| Titel: | Dr. List, über das Verhalten des Siliciums beim Frischen des Roheisens. | 
| Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. XXXV., S. 121 | 
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                        XXXV.
                        Dr. List, über das Verhalten des Siliciums beim Frischen des
                           Roheisens.
                        List, über das Verhalten des Siliciums beim
                           Roheisenfrischen.
                        
                     
                        
                           Der Siliciumgehalt des Roheisens gilt allgemein als schädlich für den Verlauf des
                              Frischprocesses. In den letzten Jahren sind nun aber zahlreiche Analysen zur
                              Erforschung der beim Puddeln oder Herdfrischen stattfindenden chemischen Processe
                              angestellt, woraus sich die Rolle, welche das Silicium dabei spielt, genauer
                              bestimmen läßt. Es ergibt sich aus denselben, daß das Silicium zu denjenigen
                              Bestandtheilen gehört, welche sich unter normalen Verhältnissen, sey es im Herde
                              oder im Puddelofen, am leichtesten entfernen lassen. Das Silicium wird schon zu
                              Anfang des Processes fast vollständig ausgeschieden. Sogar beim Rohstahlschmelzen
                              beobachtete Lan,Polytechn. Journal Bd. CLVI S.
                                       293, 366, 447. daß ein Roheisen mit
                              1,57 Proc. Silicium, nachdem es beim Niederschmelzen einige Zeit unter der Schlacke
                              verweilt hatte, ohne jedoch schon umgerührt zu seyn, nur noch 0,48 Proc. enthielt,
                              also 70 Procent vom ursprünglichen Gehalt verloren hatte.
                           Bei der ursprünglichen Puddelmethode, dem Trockenpuddeln, wie es noch an einigen
                              Orten ausgeführt wird, muß bekanntlich das Roheisen für den Puddelproceß durch
                              Umschmelzen im Feineisenfeuer vorbereitet werden. Dabei scheiden sich gleichzeitig
                              Phosphor, Mangan und Silicium ab, und zwar von letzterem nach Karsten wenigstens 76 Proc.
                           Bei der jetzt allgemein üblichen Methode des Puddelns in einem Schlackenbade findet
                              ebenfalls die Ausscheidung des Siliciums schon statt, während das Roheisen noch
                              einschmilzt, also in der ersten Periode des Processes. Calvert und Johnson
                              Polytechn. Journal Bd. CXLVI S. 121. fanden
                              in einem Roheisen mit 2,72 Proc. Silicium, nachdem es 40 Minuten im Puddelofen
                              verweilt hatte und noch nicht völlig flüssig war, nur noch 0,91 Proc., nach weiteren
                              20 Minuten, als das Einschmelzen vollendet war, 0,197 Proc.; der Verlust betrug also
                              93 Proc. im Ganzen. List fand bei einem grauen feinmelirten
                              Nassau-Eisen mit 1,32 Proc. Silicium nach dem Einschmelzen noch 0,29, also
                              einen Verlust von 74,28. In einer Mischung von 7/8 grauem Kohksroheisen und 1/8
                              Müsener Spiegeleisen mit im Ganzen 1,78 Procent Silicium, nachdem sie bis zum Anfang
                              des Aufkochens im Puddelofen geblieben waren, noch 0,2, also einen Verlust von 88,83
                              Procent. Ein anderes Mal, wo das Einschmelzen länger gedauert hatte, nur noch 0,07,
                              also einen Verlust von 96,6 Proc. Draßdo fand, daß bei
                              einem grauen Roheisen mit 2,66 Proc. Silicium der Gehalt auf 0,135 sank, also einen
                              Verlust von 94,8 Proc.
                           Calvert und Johnson zeigten
                              noch, daß der zurückgebliebene Rest von Silicium in den späteren Perioden kaum
                              merklich vermindert wird, was List bestätigt fand. Es
                              ergibt sich also, daß während des Einschmelzens im Puddelofen das Roheisen dieselben
                              Veränderungen erleidet, wie während des Feinmachens. Zugleich tritt der Mangangehalt
                              fast vollständig aus, der Phosphorgehalt nimmt ab und der eingemengte Graphit
                              verwandelt sich in chemisch gebundenen Kohlenstoff.
                           Diese Veränderungen werden aber nicht durch das bloße Umschmelzen bewirkt, denn im
                              Kupolofen treten sie nicht in gleicher Weise ein. List
                              fand bei mehreren Roheisensorten, daß der Siliciumgehalt sich dabei nicht verändert
                              hatte. Die Entfernung des Siliciums geschieht durch Oxydation. Während des
                              Einschmelzens werden die Stücke des Roheisens, so weit sie aus der flüssigen
                              Schlacke hervorragen, von dem Sauerstoff der über die Feuerbrücke strömenden Luft
                              umspielt, die Oxydation würde nun alle im Roheisen enthaltenen Stoffe: Eisen,
                              Mangan, Kohlenstoff, Silicium gleichmäßig treffen, wenn das Vereinigungsbestreben
                              dieser Körper zum Sauerstoff gleich groß wäre. Das Silicium übertrifft aber darin
                              unter den im Puddelofen obwaltenden Verhältnissen die anderen Stoffe, selbst den
                              Kohlenstoff, es zersetzt ja das Silicium beim Glühen mit kohlensauren Alkalien die
                              Kohlensäure unter Ausscheidung schwarzer Kohle und Bildung von kieselsauren Salzen.
                              Die Verwandtschaft des Siliciums zum Sauerstoff wird durch die des gleichzeitig
                              entstehenden Eisenoxyduls zur Kieselerde vermehrt, und da beim Einschmelzen das
                              graue Eisen sich in weißes verwandelt, d.h. der mechanisch eingemengte Graphit sich
                              chemisch mit dem Eisen verbindet, wird dadurch das Silicium aus seiner Verbindung
                              mit dem Eisen verdrängt. In diesem Entstehungszustande ist es wie andere Stoffe
                              besonders geneigt, neue Verbindungen einzugehen und mithin besonders zugänglich für
                              die Einwirkung des Sauerstoffes.
                           Auch das Mangan oxydirt sich schon während des Einschmelzens eben so vollständig wie
                              das Silicium (nach List bis zu 85 Procent). Es bildet eine leichtflüssige,
                              an Kieselerde reiche, also wenig gahrende Schlacke, und ein manganhaltiges Eisen ist
                              deßhalb vorzüglich zur Stahlbereitung. Indeß darf man den Mangangehalt des Roheisens
                              nicht für die alleinige Ursache halten, weßhalb das Silicium so leicht aus dem Eisen
                              ausgeschieden wird. Das Roheisen, welches bei Calvert und
                              Johnson's Versuchen beim Einschmelzen 93 Procent
                              seines Siliciums verlor, enthielt nur Spuren von Mangan und das Stabeisen daraus nur
                              0,12 Proc. Silicium. Ein Roheisen mit 2,5 Procent Silicium und 5 Proc. Mangan gab
                              Andrée Luppen, welche noch 0,25 Silicium
                              enthielten. Das Roheisen von Calvert und Johnson enthielt aber 2,72 Silicium, also noch etwas mehr
                              als Andrée's.
                           Die durch Oxydation entstandenen Silicate von Mangan und Eisenoxydul fließen ihrer
                              Leichtflüssigkeit wegen mit dem zum Schmelzen gekommenen Roheisen herab, dadurch
                              werden die inneren Theile des Eisens entblößt und ebenfalls dem Sauerstoff der Luft
                              zugänglich. Aber auch die mit Schlacke bedeckten Theile erleiden eine Oxydation
                              durch den Gehalt der Schlacke an Eisenoxyd, indem sich dieses zu Oxydul reducirt.
                              Die Schlacke kann davon bis 16 Proc. neben Eisenoxydul enthalten. List fand, daß beim Einschmelzen von Eisen der Gehalt der
                              Schlacke von 14,4 Procent Eisenoxyd auf 5,9 herabsank, während Kieselerde und
                              Manganoxydul zunahmen, dasselbe beobachtete Draßdo. Da
                              nun der Kohlenstoff zu dieser Zeit noch nicht abnimmt, so kann die Reduction des
                              Eisenoxydes nur durch die Oxydation des Siliciums und Mangans erfolgt seyn. Diese
                              Wirkung des Eisenoxydes ist ein wichtiges Moment zur Erklärung der oxydirenden
                              Wirkung der Frischschlacke und bedingt sie vielleicht allein.
                           Die Thatsache, daß das Silicium schon während der ersten Periode des Puddelprocesses,
                              also vor dem Austreten des Kohlenstoffes, von dem Eisen sich ausscheidet, scheint
                              für die Theorie des Puddelprocesses von großer Bedeutung zu seyn. Sie erklärt die
                              beiden auffallenden Ergebnisse, welche bisher die chemische Untersuchung derselben
                              geliefert hat.
                           Einmal haben die Analysen von Calvert und Johnson gezeigt, daß das Roheisen während des
                              Einschmelzens an Kohlenstoff zugenommen hatte. Während das eingesetzte Roheisen 2,27
                              davon enthielt, ergab die nach dem Einschmelzen vor dem Beginn des Rührens genommene
                              Probe 2,9, hatte also 28 Procent zugenommen. Dieses auffallende, später von Lan und Draßdo bestätigte
                              Verhalten haben Calvert und Johnson durch eine Aufnahme von Kohle aus dem darüber strömenden
                              Steinkohlengase erklären wollen. Allein diese unwahrscheinliche Annahme ist unnöthig. Es hat nämlich
                              keine absolute Zunahme des Kohlenstoffes, sondern nur eine relative Vermehrung des
                              Verhältnisses der Kohlenstoffmenge zu dem der übrigen im Eisen zurückbleibenden
                              Stoffe stattgefunden, was eine nothwendige Folge des Austretens des Siliciums
                              ist.
                           Das verpuddelte Roheisen enthielt 2,27 Kohlenstoff und 2,72 Silicium; bei der
                              Oxydation des Siliciums während des Einschmelzens wird so viel Eisen zu Oxydul
                              oxydirt seyn als mit der entstehenden Kieselerde sich verbindet, wobei das
                              Subsilicat 6 FeO, SiO³ entstanden seyn wird. Hierzu wird von 1 Gewichtstheil
                              Silicium die 8fache Menge Eisen in Anspruch genommen, von jenen 2 1/2 also 20.
                              Enthält nun das zurückgebliebene Eisen noch allen Kohlenstoff, so wären jene 2,27
                              Kohlenstoff nicht mehr in 100, sondern in 77,5 Theilen enthalten, was einem
                              Procentgehalt von 2,9 entspricht, genau wie ihn Calvert
                              und Johnson fanden.
                           Ein zweites unvermuthetes Ergebniß lieferten List's Analysen der zu verschiedenen Perioden
                              des Puddelprocesses genommenen Schlackenproben; sie zeigten nämlich, daß die
                              Schlacke während des Einschmelzens nicht basischer wird. Er fand den
                              Kieselerdegehalt der Schlacke während des Einschmelzens von 15,09 bis auf 16,79
                              vermehrt, ein anderes Mal von 20,34 auf 21,89. Draßdo hat
                              später sogar eine Vermehrung von 26,83 auf 31,93 beobachtet.
                           Bei einer Reihe von Analysen nahm List Proben von
                              Schlacke:
                           1) vor dem Einsetzen des Roheisens; 2) nach dem Einschmelzen; 3) während des
                              stärksten Aufkochens; 4) beim Beginn des Luppenmachens; 5) nachdem der Ofen einige
                              Zeit leer gestanden hatte.
                           
                              
                                 
                                 1.
                                 2.
                                 3.
                                 4.
                                 5.
                                 
                              
                                 Fe²O³
                                 13,47  
                                   7,78  
                                   6,03  
                                   9,00  
                                   9,37
                                 
                              
                                 FeO
                                 52,21
                                 57,18
                                 59,85
                                 59,28
                                 57,57
                                 
                              
                                 MnO
                                   8,95
                                 12,61
                                 12,10
                                 11,54
                                 11,06
                                 
                              
                                 Mn²O³
                                   1,32
                                    –
                                    –
                                    –
                                   2,04
                                 
                              
                                 PO⁵
                                   3,73
                                    –
                                    –
                                    –
                                   3,48
                                 
                              
                                 SiO³
                                 17,62
                                 17,77
                                 16,90
                                 17,69
                                 16,40
                                 
                              
                                 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 99,30
                                    –
                                    –
                                    –
                                 99,92
                                 
                              
                                 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Fe im Ganzen
                                 50,04
                                 49,91
                                 50,77
                                 52,41
                                 51,33.
                                 
                              
                           Die Vergleichung der in beiden Oxyden des Eisens enthaltenen Menge Eisen zeigt, daß
                              die Schlacke nach dem Einschmelzen nicht basischer geworden ist, ja nicht einmal,
                              bevor die Reduction ihren höchsten Gipfel erreicht hat.
                           Nimmt man z.B. an, in eine Schlacke, welche aus dem Singulosilicat 3 FeO, SiO³ bestände,
                              würden die üblichen 400 Pfund von einem Roheisen mit 2,5 Proc. Silicium eingesetzt,
                              so würden neben dem Silicium noch 40 Pfund Eisen = 10 Procent des im eingesetzten
                              Roheisen enthaltenen metallischen Eisens oxydirt werden und in die Schlacke gehen
                              können (also einen Abgang von im Ganzen 18 Proc. bewirken), ohne daß die Schlacke
                              hierdurch basischer würde, die Verbindung 3 FeO, SiO³ enthält ja 4mal so viel
                              Eisen als Silicium.
                           Was nun endlich die Frage betrifft, ob dem Silicium mit Recht ein unter allen
                              Umständen für das Frischen schädlicher Einfluß zugeschrieben wird, so scheint aus
                              den vorhergegangenen Erörterungen hervorzugehen, daß im Roheisen der Siliciumgehalt
                              bis zu 3 Procent betragen kann, ohne beim Verfrischen unter sonst normalen
                              Verhältnissen störend einzuwirken, und sollten bei einem nicht höheren Gehalt an
                              Silicium dennoch unbrauchbare Luppen erhalten werden, so müßte das anderen Umständen
                              beigemessen werden. Ob ein mäßiger Siliciumgehalt für das Puddeln nothwendig ist,
                              wie denn Herr Lohage einen
                              Gehalt von wenigstens 2 Proc. für ein zum Puddeln passendes Roheisen verlangt, wagt
                              Hr. List nicht zu behaupten,
                              da sich das nicht durch analytische Beweise begründen läßt. – Dagegen möchte
                              es wohl erwiesen seyn, daß aus einem Roheisen, welches mehr als 3 Procent Silicium
                              enthält, schwer wenn nicht unmöglich gutes Schmiedeeisen erhalten werden kann. Ob
                              aber davon der hohe Siliciumgehalt oder der gewöhnlich gleichzeitig geringe Gehalt
                              an Kohlenstoff die Ursache ist, bleibt noch eine offene Frage, deren Beantwortung
                              sehr wichtig ist, um Mittel zur Abhülfe zu finden. (Zeitschrift des Vereines deutscher
                                    Ingenieure, Bd. IX.)