis zu Zehntelprocenten genau seyn muß. Ist dieß
                              nicht der Fall, und liest man z.B. nur bis zu halben oder Viertel-Procenten
                              genau ab, so ist es nicht folgerichtig, diese Ablesung durch eine Rechnung auf
                              Zehntel corrigiren zu wollen. Man begeht alsdann von vorn herein eine größere
                              Ungenauigkeit bei der Beobachtung als bei der Berechnung, was offenbar einen
                              Widerspruch in sich faßt; ein solcher ist aber um so ungerechtfertigter, als gar
                              kein praktischer Grund vorliegt, warum nicht die Ablesung und die Rechnung gleich
                              genau seyn sollten.
                           Es gibt geprüfte Alkoholometer, welche nur ganze Procente tragen, andere welche in
                              halbe und endlich solche, welche in Viertel-Procente eingetheilt sind
                              (Eintheilungen in kleinere Bruchtheile sind uns in der Praxis nicht vorgekommen),
                              und da diese Alkoholometer geaicht sind, so dürfen sie dem Spiritushandel zu Grunde
                              gelegt werden.
                           Der Einfachheit wegen, und weil wir dadurch sowohl die genauesten wie die
                              Ungenauesten Instrumente ausschalten, wollen wir bei den aufzustellenden Beispielen
                              die Waagen mit ganzen und die mit Viertel-Procenten nicht mit
                              berücksichtigen, sondern denselben nur die von mittlerer Genauigkeit, die Waagen mit
                              halben Procenten zu Grunde legen. Die sich dabei herausstellenden Fehler werden dann
                              bei den noch ungenaueren größer, bei den genauesten aber etwas kleiner
                              ausfallen.
                           Bei einer Waage, deren Scala in halbe Procente eingetheilt ist, werden in der Regel
                              kleinere Bruchtheile, welche man bisweilen noch mehr oder weniger genau schätzen könnte, nicht mit abgelesen, sondern der Stand
                              der Flüssigkeit, bei eingesenkten: Aräometer, nach dem zunächst unten oder oben
                              liegenden Striche – Procente – gerechnet, und zwar bei der
                              Spiritusabnahme fast immer nach dem zunächst tiefer liegenden. Wiegt also ein
                              Weingeist, ganz genau gewogen, eigentlich 80,4 Procent,
                              so wird nur 80,0 angenommen, da gewöhnlich die Theilstriche zu nahe aneinander
                              stehen, um die Ablesung auf den richtigen Stand zwischen 80,0 und 80,5 zu schätzen.
                              Stärken von 80,2 oder 80,3 werden wohl nie anders als zu 80,0 abgelesen werden. Es
                              wird also hier ein Procentbruchtheil von 0,3 oder gar 0,4 vernachlässigt, während
                              die Correction nach der Temperatur für den Unterschied ganzer
                                 Thermometergrade auch keine größeren Unterschiede ergibt, die man aber nicht vernachlässigt.
                           
                           Ebenso werden Stärken von 80,7 oder 80,8 jedenfalls, und 80,9 meist, nur zu 80,5
                              gerechnet; ja es sind die Fälle nicht selten, wo eine Stärke, die bei richtiger
                              Ablesung z.B. 81,0 ergeben würde, weil der 81. Procentstrich nicht ganz frei
                              unterhalb der Flüssigkeitsfläche sichtbar ist, nur zu 80,5 gelesen wird, weil doch
                              der ablesbare 81,0 nicht ganz vollkommen frei sey. Während bei solchen
                              Alkoholometern – und wir sagen gewiß nicht zu viel, wenn wir diejenigen für
                              die verbreiterten halten, die nur halbe Procente enthalten, – nur die auf
                              volle und halbe Procente fallenden Stärken richtig abgelesen werden und sich in
                              Uebereinstimmung mit den Correctionstafeln befinden, ist dieß für alle dazwischen
                              liegenden Stärken im Allgemeinen nicht der Fall, und man kann wohl sagen, daß bei
                              allen diesen Stärken dem Verkäufer ein wirklicher Verlust von 0,1 bis 0,4 Procent,
                              im Durchschnitt also ein solcher von 0,25 Procent, zu erwachsen pflegt. Dieß scheint
                              zwar ein geringfügiger Gegenstand, allein es ist denn doch bei mittlerer Stärke von
                              80 Procent immerhin 0,31 Procent, welche von der Lieferung verloren gehen. Kann man
                              natürlich von einer Durchschnittszahl hier eigentlich nicht sprechen, so kann man
                              diese Zahl doch als eine Mittelzahl bezeichnen und sagen, daß Verluste von 25
                              Quartprocenten auf den Eimer von 8000 Procenten leicht vorkommen, daß allerdings der
                              Verlust auch kleiner, daß er aber auch größer seyn kann. Eine Brennerei, welche also
                              täglich 20,000 Quart Maischraum hat und 8 Procente verkauft, die also monatlich 600
                              Eimer Spiritus abliefert, würde einen Verlust von nahe zwei Eimern Spiritus
                              erleiden; der Verlust kann aber auch schon bei diesen Alkoholometern bis fast zum
                              Doppelten steigen, bei den Alkoholometern mit nur ganzen Procenten aber ein noch
                              weit größerer seyn.
                           Dieser eine Fehler indessen würde allein noch nicht so schwer wiegen, wenn er sich
                              nicht mit noch einigen anderen zum Nachtheil der richtigen Berechnung bis zu mehreren Procenten der Ablieferungsmenge addirte. Es ist
                              also um so mehr Pflicht, die Fehlerquellen alle aufzusuchen und sie einzeln, wenn
                              irgend thunlich, zu vermeiden oder unmöglich zu machen.
                           Die hier in Rede stehende Fehlerquelle ist aber äußerst einfach zu umgehen. Man
                              braucht nur die Alkoholometer so zu construiren, daß die Scala nicht allein Zehntelprocente enthält, sondern daß diese auch genau und
                              sicher abgelesen werden können. Natürlich dürfen die
                              Scalen, deren Zehntelprocente durch etwa 1 Linie auseinander stehende Striche
                              angegeben werden, in diesem Falle nicht so viele Proc. enthalten, wie jetzt, wo wir
                              geaichte Alkoholometer mit Scalen von 0 bis 100 Proc. finden, sondern es muß jede
                              Scala nur etwa zehn Proc. umfassen. Da sich der Verkehr mit Spiritus immer nur in bestimmten Grenzen bewegt
                              und auf gewisse, wenig wechselnde Spiritusstärken beschränkt ist, so wird die
                              Herstellung derjenigen Scalen, welche den einzelnen Verkehrsvorkommnissen
                              entsprechen, gar keine Schwierigkeit haben, und Ulan wird ohne langes Prüfen
                              jedesmal leicht diejenige Waage wählen können, welche für die zu wägende Flüssigkeit
                              paßt. Waagen von 75 Proc. bis 85 Proc. und solche von 80 Proc. bis 90 Proc. werden
                              für den gewöhnlichen Spiritusverkehr schon den meisten Bedürfnissen entsprechen, und
                              es ist hier nicht schwieriger, als bei den in Zuckerfabriken üblichen Spindeln, die
                              Scalen sein und lang genug anzufertigen, um Zehntel von Procenten deutlich lesbar
                              darauf einzuzeichnen.
                           Es liegt also offenbar im Interesse des gesammten Spiritusverkehrs und
                              Spiritusgewerbes, daß solche genaue Waagen, die allein sich in Uebereinstimmung mit
                              den Correctionen der Tafeln befinden würden, ganz allein in Gebrauch kommen, d.h.
                              also, daß keine anderen mehr geaicht würden. Es ist aber von dem jetzigen Modus auf
                              diesen wünschenswerthen ein so weiter Schritt, daß ein Uebergang gewiß angemessen
                              erscheint, und der „Verein schlesischer
                                    Spiritus-Fabrikanten“ hat gewiß das Richtige
                              getroffen, wenn er bei den betreffenden Behörden dahin sich bemüht, daß
                           die königliche Aichungs-Commission veranlaßt werden möge,
                              zunächst solche Alkoholometer nicht mehr zur Aichung zuzulassen, deren Scala mehr
                              als 30 Procente umfaßt,
                           dann aber, nach Verlauf eines als Uebergangsperiode zu
                              betrachtenden und noch näher zu bestimmenden Zeitraumes,
                           überhaupt nur noch solche Alkoholometer zur Aichung anzunehmen,
                              deren einzelne Procente in deutlich abzulesende Zehntel getheilt sind.
                           Wünschen wir diesen Bemühungen den besten Erfolg und wende wir uns nun zu einer
                              anderen Fehlerquelle, welche ebenfalls in einer mangelhaften Uebereinstimmung
                              zwischen Instrument und Tabellen begründet ist, und deren Folgen sich meist zu denen
                              der oben berührten hinzu addiren.
                           Betrachtet man nämlich die Correctionstafel IV. in denjenigen Rubriken genauer,
                              welche gewöhnlich beim Spiritushandel benutzt werden, d.h. also zwischen 75 und 85
                              Procent und zwischen + 15 und – 10 Grad, so findet man, daß die Differenz von
                              einem Wärmegrade fast durchweg der Differenz von drei oder vier Zehntelprocenten in
                              der Spiritusstärke entspricht. Für solche Fälle, wo die Temperatur auf ganze Grade
                              fällt, sind diese Tafel und die Alkoholometer, welche meist nur ganze
                              Temperaturgrade am Thermometer enthalten, natürlich vollkommen genau; bei denjenigen
                              Alkoholometern, welche auch halbe Temperaturgrade enthalten, werden dieselben in der
                              Regel, weil in der Tabelle nicht enthalten, vernachlässigt, so daß also durch
                              Ablesung nur ganzer Grade die Zwischenstärken stets wegfallen und dem einen oder
                              anderen Theil verloren gehen. Es ist nun durchaus kein Grund vorhanden, warum dieß
                              geschehen soll, da es sehr leicht ist, die Angaben des Thermometers ebenfalls auf
                              Zehntelprocente mit den Tafeln übereinstimmend zu machen. Man braucht nur die Scala
                              der Thermometer auf die gewöhnliche äußerste Grenze zu verkleinern, also von
                              – 10 bis + 20 Grad reichen zu lassen und die Grade so groß zu machen, daß sie
                              noch deutlich in kleinere Theile als welche wir von den möglichen Drittel-
                              und Viertelgraden für die genannten Stärken die Drittelgrade empfehlen möchten, getheilt werden können. Man kann dann für
                              jeden Grad-Bruchtheil zwischen den vollen Graden der Tafel nur ein
                              Zehntelprocent zu- oder abzählen, um eine, wenn auch nicht absolute, so doch
                              vollkommen ausreichende und jedenfalls viel weiter gehende Genauigkeit zu erzielen,
                              als sie jetzt zu erreichen ist. Die Ablesung von Drittelgraden des Thermometers,
                              sowie die Herstellung der Thermometer in dieser Weise ist eine so einfache und
                              sichere, daß von einer Schwierigkeit in diesem Punkte nicht die Rede seyn kann, die
                              Tabellen bedürfen ihrerseits keiner Veränderung. Für solche Alkoholometer, welche
                              Scalentheile führen, bei welchen die Differenz für jeden Grad meistens 3
                              Zehntelprocente beträgt, also z.B. für die niedrigen Stärken von 50 bis 60 Proc., wo
                              sie fast durchweg 4 Zehntel ausmacht, würde sich die Eintheilung des Thermometers in
                              Viertelgrade empfehlen, und da wir oben die Vertheilung der Scala auf mehrere
                              Alkoholometer empfahlen, so ist es sehr leicht, die Thermometer der jedesmaligen
                              Scala, nach Maaßgabe der Tabellen anzupassen.
                           Man werfe uns nicht ein, daß diese Unterschiede zu geringfügig seyen: so lange sie
                              leicht vermieden werden können, sollten sie nie so erscheinen; dazu kommt, wie schon
                              oben bemerkt, daß dieß eine Ungenauigkeit ist, welche sich zu der oben angegebenen
                              summirt und dieselbe leicht verdoppeln kann, wie ein solches Beispiel zeigen
                              wird.
                           Ein Spiritus zeige beim Einsetzen eines Alkoholometers mit halben Procenten und
                              ganzen Thermometergraden nicht ganz 76,5 Procent bei nicht ganz – 4°.
                              Wie wird man bei den jetzigen Alkoholometern meist ablesen? 76 Proc. bei –
                              3°. Die Correction ergibt dafür die wahre Stärke mit 81,9 Proc. Ein genau
                              getheiltes Alkoholometer, an welchem die Zehntelprocente und die Drittelgrade
                              abgelesen werden, würde dagegen die Ablesung 76,4 bei – 3 2/3° ergeben
                              haben, woraus die Stärke 81,9 + 0,2 + 0,4 oder 82,5 gefolgt wäre. Unzweifelhaft ist
                              letztere Angabe die
                              richtigere, und es entsteht in diesem Falle ein Verlust
                              von 0,6 Proc. oder von 0,75 Proc. der Gesammtstärke. Träte ein solcher Verlust bei
                              der Gesammtablieferung der oben als Beispiel aufgestellten Brennerei ein, so würde
                              er sich für jene 600 Eimer auf nicht weniger als 4 1/2 Eimer Spiritus beziffern. Es
                              ist natürlich nicht gesagt, daß die Verluste stets so viel betragen, aber reicht es
                              nicht hin, daß sie sich so hoch belaufen können, um den
                              Uebelstand abzustellen?
                           Wir verkennen gewiß die Schwierigkeiten nicht, welche die allmähliche Einführung
                              solcher genauer Alkoholometer darbietet; aber sie werden schon überwunden werden,
                              wenn auch nicht plötzlich. Ist doch die Einführung des neuen Gewichtes, welche einen
                              ganz unverhältnißmäßig größeren Einfluß haben und auf weit größere Hindernisse
                              stoßen muhte, auch möglich gewesen. Es liegt in der Hand der Aichungsbehörden, daß
                              nach und nach die in Gebrauch kommenden Alkoholometer in der angegebenen Weise
                              eingetheilt und in ihrer Genauigkeit den Correctionstafeln entsprechend werden; das
                              Uebrige wird sich dann schon finden. Sind einmal die vorhandenen älteren
                              Spirituswaagen meist außer Gebrauch gekommen, was ja, wenn bessere vorhanden, sehr
                              bald geschehen wird, so sind dann die wenigen übrigen leicht außer Benutzung zu
                              setzen.
                           Ueber eine dritte Ursache der Unrichtigkeit der Spiritusabnahmen, wie sie jetzt
                              geschehen, werden wir demnächst einige Berechnungen zu bringen uns erlauben.
                           Waren die bis hierher hervorgehobenen Fehlerquellen bei der Spiritusablieferung Folge
                              der Mangelhaftigkeit der gebräuchlichen Instrumente zur Bestimmung der Spiritusgrädigkeit, so haben wir noch einer weiteren und
                              unter Umständen noch einflußreicheren Fehlerquelle Erwähnung zu thun, welche mit der
                              mangelhaften Bestimmung des Volumens des verkauften
                              Weingeistes zusammenhängt. Wir wollen hier die Ursachen nicht näher erörtern, welche
                              gegenüber der mehr und mehr auch für Flüssigkeiten in Aufnahme kommenden Verkaufsart
                              nach dem Gewichte für den Weingeist, Branntwein u.s.w.
                              diejenige nach dem Volumen beibehalten lassen, da uns dieß zu weit von unserem
                              Gegenstande abführen würde. Auch liegt uns ein Mittel zur Vermeidung des Fehlers
                              weit näher, als es die Umwandlung der ganzen Verkaufsweise seyn würde; ebenso sind
                              die Ursachen, welche den Fehler begründen, hier nicht eingehender hervorzuheben, wir
                              wollen uns vielmehr nur mit der Bezifferung der Fehlergröße in einigen bestimmten
                              Fällen befassen.
                           Die oben als Beispiel erwähnte Brennerei liefert in einem Monate, wie gesagt, 600
                              Eimer, oder 60,000 Quart an die Verkaufsstelle ab. Nehmen wir an, der Spiritus wiege
                              genau 80 Procent, und die Ablieferung geschehe bei der Normaltemperatur von 12 4/9°;
                              nehmen wir ferner an, die Gebinde seyen genau und richtig geaicht und es verfließe
                              nicht mehr als 1–2 Tage zwischen Füllung der Gebinde und Ablieferung –
                              so wird man bei letzterer richtig 60,000 Quart zu 80 Proc. finden, eine Correction
                              nicht nöthig haben und den vollen Preis für das Product erhalten. Nun fällt aber
                              bekanntlich die Brennperiode zumeist in die Wintermonate, und es gehört daher zu den
                              seltenen Fällen, daß der Spiritus 12 4/9° R. hat. Selbst die
                              Melassenbrennereien pflegen in den heißesten Monaten den Betrieb zu unterbrechen,
                              jedenfalls aber die Ablieferung in den kühlsten Tagesstunden vorzunehmen. In
                              längerer Praxis werden daher die Ablieferungen bei Temperaturen unter 12 4/9°
                              stets die Regel, die bei höheren Wärmegraden nur die Ausnahme bilden.
                           Betrachten wir nun, wie sich unsere 600 Eimer bei solchen niederen Wärmegraden, also
                              beispielsweise bei + 7°, bei 0° und bei – 7° R.
                              verhalten.
                           Bei der Abkühlung bis + 7° zieht sich der 80procentige Weingeist so weit
                              zusammen, daß 1000 Raumtheile deren nur noch 993,4 bilden. Aus jenen 60000 Quart
                              sind also 59604 geworden, welche zugleich ein höheres spec. Gewicht angenommen
                              haben, und zwar zeigen sie nunmehr 78 Proc. bei + 7°.
                           Der Spiritus hat somit zweierlei Veränderungen erlitten: erstens ist sein Volumen und
                              zweitens sein Gehalt geringer geworden. Letztere
                              Veränderung wird mit Hülfe der Tafeln corrigirt, indem man die Stärke auf 80°
                              verbessert und darnach in Rechnung stellt. Durch diese Correction wird aber der
                              andere zur Werthberechnung gehörige Factor, das Volumen, in
                                 keiner Weise berührt; es erfolgt vielmehr die Berechnung so, daß man die
                              nur durch Zusammenziehung momentan nicht abmeßbaren 396 Quart als nicht vorhanden ansieht und die übrigen 59604 Quart mit
                              der corrigirten Zahl 80 multiplicirt u.s.w. Dem Verkäufer gehen also 396mal 80
                              Quartprocente oder 3,96 Eimer einfach verloren, weil sie augenblicklich nicht nachweisbar sind.
                           Man hört nun sehr allgemein die Ansicht aussprechen, daß dieses Manco, welches meist
                              als Maaßmanco in den Rechnungen figurirt, durch die Correction der Grädigkeit
                              ebenfalls corrigirt werde, da ja der Spiritus, „wenn er an Volumen
                                 verliere, an Stärke gewinnen müsse.“ Nichts kann falscher seyn, als
                              eine solche Behauptung. Erstens wird der Spiritus durch Abkühlung zwar schwerer,
                              aber nicht stärker: sein Werth steigt nicht wie derjenige der Lösungen von Zucker
                              u.s.w., welche schwerer sind, als Wasser, mit zunehmendem, sondern mit abnehmendem
                              spec. Gewichte, und er erscheint also bei 7°, wo er 78 Proc. ergibt,
                              nothwendig schwerer,
                              aber geringwerthiger als bei 12 4/9°. Deßhalb geschieht ja auch die Reduction
                              auf die Normaltemperatur und deßhalb wird ja nicht 78, sondern 80 Proc. in Rechnung
                              gebracht. Zweitens aber müßte man, wenn obiger Satz richtig seyn sollte, die falsche
                              Ablesung, nämlich die bei 7°, und nicht die corrigirte, annehmen – was
                              doch offenbar doppelt fehlerhaft seyn würde.
                           Um vollkommen die Richtigkeit des oben Gesagten darzuthun, vergegenwärtigen wir uns,
                              was eigentlich die Correction besagen soll, also was das heißt: Spiritus von
                              78° bei 7° ist solcher von 80 Proc. Es ist dieß doch offenbar nur eine
                              Uebersetzung dafür, daß dieser Spiritus, wenn er auf die
                                 Normaltemperatur erwärmt würde, 80 Proc. zeigen würde. Woher aber würde
                              diese Aenderung kommen? doch nur von einer Volumenvermehrung; es würden 993,4 Quart
                              Weingeist von 7° beim Erwärmen auf 12 4/9° ein
                                 Volumen von 1000 Quart annehmen und dann 80
                              Proc. zeigen.
                           Nun wohl, wenn dieß der Fall, wie ist es denn zu rechtfertigen, daß wir die Stärken
                              auf die Normaltemperatur beziehen, das Volumen aber unberührt lassen und es so
                              annehmen, wie es sich bei der dem Zufalle und der Veränderung unterworfenen
                              Ablieferungstemperatur darstellt?
                           Offenbar durch Nichts, als durch den üblichen Handelsgebrauch oder vielmehr
                              Mißbrauch, der in dem erwähnten Falle dem Verkäufer einen Schaden von etwa 0,6
                              Proc., oder bei einem Preise von 13 Thlrn. einen baaren Verlust von über 45 Thalern
                              verursacht, den er, dieß ist wohl
                                 zu beachten, nicht haben würde, wenn es ihm möglich wäre, die Ablieferung bei der Normaltemperatur auszuführen.
                           Bei der Abkühlung bis 0° zieht sich der Weingeist soweit zusammen, daß aus
                              1000 Quarten 985,6 Quart werden. Jene 60000 Quart sind also bei der Ablieferung bei
                              0° zu 59136 geworden, welche nunmehr eine scheinbare Stärke von 75,3 Proc.
                              haben.
                           Die Ablesung lautet also:
                           59136 Quart zu 75,3 Proc. bei 0° oder zu 80 Proc. bei der Normaltemperatur. Es
                              fehlen also jetzt nicht weniger als 864 Quart von 80 Proc. oder 8,64 Eimer,
                              entsprechend einem reinen Verluste von 1,44 Procent oder, unter obiger Annahme, von
                              112 Thalern, welcher Verlust nicht stattgefunden haben könnte, wenn bei 12
                              4/9° abgeliefert worden wäre, und welcher ganz unzweifelhaft verschwinden
                              würde, wenn man den Spiritus wieder auf diese Temperatur erwärmte, ohne daß bei alle
                              diesen Veränderungen eine andere Stärke als die von 80 Proc. in Rechnung kommen
                              kann.
                           
                           Bei der Abkühlung auf – 7°, eine Temperatur, welche von uns und Anderen
                              im Winter 1864/65 sehr häufig bei dem abgelieferten Spiritus beobachtet, und welche
                              bei weitem noch nicht die niedrigste war, ziehen sich 1000 Quart Spiritus auf 978,3
                              Quart zusammen. Die 600 Eimer stellen also dann nur ein Volumen von 58698 Quart dar;
                              es scheinen demnach 13 Eimer oder 2,16 Proc. der ganzen Menge zu fehlen, und es
                              erwächst dem Abliefernden ein baarer Schaden von 169 Thalern!
                           Man möge nicht übersehen, welcher Widerspruch darin liegt, daß bei einer
                              Waarenberechnung, welche in einer Beziehung – Correction der Stärke –
                              mit so viel Sorgfalt und Genauigkeit geschieht, die Hauptermittelung – die
                              des Verkaufsquantums – je nach der Witterung so
                              weit auseinanderliegende Resultate für dieselbe Waarenmenge ergibt, und daß eine
                              Berücksichtigung dieses einflußreichen Umstandes demnach durchaus geboten
                              erscheint.
                           Addiren sich, wie meistens der Fall, diese Verluste zu den durch die Mangelhaftigkeit
                              der Instrumente entstehenden Fehlern, die wir früher bezifferten, so können in den
                              darin hier specificirten Fällen die Gesammtverluste auf je 8 1/2, 13 und 21 Eimer
                              steigen, entsprechend je 1,4 Proc., 2,2 Proc. und 3,5 Proc. der ganzen monatlichen
                              Lieferung oder einem Baarverluste von 110, 169 und 273 Thalern in einem Monate.
                           Die Verluste durch die Volumenänderung des Weingeistes werden natürlich Null bei
                              einer Ablieferungstemperatur gleich 12 4/9°; sie wandeln sich in das
                              Gegentheil um bei höheren Temperaturen, wo nämlich die Fässer bei solchen gefüllt und abgeliefert werden; wir haben schon oben bemerkt,
                              daß dieß in der Praxis, sofern die Ablieferungen der Brennereien an die Raffinerien
                              u.s.w. in Betracht zu ziehen sind, so selten vorkommt, daß dieser Fall, im Vergleich
                              zu den eben erwähnten Verhältnissen, kaum in's Gewicht fällt.
                           Wie aber ist dieser Fehlerquelle vorzubeugen?
                           Auf zwei Wegen, nämlich entweder durch eine Correction des bei nicht normaler
                              Temperatur falsch abgelesenen Volumens in ähnlicher Weise wie die Correction der
                              direct abgelesenen Stärken geschieht, oder durch Berechnung des richtigen, der
                              Normaltemperatur entsprechenden Volumens aus dem absoluten
                                 Gewichte der Flüssigkeiten.
                           Die neue (dritte) Auflage des „Alkoholometers“ von Brix (1864) enthält eine Tafel (V.), wornach die
                              Correction des Volumens leicht erfolgen kann, indem sie dazu dient, aus dem scheinbaren Volumen der weingeistigen Flüssigkeiten bei
                              verschiedenen Wärmegraden das wahre Volumen, d.h. dasjenige zu berechnen, welches
                              sie bei der Normal-Temperatur haben würden. Die Erläuterung, welche dieser V. Tafel
                              vorangeschickt ist, enthebt uns aller näheren Auseinandersetzung und ist die beste
                              Gewähr für das oben Gesagte.
                           Es würde nach dieser Tafel das in den angeführten drei Beispielen bei + 7°,
                              0° und – 7° gefundene Volumen der – nach der Correction
                              – als 80grädig erkannten Flüssigkeit mit den Factoren 1,0066 für + 7°,
                              1,0146 für 0° und 1,0222 für – 7° zu multipliciren seyn, und
                              man würde in allen drei Fällen die Zahl 60,000 erhalten, welche dann, als allein
                              richtig, der Preisberechnung zu Grunde zu legen seyn würde.
                           Die Anwendung der Tafel V. zur Correction des Volumens ist nur eine ganz einfache
                              Consequenz der Correction der Stärke; beide geschehen der
                              Temperatur-Aenderungen wegen, und es ist kein Grund denkbar, weßhalb nicht in
                              Zukunft auch diese zweite Correction allgemein stattfinden sollte, als etwa der, daß
                              eine solche bisher nicht üblich, oder daß die Multiplication mit einem Bruche von 4
                              Decimalstellen etwas umständlich ist. Der erstere Einwurf bedarf keiner Widerlegung;
                              ist ein Verfahren als besser gegen das frühere erkannt, so ist in heutiger Zeit der
                              bestehende Gebrauch oder die Usance kein Hinderniß mehr. Ebenso dürfte dem zweiten
                              Einwande eigentlich eine Berechtigung kaum zustehen; dennoch wollen wir ihn in so
                              weit gelten lassen, als er durch das folgende Verfahren umgangen wird, welches wir
                              auch aus anderen Gründen der Correction nach Tafel V. vorziehen möchten.
                           Dieses zweite Mittel, die Fehlerquelle zu vermeiden, besteht in der Ermittelung des
                              Gewichtes der weingeistigen Flüssigkeiten und in der
                              Umwandlung desselben in Volumen (bei der Normal-Temperatur gedacht) nach
                              irgend einer der dazu vorhandenen Tabellen, z.B. nach Tabelle VII. in der 3. Auflage
                              des Brix'schen Alkoholometers.
                           Die Ablieferung des Spiritus nach dem Gewichte ist schon
                              so oft von competenter Seite als wünschenswerth bezeichnet worden, daß es hier wohl
                              keiner Hervorhebung der dadurch bewirkten Annehmlichkeiten bedarf. Vereinigen wir
                              sie auf die angegebene Weise, durch Uebersetzung des gefundenen Gewichtes, je nach
                              der Stärke des Weingeistes, in Quarte, mit dem usancemäßigen Verkaufe nach dem
                              Volumen, so kann ein gegründeter Einwurf dagegen nicht erhoben werden. Daß keine
                              Aichung des Inhaltes der Gebinde in irgend einer Weise vorher nothwendig wird, daß
                              die Gewichts Ermittelung stets kürzer und genauer ist, als die Volumenbestimmung,
                              daß die Beobachtung der Temperatur und die Correction demnach ganz umgangen wird
                              – sind Vorzüge, welche jedem Unbefangenen sofort deutlich seyn müssen. In
                              letzterer Beziehung bedarf es nur des Hinweises darauf, daß das Gewicht der
                              Flüssigkeiten bei allen
                              Temperaturen dasselbe bleibt, und daß die Beachtung der Temperatur bei dieser
                              Methode nur darin zu suchen ist, daß die Uebertragung aus Quartmaaß eben nur für die
                              Normaltemperatur Geltung hat.
                           Wir würden bei einem solchen Verfahren jene monatliche Spiritus-Ablieferung
                              bei jeder beliebigen Temperatur 118,428 Pfund schwer gefunden haben. Nachdem nun die
                              wahre Stärke des Spiritus zu 80 Proc. ermittelt worden, folgt hieraus in jedem
                              Falle, und ohne weitere Rücksicht auf die jedesmalige Wärme, als Volumen der ganzen
                              Menge nach jener Tafel VII. die Summe von 60,000 Quart. Diese Zahl als Basis der
                              Preisberechnung kann weder dem Käufer noch dem Verkäufer Schaden bringen, da sie der
                              unmittelbare Ausdruck für das wirklich Vorhandene ist.
                           Das Ganze ist so klar, daß es keines weiteren Beweises bedarf, und der Wunsch, diese
                              Art der Berechnung allgemein eingeführt und die noch
                              herrschenden mannichfachen, und wenn sie hiervon abweichen, sämmtlich fehlerhaften
                              Usancen fallen zu sehen, ohne Zweifel gerechtfertigt.
                           Nur noch einen anderen Vorzug dieser Methode hervorzuheben, sey uns verstattet.
                           Die Beschaffung der hölzernen Gebinde und deren Instandhaltung, ja selbst in
                              vielfacher Beziehung deren Transport, ist eine von den Brennereien vielfach sehr
                              unangenehm empfundene Last. Es gibt zwar Fälle, wo sich diese Art des Transportes
                              gar nicht umgehen läßt, aber da, wo regelmäßig größere Mengen Flüssigkeit nach
                              demselben Bestimmungsorte zu transportiren und die leeren Behälter zurück zu bringen
                              sind, würde es bei Weitem bequemer seyn, hierzu eiserne
                              Gefäße von passender Form anzuwenden. Diese können leicht so eingerichtet seyn
                              – etwa direct mit Rädern versehen, – daß die zu transportirende todte
                              Last nicht allzu groß wird; man kann sie leicht durch eine Pumpenvorrichtung aus den
                              Sammelgefäßen der Brennerei füllen, später rasch und vollständig entleeren u.s.w. Es
                              würde eine derartige Einrichtung den Betrieb sehr erleichtern, nur eine einmalige
                              Wägung, Tarnung und Stärkebestimmung nöthig machen und noch sonst mancherlei Vorzüge
                              gewähren, die wir hier wohl nicht näher aufzuzählen brauchen; kurz, es empfiehlt
                              sich die vorgeschlagene Ablieferungsmethode nicht allein aus Gründen der
                              Richtigkeit, Genauigkeit und Rechtlichkeit, sondern aus solchen der praktischen
                              Bequemlichkeit.
                           Fassen wir demnach das Gesagte zusammen, so kommen wir zu dem Schlusse, daß die
                              Einführung der genaueren Alkoholometer (die Procente in Zehntel, die Grade in
                              Drittel getheilt) und die Ermittelung des Quart-Inhaltes aus dem Nettogewicht des Spiritus
                              zwei einfache, aber in jeder Weise nothwendige Verbesserungen sind, die anzustreben
                              jede Körperschaft sich zur Aufgabe machen sollte, welche dem Spiritus-Verkehr
                              und Gewerbe nahe steht, und es ist sicher vorauszusehen, daß diese Verbesserungen
                              nach und nach eintreten werden, sobald einmal die feste Ueberzeugung von ihrer
                              Zweckmäßigkeit allgemein Platz gegriffen hat. (Aus dem Wochenblatt zu den
                                    preußischen Annalen der Landwirthschaft, 1866, Nr. 1 und 2.)