| Titel: | Ueber die irische Flachsindustrie; aus dem Berichte des Provinzial-Gewerbschul-Lehrers Dr. Finger aus Liegnitz über die internationale Ausstellung in Dublin 1865. | 
| Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. XVIII., S. 57 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XVIII.
                        Ueber die irische Flachsindustrie; aus dem
                           Berichte des Provinzial-Gewerbschul-Lehrers Dr. Finger aus Liegnitz
                           über die internationale Ausstellung in Dublin 1865.
                        Aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des
                                 Gewerbfleißes in Preußen, 1866 S. 101.
                        Finger, über die irische Flachsindustrie.
                        
                     
                        
                           In der Anordnung des folgenden Berichtes lege ich den Gang der Fabrication, die
                              Reihenfolge der Processe zu Grunde, durch welche der Flachs successive in das
                              verkäufliche Gewebe übergeführt wird. Da ich mich hauptsächlich an die von mir
                              selbst gemachten Beobachtungen halten will, so werde ich im
                           
                        
                           I. Abschnitte über den Anbau des
                                 Flachses,
                           den ich zu sehen keine Gelegenheit hatte, nur einige Notizen,
                              besonders statistische, anführen. Der Anbau des Flachses hat sich in Irland in den
                              letzten Jahren ganz außerordentlich gesteigert. Es waren 1847 88000 preuß. Morgen,
                              1862 225105, 1863 321138, 1864 452913 mit Flachs bestellt.
                           Die Steigerung macht sich besonders von 1862–1864 bemerklich, ist also wohl
                              hauptsächlich durch die Baumwollenkrisis hervorgerufen worden.
                           Es scheint mir nöthig hervorzuheben, daß das in Folge des Mangels an Baumwolle
                              hervorgetretene Bedürfniß an Flachs nicht eine so rasche, entsprechend steigende
                              Befriedigung durch vermehrten Anbau gefunden haben könnte, wenn nicht die
                              ackerbautreibende Bevölkerung schon vorher dafür gewissermaßen eingenommen und
                              vorbereitet gewesen wäre.
                           Die Gründe hierfür sind theils allgemeine, wie die Intelligenz und der Speculationsgeist des
                              englischen Landwirthes, dem die Rentabilität des Flachsbaues bereits klar geworden
                              war; ferner das so sehr für den Flachsbau geeignete Klima Irlands, und speciellere,
                              wie fortgesetzte Belehrungen über Anbau und Ertrag dieser Pflanze, welche von
                              verschiedenen für diesen Zweck gegründeten Vereinen, wie früher die „Royal flax improvement society,“ später
                              und gegenwärtig noch die „North east agricultural
                                    society,“ ebenso durch das „Belfast linen trade committee,“ noch fortdauernd ertheilt
                              werden und verständige Aufnahme gefunden haben. Endlich kann man den
                              Flachsfactoreien, die seit 1847 gegründet worden sind, einen gewissen Einfluß auf
                              den vermehrten Anbau zuschreiben, indem durch sie vielen Landwirthen ein bequemer
                              Absatz für ihr Rohmaterial geschaffen und ihnen die Arbeit der Flachszubereitung
                              abgenommen wurde.
                           Der Handelswerth der irischen Flachsernte des Jahres 1864 wird im „Belfast linen trade circular“ auf
                              4,500,000 Pfd. St. = 29,970,000 Thlr. angenommen, und dabei auf die Bedeutung eines
                              derartigen Geldumsatzes, der auf einen einzigen Artikel der Landwirtschaft entfällt,
                              aufmerksam gemacht. Auf den Morgen berechnet, ergibt sich ein Durchschnittsertrag
                              von 70 Thlr. netto.
                           Zur Aussaat wird in Irland vorzugsweise Leinsamen von Riga benutzt, demnächst
                              holländischer. Ueber die Anwendung einheimischer Saat scheint sich noch keine
                              abgeschlossene Ansicht gebildet zu haben. In den „Directions for the proper management of the flax crop, now published by the
                                    Belfast linen trade committee 1865“ wird ausgesprochen, daß
                              heimische Saat bisweilen ausgezeichnete Erträge geliefert habe, daß es aber in den
                              meisten Fällen besser seyn dürfte, den gewonnen Samen zur Fütterung oder zur
                              Oelgewinnung zu benutzen. Andererseits liegt mir eine Aufforderung des
                              „Belfast linen trade
                                    committee“ vom 13. Juli 1865 an die Landwirthe vor, dieselben
                              möchten ihre eigene dießjährige Leinsaat für das nächste Frühjahr aufbewahren, da
                              die Production derselben auf dem Continent, speciell in Holland, sehr beschränkt sey
                              und die Zufuhr nach Irland deßhalb nur sehr dürftig ausfallen könne. Hiernach wird
                              wahrscheinlich im Jahre 1866 irischer Samen in ausgedehnterem Maaßstabe verwendet
                              werden.
                           Die Bodenbearbeitung, Aussaat und Behandlung der Pflanze auf dem Felds geschieht fast
                              allgemein nach den rationellen Methoden, die besonders in Belgien befolgt und durch
                              vielfache mündliche und schriftliche Belehrungen der oben genannten Gesellschaften
                              in Irland immer mehr heimisch gemacht werden.
                           Das Klima der Insel ist dem Flachsbau sehr günstig, indem es eine frühe Aussaat gestattet und
                              durch besonders häufige Niederschläge im April die Entwickelung der jungen Pflanze
                              begünstigt.
                           
                        
                           II. Flachsbereitung; Rösten, Brechen,
                                 Schwingen.
                           Was die weitere Behandlung des Flachses betrifft, so ist zu unterscheiden:
                           
                              1) das Verfahren der kleineren Landwirthe, die den erbauten
                                 Flachs selbst weiter zurichten, zum wenigsten ihn selbst rösten, und
                              2) die Methode, die von den größeren Flachsfactoreien befolgt
                                 wird.
                              
                           Das erstere wird in weit überwiegendem Grade geübt. Der Flachs wird gerauft, ehe der
                              Samen die volle Reife erlangt hat, unmittelbar darauf geriffelt und dann dem Rösten
                              unterworfen. Dieß wird in Gruben von 16 Fuß Breite, 4 Fuß Tiefe und von
                              verschiedener Länge ausgeführt, welche gewöhnlich so angelegt werden, daß das Wasser
                              langsam Zu- und Abfluß hat. Sie befinden sich entweder in unmittelbarer
                              Nachbarschaft von Flüssen oder werden von Quellen gespeist. Da die letzteren meist
                              hartes Wasser liefern, so füllt man die Röstpfuhle schon einige Wochen vor Beginn
                              des Röstens, um durch das Stehen des Wassers an der Atmosphäre eine Ausscheidung
                              hartmachender Substanzen zu bewirken. Eisenhaltiges Wasser wird gänzlich
                              vermieden.
                           Die Dauer des Röstens beträgt je nach der Temperatur 8 bis 14 Tage. Nach Beendigung
                              desselben breitet man den Flachs zum Trocknen aus, wobei er mehrere Mal gewendet
                              wird. Hierauf schichtet man ihn zur Mittagszeit, wo er am trockensten ist, im Freien
                              oder in Scheunen in Haufen auf. Trocknen durch künstliche Wärme wird für schädlich
                              gehalten und gänzlich vermieden.
                           Die größeren Flachsbereitungsanstalten mit fabrikmäßigem Betriebe, von denen die
                              erste 1847 gegründet wurde, und welche sich anfangs rasch vermehrten, so daß 1851
                              schon 19 in Thätigkeit waren, haben in der neueren Zeit keinen besonderen Zuwachs
                              erfahren. Gegenwärtig ist in Palmerstown nahe bei Dublin ein Actienunternehmen in
                              der Bildung begriffen, welches unter anderen Geschäftszweigen auch den betreiben
                              will, rohen Flachs von den Landwirthen zu kaufen und denselben zu bearbeiten. In dem
                              ausgegebenen Programme wird verheißen, daß das Rösten nach einem verbesserten System
                              vorgenommen werden soll, wornach jede Art von Wasser verwendet und in jeder
                              Jahreszeit, ausgenommen zur Frostzeit, geröstet werden kann; auch sollen in keiner
                              Weise die bestehenden Fischereigesetze verletzt werden. Gleichzeitig will die
                              Compagnie auf 40 Acres Land einen Musterflachsbau anlegen, durch welchen 30 bis 50
                              Proc. mehr denn gewöhnlich in Irland gewonnen werden sollen. Das in Aussicht
                              gestellte Röstverfahren ist mir indeß nicht bekannt geworden.
                           Die im Betriebe befindlichen Flachsbereitungsanstalten in Irland arbeiten, wie mir
                              mitgetheilt wurde, hauptsächlich nach dem zu Courtray in Belgien üblichen Verfahren,
                              dessen wichtigster Unterschied von dem oben geschilderten darin besteht, daß der
                              Flachs nicht unmittelbar nach dem Raufen geröstet wird (Grünröste), sondern erst
                              nachdem er vollkommen getrocknet ist (Trockenröste). Das Rösten geschieht dann
                              frühestens im nächstfolgenden Jahre beim Eintritt des wärmeren Wetters und dauert
                              ununterbrochen fort, so lange es die Witterung erlaubt.
                           Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, der besonderen Sorgfalt zu erwähnen, die
                              man zu Courtray dem Röstprocesse zuwendet. Ohne das Verfahren vollständig zu
                              beschreiben, bemerke ich, daß man den Flachs, nachdem er eine gewisse Zeit im Wasser
                              gestanden, heraus nimmt, trocknet und Brech- und Schwingproben damit
                              anstellt; zeigt er sich noch nicht genügend geröstet, so wird er aufs Neue in's
                              Wasser gesetzt, und dieß vielleicht nochmals wiederholt. Das Trocknen geschieht
                              ebenfalls mit der größten Achtsamkeit. Man vermeidet, daß der gebreitete Flachs vom
                              Thau getroffen wird, und setzt ihn deßhalb gegen Abend in Capellen auf. Dasselbe
                              geschieht zur heißesten Mittagszeit, um die Einwirkung übergroßer Sonnenwärme zu
                              verhüten, ferner bei eintretendem Regen. Sogar das Brechen und Schwingen wird in den
                              heißesten Tagesstunden ausgesetzt.
                           Es berührt deßhalb fast schmerzlich, wenn ich der unvollkommenen Methoden gedenke,
                              die ich in der Hauptflachsgegend Niederschlesiens zu Klopschen bei Glogau befolgen
                              sah, durch welche natürlich ein weit geringeres Product erzielt wird. Als ich Mitte
                              August dort verweilte, kamen von verschiedenen Orten, oft aus bedeutenden
                              Entfernungen, aus der Sprottauer, Steinauer, sogar aus der Posener Gegend Zufuhren
                              von rohem Flachs an. Dieser wird von den Bewohnern des Dorfes gekauft und zugleich
                              mit dem von ihnen selbst erbauten verarbeitet. Der Flachs wird in Gruben und Teichen
                              1 bis 2 Tage eingeweicht und hierauf auf Feldern ausgebreitet der Thauröste
                              unterworfen. Alle Zufälligkeiten des Wetters üben nun ihren schädlichen Einfluß; so
                              hatten anhaltende Regen in diesem Jahre einen Theil des Flachses beim Rösten stockig
                              gemacht. Das Trocknen geschieht zum Theil durch künstliche Wärme, indem der Flachs
                              während des Winters in die Backöfen gelegt wird. Die Nachtheile eines solchen
                              Verfahrens sind notorisch. Es unterliegt keinem Zweifel, daß hier noch fortgesetzte
                              Belehrung über Verbesserungen in der Behandlung des Flachses von großem Nutzen seyn
                              würde.
                           
                           Die weitere Bearbeitung des Flachses, das Brechen und Schwingen, wird in Irland fast
                              nur mit Maschinen ausgeführt. Zuerst fanden die durch Menschenkraft getriebenen
                              kleineren Maschinen Eingang; gegenwärtig aber werden fast nur größere angewendet,
                              die mit Wasser- oder Pferdekraft bewegt werden. Solche Maschinen sind
                              entweder an bestimmten Plätzen fest aufgestellt, oder werden an verschiedene Orte
                              transportirt und arbeiten für Bezahlung. Die ältere Brechmaschine, die am häufigsten
                              angewendet wird, besteht aus drei hölzernen cannelirten Cylindern, die horizontal
                              und über einander liegen; das Flachsstroh wird zwischen die beiden oberen eingelegt
                              und kehrt zwischen den beiden unteren gebrochen zum Arbeiter zurück. Dieß wird
                              mehrere Mal wiederholt und der Flachsstengel erscheint dann platt gedrückt und das
                              Holz mehr zerquetscht als zerbrochen. Ich glaube, daß die Faser hierbei gänzlich
                              unverletzt bleibt. Die rasche Abnutzung der Rollen dürfte allein ein Nachtheil
                              dieser Einrichtung seyn.
                           Es sind mehrere neue Brechmaschinen construirt und als Verbesserungen bezeichnet
                              worden, z.B. von Friedländer
                              Polytechn. Journal Bd. CLXX S. 173
                                    und Bd. CLXXI S. 395. und von Rowan.Polytechn. Journal Bd. CLXVI S. 19
                                    und Bd. CLXIX S. 154. Sie bestehen sämmtlich aus einer Anzahl geriefter Rollen aus Eisen, in
                              verschiedener Anordnung. Ich habe beide arbeiten sehen und fand das Stroh weit
                              stärker gebrochen als bei der alten hölzernen Maschine. Es läßt sich annehmen, daß
                              die Faser hierbei doch stärker angegriffen wird.
                           Die Maschinen zum Schwingen des gebrochenen Strohes sind gegenwärtig ebenfalls von
                              mannichfacher Construction. In der Dubliner Ausstellung sah ich die von Friedländer und von Rowan
                              arbeiten, in Verbindung mit den oben genannten Brechern. Da es sich hier um eine
                              Empfehlung an die Oeffentlichkeit handelte, so waren natürlich besonders geübte
                              Arbeiter angestellt, und der verwendete Flachs war von hervorragender Güte im
                              Wachsthum und in der Röstung. Brechen und Schwingen ging daher sehr rasch von
                              statten, und das erhaltene Product war von ausgezeichneter Beschaffenheit, und es
                              gab verhältnißmäßig wenig Abfall von Schwingwerg; dieß letztere war besonders bei
                              der Maschine von Rowan der Fall. Für beide, besonders für
                              die von Friedländer, liegen mir eine Anzahl günstiger
                              Atteste von Landwirthen und Spinnern vor, in welchen sowohl die Leistungsfähigkeit
                              der Maschinen, als die Quantität und Qualität des Productes hervorgehoben
                              werden.
                           In Betreff der Maschine von Friedländer muß ich einer
                              Beurtheilung erwähnen, welche dieselbe in Schlesien, in der Flachsbereitungsanstalt
                              anstatt zu Suckau,
                              gefunden hat. Dort sind durch den Director der Anstalt vergleichende Versuche mit
                              der Maschine von Friedländer und der älteren irischen
                              angestellt worden, welche zum Nachtheile der ersteren, sogar in Rücksicht auf
                              Geschwindigkeit ausgefallen sind. Die Friedländer'sche
                              war dabei von einem geübten irischen Arbeiter bedient, die ältere irische von
                              Arbeiterinnen der Fabrik. Auch Hr. v. Nuhn zu
                              Ober-Gerlachsheim, der sich viel mit Flachsbereitung beschäftigt hat, sprach
                              sich nicht ganz günstig über die Leistungen der Friedländer'schen Maschine aus. An beiden Orten bediente man sich
                              fortgesetzt der älteren irischen. An dieser habe ich bei Belfast eine Abänderung
                              gesehen, die wohl als Verbesserung betrachtet werden darf. Während meistens nur zwei
                              Arten von Schlägern vorhanden sind, solche mit stumpferer und mit schärferer Kante,
                              fand ich dort dreierlei angewendet. An den Armen des ersten Rades waren als Schläger
                              dicke Holzstücke mit breiter abgerundeter Kante angebracht, welche gewissermaßen die
                              Arbeit des Brechens fortsetzen, indem durch die eigentlichen Brecher nur mehr ein
                              Zerquetschen des Holzes bewirkt wird. Zugleich findet dabei ein behutsames
                              Vorschwingen statt. Die weitere Reinigung wird dann auf einem zweiten mit schärfer
                              zugekanteten Schlägern fortgesetzt und endlich auf einem dritten mit den schärfsten
                              Schlägern vollendet. Die mir vorgelegten, in meiner Gegenwart geschwungenen Proben
                              fand ich sehr rein und gleichmäßig ausgeschwungen. Drei Arbeiter sollen auf dieser
                              Mühle täglich 300 Pfd. engl. = 272,16 Pfd. preuß. schwingen können; ein nahezu
                              gleiches Ergebniß, wie auf den Schwingmühlen mit zweierlei Schlägern erreicht wird,
                              wo zwei Feinschwinger und ein Vorschwinger täglich bis zu 3 Ctr. geschwungenen
                              Flachs liefern. Ein Schwinger verdient in Irland wöchentlich 14 bis 18 Sh.
                           Handschwingerei ohne alle Maschinen wird auch noch in geringem Grade getrieben; das
                              erzielte Product hat jedoch stets niederem Preis als das mit Maschinen
                              geschwungene.
                           Das beim Schwingen abfallende Werg hat bis jetzt nur zum kleinen Theil zum Spinnen
                              Verwendung gefunden; man nimmt an, daß jetzt etwa 40000 Tonnen = 812800 Ctr. preuß.
                              jährlich Schwingwerg in Irland abfallen. Von diesen gehen nur 10000 Tonnen nach
                              Dundee, wo dieselben nebst Jute zu Nessians, Sackings
                              und Drills verarbeitet werden; die übrigen 3/4 werden
                              als Viehstreu verwendet oder verbrannt. Gegenwärtig ist die Aufmerksamkeit in
                              höherem Grade diesem Artikel zugewendet, und man will mit Hülfe verbesserter
                              Reinigungsmaschinen das Schwingwerg in ausgedehnterem Maaßstabe zur Spinnerei und
                              Weberei verwenden. Neben der oben erwähnten Actiengesellschaft für Flachsbau wird sich zu
                              Palmerstown eine zweite für Flachs-, Werg- und Jutespinnerei bilden,
                              die auch das Schwingwerg verarbeiten will.
                           Trotz des bedeutenden Flachsanbaues in Irland vermag das Land noch bei weitem nicht
                              die Spinnereien der vereinigten Königreiche mit Material zu versorgen. Es mußten in
                              den ersten 10 Monaten des Jahres 1864 noch für 4,609,134 Pfd. Sterl. Flachs
                              eingeführt werden. Die Einfuhr hat sich nicht bedeutend gegen die Vorjahre
                              gesteigert; sie betrug in gleich viel Monaten im Jahre 1862 4,000,044, 1863
                              3,248,137 Pfd. Sterl.
                           Man kann den im Lande producirten Flachs auf nicht ganz 1/3 von dem überhaupt
                              verbrauchten abschätzen. Die Zufuhren finden vorzüglich aus Rußland, Frankreich und
                              Belgien statt. Belgien liefert die Flächse für die höheren Garnnummern.
                           
                        
                           III. Spinnerei und Weberei.
                           Entsprechend dem vermehrten Flachsverbrauch ist die Production der Flachsspinnereien
                              bedeutend gestiegen. Man hat in den bereits bestehenden Etablissements die Anzahl
                              der Spindeln vermehrt und auch verschiedene neue Spinnereien gegründet.
                           Irland hatte 1864 74 Spinnereien mit 641800 Spindeln in Thätigkeit, deren Zahl noch
                              um 50000 vermehrt werden sollte; außerdem werden fünf neue Spinnereien mit 45000
                              Spindeln errichtet. Hiernach würde vielleicht jetzt schon die Gesammtzahl der
                              Spindeln in Irland 736,800 betragen. Wie viel Spindeln im Jahre 1864 in den
                              vereinigten Königreichen im Betriebe sind, dafür liegen mir keine Angaben vor; 1862
                              waren es 1,265,000.
                           Die Ausfuhr an Garn aus den vereinigten Königreichen betrug in je 11 Monaten, Januar
                              bis November
                           
                              
                                 1861 für
                                 1,455,094
                                 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                                 1862  „
                                 1,706,698
                                 „    
                                    „
                                 
                              
                                 1863  „
                                 2,276,932
                                 „    
                                    „
                                 
                              
                                 1864  „
                                 2,821,913
                                 „    
                                    „
                                 
                              
                           Die Garnproduction erstreckt sich auf alle Grade der Feinheit. In der Actienspinnerei
                              York street mill zu Belfast sah ich ausgezeichnete
                              Garne bis zu 230 leas. Gerade in den hohen Nummern bis
                              zu 350 leas steht Irland und England noch immer
                              unerreicht da. Auch die Fabrication der Werggarne ist zu einem hohen Grade von
                              Vollkommenheit gediehen, indem dieselben bis zu 150 leas
                              von gleichmäßig rundem, knotenfreien Faden geliefert werden, welche den Flachsgarnen
                              vollkommen an die Seite zu stellen sind.
                           
                           Die Dubliner Ausstellung enthielt sowohl von brittischen Flächsen als Garnen nur
                              minutiöse Proben, die keine Vergleichung gestatteten.
                           In den Einrichtungen der von mir besuchten irischen Spinnereien fand ich wenig
                              Besonderes, was der Erwähnung werth gewesen wäre. In einer neu errichteten in der
                              Nähe von Combes sah ich eine Methode Garn zu trocknen, die mir neu war. Sie bestand
                              darin, daß die Garne durch ein System von 15 hohlen Walzen oder Trommeln aus
                              Eisenblech passirten, die mit Dampf geheizt werden. 8 liegen unten in einer Reihe
                              parallel und horizontal, 7 über den Zwischenräumen jener in einer oberen Reihe. Jede
                              Walze hat etwa 1 Fuß Durchmesser und 6 Fuß Länge. Die Temperatur derselben schätzte
                              ich auf 70° C. Die Garnweisen sind durch schnallenartige Ringe von Messing an
                              einander befestigt, so daß sie einen ununterbrochenen Zug bilden, und passiren
                              abwechselnd oben und unten die durch ein System von Zahnrädern in langsamer Drehung
                              begriffenen Walzen. Die naß aufgegebenen Garne kamen nach einmaligem Durchgange
                              vollkommen trocken aus der Maschine. In Rücksicht auf die Geschwindigkeit des
                              Trocknens halte ich die Maschine für empfehlenswerth.
                           In keiner Spinnerei sah ich besondere Vorrichtungen für Ventilation; die Luft war
                              daher auch sehr schlecht. Für das Wohlbefinden ihrer Arbeiter scheinen sonach die
                              englischen Fabrikanten nicht die Sorgfalt an den Tag zu legen, die ich in
                              verschiedenen Etablissements in Preußen, wie zu Erdmannsdorf, Liebau und ganz
                              besonders in der Ravensberger Spinnerei bei Bielefeld angewendet sah. Die Löhne
                              betragen für einen Hechler wöchentlich 21 Sh., für ein Spinnmädchen 6 bis 9 Sh.
                           Zur Weberei übergehend, bemerke ich, daß die Handweberei in fortwährender Abnahme
                              begriffen ist und nur für die feinsten Garnnummern über 80 leas hinaus hauptsächlich noch Beschäftigung findet.
                           Im Jahre 1859 existirten in Irland 28 Maschinenwebereien mit 3633 Stühlen, 1864 aber
                              42 Etablissements mit 6187 Stühlen, die im Jahre 1865 noch bedeutend vermehrt worden
                              seyn sollen.
                           Die vereinigten Königreiche exportirten während je 11 Monaten, Januar bis November,
                              an gewebten leinenen Waaren:
                           
                              
                                 1861 für
                                 3,335,771
                                 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                                 1862  „
                                 4,152,725
                                 „
                                 
                              
                                 1863  „
                                 5,234,413
                                 „
                                 
                              
                                 1864  „
                                 6,993,519
                                 „
                                 
                              
                           Da de Export in Geldwerth ausgedrückt ist, so würde der Einkaufspreis des Flachses,
                              der ebenfalls eine Steigerung erfahren hat, in Betracht zu ziehen seyn, um aus den
                              gegebenen Zahlen die Vermehrung des Quantums der exportirten Gewebe richtig zu
                              beurtheilen. Dasselbe gilt von den oben mitgetheilten Zahlen über den
                              Garnexport.
                           Die englischen Fabrikanten haben aber jedenfalls die durch Mangel an Baumwolle
                              hervorgerufene günstige Conjunctur für Flachsfabricate zu benutzen verstanden.
                           Was die Beschaffenheit der Gewebe betrifft, so ist mir vor Allem die große
                              Mannichfaltigkeit derselben bemerkenswerth gewesen. Diese zeigte sich sowohl in den
                              verschiedensten Abstufungen der Stärke und Feinheit, als der Breite, der Bleiche und
                              Appretur, endlich in der Färbung und Bedruckung. Den verschiedenartigsten
                              Bedürfnissen schien Rechnung getragen. Ganz besonders mannichfaltig aber fand ich
                              die leichteren Gewebearten hergestellt, welche ihrer Billigkeit und lockeren
                              Beschaffenheit wegen die baumwollenen Stoffe zu ersetzen bestimmt sind, und
                              besonders nach dem mittleren und südlichen Amerika (Westindien), nach der Türkei,
                              Ostindien und China exportirt werden. Von diesen sah ich in dem Lager von Fenton Sohn und Comp. zu
                              Belfast:
                           Brown mantle linen, nicht ausgebleichte, lockere, glatte
                              Gewebe von gelblich grauer Farbe.
                           Linen für Blousen, 1 Yard breit, in Naturfarbe und
                              verschieden gefärbt.
                           Estopittas, weißes ordinäres Leinen in Stücken von 6 1/4
                              Yard Länge, zu je zwei Hemden bestimmt.
                           Platillas, 3/4 Yard breit, sehr locker und dünn, von
                              starkem Faden mit vollkommenster Appretur.
                           Cregwelas linen, von gelblich weißer Farbe, 1 Yard
                              breit.
                           Dhoties, sehr lockere Stoffe für Mäntel und Kleider, in
                              Stücken von 9 1/2 Yard Länge, 3/4 bis 5/4 Yard breit, orangegelb, auch in anderen
                              Farben, endlich gewürfelt roth und gelb, deßgl. halb gebleicht, ungefärbt mit
                              brauner Borte.
                           Bedruckte Leinen in Stücken für je ein Hemd.
                           Ruanes, sehr bunt bedruckt mit Kanten, welche große
                              Figuren von Vögeln und Blumen enthalten.
                           Braunen Drell, sehr dünn gewebt mit hoher Glanzappretur.
                           Union lawn dresses mit leinener Kette und baumwollenem
                              Schuß, roth, gelb und bunt bedruckt.
                           Die genannten Stoffe waren für Westindien bestimmt. Außerdem
                           Scrims, lockere, leinene Stoffe, weiß mit gelben,
                              braunen und schwarzen Streifen am Rande, für Turbane nach der Türkei bestimmt.
                           Zum heimischen Gebrauch und für den Continent werden meist nur dichtere Gewebe
                              gearbeitet. Das häusliche Bedürfniß des Engländers verlangt eine große
                              Mannichfaltigkeit der Gewebe für verschiedene Zwecke, besonders für Bettwäsche. Die
                              für einheimische Verwendung verfertigten hatten eine weniger glänzende, oft ganz
                              matte Appretur, während besonders die für Deutschland und Rußland bestimmten den
                              höchsten Grad der
                              Glanzappretur zeigten. Von den ersteren zeichnete sich ein 7/8 Yard breites Leinen
                              aus, von äußerst milder, weicher Beschaffenheit ohne allen Glanz; ferner sheetings zu Betttüchern, bisweilen von sehr bedeutender
                              Breite, auch auf Handstühlen gewebte, 3 Yard breit; alsdann Leinen für
                              Kopfkissenüberzüge, fronting linen für Hemdeinsätze,
                              ebenfalls nicht glänzend appretirt.
                           Unter den für den Export nach Deutschland bestimmten Leinenwaaren hebe ich vorzüglich
                              weiße Taschentücher hervor, mit einfachem weißem Rande und dem höchsten Grade der
                              glänzenden Appretur.
                           Auf der Dubliner Ausstellung war ein Theil der aufgeführten Gewebe ebenfalls
                              vertreten, vorzugsweise jedoch die feineren und schwereren Fabricate.
                           Der Schwerpunkt der irischen Leinwandfabrication liegt gegenwärtig in der Darstellung
                              der leichteren, lockeren Gewebe, welche, in außerordentlichen Quantitäten producirt,
                              die baumwollenen Stoffe besonders in den wärmeren Erdstrichen ersetzen sollen.
                           
                        
                           IV. Bleicherei und Appretur.
                           Die irischen Bleichereien, welche ich gesehen habe, waren zum Theil nicht sehr
                              vollkommen und elegant eingerichtet, so daß ihnen darin verschiedene Bleichereien
                              Preußens, wie die der Herren Methner zu Landeshut und die
                              Actienbleicherei Friedrich Wilhelm bei Bielefeld den Rang
                              ablaufen. Einen Vorzug, der leider nicht einzuholen ist, haben die irischen jedoch
                              voraus, das Klima, dessen Feuchtigkeitszustand eine ganz besonders üppige
                              Grasvegetation hervorruft, welche für die Vollendung der Bleiche von sehr hoher
                              Bedeutung ist.
                           In einer der größten Bleichereien, welche ich zu sehen Gelegenheit hatte und deren
                              Einrichtungen allerdings sehr vervollkommnet waren, habe ich einige Beobachtungen
                              gemacht, die vielleicht für unsere einheimischen Etablissements von Interesse seyn
                              dürften.
                           Zunächst wurde die rohe Leinwand keinem Gährprocesse unterworfen, um die Schlichte zu
                              zerstören und zu lösen. An die Stelle dieses Processes trat ein Einweichen in
                              Kalkwasser, dem dann die übrigen Proceduren, das Behandeln mit kochender Soda,
                              Auswaschen mit der irischen Walke, Chlor- und Säurebäder, Auslegen auf den
                              Rasen in bekannter Weise folgten. Bei dem hohen Grade von Weiße, den die Leinwand
                              durch das Bleichen erreichte, war eine Anwendung von gebläuter Stärke nicht
                              nothwendig. Sie wurde rein weiß angewendet. Welches die besonderen Zuthaten zu der
                              Stärke gewesen seyn mögen, habe ich nicht zu ermitteln vermocht.
                           
                           Die gestärkte Leinwand passirte hierauf eine Trockenmaschine von einer Construction
                              die mir neu war, deren Wirkung ich jedoch zur Erreichung einer hohen Appretur für
                              sehr bedeutungsvoll halte. Dieselbe bestand aus zwölf geheizten Walzen aus
                              Eisenblech, welche horizontal und parallel hinter einander angebracht sind; jede hat
                              etwa 15 Zoll Durchmesser. Unterhalb zwischen je zwei Walzen sind aus Latten
                              zusammengesetzte Rollen von derselben Lage wie die Walzen angebracht, die als
                              Führungen dienen. Die Walzen werden durch Räderwerk gedreht. Die Leinwand passirt
                              die erste Walze, geht dann nach unten um die Rolle, hierauf empor nach der zweiten
                              Walze u.s.f. Die ersten Walzen sind am stärksten geheizt, die folgenden schwächer
                              bis auf die gewöhnliche Temperatur herab.
                           Die letzte Zurichtung wird durch Beateln bewirkt; eine Mangel war nicht vorhanden. An
                              die Stelle des Mangelns tritt Calandern. Dieß wird entweder durch zwei
                              Gutta-perchawalzen bewirkt, oder durch zwei Holzwalzen, zwischen denen eine
                              Messingwalze sich drehte. Durch die letztere Vorrichtung wird der Faden sehr glatt
                              gedrückt; sie eignet sich besonders für sehr lockere Gewebe.
                           Die Garnbleicherei bot nichts Besonderes dar; nach dem Kochen mit Soda, Behandeln mit
                              Chlor und Säure (wobei die Säurebäder überaus schwach waren), folgt die Vollendung
                              der Bleiche durch Auslegen auf den Rasen. Das Trocknen der gebleichten Garne geschah
                              entweder nur an der Luft oder über den Kochapparaten durch künstliche Wärme.
                           In einer anderen Bleicherei sah ich dagegen noch die gewebten Stoffe dem
                              Gährungsprocesse unterwerfen. Zum Appretiren von Damasten wurde eine sehr klebrige
                              gebläute Stärke angewendet. Das Trocknen nach dem Stärken geschah mittelst einer aus
                              fünf geheizten Walzen bestehenden Maschine, von denen zwei oben, drei unten lagen.
                              Es wurde nur gebeatelt, nicht gemangelt. Die Appretur zeigte sich von hohem Glanze
                              und großer Frische.
                           Die Lohnsätze der Bleichereien stellen sich für einen Arbeiter täglich auf 1 1/2 bis
                              2 Sh., für einen Aufseher auf 3 Sh. 4 P.
                           
                        
                           V. Auf die letzte Zurichtung der Gewebe,
                                 das Legen, Pressen, Decoriren und Verpacken
                              
                           wird eine überaus große Sorgfalt verwendet. Die Räume in denen
                              es geschieht, lapping rooms, sind hell, freundlich und
                              von minutiöser Reinlichkeit. Die Arbeiter (lappers)
                              männlichen und weiblichen Geschlechtes, von der höchsten Sauberkeit in der Kleidung,
                              sind von Jugend auf in dem Geschäfte geübt. Das Zusammenlegen geschieht so
                              sorgfältig, daß die
                              Stücke wie vom Buchbinder beschnitten aussehen. Vorher wird jedes Gewebe genau
                              durchgesehen und alle fehlerhaften, durchlöcherten oder schmutzigen Stellen bemerkt;
                              die Länge wird genau gemessen und auf der Etiquette wahrheitsgetreu angegeben. Der
                              Lohn eines Lappers ist per Tag 4 Sh. 2 P.
                           Die äußere Decorirung, Einschnürung, Etiquettirung und Verpackung ist Gegenstand ganz
                              besonderer Aufmerksamkeit. Vor Allem sind die Papieretiquettes mit dem höchsten
                              Geschmacke in Farbenzusammenstellung und Zeichnung gewählt. Wenn ich die englischen
                              Etiquettes mit denen eines böhmischen Ausstellers auf der Dubliner Ausstellung
                              verglich, so machte sich ein Unterschied zwischen künstlerischer Ausführung und
                              handwerksmäßigem Betriebe bemerklich.
                           Bei der irischen Abtheilung der Ausstellung war zugleich eine lithographirte
                              Mustersammlung für Etiquettes in höchst geschmackvollen Zeichnungen ausgelegt,
                              verfertigt von J. and T. Smith, draughtmen and engravers, Belfast.
                           Nachdem ich im Vorstehenden diejenigen Beobachtungen über die einzelnen Zweige der
                              Leinenindustrie Irlands, welche mir zu machen vergönnt gewesen sind,
                              zusammengestellt habe, möchte ich nach denselben zum Schlusse eine Parallele in den
                              wesentlichsten Punkten zwischen den Leistungen der irischen, resp. englischen und
                              der meines preußischen Vaterlandes, insbesondere Schlesiens, in Kürze ziehen.
                           In Rücksicht auf die Anbau- und Zubereitungsmethoden des Flachses hat Irland
                              sich schneller das rationelle Verfahren, wie es sich in Belgien herausgebildet hat,
                              allgemeiner zu eigen gemacht, als dieß bei uns geschehen ist. Obschon auch in
                              unserer Provinz auf Veranlassung der Behörden, der landwirtschaftlichen Vereine und
                              von einzelnen intelligenten Landwirthen vielfache Belehrungen über Flachscultur und
                              deren Rentabilität ertheilt worden sind, so wird diesem Zweige besonders von Seiten
                              der kleinen Grundbesitzer noch nicht die volle Aufmerksamkeit zugewendet. Der Anbau
                              könnte noch in größerem Maaßstabe stattfinden, und das Product müßte sich noch zu
                              höherem Werthe cultiviren lassen. Die Flachsbereitung, insbesondere das Rösten ist
                              in Schlesien noch an vielen Orten höchst mangelhaft. Die Thauröste, welche man bei
                              uns noch so vielfach anwendet, hätte schon längst verbesserten Methoden weichen
                              müssen; ebenso dürfte das Trocknen bei Ofenwärme nicht mehr stattfinden. Der
                              Gebrauch von Brech- und Schwingmaschinen findet noch in zu geringem Grade
                              statt; auch könnte der Reinigung und Verwendung des Schwingwergs mehr Aufmerksamkeit
                              geschenkt werden. Es dürfte von Erfolg seyn, wenn besonders in den flachsbauenden
                              Districten die Lehrer der
                              Volksschulen, ähnlich wie sonst für Seidenbau und Obstbaumzucht, durch Belehrungen
                              über die Behandlung des Flachses zu wirken veranlaßt würden.
                           Dem durch die Conjuncturen der letzten Jahre hervorgerufenen, überaus gesteigerten
                              Bedürfniß für Leinenfabricate ist bei uns nicht durch rasche und entsprechende
                              Vermehrung der Zahl der Flachsspindeln entsprochen worden. Während sich in den
                              benachbarten böhmischen Districten die Garnproduction rasch gesteigert hat, wurde
                              durch die Erhöhung des Einfuhrzolles für Garn nach Schlesien die Benutzung dieses
                              Artikels für unsere Weberei erschwert. Die Maschinenweberei fängt bei uns erst an
                              sich Bahn zu brechen.
                           Wichtig scheint es mir, nochmals hervorzuheben, daß die Engländer in richtiger
                              Beurtheilung des Bedürfnisses, bei der Herstellung leinener Gewebe ihr Augenmerk
                              vorzüglich auf die dünnen, leichten und billigen Sorten gerichtet haben, welche die
                              baumwollenen zu ersetzen bestimmt sind, und es steht in Frage, ob sich nicht eine
                              erhöhte Gewöhnung an dergleichen leinene Gewebe unter den Consumenten besonders der
                              wärmeren Erdgegenden einstellen dürfte, welche auch später, wenn die Baumwolle
                              billiger geworden ist, der Leinwand den Vorzug gibt.
                           In der Färbung und Bedruckung leinener Gewebe haben die Engländer wohl ebenfalls dem
                              Bedürfnisse und Geschmack des Publicums höhere Rechnung getragen, als dieß bei uns
                              geschehen ist. Kleiderstoffe und besonders Taschentücher werden in Irland mit feinem
                              und ausgebildetem Geschmacke in Bunt dargestellt und haben sich große Beliebtheit
                              errungen. Es ist vorzüglich die Anwendung matter Farben und geschmackvoller Dessins,
                              welche den bunten leinenen Taschentüchern auch Liebhaber unter den gebildeten
                              Ständen erworben hat, während die grellen Färbungen und wenig kunstreichen
                              Zeichnungen der bei uns fabricirten diese nur für den Gebrauch der niederen
                              Volksclassen geeignetgeeeignet machen.
                           Mannichfaltigkeit der leinenen Gewebe unter Berücksichtigung der verschiedenartigsten
                              Bedürfnisse sowohl für den heimischen Consum als für den Export bezeichne ich als
                              einen nicht zu verkennenden Vorzug der brittischen Leinenindustrie.
                           In der Bleicherei mag immerhin Irland den Vorzug des sehr geeigneten Klimas besitzen,
                              welches in der Entwickelung eines üppigen Graswuchses und in der längeren Dauer der
                              wärmeren Jahreszeit die letzte Vollendung des Bleichprocesses erleichtert.
                              Gleichwohl muß zugegeben werden, daß auf dem Gebiete der Bleicherei mehrere der
                              wichtigsten Erfindungen, wie die irische Walke und das Beatlingswerk, durch die unausgesetzten Versuche
                              der Engländer in's Leben gerufen und bei uns erst nachgeahmt worden sind. Zwar haben
                              wir gegenwärtig eine Anzahl musterhaft eingerichteter Bleichereien, aber das Feld
                              der Erfindungen und der Verbesserungen in diesem Industriezweige ist jedenfalls noch
                              lange nicht genügend angebahnt, und Versuche, nach den verschiedensten Richtungen
                              hin angestellt, dürften auch bei uns noch lohnende Früchte tragen.
                           Appretur, Aufmachung, Etiquettirung, Verpackung sind Manipulationen, die auf die
                              Herstellung eines schönen, den Käufer bestechenden Aeußeren berechnet sind, ohne den
                              inneren Werth der Waare wesentlich zu erhöhen. Sie sind jedoch im kaufmännischen
                              Verkehr überhaupt, besonders aber bei der Aufsuchung und Ausbeutung neuer
                              Absatzquellen von unbestreitbarer Wichtigkeit, indem sie beim Käufer ein günstiges
                              Vorurtheil erwecken. Natürlich muß Solidität der Waare in Bezug auf Quantität und
                              Qualität damit verbunden seyn.
                           Ich glaube, daß unsere Leinenindustrie in diesem Punkte die Engländer zu weit hat
                              voreilen lassen, und dennoch sind gerade diese Fabricationszweige nicht von
                              Naturbedingungen abhängig.