| Titel: | Ueber Sicherheitsventile für Dampfkessel, insbesondere das Naylor'sche Compensationsventil; von Georg Campbell. | 
| Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. LXX., S. 260 | 
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                        LXX.
                        Ueber Sicherheitsventile für Dampfkessel,
                           insbesondere das Naylor'sche
                           Compensationsventil; von Georg
                              Campbell.
                        Vorgetragen in der Versammlung der British Association zu Nottingham. –
                           Aus dem Mechanics'
                                 Magazine, Juli 1866, S. 6.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              IV.
                        Ueber Naylor's Sicherheitsventil für Dampfkessel.
                        
                     
                        
                           Von den verschiedenen Erfordernissen eines guten Sicherheitsventils sind die
                              wichtigsten: Einfachheit der Construction und ein so weit genügender Ausgang für den
                              Dampf, daß der Dampfdruck im Kessel den dem Gewichte des Ventils entsprechenden
                              Druck nicht überschreiten kann. Ferner darf das Ventil durch die Reibung niemals
                              festsitzend werden, und ebenso muß verhütet werden, daß durch unwissende und
                              unverständige Arbeiter Gewichte aufgelegt werden können.
                           Meine Absicht ist nun, ein Sicherheitsventil zu veröffentlichen, welches die an ein
                              gutes Ventil zu stellenden Anforderungen in ziemlichem Grade besitzt. Es ist eine
                              Verbesserung des gewöhnlichen Hebelventils und wurde Hrn. William Naylor in London patentirt, welcher den
                              Mechanikern besonders
                              durch seine Dampfhämmer bekannt ist, die von der Kirkstall-Hütte gebaut und
                              in den besten Hammerwerken Englands und des Continents angewandt werden. Der
                              Beschreibung des Naylor'schen Ventils wollen wir eine
                              Vergleichung desselben mit dem gewöhnlichen Sicherheitsventil vorausschicken. In
                              seinem schätzbaren Werke über Dampfmaschinen sagt Tredgold: „Es würde eine große Verbesserung der
                                 Sicherheitsventile seyn, wenn sie so construirt werden könnten, daß sie sich
                                 eines Theiles ihrer Belastung entledigen, nachdem sich die Ventile von ihrem
                                 Sitze gehoben haben.“
                              
                           Die Sicherheitsventile, welche, wie bei Locomotiven und anderen transportabeln
                              Kesseln, durch eine Federwaage belastet sind, entsprechen der ganz richtigen
                              Bemerkung Tredgold's durchaus
                              nicht, sondern wirken gerade entgegengesetzt, indem die Belastung des Ventils, wenn
                              dasselbe sich öffnet, im Gegentheil vermehrt wird, wie man dieß bei einem
                              abblasenden Ventile beobachten kann, indem dann der am Manometer beobachtete
                              Dampfdruck oft 20 Pfd. per Quadratzoll mehr beträgt als
                              er beim Oeffnen des Ventils betragen sollte. Dieser Umstand tritt besonders dann
                              ein, wenn das Feuer geschürt wird und der Dampf dann keinen anderen Abzug als durch
                              das Sicherheitsventil hat. Es versteht sich von selbst, daß die Belastung des
                              Ventils beim Oeffnen desselben größer wird, da die Feder am Hebel mehr angespannt
                              und der Druck also schon vorher bedeutend größer wird als er werden soll, wenn das
                              Ventil sich so weit geöffnet hat wie es seiner freien Ausströmungsöffnung
                              entspricht. Auf diese Weise muß nothwendig ein größerer Dampfdruck im Kessel
                              hervorgebracht werden, wenn die Ventile lebhaft abblasen.
                           Ein Ventil, welches diesen Uebelstand vermeiden soll, wurde von Hrn. Bodmer in London construirt und
                              befand sich auf der allgemeinen Industrie-Ausstellung im Jahre 1862. Dasselbe
                              ist in Fig.
                                 11 im Durchschnitt dargestellt und functionirt folgendermaßen: Der volle
                              Dampfkessel-Druck wirkt auf die untere Seite des Ventils, ist jedoch von dem
                              abblasenden Dampfstrom vollständig getrennt. Zu diesem Zwecke ist der Ventilkegel
                              auf der unteren Seite cylindrisch ausgedreht und hat in dieser Oeffnung eine
                              Scheibe, welche dampfdicht hineinpaßt und höher als der Ventilsitz liegt; die
                              Ausströmungsöffnung für den Dampf liegt also unter dieser Scheibe. Der Dampf oder
                              das Wasser von dem Kessel wird, unter Druck, durch ein centrales Rohr zu dem Raum
                              zwischen der dampfdichten Scheibe und dem Ventilkegel zugelassen und so von dem
                              Dampfstrom beim Abblasen des Ventils getrennt. Ob sich dieses Ventil in der Praxis
                              bewährt hat, ist mir nicht bekannt, die dampfdichte Scheibe scheint mir aber eine
                              lästige, wenn nicht eine bedenkliche Beigabe zu seyn.
                           
                           Ich will nun Naylor's Ventil
                              beschreiben und zeigen, wie die Steigerung des Dampfdruckes im Kessel, welche beim
                              Ausströmen des Dampfes stattfindet, durch dasselbe verhindert wird. Bei Betrachtung
                              von Fig. 9 und
                              10 sieht
                              man, daß das Ventil von gewöhnlicher Art, frei auf seinem Sitze liegend, ist.Wir haben die Abbildung des Ventils im Mechanics' Magazine durch die vollständigere im
                                    Practical Mechanic's Journal (Augustheft
                                    1866) ersetzt. In Fig. 9 ist ein
                                    2zölliges Doppel-Sicherheitsventil für Locomotivkessel im
                                    Durchschnitt und in Fig. 10 im halben
                                    Grundriß dargestellt. A, A bezeichnet die beiden
                                    Oeffnungen, durch welche der Dampf beim Heben der Sicherheitsventile in das
                                    Austrittsrohr B tritt; C,
                                       C sind die beiden Sicherheitsventile, deren jedes durch den Arm E eines um F
                                    drehbaren Hebels niedergehalten wird. Der andere Arm dieses Hebels ist um
                                    45° niedergebogen und durch ein scharfkantiges Glied J mit dem unteren Ende einer Spiralfeder H verbunden, in welche dieses Glied eingehakt
                                    ist. Die oberen Enden dieser in röhrenförmige Gehäuse eingeschlossenen
                                    Federn sind in die unteren Enden der Stellschrauben L eingehakt, die durch centrale Oeffnungen im oberen Theil der
                                    Gehäuse gehen, sich aber nicht drehen können, da sie unten viereckig sind.
                                    M, M sind Muttern mit Handrad, durch deren
                                    Drehung die Schraubenspindeln gehoben oder gesenkt, und folglich die
                                    Spiralfedern mehr oder weniger angespannt werden. N,
                                       N ist ein scharfkantiger kreisförmiger Index auf dem oberen Ende
                                    einer jeden Schraubenspindel und O, O sind die
                                    Theilscalen an den Handrädern, welche angeben, wie stark die Federn per Quadratzoll belastet sind. Werden die
                                    Ventile gehoben, so heben sie das entsprechende Ende E der gebogenen Hebel mit und senken das entgegengesetzte, welchem
                                    die Federn H mehr oder weniger Widerstand
                                    leisten werden. Das gebogene Hebelende wird aber bei seinem Niedergang
                                    gleichzeitig dem Drehpunkte genähert, wodurch der vermehrte Widerstand der
                                    Feder compensirt wird. Anm. d. Red. Das eine Ende des Hebels ist
                              niederwärts gebogen, und die Spiralfeder zur Belastung des Ventils ist an demselben
                              durch ein Gelenk befestigt; es ist klar, daß, wenn das Ventil durch den Dampf von
                              seinem Sitz gehoben ist, das niedergebogene Ende des Hebels sich dann nach innen
                              oder nach dem Ventil zu bewegt und dadurch seine Länge vermindert, während
                              gleichzeitig die Spannung der Feder zunimmt. Dieses ist die Hauptverbesserung im
                              Vergleich mit den gewöhnlichen Hebeln, bei denen die Last auf das Ventil vergrößert
                              würde, statt sich zu vermindern. Der Betrag an Erleichterung, den das Ventil durch
                              diese Hebelanordnung beim Oeffnen erhält, kann durch den für den Hebel gewählten
                              Winkel beliebig abgeändert werden.
                           Fig. 12 ist
                              ein Diagramm des Hebels: hierin zeigt a den Hub des
                              Ventils, b die Federspannung und c die wirkliche Verkürzung des Hebels. Die starken Linien zeigen die
                              Stellung des Hebels bei geschlossenem, die punktirten Linien bei ganz und halb
                              geöffnetem Ventil.
                           Die horizontalen Linien x bei A zeigen die Zunahme der Federspannung bei der Bewegung des Hebels von der
                              geschlossenen Stellung des Ventils bis zur vollen Oeffnung desselben, und die
                              verticalen Linien y zeigen die Verminderung der
                              Hebellänge bei denselben Stellungen.
                           
                           Die Federkraft ist zu 600 Pfd. per Quadratzoll
                              angenommen, und wenn das niedergebogene Ende des Hebels einen Winkel von 55 Grad mit
                              dem Horizonte macht und mit 1192 Pfund auf die Feder wirkt, so wird ein Druck von
                              170 Pfd. per Quadratzoll auf das Ventil hervorgebracht;
                              hat sich aber, bei dem zunehmenden Dampfdruck, das Ventil 2 Grad oder 0,043632 Zoll
                              gehoben, so erhält die Feder einen Zuwachs von 26 Pfund zur ursprünglichen Kraft; um
                              diese Zunahme zu verhindern, verkürzt sich das niedergebogene Ende des Hebels um
                              0,09 Zoll, wodurch seine Wirkung per Quadratzoll des
                              Ventils auf 158,34 Pfund reducirt wird. Diese Druckverminderung ist offenbar eine
                              große Verbesserung, den langen Hebeln und Federn gegenüber. Der Hub des Ventils ist
                              zu 2 Grad angenommen, da dieses der durchschnittliche Hub beim Dampfausströmen unter
                              gewöhnlichen Umständen ist, wie die HHrn. Manning, Wardle und Comp. in Leeds, welche die Naylor'schen Sicherheitsventile ausführen, durch Versuche
                              gefunden haben.
                           Aus Fig. 9
                              ersieht man, daß der Hebel und die Feder so in ein Gehäuse eingeschlossen sind, daß
                              es dem die Maschine oder den Kessel bedienenden Arbeiter nicht möglich ist, das
                              Ventil niederzuhalten oder durch besondere Gewichte noch mehr zu belasten; derselbe
                              kann jedoch mittelst eines Stellrades mit Gewinde die Federkraft entweder vermindern
                              oder sie bis zur erlaubten Grenze vermehren. Eine Ueberlastung kann nicht
                              stattfinden, da die Feder gegen den Deckel des Gehäuses stößt, wenn die gestattete
                              Belastung erreicht ist.
                           Der Betrag des Druckes auf das Ventil per Quadratzoll
                              wird durch eine Scala an der Seite des Stellrades vermittelst eines Index angezeigt,
                              der auf der Schraube, welche die Feder anzieht, angebracht ist.
                           Die Reibung ist dadurch, daß die Drehpunkte des Hebels auf Schneiden arbeiten, so
                              weit als möglich vermindert.
                           Schließlich will ich noch bemerken, daß auf einem unserer größten Locomotivkessel
                              zwei 4zöllige Ventile durch ein Ventil von 2 Zoll Durchmesser nach Naylor's Construction ersetzt wurden
                              und letzteres den Zweck vollständig erfüllte.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
