| Titel: | Ueber den theilweisen Ersatz des im Schießpulver enthaltenen Kalisalpeters durch salpetersauren Baryt. | 
| Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. LXXX., S. 285 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXXX.
                        Ueber den theilweisen Ersatz des im Schießpulver
                           enthaltenen Kalisalpeters durch salpetersauren Baryt.
                        Ueber den Zusatz von salpetersaurem Baryt zum
                           Schießpulver.
                        
                     
                        
                           Die in Belgien und Frankreich gemachten Versuche, eine Verminderung der brisanten
                              Einwirkungen großer Pulverladungen auf das schwere Geschütz in der Weise zu
                              erzielen, daß ein Theil des der Schießpulvermischung angehörenden Salpeters durch
                              sein Aequivalent von salpetersaurem Baryt ersetzt und dadurch das Zusammenbrennen
                              der Ladung in einem, bei unverminderter Geschoßanfangsgeschwindigkeit auf
                              Seelenwand, Zündloch und Verschluß des Geschützrohres schonend einwirkenden Grade
                              verlangsamt wird, haben nach einer Mittheilung im Engineer vom 7. September d. J. in
                              der Versammlung der British Association zu Nottingham
                              einen Meinungsaustausch hervorgerufen, von dem Folgendes mitgetheilt zu werden
                              verdient:
                           Zunächst wurde hierbei von Hrn. E.
                                 Vignoles auf eine zu Brüssel erschienene Flugschrift von Capitän Wynants hingewiesen, in welcher: 1) die, einer
                              vollkommmen genauen Bestimmung des Gasdruckes großer Geschützladungen auf das Rohr
                              entgegenstehenden Schwierigkeiten besprochen werden; 2) die Möglichkeit erörtert
                              wird, mit rascher und langsamer verbrennenden Pulversorten gleiche Geschoßeffecte
                              bei ungemein verschiedenen Graden von rohrzerstörend wirkenden Gaspressungen
                              hervorbringen zu können, eine Möglichkeit, die immer wichtiger werden muß, je mehr
                              Gewicht die nunmehrigen Langgeschosse großer Kaliber erhalten; 3) zur vergleichenden
                              Schätzung der Gaspressungen im Inneren des Rohres, als bestes Mittel nach dem
                              jetzigen Stande der Wissenschaft, die schon 1853 vom damaligen Hauptmann Neumann in Preußen angewendete Methode bezeichnet ist,
                              nämlich die Anwendung von seitwärts in das durchbohrte Metall der Pulverkammer des
                              Rohres eingeschraubten, oben und unten offenen, mit cylindrischen Projectilen zu
                              versehenden Flintenrohren, und zwar in Verbindung mit le
                                 Boulengé's elektro-ballistischem Apparat; endlich 4) die
                              Resultate einiger auf Vergleichung des gewöhnlichen mit barytischem Schießpulver
                              bezüglicher Versuche mitgetheilt werden, welche durch ein später von Capitän Wynants an Hrn. Vignoles gerichtetes Schreiben (datirt:
                              Permonde, den 7. August 1866) dahin präcisirt wurden, daß bei einem gezogenen 24
                              Pfünder mit Bleimantel-Granate:
                           a) mittelst 6 3/4 Pfund gewöhnlichen Geschützpulvers von
                              1/2 bis 3/4 Zoll Korndurchmessergröße
                           
                              
                                 der 63 Pfund schweren Granate
                                 1116 Fuß
                                 
                              
                                 und dem cylindrischen Projectile, welches in
                                    den,            hinter
                                    dem Granatlager seitwärts in das    Rohr
                                    eingeschraubten kurzen
                                    Flintenlauf    eingesetzt war,
                                   541 Fuß
                                 
                              
                           Anfangsgeschwindigkeit ertheilt wurden, wogegen diese
                              Geschwindigkeiten
                           b) bei Anwendung von 8 Pfd. barytischen Pulvers von nur
                              1/8 bis 1/5 Zoll Korndurchmessergröße, welchem für 80 Procent des Kalisalpeters der
                              gewöhnlichen Pulvermischung das Aequivalent von Barytsalpeter zugesetzt war,
                           
                              
                                 für die 63 Pfund schwere Granate
                                 1182 Fuß
                                 
                              
                                 und für das in den seitlich angebrachten
                                    Flintenlauf        eingesetzte
                                    cylindrische Projectil nur
                                   517 Fuß
                                 
                              
                           
                           betrugen, demselben Geschützprojectile also mit 8 Pfd.
                              sogenannten 80procentigen barytischen Pulvers eine größere Anfangsgeschwindigkeit
                              als mit 6 Pfd. gewöhnlichen Schießpulvers ertheilt werden konnte, während die
                              zerstörend auf das Rohr einwirkenden Pulvergasspannungen dabei im ersteren Falle
                              etwa im Verhältnisse von 517² : 541² oder 27 : 32 geringer als im
                              letzteren Falle waren.
                           Die cylindrischen Geschosse des zur Seite des Rohres hinter dem Granatlager
                              eingeschraubten kurzen Flintenlaufes hatten hierbei per
                              Quadratzoll ihres Querschnittes entweder 1/4 oder 1/2 des entsprechenden
                              Granat-Gewichtes vom Versuchs-24Pfünder, wornach die betreffenden, mit
                              le Boulengé's elektro-ballistischem
                              Apparate gemessenen Anfangsgeschwindigkeiten, um sie auf die analoge
                              Granatgeschwindigkeit zu bringen, immer noch durch 4 oder beziehungsweise 2 dividirt
                              werden mußten.
                           In einem Stahl-80Pfünder, welcher als einziges Geschütz dieser Art nicht mit
                              seitwärts eingeschraubtem Flintenlaufe versehen werden sollte, erhielt das ungefähr
                              280 Pfd. schwere Geschoß durch 45 Pfund 80procentigen barytischen Pulvers, dessen
                              Körner abgekantete Kuben von etwa 3/4 bis 1 Zoll Seitenlänge bildeten, dieselbe
                              Anfangsgeschwindigkeit von 1215 Fuß per Zeitsecunde, wie
                              bei derselben Ladung von Kalisalpeter-Schießpulver derselben Körnung.
                              – Durch Anwendung von mit gewöhnlicher, runder Körnung versehenem
                              Kalisalpeter-Pulver erhielt dasselbe Geschoß zwar 1313 Fuß
                              Anfangsgeschwindigkeit, es wurden dabei aber der Ladungsraum des Geschützrohres
                              erweitert und dessen Verschluß in seiner Gangbarkeit gestört, während bei Anwendung
                              einer entsprechend größeren Ladung von barytischem Pulver diesem Geschosse nach der
                              Ansicht des Capitän Wynants dieselbe Geschwindigkeit ohne
                              jede schädliche Einwirkung auf das Rohr hätte gegeben werden können, welcher Meinung
                              allerdings bereits früher abgeführte Versuche mit einem Schießpulver, dem 40 Procent
                              Baryt-Schießpulver zugesetzt worden waren, zur Grundlage dienen, da diese
                              Schießversuche den Beweis lieferten, daß beim gezogenen 24Pfünder von 66 Pfund
                              Granatgewicht und 5 Pfund gewöhnlichen Schießpulvers Feldladung, mit 12 Pfund Ladung
                              solchen barytischen Pulvers eine 2/3zöllige Panzerplatte durchschossen wurde, die
                              bei Anwendung einer für das Geschützrohr schon gefährlich erachteten Ladung von 8
                              Pfund gewöhnlichen Pulvers nur einen halbzölligen Eindruck erhielt, und daß weiter
                              auch bei einem 68Pfünder mit 238 Pfund Geschoßgewicht, 38 Pfund barytischen Pulvers
                              der bezeichneten Art dem betreffenden Geschosse eine Anfangsgeschwindigkeit von 1280
                              Fuß per Zeitsecunde gaben, während dieselbe Ladung
                              gewöhnlichen Schießpulvers, wenn man überhaupt sie anzuwenden hätte wagen dürfen,
                              – die Geschoßanfangsgeschwindigkeiten den Quadratwurzeln aus den Ladungsgewichten proportional
                              gesetzt, – unter denselben Umständen nur 1200 Fuß Anfangsgeschwindigkeit
                              ergeben haben würde.
                           Nachdem Hr. Vignoles dann,
                              unter nochmaliger Hinweisung auf die Wichtigkeit dieses Gegenstandes für die
                              Artillerie, welche jetzt zwischen Steigerung der Geschoßanfangsgeschwindigkeit und
                              Steigerung des Geschoßgewichtes zu wählen hat, seinen Vortrag mit dem Wunsche
                              geschlossen hatte, daß diese Wynants'schen Versuche zur
                              Erhöhung der Geschoßkraft unbeschadet der Rohrhaltbarkeit fortgesetzt werden
                              möchten, wurde von Professor Abel, dem Chemiker des brittischen Kriegsdepartements, unter voller
                              Anerkennung der Wichtigkeit solcher Bestrebungen, bemerkt, daß eine Verminderung der
                              rohrzerstörend wirkenden Eigenschaften des Schießpulvers durch Verlangsamung seines
                              Zusammenbrennens auch ohne Zusatz von salpetersaurem Baryt, durch bloße Aenderung
                              seiner procentischen Zusammensetzung, namentlich Vermehrung seines Gehaltes an
                              Kohle, zu erlangen stehe, was aber freilich immer eine Verminderung der
                              Forttreibungskraft des Pulvers zur Folge habe. – Die von Capitän Wynants mit belgischem Schießpulver angestellten Versuche
                              hält er nicht für allgemein maßgebend, weil es bekannt sey, daß belgisches und
                              französisches Pulver weniger propulsiv und mehr brisant als englisches wirken, ein
                              mehr allmähliches Erreichen des maximalen Gasdruckes auf das Projectil aber ganz
                              wohl auch ohne Aenderung der chemischen Zusammensetzung des bisherigen Schießpulvers
                              zu erreichen stehe. In dieser Hinsicht sey insbesondere die Regulirung der
                              Körnergröße des Schießpulvers zu erwähnen, welche auch bei den Versuchen des Capitän
                              Wynants sich von entscheidendem Einflusse gezeigt
                              habe, und den Extremen nach bei großen Ladungen etwa die Effecte hervorbringe, daß
                              zu große Pulverstücke in kurzen Rohren eine geringere Forttreibungskraft auf die
                              Kugel und zu klein gekörntes Pulver in langen Rohren eine verderblichere Einwirkung
                              auf letztere äußern, als dieses bei richtig gewählten Körnergrößen der Fall gewesen
                              seyn würde. – Ferner lasse sich auch durch Anfertigungs-Modalitäten
                              des Schießpulvers, namentlich stärkere Pressung desselben und gesteigerten
                              Wasserzusatz bei seiner Bereitung, eine langsamere Gasentwickelung bei dessen
                              Verbrennung hervorbringen, ohne daß man deßhalb zur Aenderung seiner chemischen
                              Zusammensetzung zu schreiten brauche, welcher letzteren, nach der Vorschrift von Wynants vorgenommen, noch der Umstand entgegen stehe, daß
                              durch Zusatz von salpetersaurem Baryt zum Schießpulver dasselbe specifisch schwerer
                              werde, zu gleichen Kraftleistungen also schwerere Ladungen erforderlich seyen, und
                              außerdem der Baryt noch die Verbrennungsrückstände des Pulvers so bedeutend
                              steigern, daß Capitän Wynants sein barytisches Pulver
                              anfangs selbst nur für den Minengebrauch empfehlen zu können geglaubt habe.
                              –
                           Den Schluß der Discussion bildete die Mittheilung des Hrn. Vignoles, daß nach der ausdrücklichen Erklärung
                              von Capitän Wynants das barytische Pulver für Kleingewehr
                              nicht bestimmt ist, und endlich wurde von Capitän Noble
                              mit der Bemerkung, daß man auch in Belgien mehr von einem grobkörnigeren als vom
                              chemisch veränderten Schießpulver des Capitän Wynants zu
                              hoffen scheine, englisches Pulver aber das beste der Welt sey, noch erwähnt, daß
                              sich bezüglich der Frage, ob die Pulverladungen der Feuerwaffen besser von ihrer
                              Stirn oder von ihrem hinteren Ende oder von ihrer Mitte aus zu entzünden seyen,
                              durch Versuche ersteres als das Unzweckmäßigste herausgestellt habe, während die
                              angemessenste Pulverwirkung bei Entzündung der Ladung in etwa 4/10 ihrer Länge vom
                              hinteren Ende an gerechnet, erzielt worden sey.
                           Darapsky.