| Titel: | Ueber die Conservation des Weines, von L. Pasteur. | 
| Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. CXXXI., S. 476 | 
| Download: | XML | 
                     
                        CXXXI.
                        Ueber die Conservation des Weines, von L. Pasteur.
                        Pasteur, über die Conservation des Weines.
                        
                     
                        
                           Pasteur hat früherPolytechn. Journal Bd. CLXXIII S.
                                       216. über die Veränderungen, welche der Wein mit dem
                              Alter erleidet, über die Krankheiten des Weines, und über die Mittel, denselben ohne
                              Veränderung aufzubewahren, mehrere Mittheilungen gemacht. Die Ergebnisse seiner
                              Studien über diesen Gegenstand lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
                           1) Der Wein reift, d.h. geht aus dem Zustande des jungen Weines in den des alten
                              Weines über, fast ausschließlich durch den Einfluß des Sauerstoffs der Luft.
                           2) Der Wein verdirbt nicht von selbst, durch eine innere, von unbekannten Ursachen
                              herrührende Bewegung. Wenn er krank wird, so geschieht dieß stets durch die Wirkung
                              parasitischer Vegetationen, welche unter verschiedenen Einflüssen sich in dem Wein
                              entwickeln.
                           3) Die Absätze des Weines rühren ausschließlich theils von einer durch den Sauerstoff
                              der Luft hervorgebrachten Oxydation, theils von der Gegenwart der erwähnten
                              Parasiten, theils und am häufigsten von diesen beiden vereinigten Ursachen her.
                           4) Die von dem Einfluß des Sauerstoffes herrührenden Absätze sinken meist in dem Wein
                              zu Boden und adhäriren der Gefäßwand. Die Ausscheidungen, welche der Gegenwart der
                              Parasiten ihre Entstehung verdanken, schwimmen dagegen immer in dem Wein und sind deßhalb sowohl in
                              physikalischer als in chemischer Hinsicht schädlich.
                           5) Die wichtige Aufgabe der Conservation der Weine besteht einzig darin, die
                              Entwickelung der Weinparasiten zu verhindern, oder mit anderen Worten, deren Keim zu
                              zerstören oder besser ihre eigenthümliche Lebensfähigkeit zu unterdrücken.
                           Man hat gesagt, der Wein sey eine Flüssigkeit, deren verschiedene Bestandtheile
                              beständig durch gegenseitige schwache Verwandtschaften auf einander wirken und so
                              langsam Verbindungen bilden, wie in dem Gemisch einer Säure und eines Alkohols nach
                              und nach die betreffende Aetherverbindung entsteht. Diese Ansicht über die Natur des
                              Weines und über die fortschreitende Veränderung seiner Eigenschaften ist nach Pasteur falsch, d.h. derselbe zieht nicht in Zweifel, daß
                              nach und nach ohne den Einfluß des Sauerstoffs der Luft ätherartige Veränderungen im
                              Wein entstehen mögen, aber er behauptet, daß diese Wirkung im Vergleich mit den von
                              ihm bezeichneten Wirkungen als unmerklich anzusehen sey. Junger Wein, in
                              verschlossenen Gefäßen bei Abschluß der Luft aufbewahrt, setzt nichts ab, ändert
                              seine Farbe nicht und erhält kein Bouquet. Wenn derselbe Wein dagegen dem Einfluß
                              des Sauerstoffes der Luft ausgesetzt ist, so erleidet er sowohl im Dunkeln als am
                              Licht, schneller jedoch am Licht, folgende Veränderungen:
                           1) Er trübt sich bedeutend und bildet einen Absatz, so daß er ein schmutziges Ansehen
                              annimmt, mag er weißer oder rother Wein seyn. 2) Er verliert gänzlich den Geschmack
                              des jungen Weines. 3) Seine Farbe wird derjenigen eines Weines, welcher 10, 20 oder
                              mehr Jahre alt ist, gleich. 4) Er nimmt im höchsten Grade den Geschmack und das
                              Bouquet gewisser Weine Madeiras und Spaniens an.
                           Alle diese Wirkungen, welche beim Altwerden der Weine in Folge des Einflusses des
                              Sauerstoffes der Luft eintreten, können nun auch im Laufe einiger Wochen
                              hervorgebracht werden. Aber der Einfluß des Sauerstoffes ist stets, obschon in
                              verschiedenem Grade, mit der langsamen Wirkung kryptogamischer Vegetationen
                              verbunden, denen der Wein eine Freistätte gibt, und welche die Quelle aller seiner
                              Veränderungen sind.
                           Es ist unerläßlich, die Keime dieser Parasiten zu zerstören, wenn man will, daß der
                              Wein rasch und sicher den Charakter des alten Weines annehme, ohne zu verderben. Pasteur hat vor einiger Zeit mitgetheilt,Comptes rendus, t. LX p. 899. daß dieser Zweck dadurch erreicht werden kann,
                              daß man den Wein kurze
                              Zeit einer höheren Temperatur aussetzt, dabei aber hinsichtlich des praktischen
                              Werthes dieses Verfahrens einige Reserven gemacht, weil er glaubte, daß seine
                              Versuche nicht hinreichend lange gedauert hätten. Er hat dieselben nun durch fernere
                              Versuche vervollständigt und dabei die Richtigkeit der früher erhaltenen Resultate
                              bestätigt gefunden.
                           Die erste zu beantwortende Frage war die nach dem unmittelbaren Effect der
                              Temperaturerhöhung. Man könnte nicht daran denken, das neue Conservationsverfahren
                              anzuwenden, wenn dasselbe irgendwie die Qualität des Weines beeinträchtigen würde.
                              Nach vielfachen Versuchen mit französischen Weinen sehr verschiedenen Ursprunges
                              glaubt Pasteur nun aber mit voller Sicherheit behaupten
                              zu können, daß der Wein, nachdem er erhitzt und wieder erkaltet ist, seine Farbe
                              nicht verändert hat (die Farbe ist eher lebhafter als schwächer geworden), daß er
                              nichts von seinem Bouquet verliert und daß er durchaus keinen Absatz bildet. Der
                              erhitzte und wieder erkaltete Wein ist überhaupt dem nämlichen Wein im gewöhnlichen
                              Zustande so ähnlich, daß man nur, indem man beide gleichzeitig probirt, eine geringe
                              Verschiedenheit ihrer Eigenschaften wahrnehmen kann. Wenn aber diese Verschiedenheit
                              zu Ungunsten des erhitzten Weines wäre, so würde man doch dem neuen
                              Conservationsverfahren keinen großen Erfolg versprechen können. Pasteur hat nun aber von einem geübten Weinkoster die zu
                              vergleichenden Weine, über deren Behandlung derselbe nichts wußte, kosten lassen,
                              und derselbe hat in sieben unter neun Fällen dem Wein, welcher erhitzt worden war,
                              den Vorzug gegeben, in Bezug auf die zwei Fälle aber, wo er dem nicht erhitzten Wein
                              den Vorzug zuerkannte, sich dahin ausgesprochen, daß die Differenz der zu
                              vergleichenden Weine sehr gering und fast unmerklich sey. Er hat bei keiner der von
                              ihm gekosteten Proben erhitzt gewesenen Weines einen besonderen, durch das Erhitzen
                              hervorgebrachten Geschmack (goût de cuit)
                              gefunden, obschon seine Aufmerksamkeit ausdrücklich auf diesen Punkt gelenkt worden
                              war.Aus dem Vorstehenden
                                    ergibt sich in Bezug auf die Verbesserung des Weines, daß die Veränderung zu
                                    wenig merklich ist, um die Operation des Erhitzens zu motiviren. Wenn
                                    dieselbe indeß mit jungem Wein ausgeführt wird, welcher viel Kohlensäure
                                    aufgelöst enthält, die beim Erhitzen fast gänzlich entweicht, so zeigt sich
                                    eine erheblichere Aenderung des Geschmackes und der Wein erscheint sofort
                                    merklich verbessert.
                              
                           Wenn auch die Veränderung, welche der Wein durch das Erhitzen erleidet, zu gering
                              ist, um sogleich eine sehr merkliche Verbesserung desselben zu bedingen, so verhält
                              es sich doch ganz anders in Bezug auf seine Conservation. Man
                                 braucht den Wein nur einige Minuten
                              
                              lang auf 60 bis 70° C. zu
                                 erhitzen, um ihm eine außerordentliche Widerstandsfähigkeit gegen alle
                                 Krankheiten, denen er sonst unterworfen ist, zu ertheilen. Dieß gilt von
                              jedem Wein, weißem und rothem, starkem und schwachem, sehr jungem und mehr oder
                              weniger altem. In Folge seiner letzten Versuche hofft Pasteur, daß schon eine Erwärmung auf 45° C. zur Conservation des
                              Weines ausreichen wird; noch niedriger darf jedoch die Temperatur, welcher man den
                              Wein aussetzt, nicht seyn. Daß schon eine Temperatur von 45° ausreicht,
                              dürfte besonders Beachtung verdienen; es dürfte nämlich hiernach möglich seyn,
                              namentlich in südlichen Gegenden, dem Weine durch die Sonnenwärme, also ohne Aufwand
                              von Brennstoff, die erforderliche Temperatur zu ertheilen, wenn man ihn in Schuppen,
                              die mit doppelten Glaswänden versehen wären, lagern ließe.Man hätte dabei weiter nichts zu befürchten,
                                    als daß die Faßdauben sich werfen möchten. Diese Art der Erwärmung würde
                                    sehr geeignet für die Flaschen seyn. Das Erhitzen der Fässer durch
                                    Wasserdampf geht auch sehr gut von statten.
                              
                           In seiner erwähnten Mittheilung hat Pasteur vergleichender
                              Versuche Erwähnung gethan, welche er mit zwei Sorten Pomard-Wein, einem
                              jüngeren und einem alten begonnen hatte. Dieser Wein ist jetzt in allen Flaschen,
                              welche nicht erhitzt wurden, in voller Verderbniß begriffen. In denjenigen Flaschen,
                              welche bis 65° erhitzt wurden, ist der Wein vollkommen unversehrt, ohne den
                              mindesten Absatz, während am Boden der Flaschen, welche den in Verderbniß
                              begriffenen Wein enthalten, die parasitische Vegetation, welche die Verderbniß
                              bedingt, einen zolldicken lockeren Absatz bildet, welcher nur drei Monate zu seiner
                              Entstehung gebraucht hat. Der erhitzte Wein ist auch im Uebrigen unverändert
                              geblieben, während der Wein, welcher nicht erhitzt wurde, einen bitteren und
                              unangenehmen Geschmack angenommen hat.
                           Pasteur hatte in der erwähnten Mittheilung auch, jedoch
                              immer noch etwas schüchtern, angegeben, daß der erhitzte Wein eine solche
                              Dauerhaftigkeit erlangt habe, um selbst in einer angebrochenen Flasche ohne
                              Verderbniß aufbewahrt werden zu können. Er ist jetzt im Stande, auch diese Angabe zu
                              bestätigen, wie nach seiner Theorie zu erwarten war. Wenn die Keime der dem Wein
                              eigenthümlichen Vegetationen durch die Wärme zerstört sind, so kann der Wein, wenn
                              er, wie es beim allmählichen Ausgießen aus einer Flasche der Fall ist, mit einem
                              beschränkten Luftvolum in Berührung ist, nur durch die Fortpflanzung der in dieser
                              Luft suspendirten Keime in Verderbniß übergehen, und wird, wenn diese Luft nicht
                              solche Keime enthält, welche sich in dem Weim entwickeln können, ganz unverändert bleiben
                              und nur der directen chemischen Wirkung des Sauerstoffs der Luft unterworfen seyn.
                              Der Erfolg entspricht ganz und gar dieser Voraussetzung; unter zehn Fällen, wo man
                              Wein, welcher erhitzt worden war, in einer angebrochenen Flasche stehen ließ, sind
                              wenigstens neun, in denen der Wein nicht die mindeste Säuerung erlitt, selbst wenn
                              man ihn Monate lang bei einer Temperatur von 30 bis 35° C. stehen ließ.
                           Pasteur spricht zuletzt die Ueberzeugung aus, daß das
                              Problem der unbegrenzten Conservation der Weine und des leichten Transportes
                              derselben in alle Gegenden der Erde durch das vorstehend erwähnte Verfahren
                              vollständig gelöst sey. (Comptes rendus, 1865, t. LXI p. 274; polytechnisches
                                    Centralblatt, 1866 S. 193.)Pasteur hat neuerlich seine Versuche und
                                    Beobachtungen in dem Buche zusammengestellt: Etudes
                                       sur le vin, ses maladies, causes qui les provoquent,
                                       procédés nouveaux pour le conserver et le vieillir.
                                       Paris 1866. Imprimerie
                                       impériale.