| Titel: | Ueber die Lesimple'sche explosive Masse; von Dr. H. Vohl in Cöln. | 
| Autor: | Hermann Vohl | 
| Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. XL., S. 143 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XL.
                        Ueber die Lesimple'sche explosive Masse; von Dr. H. Vohl in Cöln.
                        Vohl, über das explosive Gemisch von salpetersaurem Bleioxyd u.
                           rothem Phosphor.
                        
                     
                        
                           Im ersten Septemberheft 1866 dieses Journals (Bd. CLXXXI S. 413) gibt C. Lesimple zur Darstellung eines explosiven Gemisches eine
                              Methode an, welche auf dem längst bekannten Verhalten des salpetersauren Bleioxyds
                              zu dem sogenannten amorphen Phosphor beruht.
                           Schon im Jahre 1848, gleich nach der Entdeckung des rothen Phosphors durch Schrötter, wurde in dem Liebig'schen Laboratorium zu Gießen dieser Körper dargestellt und die
                              Eigenschaften dieser höchst interessanten Substanz sowohl physikalisch wie auch
                              chemisch geprüft, wobei selbstverständlich auch ihr Verhalten zu kräftigen
                              Oxydationsmitteln nicht außer Acht gelassen wurde. Das indifferente Verhalten des
                              sogenannten amorphen Phosphors dem atmosphärischen Sauerstoff gegenüber, erheischte
                              auch kräftige Oxydationsmittel auf denselben einwirken zu lassen, um die
                              Unterschiede der Eigenschaften des Phosphors in diesen beiden Zuständen festzustellen. Namentlich wurde
                              sein Verhalten zu Chlorsäure und Salpetersäure, resp. zu chlorsauren und
                              salpetersauren Salzen der Alkalien und alkalischen Erden geprüft, und auch das
                              salpeter- und salpetrigsaure Bleioxyd sowie chromsaures Kali (saures Salz) in
                              Anwendung gebracht.
                           Die Explosivität solcher Gemische, die aus chlorsauren, salpeter- und
                              salpetrigsauren Salzen und dem Schrötter'schen Phosphor
                              bestehen, welche schon a priori anzunehmen war, wurde
                              durch das Experiment vollkommen bestätigt.
                           Am heftigsten explodirten die Gemische mit chlorsauren Salzen, minder stark die mit
                              salpetersauren, und am schwächsten diejenigen, welche aus einem salpetrigsauren oder
                              chromsauren Salze und rothem Phosphor bestanden.
                           Die Mischungen mit salpetersaurem Bleioxyd standen, was die Heftigkeit und
                              Leichtigkeit der Explosivität anbetrifft, in der Mitte zwischen denen bei welchen
                              chlor- und denen bei welchen salpetersaure Salze der Alkalien in Anwendung
                              gekommen waren.
                           Im Jahre 1854 wurde zuerst und von da an bis jetzt häufig das salpetersaure Bleioxyd
                              als sauerstoffgebender Körper in der Pyrotechnik eingeführt, und, z.B. von L. Achleitner,Polytechnisches Centralblatt, 1863 S. 408; chemisches Centralblatt,
                                    1863 S. 992. zu Zündmassen für Reibzündhölzchen sowohl in
                              Verbindung mit gewöhnlichem wie mit Schrötter'schem
                              Phosphor in Anwendung gebracht; demnach ist die Anwendung des salpetersauren
                              Bleioxyds, resp. eines Gemisches von diesem Salze mit rothem Phosphor als Zündmasse
                              schon seit 12 Jahren bekannt.
                           Das salpetersaure Bleioxyd ist ferner als ein kräftiges Oxydationsmittel bekannt,
                              welches seine oxydirenden Eigenschaften nicht allein leicht oxydirbaren Substanzen
                              gegenüber geltend macht, sondern es ist dasselbe auch ein mächtiges oxydirendes
                              Mittel verschiedenen Metallen, Metalloxyden und Schwefelmetallen gegenüber; so z.B.
                              wird metallisches Blei von einer wässerigen Lösung bei Siedhitze auf Kosten des
                              Sauerstoffs der Säure oxydirt und es resultirt ein basisches salpetrigsaures
                              Bleioxydsalz; Chromoxyd wird noch unter der Glühhitze durch neutrales salpetersaures
                              Bleioxyd in Chromsäure verwandelt, die sich mit dem Bleioxyd zu chromsaurem Bleioxyd
                              verbindet; Schwefelantimonium wird unter Erglühen bei einer Temperatur von
                              200° C. in der Weise oxydirt, daß der Schwefel in Schwefelsäure und das
                              Antimon in antimonige Säure übergeführt wird (die Schwefelsäure verbindet sich mit dem freiwerdenden
                              Bleioxyd zu schwefelsaurem Bleioxyd). Sowohl bei der Oxydation des Chromoxyds wie
                              auch derjenigen des Schwefelantimons wird theils Stickoxyd, theils salpetrige Säure
                              frei.H. Vohl in den Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd.
                                    CVI S. 127; polytechn. Journal Bd. CXLIX
                                       S. 317; chemisches Centralblatt, 1858 S. 544.
                              
                           Eine Mischung von salpetersaurem Bleioxyd und Schwefelantimon in den geeigneten
                              Verhältnissen detonirt auch durch Schlag; ebenso wird eine Mischung von saurem
                              chromsaurem Kali und rothem Phosphor durch Schlag entzündet.
                           Was nun die Anwendung eines solchen explosiven Gemisches von salpetersaurem Bleioxyd
                              und rothem Phosphor zur Füllung von Zündhütchen und als Sprengmaterial, wie Lesimple sie vorschlägt, anbetrifft, so ist zu bedenken,
                              daß vor Allem die Kenntniß der bei der Detonation erzeugten Producte erheischt wird,
                              ehe man berechtigt ist ein Urtheil in dieser Hinsicht zu fällen. Man muß die sich
                              erzeugenden Detonationsproducte, sowohl die gasförmigen, wie auch die
                              schlackenartigen, ihrer Natur nach genau kennen; man muß wissen ob sie saurer Natur
                              sind und auf die Metalle einwirken können, oder ob sie in anderer Weise, vielleicht
                              durch Verbreitung eines undurchsichtigen Rauches, die Anwendung als Sprengmaterial
                              bei bergmännischen Förderungen beeinträchtigen.
                           Es ist ferner genau zu ermitteln, ob die schlackenartigen Rückstände, abgesehen von
                              ihren anderen chemischen Eigenschaften, nicht als solche eine Inkrustirung oder ein
                              Verstopfen veranlassen. Letzteres ist besonders bei der Anwendung als Zündmasse zum
                              Füllen der Zündhütchen und zur Zündung bei den Hinterladungsgewehren zu
                              berücksichtigen.
                           Werden Metalle von den Verbrennungsproducten angegriffen, so kann von einer
                              Verwendung in letzterer Weise nicht die Rede seyn; treten bei der Detonation
                              verhältnißmäßig wenig permanente Gase auf, sind die gasförmigen Producte der
                              Gesundheit schädlich oder bilden sie einen undurchdringlichen Rauch, so ist die
                              Anwendung als Sprengmaterial in Bergwerken nicht angezeigt.
                           Lesimple vermuthet nun in dem weißen Rückstande der
                              Detonation phosphorsaures Bleioxyd; es ist unerklärlich, warum er sich nicht durch
                              den so einfachen qualitativen Nachweis der Phosphorsäure und des Bleioxyds die
                              Gewißheit des Vorhandenseyns dieses Salzes verschaffte.
                           Dieser Rückstand enthält nach den von mir schon im Jahre 1848 angestellten Untersuchungen
                              phosphorsaures Bleioxyd, und zwar als ein basisches Salz, wenn der Phosphor nicht im
                              Ueberschuß zur Anwendung kommt; ist der Phosphor in noch geringerer Menge vorhanden
                              gewesen, so enthält der schlackige Rückstand basisch-phosphorsaures Bleioxyd
                              neben Bleioxyd. Wird 1 Aeq. PbO, NO⁵ = 165,572 und 1 Aeq. P = 31,363
                              zusammengemischt, so kann sich bei der Verpuffung neutrales phosphorsaures Bleioxyd
                              neben freiwerdendem Stickstoff bilden, denn:
                           PbO, NO⁵ + P = PbO, PO⁵ + N.
                           In einer solchen nach Aequivalenten zusammengesetzten Mischung beträgt der Phosphor
                              alsdann circa 1/5 des angewandten salpetersauren
                              Bleioxyds; bei diesem verhältnißmäßig geringen Phosphorzusatz wird schon sämmtlicher
                              Sauerstoff von demselben gebunden gehalten.
                           Nach der Lesimple'schen Angabe soll man zu 3 Theilen des
                              salpetersauren Salzes 1 Theil PhosphorPhospor mischen, also eine größere Menge als der in der Mischung vorwaltende
                              Sauerstoff in Phosphorsäure überzuführen vermag, und dennoch sollen die sich bei der
                              Zersetzung entwickelnden Gase freien Sauerstoff neben Stickstoff enthalten; aber noch unerklärlicher wird diese
                              von Lesimple angenommene Sauerstoffausscheidung, wenn man
                              der Angabe desselben, daß der Rückstand Phosphorblei
                              enthalte, welches er durch die Hinterlassung eines schwarzen
                                 Flecks ohne allen weiteren analytischen Beleg festzustellen sucht,
                              beitreten wollte. Die Bildung von Phosphorblei bei einer so hohen Temperatur wie sie
                              die Verpuffung erzeugt, neben einer Entwickelung von freiem Sauerstoff ist nicht
                              denkbar; es ist geradezu unmöglich, einen solchen Vorgang
                              anzunehmen.
                           Wenn man ein Gemisch von 3 Th. salpetersaurem Bleioxyd und 1 Theil rothem Phosphor
                              (wie Lesimple angibt) durch Schlag, Reibung oder directe
                              Erhitzung zum Verpuffen bringt, so bildet sich außer Phosphorsäure und phosphoriger
                              Säure, welche beide dampfförmig entweichen, phosphorsaures Bleioxyd und freies
                              Stickgas; auch bildet sich Phosphoroxyd und ein geringer Theil unverbrannten
                              Phosphors, von Phosphorsäure umhüllt, findet sich in dem erzeugten Rauche.
                           Es ist leicht ersichtlich, daß diese Mischung nur als
                              Zündmasse zu Reibzündhölzchen, wie auch schon längst geschehen, Verwendung finden
                              könnte.
                           Cöln, im September 1866.