| Titel: | Neues Verfahren zur Ermittelung des Gerbstoffgehaltes der Loh-Rinde; von Prof. Franz Schulze in Rostock. | 
| Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. XLV., S. 156 | 
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                        XLV.
                        Neues Verfahren zur Ermittelung des
                           Gerbstoffgehaltes der Loh-Rinde; von Prof. Franz Schulze in Rostock.
                        Schulze, Verfahren zur Bestimmung des Gerbstoffs in
                           Rinden.
                        
                     
                        
                           Bei dem großen praktischen Interesse, welches die richtige Werthschätzung der
                              gerbsäurehaltigen Materialien hat, müssen sichere und leicht ausführbare Methoden
                              der quantitativen Bestimmung des Gerbstoffgehaltes solcher Materialien erwünscht
                              seyn. Wenn ich zu den vielen in neuerer Zeit empfohlenen Methoden noch eine neue
                              hinzufüge, so geschieht es, weil jene entweder wegen des wissenschaftlich nicht
                              genügend gerechtfertigten Princips oder wegen der Umständlichkeit der Ausführung
                              unbefriedigend erscheinen. Zu letzteren rechne ich namentlich die in der ersteren
                              Beziehung höchst vortreffliche Methode, welche C. Hammer angegeben hat.Journal für praktische Chemie, Bd. LXXXI S.
                                    159; polytechn. Journal Bd. CLIX S.
                                       300.
                              
                           Das hier zu beschreibende Verfahren beruht einfach auf der Messung der Menge einer
                              titrirten Leimlösung, welche nöthig ist, den in dem Wasserauszuge einer bestimmten
                              Quantität Lohrinde oder eines anderen gerbsäurehaltigen Materials enthaltenen
                              Gerbstoff gerade zu fällen. Mit einer einfachen Leimlösung und dem nicht weiter
                              präparirten Gerbsäureauszuge läßt sich dieß nicht bewerkstelligen, da theils die
                              Fällungen wegen der nothwendigen größeren Verdünnung der Lösungen zu unvollständig
                              sind, theils schon lange vor Beendigung der Reaction nicht mehr unterschieden werden
                              kann, ob bei fernerem Zutröpfeln der Leimlösung der Niederschlag sich noch
                              vermehrt.
                           Beiden Mängeln wird dadurch abgeholfen, daß man vorher sowohl die Leimlösung als den
                              Gerbsäureauszug mit so viel Salmiak sättigt, als sie aufzulösen vermögen. Durch die
                              Sättigung mit Salmiak wird es bedingt, daß einmal noch bei großem Verdünnungsgrade
                              ein Niederschlag entsteht, sobald beide Flüssigkeiten gemischt werden, sodann aber
                              auch der
                              Niederschlag Neigung zeigt, zusammenzuballen und schnell klar zu sedimentiren,
                              Letzteres namentlich, wenn beim allmählichen Zusatz der Leimlösung zu dem
                              Gerbsäureauszuge der Sättigungspunkt eingetreten ist. Man überzeugt sich hiervon
                              leicht bei dem Versuche zur Herstellung der titrirten Leimlösung. Dieser Versuch
                              wird in der Art ausgeführt, daß man 10 Gramme einer Galläpfel-Gerbsäure (bei
                              105° C. getrocknet) in concentrirter Salmiaklösung löst und das Volumen der
                              Flüssigkeit durch. Zusatz reiner wässeriger Salmiaklösung auf 1 Liter bringt; ebenso
                              werden 10 Gramme eines zu ferneren Versuchen in hinreichendem Vorrathe disponiblen
                              weißen Leims (derselbe gleichfalls bei 105° getrocknet) in concentrirter
                              Salmiaklösung gelöst und durch Zusatz reiner wässeriger Salmiaklösung ebenfalls auf
                              1 Liter gebracht. Von der Gerbsäurelösung bringt man 10 Kubikcentimeter in ein
                              kleines Becherglas, schüttet dazu etwa einen Theelöffel voll feinen Sandes (am
                              besten empfiehlt sich der bekannte Braunkohlensand, nachdem er durch Abschlämmen der
                              staubigen Beimischungen sowie durch Auskochen mit Salzsäure und nachheriges Glühen
                              gehörig gereinigt ist) oder Glaspulver, und läßt nun aus der Bürette die normirte
                              Leimlösung unter Umrühren hinzufließen, bis die Vermehrung des
                              Gerbsäure-Leim-Niederschlages nicht mehr deutlich hervortritt; nun
                              geschieht das Nachfließenlassen der Leimlösung nur noch in getheilten und kleinen
                              Portionen, indem man jedesmal darauf achtet, wie der Inhalt des Becherglases bei
                              ruhigem Stehen, nachdem er kurz vorher stark umgerührt war, sich macht; so lange
                              noch keine genügende Menge Leimlösung hineingekommen ist, senkt sich der
                              Niederschlag nur langsam, so daß nach mehr als einer Minute noch keine klare
                              Flüssigkeit obenaufsteht, und in dieser tritt beim Eintröpfeln von Leimlösung noch
                              deutliche Fällung ein; je näher man dem Sättigungspunkte kommt, um so beschleunigter
                              zeigt sich beim ruhigen Stehen des Gemisches die Sedimentirung, bis letztere schon
                              innerhalb weniger als einer halben Minute erfolgt, so daß nach diesem kurzen
                              Zeitraume der zähflockig gewordene Niederschlag zu Boden gesunken ist und die
                              Flüssigkeit ein vollkommen klares Ansehen zeigt. Dieß ist der richtige Zeitpunkt, in
                              welchem man die Fällung als beendigt anzusehen und die verbrauchte Menge der
                              Leimlösung abzulesen hat. Fügt man alsdann noch mehr Leimlösung zu dem Gemisch, so
                              ändert dieß nichts in der Schnelligkeit der Sedimentirung und in der Dichtheit,
                              resp. Zähigkeit des Sedimentes, wohl aber in der Klarheit der über dem Niederschlage
                              stehenden Flüssigkeit. Es scheint die geringe Menge der gelöst bleibenden normalen
                              Gerbsäure-Leim-Verbindung noch mehr Leim aufzunehmen und damit einen
                              feinflockigen, zum Sedimentiren nicht geneigten Niederschlag zu bilden. Der feine Sand oder
                              das Glaspulver tragen wesentlich zur Steigerung des Sedimentireffectes bei. Der
                              Leim, welcher zu meinen letzten Versuchen diente, war zufällig von solcher
                              Beschaffenheit, daß auf 10 Kubikcentimeter der Gerbsäurelösung fast genau das
                              gleiche Volumen der Leimlösung gehörte, während von einer früher verwendeten Sorte
                              12,5 Kubikcentimeter nöthig waren. – Ganz ähnlich den beschriebenen sind die
                              normirenden Erscheinungen, welche man beobachtet, wenn man statt der salmiakhaltigen
                              Lösung reiner Gerbsäure den mit Salmiak gesättigten Wasserauszug einer
                              gerbsäurehaltigen Rinde mit der titrirten Leimlösung versetzt; jeder verbrauchte
                              Kubikcentimeter der Leimlösung entspricht hier gleichfalls 10 Milligrammen
                              Gerbsäure. Zur Bereitung des Wasserauszuges ist zunächst die gehörige Zerkleinerung
                              der betreffenden Rinde erforderlich. Hierzu bediene ich mich eines sogenannten
                              Hufraspels, auf welchem die zu einem Versuche nöthige Rinde leicht gerieben werden
                              kann. 2 Gramme des Rindenpulvers werden mit etwa 20 Kubikcentimetern Wasser 10
                              Minuten lang gekocht, auf ein kleines Filter gebracht und hier mit so viel kochendem
                              Wasser nachgewaschen, daß die Gesammtmenge des Filtrates gegen 50 Kubikcentimeter
                              beträgt. Mit dieser Flüssigkeit wird, nachdem sie kalt die zur Sättigung nöthige
                              Menge von Salmiak aufgenommen hat, in der oben beschriebenen Weise verfahren. Würden
                              z.B. 12 Kubikcentimeter der titrirten Leimlösung verbraucht, so entspräche dieß 120
                              Milligrammen Gerbstoff oder für 1 Grm. Rinde 60 Milligrm., d. i. 6 Proc.
                           Ich bemerke schließlich, daß von verschiedenen Salzen, welche ich in ihrer
                              Anwendbarkeit für dieses Verfahren geprüft habe, der Salmiak sich am besten bewährt
                              hat. Viele Salze sind schon darum ausgeschlossen, weil sie theils direct chemisch
                              auf die Gerbsäure oder den Leim einwirken, theils diese Stoffe unlöslich machen; so
                              wird z.B. Leim aus seiner wässerigen Lösung durch Sättigung der letzteren mit
                              schwefelsaurem Natron herausgefällt, während dieses Salz auf Gerbsäure nicht so
                              wirkt; letztere dagegen wird durch essigsaures Natron gefällt. Andere Salze, z.B.
                              Borax, verhindern ganz die Bildung eines
                              Gerbsäure-Leim-Niederschlages. Salpetersaures Natron, welchem in
                              keiner dieser Beziehungen Bedenken entgegenstehen, gibt keine für eine genaue
                              Beobachtung sich so gut markirende Sedimentir-Erscheinungen wie der Salmiak.
                              (Landwirthschaftliche Annalen des mecklenburgischen patriotischen Vereins, 1866, Nr.
                              36.)