| Titel: | Willis' Anilinproceß zur Erzeugung directer photographischer Copien von Zeichnungen, Kupferstichen etc. | 
| Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. XLII., S. 148 | 
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                        XLII.
                        Willis' Anilinproceß
                           zur Erzeugung directer photographischer Copien von Zeichnungen, Kupferstichen
                           etc.
                        Aus dem Practical Mechanic's Journal, August 1866, S.
                              147.
                        Willis' Verfahren zur Erzeugung directer photographischer Copien
                           von Zeichnungen, Kupferstichen etc.
                        
                     
                        
                           Dieses Verfahren zur directen Reproduction von Zeichnungen auf photographischem Wege
                              dürfte sich nach verschiedenen Richtungen hin als sehr werthvoll und der
                              mannichfaltigsten Anwendungen fähig erweisen.
                           Wir theilen im Nachstehenden die vollständige Specification des am 11. November 1864
                              dem Erfinder ertheilten Patentes mit.
                           
                              „Meine Erfindung besteht in den im Folgenden beschriebenen Processen,
                                 mittelst deren Zeichnungen, Kupferstiche und andere durch die Presse erzeugte
                                 Producte sich in einer Operation copiren lassen,
                                 indem die Copie unmittelbar mit den lichten und dunkeln Stellen des Originals
                                 und nicht, wie bei den gewöhnlichen Methoden zur Anfertigung photographischer
                                 Drucke, in umgekehrter Darstellung – d.h. die lichten Stellen dunkel und
                                 die dunklen Partien hell – angefertigt werden kann.
                              
                           
                              Um die Anfertigung solcher Copien zu beschreiben, wähle ich als Beispiel eine mit
                                 Tusche ausgeführte Maschinenzeichnung auf Papier.
                              
                           
                           
                              Zunächst bereite ich eine Lösung von dreißig Gran zweifachchromsauren Ammoniaks in einer Unze Wasser und versetze dieselbe mit etwa zwei Drachmen verdünnter Phosphorsäure, wie sie im Handel vorkommt. Es ist von
                                 großer Wichtigkeit, das richtige Mengenverhältniß zwischen dieser Säure und dem
                                 Chromsäuresalze zu treffen, was nur durch praktische Versuche bei jedesmaliger
                                 Herstellung der Lösung aus frischen Materialien geschehen kann. Wenn zu wenig
                                 Säure angewendet wird, so entwickelt sich das Bild zu langsam und zeigt eine
                                 röthlichbraune Farbe; bei Gegenwart von überschüssiger Säure hingegen entwickelt
                                 es sich rasch und erscheint blau oder grün gefärbt. Ist die Phosphorsäure in der
                                 geeigneten Menge vorhanden, so entwickelt sich die Zeichnung in schwarzer
                                 Farbe.
                              
                           
                              Ich überziehe das Papierblatt, auf welchem die Zeichnung reproducirt werden soll,
                                 mit der Lösung entweder dadurch, daß ich jenes in einer flachen Schüssel auf der
                                 letzteren schwimmen lasse, oder indem ich die Flüssigkeit mittelst eines
                                 Schwammes auf das Papier auftrage. Das Papier wird dann im Dunkeln zum Trocknen
                                 aufgehängt; auf diese Weise präparirt, hält es sich mehrere Tage, ohne zu
                                 verderben. Bei der Anwendung wird es in einem gewöhnlichen photographischen
                                 Copirrahmen mit dem Originale in Contact gebracht und dann wie beim gewöhnlichen
                                 Copiren von Positivs belichtet. Die Dauer der Belichtung schwankt je nach der
                                 Intensität des Lichtes von zwei Minuten bis zu einer halben Stunde. Darnach wird
                                 das Papier aus dem Copirrahmen genommen und auf den Boden eines hölzernen
                                 Kastens von der Länge und Breite des Papierblattes, aber von nur zwei Zoll Tiefe
                                 gelegt. An der unteren Seite des Deckels von diesem Kasten werden zwei bis drei
                                 Lagen Löschpapier mit Nägeln befestigt und auf dieses Futter wird mittelst eines
                                 Tropfglases eine verdünnte Lösung von Anilin in Benzol in mehreren Tropfenreihen, die etwa 2 Zoll von
                                 einander entfernt sind, gegossen. Dann wird der Deckel auf die breiten, oben
                                 glatt abgehobelten Seitenwände des Kastens gelegt, wornach die Anilindämpfe sich
                                 von diesem auf die obere Fläche des belichteten Papiers herabsenken, und
                                 sämmtliche der Einwirkung des Lichtes nicht ausgesetzt gewesenen Theile
                                 schwärzen. Zu dieser Entwickelung des Bildes sind zehn Minuten bis eine halbe
                                 Stunde erforderlich.
                              
                           
                              Nachdem das Bild auf die beschriebene Weise entwickelt worden ist, wird es einige
                                 Minuten lang in reinem Wasser oder erst in Wasser, dann in stark verdünnter
                                 Schwefelsäure und hierauf nochmals in reinem Wasser gewaschen und dadurch fixirt
                                 oder gegen das Licht unveränderlich gemacht. Die Stärke der Anilinsolution in
                                 Benzol ist nicht von wesentlicher Bedeutung; eine Lösung von einer Unze Anilin in
                                 sechszehn Unzen Benzol entspricht dem Zwecke sehr gut.
                              
                           
                              Mitunter ändere ich die verschiedenen Stadien des Processes ab, um besonderen
                                 Anforderungen zu entsprechen. So wende ich z.B. anstatt der oben erwähnten
                                 empfindlichmachenden Flüssigkeit dreißig Gran chromsaures Kupferoxyd in einer
                                 Unze Wasser und fünfzehn Tropfen Schwefelsäure gelöst und mit einer Drachme der
                                 verdünnten Phosphorsäure versetzt, an. Oder ich nehme dreißig Gran
                                 phosphorsaures Kupferoxyd in einer Unze Wasser mit Hülfe von so viel
                                 Schwefelsäure gelöst, daß eine klare Flüssigkeit entsteht und versetze dieselbe
                                 mit fünfzehn Tropfen einer gesättigten Lösung von Chromsäure. Doch halte ich das
                                 zuerst beschriebene Verfahren für das beste.
                              
                           
                              Anstatt Anilin benutze ich zuweilen Toluidin zur Entwickelung, oder eine andere
                                 organische Basis, welche mit Chromsäure oder gegen das Licht unempfindlichen
                                 Chromsäuresalzen eine schwarze oder überhaupt dunkle Färbung hervorzubringen
                                 vermag. Unter diesen Basen gebe ich jetzt der als Pyrrhol-Basen bekannten
                                 Reihe von Alkaloiden den Vorzug. Wenn dieselben durch Destillation von Federn,
                                 Knochen und anderen thierischen Substanzen dargestellt sind, so geben sie eine
                                 große Mannichfaltigkeit von rothen, braunen und schwarzen Färbungen; sie können,
                                 wie das Anilin, mit Benzol verdünnt angewendet werden. Das Gemisch von
                                 Pyrrholbasen mit anderen organischen Substanzen, welches durch Destillation des
                                 schleimsauren oder des zweifach-schleimsauren Ammoniaks erhalten wird,
                                 ist noch besser und gibt ein sehr schönes Schwarz; es ist aber stark alkalisch,
                                 und das Bild entwickelt sich daher erst, nachdem jenes Gemisch mit Schwefelsäure
                                 neutralisirt wurde.
                              
                           
                              Obgleich ich vorziehe, das Anilin und die anderen organischen Entwickler in
                                 Dampfform anzuwenden, so kann man doch fast ganz gleiche Resultate durch
                                 Benutzung derselben in Form verdünnter Lösungen erhalten.
                              
                           
                              Die vorstehende Beschreibung meiner Erfindung bezieht sich auf die Anwendung
                                 derselben, um eine auf Papier angefertigte Maschinenzeichnung auf Papier zu
                                 copiren; mein Verfahren läßt sich aber auch zum Copiren von anderen Zeichnungen,
                                 von Stichen, Lithographien, Photographien, von geschriebenen und gedruckten
                                 Documenten etc. benutzen, wenn sie auf irgend einem durchscheinenden Material
                                 angefertigt sind. Ferner läßt sich mein Verfahren für Abdrücke auf Seide oder
                                 andere Stoffe anwenden, sowie auf Holzstöcke, überhaupt auf jedes Material,
                                 welches zur Aufnahme photographischer Drucke nach den gewöhnlichen Methoden der
                                 Photographie geeignet ist.“
                              
                           
                           Das dem Erfinder des beschriebenen Verfahrens ertheilte Patent wurde von dem
                              Lithographen Vincent Brooks in London (Chandos Street, Charing Cross) angekauft, und wir
                              glauben im Interesse der Architekten, Modelleurs, Bildhauer, Musterzeichner,
                              Maschinenbauer, Ingenieure etc. zu handeln, wenn wir dem Vorstehenden einige Stellen
                              aus dem von Hrn. Brooks
                              erlassenen Circular beifügen, welche bezüglich der Vorbereitung der nach diesem
                              Verfahren zu copirenden Zeichnungen etc. verschiedene Winke geben.
                           Bei Zeichnungen, welche speciell zum Zwecke des Copirens angefertigt werden, ist
                              Folgendes zu berücksichtigen, um einen günstigen Erfolg zu sichern:
                           Das Zeichenpapier muß dünn, rein und farblos seyn. Die Umrisse müssen kräftig mit
                              sehr schwarzer chinesischer Tusche ausgeführt werden; die Schatten werden
                              gleichfalls mit solcher angelegt und zwar etwas dunkler als gewöhnlich, so daß die
                              Zeichnung, wenn sie auf ein Blatt weißes Papier gelegt wird, etwas dunkler
                              erscheint, als eigentlich wünschenswerth ist. Farben sollen nicht angewendet werden,
                              da Roth und Gelb zu dunkel und Blau zu hell ausfällt. Indeß geben auch farbige
                              Zeichnungen häufig gute Copien.
                           Gegenwärtig ist Brooks mit Versuchen beschäftigt, um
                              dieses Verfahren zur directen Uebertragung der Zeichnung auf den Lithographirstein
                              anwendbar zu machen.