| Titel: | Das Faß-Abortsystem der Stadt Graz. | 
| Fundstelle: | Band 183, Jahrgang 1867, Nr. CXXV CXXVI. , S. 481 | 
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                              CXXV
                              CXXVI.
                              
                           
                        Das Faß-Abortsystem der Stadt
                           Graz.
                        Das Faß-Abortsystem der Stadt Graz.
                        
                     
                        
                           Die Stadt Graz lieferte im vergangenen Jahre, zur Zeit der so heftig in ganz
                              Deutschland auftretenden Cholera-Epidemie, einen glänzenden und überzeugenden
                              Beweis für die Möglichkeit, der furchtbaren Epidemie durch rationelle Maßregeln
                              Schranken zu setzen.
                           Graz liegt auf dem Wege zwischen Wien und Trieft, in welchen Städten die Cholera
                              heftig wüthete; zahlreiche Cholera-Flüchtlinge aus beiden Städten siedelten
                              sich in Graz an; Massen von Truppen vom Kriegsschauplatze im Norden und Süden wurden
                              nach Steyermark und besonders in die Umgebung von Graz verlegt, welche zahlreiche
                              Cholerakranke mitbrachten und es war daher kein Wunder, daß auch in Graz eine nicht
                              unbeträchtliche Anzahl heftiger Cholerafälle vorkam. Zahlreiche Krankheitsherde
                              waren über die ganze Stadt verbreitet; es kamen Häuser vor, wo 10 Erkrankungen
                              (meist Todesfälle) stattfanden und trotzdem beschränkte sich die Zahl der Opfer auf
                              circa 60, was bei circa.
                              70,000 Einwohnern ein ungemein günstiges Verhältniß ist, wenn man bedenkt, daß
                              darunter viele Personen waren, welche außerhalb Graz den. Krankheitskeim aufgenommen
                              hatten.
                           Diese günstigen Ergebnisse wurden durch eine äußerst sorgfältig gehandhabte
                              Sanitätspolizei erzielt, welche, wenn ein solcher Choleraherd auftauchte, sogleich
                              mit Energie einschritt, die nöthigen Desinfectionen vornahm, die Brunnen untersuchte
                              und diejenigen mit unreinem Wasser sofort schloß. Es hat sich zur Evidenz
                              herausgestellt, daß überall, wo die Cholera sich zeigte, eine Infiltration in den
                              Brunnen aus den Senkgruben nachzuweisen war, daß das angewendete Reagens,
                              Uebermangansaures Kali, dann stets im Trinkwasser organische Verunreinigungen
                              nachwies. – So gelang es, der schrecklichen Geißel frühzeitig Schranken zu
                              setzen, und auch bei einem später erfolgten sehr heftigen localen Ausbruch auf's
                              Neue die Verbreitung abzuschneiden.
                           Wesentlich ermöglicht wurde dieß durch das ausgezeichnete Faß-Abortsystem,
                              dessen sich Graz schon seit längerer Zeit erfreut. Die Excremente sammeln sich hier,
                              statt in undichten Senkgruben, in dicht schließenden Fässern an, welche
                              nöthigenfalls jeden Tag mit leeren Fässern gewechselt werden. Die vollen Fässer
                              werden, dicht verschlossen, nach dem Entleerungsort transportirt und liefern einen
                              ausgezeichneten Dünger. Meiner Erfahrung nach entspricht dieses System, wenigstens
                              für Städte bis zu
                              150,000 Einwohnern, besser als alle anderen Methoden und verdient schon aus
                              Sanitätsgründen die wärmste Empfehlung.
                           Hr. Ingenieur R. Linner, welcher sich bei dem Kampfe gegen
                              die Cholera hier am Orte die wesentlichsten Verdienste erworben hat, erstattete im
                              Auftrage des Stadtbauamtes einen eingehenden Bericht über dieses
                              Faß-Abortsystem, welchen er auf mein Ersuchen zur weiteren Verbreitung der
                              Redaction dieses Journals übermittelt hat.
                           Möge das Beispiel von Graz bald Nachahmung finden!
                           Professor H. Schwarz.
                           
                        
                           Beschreibung der in Graz bestehenden sogenannten Faßapparate
                                 für Mehrungsunrath, nebst Darstellung der Vortheile derselben; verfaßt von
                                 Rudolph Linner, Stadtbauamts-Ingenieur.
                           Mit Abbildungen auf Tab.
                                 IX.
                           Der Faßapparat besteht aus einem Fasse von starkem eichenen Holze mit eisernen
                              Reifen, mit gewöhnlich rothbraunem Oelfarbanstrich. In dem Fasse ist ein Deckel so
                              angebracht, daß es mittelst eines Eisenblechringes an demselben, und eines
                              beweglichen Keiles, endlich mit Lehmverschmierung wasserdicht verschlossen werden
                              kann. Der Deckel wird durch einen Keil, der durch einen Eisenbügel durchgesteckt
                              wird, gegen den Faßboden angezogen, worauf dann die Fugen mit Lehm, welcher von den
                              Faßfuhrleuten in der Apparatenkammer immer im Vorrathe gehalten wird, zu
                              verschmieren sind. Oberhalb der Oeffnung dieses Faßdeckels befindet sich ein
                              beweglicher Trichter, welcher den Unrath aus den Abtritten aufnimmt und in das Faß
                              leitet.
                           Dieser bewegliche Trichter kann beliebig construirt werden, und ist nur zu beachten,
                              daß die untere Oeffnung genau in die Faßöffnung passe, die obere Oeffnung aber dem
                              Querschnitte der Schlauchmündung oder des oberen größeren stabilen Trichters
                              entspreche, und daß derselbe auch möglichst leicht im Gewichte gehalten werde, um
                              bequem aufgestellt und abgenommen zu werden. Die übliche Form ist die einer
                              abgestutzten Pyramide.
                           Der Apparat ist zweifacher Art, der einfache und der doppelte. Der einfache besteht
                              aus einem zweieimerigen, und der doppelte aus einem fünfeimerigen Fasse. Jeder
                              dieser zwei Apparate hat zwei Fässer zum nöthigen Wechsel derselben. Die Anwendung
                              des einfachen oder des doppelten Apparates richtet sich nach der Größe der Gebäude
                              und nach der Zahl ihrer Bewohner. Zur größeren Bequemlichkeit kann bei stärkerer Benutzung eines
                              Apparates bei demselben ein Reservefaß aufgestellt werden. Als Maaßstab der
                              Beurtheilung, ob die Aufstellung eines einfachen oder eines doppelten Apparates
                              nothwendig sey, kann nach der Erfahrung angenommen werden, daß bei täglicher Räumung
                              ein einfacher Apparat für 60 Personen hinreicht, und erst wenn diese Zahl
                              überschritten ist, die Aufstellung eines doppelten Apparates nothwendig wird.
                           Es ist keineswegs erforderlich, daß zur Anwendung eines Apparates die Abtritte selbst
                              umgestaltet werden. Der Apparat kann bei jedem bestehenden Abtritte mit geringen
                              Kosten angebracht werden. Es ist hierzu nur die Umgestaltung der Senkgrube zu einem
                              Apparatenkeller, und die Herstellung der zweckmäßigen Verbindung der
                              Abtrittsschläuche mit dem Apparate erforderlich, welche mit sehr geringen Kosten von
                              jedem Bauverständigen bewerkstelligt werden kann.
                           Die Art dieser Verbindung hängt bei alten Abtritten natürlich von der Localität und
                              Beschaffenheit derselben ab. Für den Apparatenkeller ist bei einem einfachen
                              Apparate ein Raum von 5 bis 6' Höhe, 4' Breite und 5' Tiefe, und bei einem doppelten
                              von 6' Höhe, 5–6' Breite und 7' Tiefe hinreichend. Zur besseren
                              Versinnlichung, wie die Aufstellung dieser Apparate am leichtesten und
                              zweckmäßigsten zu bewerkstelligen sey, sind in den beigegebenen Zeichnungen
                              verschiedene Anwendungsarten anschaulich gemacht.
                           In Fig.
                                 1–6 ist ein Trichter-Abort im Grundrisse,
                              Längen- und Querschnitte, und ein Schlauch-Abort im Grundrisse und Querschnitte, in Verbindung mit
                              dem Faßapparate dargestellt. Die einzelnen Bestandtheile derselben sind in diesen
                              Figuren bezeichnet mit:
                           a gepflasterter Apparatenkeller,
                           b Apparat-Faß,
                           c beweglicher Trichter, d
                              Unterlaghölzer,
                           e feste verschalte Trichter,
                           f an denselben befestigte Stutzen,
                           g Zwangenhölzer,
                           h Sitzbret,
                           i Rutschbret,
                           k verschalte Sitzwand,
                           l Luftzüge,
                           m Luftschlauch,
                           n Schlauch,
                           o Stutzen oder Gainzen.
                           
                           In Fig. 7 und
                              8 ist das
                              Detail des Apparat-Fasses dargestellt; darin ist
                              mit a der Deckel, mit b der
                              Keil und mit c der Blechring bezeichnet.
                           Der Trichter-Abort wird zunächst bei Casernen, Schulen, Spitälern, Gasthäusern
                              u. dgl., überhaupt dort ausgeführt, wo die Anlage mehrerer Aborte neben einander
                              ohne Aufstellung separater Abfallschläuche wünschenswerth ist.
                           In einen Trichter können bei den gewöhnlichen Geschoßhöhen bis zu vier Aborte resp.
                              Sitzspiegel münden. In der Regel wird jedoch der Schlauch-Abort angewendet,
                              der auch namentlich bei älteren Gebäuden fast allerorts besteht.
                           Bei der Umgestaltung eines Senkgruben- (Latrinen-) Abortes in einen auf
                              Faßapparate zu richtenden Abort wäre, wie nachfolgend kurz skizzirt wird,
                              vorzugehen.
                           Die Senkgrube wird sorgfältig geräumt, gereinigt, die Mauern ausgebessert, das
                              Pflaster erneuert, und an zweckmäßiger Stelle die Stiege angebracht, endlich vor
                              derselben ein starker eiserner Ring, mit Kloben im Holzpflocke befestigt, im Boden
                              eingepflastert. An diesem Ringe befestigen die Faßfuhrleute den Strickhaken beim
                              Aufziehen der Fässer.
                           Die Stiegenstufen können in der Breite bis 5 1/2 Zoll reducirt werden und in der Höhe
                              bis zu 10 Zoll gehen.
                           Wo die Anbringung einer verticalen oder schiefliegenden Thür nicht ausführbar ist,
                              und wo selbe nicht in eine Passage zu liegen kommt, kann auch eine horizontale
                              Fallthür angebracht werden.
                           Der bestehende Schlauch wird nach Erforderniß entweder verlängert oder abgenommen,
                              das Faß untergestellt, der Trichter aufgesetzt, endlich das Wechselfaß ebenfalls in
                              der Kammer untergebracht. Hierdurch ist der Apparat vollendet.
                           Es erhellt aus Obigem, daß in constructiver Hinsicht die fragliche Umgestaltung kaum
                              nennenswerthe Schwierigkeiten bereitet, und daß die Kosten geringfügig sind, da
                              selbe in der Regel nur für die aus wenigen hölzernen Blockstufen bestehende Stiege,
                              die Apparatenkammerthür und die erforderlichen Mauerwerksausbesserungen, endlich die
                              Abortfässer aufzuwenden sind.
                           Ober der Kammer kann entweder eine Wölbung oder ein gewöhnlicher hölzerner Oberboden
                              angebracht werden. Bei Neubauten ist selbstverständlich die Apparatenherstellung
                              noch viel einfacher, und kann schon beim Bauprojecte auf die erforderlichen
                              Anlagebequemlichkeiten Bedacht genommen werden. In öffentlichen Gebäuden und
                              überhaupt bei jenen Aborten, wo der Fußboden der Verunreinigung durch Urin
                              ausgesetzt ist, erscheint es zweckmäßig, Trichter-Aborte auszuführen, den Fußboden mit
                              Asphalt oder Steinplatten mit Fugenverkittung herzustellen, und demselben einen Fall
                              gegen den Trichter derart zu geben, daß die Steinplatten mit einer Wassernase noch
                              in den Trichter hineinragen. In diesem Falle wird die Abortrutsche (nicht wie in der
                              Zeichnung am Fußboden angelegt, sondern) um 3 bis 4 Zoll ober der Steinplatte derart
                              gehoben, daß der Unrath nicht auf die Wassernase fallen kann, und doch die
                              Flüssigkeiten vom Fußboden leicht in den Trichter abfließen. Da die sämmtlichen
                              Constructionstheile durch die oben mitgetheilte Beschreibung der Zeichnungen erklärt
                              werden, so entfällt die Nothwendigkeit einer bezüglichen weiteren Erörterung.
                           Eine der zweckmäßigsten Vorsichten, um jeden Abort thunlichst geruchlos zu erhalten,
                              besteht in der verständigen Anbringung von Luftschläuchen und Luftzügen, von denen
                              einige Beispiele auch in der Zeichnung enthalten sind. Dießfalls gilt im
                              Wesentlichen folgende Norm:
                           Bei Schlauch-Aborten ist der Schlauch mittelst eines gewöhnlichen
                              Fichtenladenaufsatzes bis über das Dach zu verlängern. Bei Neugebäuden mauere man
                              (nach Art der russischen Rauchfänge) von jedem Abortplafond ausgehende, separate,
                              3- bis 4 zöllige Zugröhren, endlich dort wo eine Lüftung der Apparatenkammer
                              im Erdgeschoße nicht belästigend für die Nachbarschaft wirkt, bei abgelegenen Höfen
                              u. dgl., stelle man nach Art der Zeichnung ebenfalls Luftzüge her. Bei
                              Schlauch-Aborten kann dort, wo die Abortmauer an's Freie grenzt, nach der in
                              der Zeichnung dargestellten Construction für Luftschläuche gesorgt werden; im
                              anderen Falle wird die rückwärtige Mauerverschalung in einer Entfernung von 5 bis 6
                              Zoll von der Mauer angebracht, wobei dann der zwischenliegende Luftraum die
                              Ventilation vermittelt. Ober den Trichterkammern sind Aufsätze mit bis über das Dach
                              reichenden Ableitungsschläuchen nach der Zeichnung auszuführen.
                           Die Räumung der Apparate geschieht nach Maaßgabe der sich zeigenden Nothwendigkeit.
                              Von dem hierzu besonders aufgestellten Personale werden die Apparate täglich
                              ein- auch zweimal untersucht, die vollen Fässer beseitigt und die neuen
                              gehörig gereinigten Fässer untergestellt, wornach die vollen Fässer sogleich
                              fortgeschafft werden, so daß niemals eine wie immer geartete Verunreinigung der
                              Apparatenkeller eintreten kann. Bei der Verführung der Fässer ist namentlich darauf
                              zu sehen, und den Faßfuhrleuten unter Androhung bedeutender Strafen strenge
                              einzuschärfen, daß, wie die gefüllten, so auch die geleerten Fässer mit
                              geschlossenem Deckel transportirt werden, da beim Außerachtlassen der erwähnten
                              Vorsicht die beschmutzten Innenwände der Fässer durch die Deckelöffnungen penetrante
                              Gerüche abgeben, welche bei der Verführung durch die Gassen verbreitet werden.
                              Ferner haben die Fuhrwerksunternehmer auch dafür zu haften, daß die Fässer nur in
                              von außen nicht beschmutztem Zustande transportirt werden, und daß sowohl volle als
                              leere Fässer nicht vor den Häusern oder in Höfen und Gängen, sondern lediglich in
                              den Apparatenkellern aufgestellt bleiben und nur unmittelbar vor der Transportirung
                              aus selben entnommen werden.
                           Die Beaufsichtigung der Kammern und der Transport der Fässer wird hierorts durch
                              eigens hierzu concessionirte Fuhrwerksunternehmer, welche das erforderliche
                              Dienstpersonal selbst entlohnen, besorgt. Als Entschädigung werden von den
                              Hauseigenthümern mit selben gewöhnlich Pauschalbeträge (per Quartal postnumerando zahlbar) vereinbart,
                              und wird derzeit für die einmalige Verführung per Eimer
                              4 1/2 bis 5 Kreuzer österr. Währg. bei größeren Quantitäten und öfterer Verführung,
                              bei nur einmaligem Transporte geringerer Mengen 5 1/2 bis 6 Kreuzer und per eine im Hause wohnende Person täglich etwas über
                              eine Maaß oder jährlich 10 Eimer Unrath berechnet und demnach die Pauschalsumme
                              ausgemittelt. In Graz wird gegenwärtig per Person und
                              Jahr die Totalkostensumme hierfür mit 30 bis 50 Kreuzer österr. W. angenommen.
                           Daß es Sache der Hausbesitzer oder Administratoren ist, durch geeignete Verfügungen
                              und Anbringung von Spülwasser-Ausgüssen das Entleeren von Nutz- und
                              Spülwasser, sowie das Hineinwerfen anderer als Nahrungsunrathstoffe hintanzuhalten,
                              ist selbstverständlich, da hierbei eine fortwährende Verunreinigung der
                              Apparatenkammer durch nicht vorherzusehendes Uebergehen der Fässer, oder mindestens
                              die Nothwendigkeit einer öfteren Fässertransportirung eintreten würde.
                           In Ortschaften, wo sich Tuchfabriken u. dgl. Färbereien befinden, ist es angezeigt,
                              bei den Apparaten besondere Fässer für Pissoirs (namentlich in Casernen,
                              Gasthäusern, Schulen) aufzustellen, da die Urinfässer von solchen Fabrik- und
                              Färbereibesitzern gewöhnlich kostenfrei transportirt oder selbst bezahlt werden.
                           Was nun zunächst die vergleichsweisen Kosten der Senkgrubenräumung und der
                              Fässerverführung betrifft, wird vorerst bemerkt, daß dort, wo eine vorschriftsmäßige
                              Senkgrube – d. i. eine solche mit wasserdichtem Mauerwerke – sich
                              befindet, die Quantität der eingelagerten Excremente mit der Zeit nur geringfügig
                              und zwar durch Verdunstung der flüssigen Bestandtheile sich vermindert, daß daher
                              bei der Räumung nahezu die gleiche Anzahl von Eimern auszuschöpfen und zu verführen
                              ist, als dieß bei der mittlerweile etwa gepflogenen Transportirung mit
                              Apparatfässern der Fall gewesen wäre. Da nun selbstverständlich der Preis für die Ausschöpfung
                              alter Senkgruben und Verführung des Unrathes höher ist, als bei dem einfachen
                              Verschließen, Ausrollen und Transportiren des Unrathes in den Fässern, so wird
                              hierdurch selbst der Vortheil der Quantitätsverminderung durch Verdunstung
                              compensirt.
                           Um in dieser Richtung den erforderlichen Beurtheilungsmaaßstab zu geben, wird
                              angeführt, daß die bezüglichen Preise in loco für die
                              Apparatfässer-Manipulation auf 4 1/2 bis 5 kr. öst. W. per Eimer, bei den Senkgruben aber auf 5 bis 6 kr. öst. W. für die gleiche
                              Quantität sich belaufen, wodurch nachgewiesen seyn dürfte, daß auch die laufenden
                              Kosten der vorerwähnten Einrichtung zu Gunsten der fraglichen Umgestaltung
                              sprechen.
                           Es ist allerdings und leider nur zu wahr, daß wenige Senkgruben der Bedingung einer
                              wasserdichten Ummauerung und Pflasterung entsprechen, daß die meisten derselben
                              vielmehr die flüssigen Unrathsbestandtheile mehr oder weniger schnell – doch
                              mit der Zeit oft vollständig – versinken lassen, wodurch eine bedeutende
                              Quantitäts-Verminderung eintritt und die Räumungskosten wesentlich verringert
                              werden.
                           (Gegen den Bestand und die Benutzung derartiger Senkgruben muß aber vom sanitätlichen Standpunkte mit äußerster Energie
                              eingeschritten werden, und dieß sollte von den berufenen Behörden namentlich in
                              solchen Städten geschehen, wo der Schotterboden in der Tiefe der gewöhnlichen
                              Senkgrubenummauerungen vorherrscht.)
                           Obschon bei ordnungsmäßiger Ausführung der Apparate der bei Senkgruben gewöhnlich so
                              üble und gesundheitsschädliche Geruch der Aborte fast gänzlich vermieden wird, so
                              kann doch dießfalls eine weitere Vorsicht in Anwendung gebracht werden (was
                              besonders bei Epidemiegefahren angezeigt ist), nämlich daß man in jede Abortöffnung
                              täglich eine Lösung von circa 6 Loth Eisenvitriol in 1/2
                              Maaß reinen Wassers zugießt. Die Kosten hierfür belaufen sich bei derzeitigem Preise
                              des. Eisenvitrioles (mit 6 fl. öst. W. per Ctr.) für
                              eine Person auf täglich 1/4 Kreuzer ö. W.
                           Um in Städten, wo die erwähnten Apparate eingeführt werden sollen, alle Details der
                              für die verschiedenartigsten Fälle anzuwendenden Constructionsarten, und die durch
                              die langjährig hierorts gemachten Erfahrungen als zweckmäßigst erkannten
                              Transportirungsmodalitäten sofort in Anwendung bringen zu können, wäre es
                              vortheilhaft, einen bei den bezüglichen Bauten hierorts praktisch geübten Maurer,
                              einen Zimmermann, und einen durch längere Zeit bei der Fässerverführung verwendeten
                              Arbeiter zeitweilig anzuwerben, wofür (bei Aussicht auf einen durch einen bestimmten Zeitraum
                              ununterbrochenen Verdienst) sich zur Genüge geeignete Individuen bereit finden
                              würden.
                           
                              Die wesentlichsten Vortheile der besprochenen Apparate werden
                                 nachfolgend skizzirt:
                              
                           1) Die Herstellung des Apparates selbst ist mit sehr geringen Kosten verbunden. Bei
                              Erbauung eines neuen Hauses kostet der ganze Apparat weniger als eine Senkgrube, und
                              die geringen Kosten der ersten Einrichtung werden außerdem durch die Ersparung der
                              bei gewöhnlichen Abtritten sehr bedeutenden Auslagen für Reparaturen des von dem
                              Salpeterfraße beschädigten Mauerwerkes reichlich ersetzt.
                           2) Die Hinwegführung des Unrathes mittelst der wasserdicht geschlossenen Fässer kann
                              mit einer Reinlichkeit und Zweckmäßigkeit bewerkstelligt werden, daß nicht einmal
                              dem Zunächststehenden sich der Inhalt des Transportes durch den Geruch bemerkbar
                              machen wird. Es ist deßhalb auch erlaubt, den Unrath bei Tage wegzuführen. Durch
                              diese Räumungsmethode werden nicht nur die Bewohner des betreffenden Hauses, sondern
                              auch die in der Nachbarschaft befindlichen vor dem so belästigend, ja schädlich
                              wirkenden Gestanke der Senkgruben- und Canalräumungs-Arbeiten
                              bewahrt.
                           3) Da der Unrath in dem Senkapparate durch Desinfectionsmittel von den
                              ammoniakalischen Dünsten befreit werden kann, und da sowohl der Senkapparat und
                              Apparatenkeller, als auch die Abtrittsschläuche oder Trichter nach Erforderniß öfter
                              mit frischem Wasser und Säuren zu reinigen sind, so werden nicht nur neue Abtritte
                              mit dem Apparate völlig geruchlos, sondern auch bei schon bestehenden Abtritten, in
                              welche nur der Apparat hineingerichtet ist, verliert sich der üble Geruch in dem
                              Grade, als das von jeder ferneren Verunreinigung freigestellte Mauerwerk gelüftet
                              und ausgetrocknet wird.
                           4) Das Gemach, in welchem der Apparat aufgestellt wird, ist so rein und trocken, daß
                              weder das Mauerwerk, noch die Schläuche vom Dunste beschädigt werden können, und
                              diese Reinlichkeit wird noch auf den höchst möglichen Grad durch das Waschen des
                              Podiums, der Abtrittscabinette, der Urinbecken oder Rinnen, dann der Trichter,
                              Schläuche etc. mit Eisenvitriollösung gesteigert.
                           5) Durch die Reinhaltung und Trockenheit der Gemächer, in welchen der Apparat
                              aufgestellt ist, sowie durch die Constructionsart desselben wird alles Ungeziefer,
                              welches in Senkgruben und Cloaken heimisch ist, beseitigt und dadurch eine große
                              Hausplage gehoben.
                           6) Ebenso werden durch diesen Apparat gewisse, in den gewöhnlichen Abtritten nicht selten versuchte
                              Verheimlichungen leicht entdeckt, indem jedes Faß die gleiche Nummer des
                              betreffenden Hauses hat.
                           7) Durch die Anbringung des Apparates ohne Senkgrube wird auch jeder durch letztere
                              so oft stattfindenden Verunreinigung des Brunnenwassers vorgebeugt, was wohl als einer der wichtigsten Vorzüge dieser Constructionsart
                              zu bezeichnen ist.
                           8) Da zur Aufstellung des einfachen Apparates ein Raum von 5 bis 6 Schuh Höhe, 4
                              Schuh Breite und 5 Schuh Tiefe genügt, so kann derselbe in jedem Gebäude leicht
                              angebracht werden, und es wird durch das geringe Raumerforderniß noch Platz zu
                              anderen Zwecken gewonnen.
                           9) Nebst dieser Raumersparniß stellt sich als ein sehr wichtiger Vortheil für jeden
                              Hauseigenthümer die Conservation des Mauerwerkes dar, da mit Anwendung des Apparates
                              die Mauern immer trocken und von dem Salpeterfraße frei bleiben, wodurch die frühe
                              Zerstörung und nothwendige Reparatur derselben, welche bei den gewöhnlichen
                              Abtritten nach wenigen Jahren schon eintritt, beseitigt wird, und hierdurch das Haus
                              selbst am Capitalswerthe gewinnt.
                           10) Wie bereits oben erörtert wurde, stellen sich die Kosten der Fässerapparaten
                              Manipulation vergleichsweise mindestens nicht höher als die der Senkgruben-
                              (Latrinen-) Räumung, was gewiß auch für solche Abortunrathscanäle (Cloaken)
                              gilt, welche nicht mit stets fließendem Wasser bespült werden, bei welchen also zur
                              Säuberung auch die Handarbeit benöthigt wird.
                           11) In volkswirtschaftlicher Hinsicht kann der Vortheil, den Mehrungsdünger kurz nach
                              der Production in Fässern zur directen Verwendung oder zur weiteren Verarbeitung als
                              Kunstdünger bereit zu haben, nicht hoch genug
                              angeschlagen werden. Statt daß nämlich bei den Senkgruben die flüssigen Stoffe, die
                              besten Düngebestandtheile fortwährend ausgewaschen werden und versickern, wird hier
                              die Quantität und Qualität vollständig erhalten, und ist beispielsweise der
                              Landwirth in der Lage, den Unrath im Winter direct auf die Schneedecke entleeren zu
                              lassen, oder im Sommer, mit Wasser gehörig verdünnt (wobei zu einem Dritttheil mit
                              Unrath gefüllte Fässer mit Wasser völlig gefüllt und transportirt werden) zur
                              Aecker- und Wiesendüngung unmittelbar durch Entleeren der Fässer zu
                              verwenden. In Städten, wo diese Manipulation aus Sanitätsrücksichten nicht zulässig
                              wäre, können eigene Düngerstätten außerhalb der Stadt an geeigneten Orten angelegt
                              werden, wo der Unrath mit Straßenkoth, Kehricht u. dgl. Abfallstoffen gesättigt
                              wird, und dann einen Dünger von ausgezeichneter Kraft gibt. Auch kann bei
                              sorgfältigerer Behandlung (Werfen der Abfallstoffe vor der Vermischung durch Sandgitter, längere
                              Einbettung, Umstechen und Abfaulen in Gruben, endlich Trocknen und neuerliches
                              Werfen des nunmehr pulverförmigen und ganz geruchlosen Düngers) ein auch in die
                              gebirgigsten Gegenden leicht transportables Mittel zur namhaften Erhöhung der
                              Ertragsfähigkeit des Bodens erzeugt werden.
                           Der besprochene Apparat ist in Graz nunmehr mit Ausnahme von 1500 älteren Häusern,
                              bei welchen diese Umgestaltung aber auch im Laufe weniger Jahre durchgeführt seyn
                              wird, bei 2000 Gebäuden bereits eingeführt, und hat sich während des langjährigen
                              Bestandes in jeder Hinsicht derart bewährt, daß man wohl behaupten kann, die hiesige
                              Stadt verdanke einen wesentlichen Theil ihrer so günstigen
                              Salubritäts-Verhältnisse besagter Anlage, welche sonach um so mehr auf das
                              Wärmste empfohlen werden kann, als, wie aus dem Vorstehenden zur Genüge erhellen
                              dürfte, dieselbe weder in constructiver Hinsicht schwierig zu nennen ist, noch in
                              finanzieller Richtung nennenswerthe Anforderungen macht, welches Letztere auch in
                              Betreff der Kosten des Fässertransportes gilt.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
