| Titel: | Die Fette im Zustande der Emulsion nach Mège-Mouriès und Bedeutung dieses Zustandes für die Verseifung; von Dr. Fr. Knapp. | 
| Fundstelle: | Band 180, Jahrgang 1866, Nr. LXXXV., S. 309 | 
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                        LXXXV.
                        Die Fette im Zustande der Emulsion nach Mège-Mouriès und Bedeutung dieses
                           Zustandes für die Verseifung; von Dr. Fr. Knapp.
                        Aus dem Laboratorium für technische Chemie in Braunschweig.
                        Knapp, über die Fette im Zustande der Emulsion nach
                           Mège-Mouriès und Bedeutung dieses Zustandes für die
                           Verseifung.
                        
                     
                        
                           Im Jahre 1864 hat Mège-Mouriès der
                              Akademie der Wissenschaften in Paris Mittheilungen über gewisse Beobachtungen bei
                              der Verseifung der Fette gemacht.Polytechn. Journal Bd. CLXXIII. S.
                                       66.
                              
                           Darnach zeigen die Fette, mittelst Eigelb, Galle, eiweißartiger Körper oder Seife in
                              den Zustand einer Emulsion versetzt, ganz andere Eigenschaften. Er nennt diesen
                              Zustand, – bekanntlich eine Zertheilung der Fette in eine unendliche Menge
                              sehr kleiner Kügelchen – „état
                                    globulaire.“ Der Talg zeigt in dieser Form nach Mège-Mouriès folgendes
                              Verhalten:
                           Während der Talg in Masse an feuchter Luft sehr bald ranzig wird, halte er sich im
                              état globulaire, sey es als milchige
                              Flüssigkeit, sey es trocken als weißes Mehl, sehr lange.
                           Im état globulaire mit Aetzlauge zusammengestellt,
                              gebe der Talg bei 45–60° C. sein Glycerin in Zeit von 3–4
                              Stunden vollkommen ab, jedes Talgkügelchen verwandle sich dabei in ein Kügelchen
                              vollkommener, je nach der Temperatur mit mehr oder weniger Lauge gefüllter Seife.
                              – Bei einer Temperatur über 60° C. würden diese Kügelchen
                              durchsichtig, halbflüssig und flößen dann zu einer über der das Glycerin
                              enthaltenden Lauge schwimmenden Schichte geschmolzener Seife zusammen.
                           Dieses in kurzen Zügen und einigermaßen dogmatischer Form niedergelegte Verhalten des
                              Talgs ist von Mège-Mouriès
                              vorzugsweise als Grundlage der Stearinfabrication empfohlen worden und hat in dieser
                              Richtung bekanntlich eine eingehende Discussion über seinen praktischen Werth
                              hervorgerufen.Man s. die Bemerkungen von de Milly und Legrand im polytechn. Journal Bd. CLXXVI S. 145 und 151. Jenes Verhalten ist aber zunächst für die Verseifung der Fette an sich und
                              für die Seifensiederei von großer Wichtigkeit. Es schien mir daher von Interesse,
                              den Begriff und das Wesen des état globulaire, sowie die Rolle, die ihm
                              bei der Verseifung zukommt, durch weitere Beobachtungen näher festzustellen, in
                              welchen mich Hr. Bosse im hiesigen technischen
                              Laboratorium vielfach unterstützt hat.
                           Insofern es sich um die Verseifbarkeit des Talgs handelte, war es angezeigt als
                              Mittel zur Herstellung der Emulsion Seife und andere Fette (des Eigelbs, der Galle)
                              auszuschließen. Man rieb daher den bei 45° C. im erwärmten Mörser
                              geschmolzenen Talg mit Stärkegummi zusammen und verwandelte die Mischung nach dem
                              bekannten pharmaceutischen Handgriffe, d.h. unter allmählichem Zusatz von Wasser der
                              gleichen Temperatur und stetigem Umrühren mit dem Pistill, welches bis zum
                              vollständigen Erkalten fortgesetzt wurde, in eine dünnflüssige Emulsion. Aus der
                              rein weißen, sehr gleichförmigen Flüssigkeit schied sich der zertheilte, inzwischen
                              starr gewordene Talg nach einigem Stehen ziemlich vollständig als ein dicker Rahm an
                              der Oberfläche ab. Durch Decantiren der darunter befindlichen Flüssigkeit, Schütteln
                              mit reinem Wasser, abermaliges Abscheiden des Rahmes und so fort, ließ sich das
                              Gummi wegschaffen, was durch Auswaschen auf dem Filter ungleich mühsamer und
                              schwieriger ist. Man erhält auf diese Art den feinzertheilten Talg in Wasser
                              aufgeschlämmt, in Form einer Emulsion.
                           Unter dem Mikroskop betrachtet, erscheint diese Talgemulsion als ein Hauswerk von
                              kugelrunden durchsichtigen Körperchen mit einer (wohl in Folge ihrer
                              krystallinischen Beschaffenheit) etwas unebenen Oberfläche. Diese Kügelchen sind
                              zwar von verschiedenem Durchmesser, aber im Allgemeinen sehr klein und zwar
                              wenigstens so klein als die feinsten Stärkekörnchen von Hülsenfrüchten. Größere
                              Körnchen finden sich nur sehr vereinzelt. Eine Probe dieser Talgemulsion erhielt
                              sich – im Einklang mit Mège-Mouriè's Angabe – nach einer Aufbewahrung
                              von zehn Monaten noch vollkommen frisch und ohne allen ranzigen Geruch. Diese
                              Haltbarkeit verliert das Befremdende, wenn man erwägt, daß mit der Bildung der
                              Emulsion, diesem Pulverisiren auf nassem Wege, d.h. mit dem hohen Grade der
                              Zertheilung des Talgs, nothwendig auch eine ebenso gründliche Auswaschung des Talgs
                              Hand in Hand gehen muß. Die Kügelchen sind durch diese Auswaschung von denjenigen
                              Stoffen, welche die freiwillige Zersetzung der Neutralfette einzuleiten pflegen
                              (thierische Stoffe, Blutbestandtheile etc.), ganz oder nahezu befreit.
                           Die Versuche mit der Verseifbarkeit der Talgemulsion begannen mit der Wiederholung
                              des Versuches von M. M., und zwar mit einer Lauge, die durch Auflösen von 20
                              Gewichtstheilen geschmolzenem Aetznatron in 80 Gewichtstheilen Wasser erhalten war,
                              also der stärksten Feuerlauge der Seifensieder entsprach. Eine Portion der
                              Talgemulsion, oder vielmehr (um möglichst wenig Wasser mit einzuführen) des auf der
                              Oberfläche derselben abgeschiedenen Rahms, in einem Ueberschuß dieser Lauge
                              zertheilt und bei einer Temperatur zwischen 45° C. und 60° C. der Ruhe
                              überlassen, bildet nach einigen Stunden eine zusammenhängende, über der Lauge
                              schwimmende Schichte, die sich nach dem Erkalten in eine feste Decke verwandelt.
                              Nach dem Abziehen der Lauge und Abspülen zergieng die Masse mit kaltem Wasser zu
                              einem weißlichen Brei. In der Siedhitze löste sie sich bis auf eine schwache Trübung
                              auf und gestand nach dem Erkalten zu einer weißlichen undurchsichtigen Gallerte.
                              Diese Gallerte, in der Wärme geschmolzen und mit Kochsalz versetzt, schied sich in
                              eine klare Salzlösung und eine darauf schwimmende zähe Schicht, die mit dem Erkalten
                              zu einer festen Gallerte gestand. In Alkohol löste sich die aus der Emulsion unter
                              dem Einflüsse der Lauge entstandene Masse ebenfalls; die Lösung gestand zu einer
                              durchsichtigen Gallerte. Säuren schieden aus der wässerigen Lösung eine in Alkohol
                              lösliche Fettschichte. Kalkwasser, ebenso essigsaures Blei, gaben mit der wässerigen
                              Lösung jener Masse unlösliche Niederschläge. Kurz, das Product der Einwirkung der
                              Lauge auf die Talgemulsion verhielt sich in allen Stücken in Uebereinstimmung mit M.
                              M's Beobachtung als Seife.
                           Bei 45° C. ist der Talg eben flüssig; es fragte sich daher, ob diese oder
                              überhaupt höhere Temperatur und der tropfbar flüssige Zustand des emulsirten Talgs
                              Bedingung seiner Umsetzung in Seife sey. Eine Mischung jener Lauge im Ueberschuß mit
                              Talgrahm, durch Rühren gemischt und ohne Erwärmung bei der gewöhnlichen Temperatur
                              des Laboratoriums im Winter über Nacht stehen gelassen, hatte am Morgen einen
                              Seifenkuchen von gleicher Art wie im vorhergehenden Versuche, nur von etwas mürberer
                              Beschaffenheit gebildet. Die Verseifung des Talgs in feinzertheiltem Zustand findet
                              daher nicht weniger statt, wenn derselbe der Lauge in fester Form und bei
                              gewöhnlicher Temperatur geboten wird.
                           Eine weitere Frage, die sich hieran knüpft, ist die, ob die Verseifung des Talgs, in
                              festen Kügelchen zertheilt, nur mit Lauge von 20 Procent oder auch mit schwächerer
                              Lauge stattfindet. Zu dem Ende verdünnte man 5 Kub. Cent, der 20procentigen Lauge
                              nacheinander mit:
                           
                              
                                 5
                                 10
                                 20
                                 zuletzt 50 K.-C. Wasser
                                 
                              
                                 und
                                 erhielt so Laugen von respective:
                                 
                              
                                 11,1
                                   7,7
                                   4,9 und
                                 2,3 Procent
                                 
                              
                           Aetznatron. Jede dieser Laugen wurde, in derselben Weise wie
                              die anfängliche stärkste, im Ueberschuß mit Talgrahm in der Kälte zusammengestellt.
                              Die drei ersten Laugen verhielten sich wie die 20procentige, die Talgemulsion war in einen
                              Seifenkuchen verwandelt; bei der 2,3 proc. Lauge dagegen war nur ein wenig mit
                              Weingeist ausziehbarer Seife gebildet. Demnach ist ein Gehalt der Laugen bis herab
                              zu 3 Procent noch hinreichend, Talgemulsion in einigen Stunden und in der Kälte zu
                              verseifen.
                           Zu den bis dahin beschriebenen Versuchen ist zu bemerken, daß die gebildete Seife
                              nach dem Abscheiden der Lauge und Auflösen in kochendem Wasser in keinem Fall einen
                              völlig klaren Seifenleim bildete. Stets erschien der Seifenleim durch eine sehr
                              kleine Menge unverseiftes Fett schwach getrübt. Höchst wahrscheinlich rührt dieser
                              Umstand von den gröberen Talgkügelchen her, welche sich in der Emulsion vertheilt
                              finden.
                           Durch den ganzen Vorgang der Verseifung des festen Talgs in Kügelchen bei
                              gewöhnlicher Temperatur war es nahe gelegt, den Proceß der mikroskopischen
                              Beobachtung zu unterwerfen. Zu dem Ende muß man sich so einrichten, daß die Lauge
                              auf dem Objectträger sich weder durch Eintrocknen noch durch Anziehen von
                              Kohlensäure verändert. Dazu genügt es, den zu beobachtenden Tropfen Lauge auf dem
                              Objectglas mit einem Ring von Paraffin zu umgeben und auf diesen das erwärmte
                              Deckelgläschen aufzukitten. Ferner erleichtert man sich die Beobachtung sehr, wenn
                              man die Emulsion mittelst weiteren Laugezusatzes soweit verdünnt, daß ein Tropfen
                              nur noch wenige Talgkügelchen enthält, die in dem Sehfeld getrennt und weit
                              auseinander liegen. So vorgerichtete Proben wurden von Stunde zu Stunde untersucht.
                              – Anfangs zeigten sich die Talgkörperchen in der Lauge unverändert, wie sie
                              oben beschrieben wurden, als kugelige, etwas krystallinisch-höckerige, aber
                              in der Projection gesehen im Allgemeinen ganz randige Körner. Nach 4 bis 6 Stunden
                              erschien die Kugelform weniger regelmäßig und die Grenze zwischen dem Rand der
                              Körner und der umgebenden Lauge weniger scharf. Dieser Mangel an scharfer Begrenzung
                              nimmt mehr und mehr zu, bis die Talgkörnchen am anderen Morgen statt der Kugelform
                              eine unregelmäßige Gestalt angenommen haben. Sie erscheinen dann im Sehfeld nicht
                              mehr ganz randig, sondern mehr buchtig, von undeutlicher Begrenzung und zugleich mit
                              einem in der Lauge entstandenen Hof umgeben, dessen Breite etwa dem Radius der
                              Körnchen gleichkommt; dieser Hof vergrößert sich noch eine Zeit lang, während die
                              Form des Talgkörnchens verschwommener wird. Am zweiten Tag ist in der Regel keine
                              Aenderung mehr wahrnehmbar.
                           Wie man sieht, findet ein lebhafter Austausch der Bestandtheile des Talgkörnchens mit
                              denen der Lauge statt; die Verseifung greift in jedem einzelnen Korn Platz, sie geht
                              in allen Talgkörnchen gleichzeitig vor sich. Man begreift damit leicht die große Wirksamkeit der
                              „Pulverisirung“ des Talges auf dem nassen Wege der Emulsion
                              und die Umwandlung der Talgkügelchen in Seife ohne daß sie den festen Zustand
                              verlassen. Bei den mikroskopisch kleinen Talgkügelchen reicht der Angriff der Lauge
                              bis in den Mittelpunkt, denn die anfangs gebildete Seifenhülle, bekanntlich in
                              stärkerer Lauge unlöslich, ist stets dünn genug um auch das letzte Fettpünktchen im
                              Innern für die Lauge auf dem Weg der Diffusion erreichbar zu machen. Ein größerer
                              Klumpen Talg würde sich unter den Bedingungen des Versuchs, d.h. in der Kälte mit
                              einer Lage Seife umgeben, die alsbald eine hinreichende Dicke annimmt, um den
                              Zutritt der Lauge zu dem unveränderten Fett im Innern unmöglich zu machen. Diese
                              Wahrheit läßt sich sehr gut aus folgendem Versuch erkennen. Man ließ Baumöl mittelst
                              einer Pipette vorsichtig auf Aetznatronlauge von 20 Proc. laufen, so daß beide ohne
                              sich zu mischen zwei getrennte Schichten bildeten; so blieb das Gefäß ruhig in der
                              Kälte stehen. Am anderen Tag fand sich zwischen dem obenaufschwimmenden Oel und der
                              darunter befindlichen Lauge eine dünne harte Seifenkruste als feste Zwischenwand.
                              Diese Seifenkruste nahm mit der Zeit noch etwas an Dicke zu, aber die Oelschichte
                              blieb von da ab mehrere Wochen unverändert und war selbst nach Monaten noch
                              vorhanden. Als man die Seifenkruste zuletzt mittelst eines Glasstabes durchstieß,
                              zerbrach sie in Scherben wie hartes Wachs. Ganz so wie Baumöl verhielt sich
                              Mandelöl.
                           Die große Wirksamkeit des état globulaire beruht
                              demnach nicht sowohl in der Kugelform der Talgtheilchen, sondern in der
                              mikroskopischen Kleinheit derselben. Eine Zertheilung z.B. in mikroskopische
                              Blättchen würde noch wirksamer seyn. In der That hat nicht bloß die Zertheilung der
                              Fette durch Emulsion, sondern auch die Zertheilung auf irgend beliebigem anderem Weg
                              den gleichen Erfolg, z.B. durch Auflösung. Als man eine Auflösung von Talg in Aether
                              mit Aetznatronlauge von 20 Proc. in der Kälte zusammenbrachte und unter öfterem
                              Umschütteln stehen ließ, hatte sich am andern Tag der Inhalt des Gefäßes in zwei
                              Schichten geschieden: die untere bestand aus der überschüssigen nunmehr
                              gelbgefärbten Lauge, die obere aus einer durchsichtigen Seifengallerte mit dem
                              Aether, der keinen unverseiften Talg mehr enthielt. Unmittelbar über der Lauge war
                              die Seifengallerte zu einer festen Haut verdichtet. Als man den Versuch wiederholte,
                              aber mit der Abänderung daß das Schütteln unterblieb und die ätherische Talglösung
                              unter Vermeidung jeder Vermischung auf die Lauge gebracht wurde, bildeten sich drei
                              Schichten: zu unterst die gelbe Lauge, darüber eine im Ansehen dem Opodeldoc
                              ähnliche warzige Zwischenlage, die dem Schütteln widerstand, ohne zu zerreißen; obenauf eine
                              Schicht Aether, reichlich Talg enthaltend,Es ist bemerkenswerth, daß dieser unverseifte Rückstand nicht mehr den
                                    anfänglichen Schmelzpunkt des Talges sondern einen Schmelzpunkt besitzt, der
                                    so tief unter dem des Talges liegt, daß der Rückstand kaum zum Gestehen zu
                                    bringen ist. Werden die festen Neutralfette (Palmitin etc.) etwa früher
                                    verseift als die flüssigen (Olein)? der auch nach längerer Zeit nicht verschwand. – Eine Lösung von Talg
                              in Benzol verhielt sich unter gleichen Umständen ebenso, nur daß zuletzt, auch wenn
                              nicht geschüttelt wurde, der Talg aus der Benzollösung ganz verschwand.
                           Daß die Zersetzung der Neutralfette bei den Versuchen mit emulsirtem Talg durch
                              ätzende Alkalien nicht plötzlich vor sich geht, wie die der kohlensauren Salze durch
                              Salzsäure z.B., sondern mehrere Stunden braucht, liegt lediglich darin, daß gleich
                              bei der ersten Einwirkung ein in der Lauge unlösliches, je nach ihrer Concentration
                              mehr oder weniger dichtes Product (die Seife) entsteht und das noch unzersetzte Fett
                              mit einer Hülle aus Seifen-Gallerte umgibt, durch welche hindurch das Alkali
                              nachher endosmotisch seinen Weg zu nehmen hat. Wählt man statt der Alkalien eine
                              Basis deren Seife nicht gallertartig auftritt sondern aus losen Flocken besteht,
                              durch deren Lücken und Zwischenräume die Lösung der verseifenden Base und das Fett
                              stets in Berührung bleiben, so fällt jenes Hinderniß weg. Schüttelt man z.B.
                              Talgemulsion einige Augenblicke mit einem Ueberschuß von klarem Kalkwasser, so
                              erfolgt sofort eine Art Gerinnung; statt dem milchartig vertheilten Talg sieht man
                              nur noch verhältnißmäßig große geschiedene Flocken von Kalkseife in der Flüssigkeit.
                              Dasselbe geschieht, wenn man das Kalkwasser durch eine Lösung von
                              basisch-essigsaurem Blei ersetzt, nur daß die Flocken orangegelb sind.
                              – Wenn es gelänge die Verseifung in einer Flüssigkeit vorzunehmen, welche
                              Fett, Lauge und Seife gleichmäßig auflöst, innerhalb welcher mithin jene den
                              Fortgang des Processes hemmende Hülle von Seifengallerte von vorn herein unmöglich
                              ist, so müßte die Seifenbildung ohne Verlust an Zeit stattfinden. In der That, wenn
                              man eine Lösung von Ricinusöl und von Aetznatron, beide in Alkohol, zusammengießt,
                              so hört das Gemisch sofort auf durch einen Ueberschuß von Wasser milchig zu werden,
                              enthält mithin kein unverändertes Ricinusöl mehr. Nach dem Verdunsten bleibt eine
                              glänzende durchsichtige Seifengallerte. Bei diesem Versuch wird also Ricinusöl
                              sofort und zwar vollkommen von dem Alkali in Seife und Glycerin umgesetzt, weil
                              jedes Atom Fett so zu sagen nackt dem Angriff der Lauge dargeboten, weil nichts
                              vorhanden ist, was sich
                              zwischen die angreifende Lauge und das Fett einschiebt wie bei jenen Versuchen mit
                              der Talgemulsion die im Anfang gebildeten die Kügelchen umgebenden Seifenhüllen.
                              Diese Seifenhüllen werden bei Anwendung von schwächerer Lauge viel Wasser aufnehmen
                              und dadurch zwar stärker aber auch lockerer und für die Lauge durchdringlicher; bei
                              stärkeren Laugen fallen sie dichter, weniger durchdringlich, aber auch viel dünner
                              aus. Die Stärke der Lauge ist daher auf Talgemulsion durchaus nicht so maaßgebend
                              und läßt einen weiten Spielraum zu, um so mehr als die Lauge in allen Fällen nur
                              einen mikroskopisch-kurzen Weg von der Oberfläche der Kügelchen bis zu ihrem
                              Mittelpunkt zurückzulegen hat.
                           Vergleicht man die Erscheinungen der Verseifung im Kessel des Seifensieders mit denen
                              der mitgetheilten Versuche, so erscheint die Schwierigkeit, die man bei der Arbeit
                              im Großen zu überwinden hat, und der große Aufwand an Zeit im ersten Augenblick
                              paradox. Der Stand der Dinge ist im Beginn des Processes auf beiden Seiten so
                              gleich, daß man keine größere Schwierigkeit im Großen erwarten sollte, wie bei den
                              Versuchen im Kleinen, denn der Seifensieder arbeitet ja im Grunde nie anders als mit
                              Fett –, oder um bei dem vorliegenden Beispiele stehen zu bleiben, mit
                              Talgemulsion. Denn mit den ersten Bewegungen des Rührscheites vermischt sich der
                              geschmolzene Talg mit der Lauge zu einer gleichmäßigen milchigen Masse, die nichts
                              weiter ist, als eine vollkommene Emulsion, welche dadurch vermittelt wird, daß sich
                              augenblicklich bei der ersten Berührung der beiden aufeinander wirkenden Körper ein
                              Antheil Seife bildet.
                           Talg mit viel Wasser, dem man etwas 20procentige Aetznatronlauge zugesetzt hatte,
                              erwärmt bis zum Schmelzen und einen Augenblick geschüttelt, gab eine völlig flüssige
                              gleichförmige Emulsion. Diese Emulsion, sogleich mit etwa dem gleichen Volum Aether
                              geschüttelt, schied sich in zwei Schichten: die obere ätherische enthielt den
                              unveränderten Talg, die untere mußte neben der noch unverbrauchten Lauge die Seife
                              enthalten, wenn sich solche gebildet hatte. Wirklich brachte Salzsäure durch
                              Uebersättigung eine Gerinnung hervor; das Gerinnsel schmolz beim Erwärmen zu
                              Fetttröpfchen zusammen.
                           Insofern nun bei der Verseifung im Großen im ersten Augenblick etwas Seife gebildet
                              und durch Vermittelung dieser der Talg mit der Lauge emulsirt wird, sind alle
                              Bedingungen für den Fortgang der Verseifung ohne weiteres Zuthun gegeben, wie bei
                              den Eingangs beschriebenen Versuchen. Um sich auch davon zu versichern, erwärmte man
                              Talg mit 20procentiger Lauge langsam bis zum Schmelzen, verwandelte das Gemisch durch Umschütteln in
                              eine gleichförmige Emulsion und ließ diese in der Kälte über Nacht stehen. Am
                              anderen Tag hatte sich die Emulsion in einen Kuchen oder feste Masse verwandelt;
                              diese Masse löste sich nach ihrer Trennung von der Lauge im kochenden Wasser (obwohl
                              etwas milchig getrübt), erstarrte beim Erkalten zu einer Gallerte, ließ sich mit
                              Kochsalz aussalzen, kurz, verhielt sich wie Seife. Genau dasselbe ergab sich bei dem
                              gleichen Versuch mit Baumöl, nur war die Lösung des Seifenkuchens in heißem Wasser
                              fast ganz klar und durchsichtig.
                           Wenn das Fett mit dem Beginn der Arbeit im Großen sich in Emulsion verwandelt, die
                              nach einigen Stunden in der Kälte von selbst zu Seife wird, so sollte man denken,
                              müßte die Verseifung im Kessel des Seifensieders unter dem Einfluß der mechanischen
                              Bewegung des Siedens und des Rührscheites, verbunden mit dem der Wärme, um so
                              rascher gehen. Dieß ist in der Wirklichkeit nicht gerade der Fall, aller
                              Wahrscheinlichkeit nach darum, weil die Siedhitze den eigentlichen durch die Bildung
                              von Emulsion errungenen Vortheil wieder aufhebt. In der kalten Mischung schwimmen
                              die Fettkügelchen der Emulsion isolirt, von ihren Seifenhüllen umschlossen, in der
                              Lauge; dem Angriff dieser letzteren sind daher jene Körperchen von allen Seiten frei
                              zugänglich. In der Siedhitze erweichen jene Seifenhüllen, verlieren die gallertige
                              Beschaffenheit, und vereinigen sich, in eine dickliche Seifenlösung übergehend, zu
                              einer einzigen Masse; die isolirte Lage der Fettkügelchen ist verloren gegangen.
                              Damit ist zunächst die vorher höchst ausgedehnte Berührungsfläche mit der Lauge
                              ebenso sehr verkleinert, aber unter den herrschenden Umständen tritt zugleich eine
                              andere Erscheinung ein, welche die Lage der Dinge wesentlich ändert. Seifenlösungen,
                              namentlich concentrirtere Seifenlösungen lösen in der Siedhitze eine erhebliche
                              Menge von Fett auf. In diesem Zustand muß die unvollkommene Seife durch Zusatz von
                              Lauge, also durch allmähliche Sättigung in neutrale verkäufliche Seife übergeführt
                              werden. Diese Sättigung kann nur allmählich und nur mit Lauge mäßiger Stärke
                              geschehen, weil die Seife in stärkerer Lauge unlöslich sich abscheidet und der
                              Einwirkung des Alkalis zu sehr entrückt wird. Wie man weiß, beruht der in der Praxis
                              im Großen erforderliche Aufwand an Mühe und Zeit wesentlich in der Nothwendigkeit
                              jener allmählichen Sättigung der Seife mit Alkali, der ersten Bedingung ihrer
                              Brauchbarkeit.
                           
                           Welchen Werth die vorstehenden Beobachtungen über Fette im Zustand der Emulsion für
                              die praktische Seifensiederei haben, muß vorläufig dahin gestellt bleiben und läßt
                              sich nur durch Untersuchung der quantitativen Zusammensetzung der Producte aus
                              Laug- und Fettemulsion in der Kälte entscheiden, über die ich mir Näheres
                              vorbehalte. Allerdings scheint es Vortheil zu bieten, das Fett, nachdem es durch
                              Mischen mit der erforderlichen Lauge in Emulsion verwandelt ist, längere Zeit ohne
                              Erwärmung oder bei etwa 50° C. stehen zu lassen und die so auf kaltem Weg
                              vorgebildete Seife durch eine kurze nachträgliche Behandlung in der Siedhitze nur zu
                              vollenden.