| Titel: | Die projectirte unterirdische Eisenbahn zwischen Frankreich und England. | 
| Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. XXVII., S. 94 | 
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                        XXVII.
                        Die projectirte unterirdische Eisenbahn zwischen
                           Frankreich und England.
                        Aus Armengaud's Génie industriel, April 1867, S.
                              223.
                        Die projectirte unterirdische Eisenbahn zwischen Frankreich und
                           England.
                        
                     
                        
                           Es kamen zu verschiedenen Zeiten Projecte in Vorschlag, Frankreich und England durch
                              einen unter dem Meeresboden hinführenden Tunnel zu verbinden. Diese anscheinend
                              aufgegebene Idee wurde in der letzten Zeit durch Hrn. Archibald Alison wieder in Anregung gebracht, welcher über diesen
                              Gegenstand an Ort und Stelle eingehende Studien gemacht hat.
                           Um die Möglichkeit der Ausführung einer solchen gigantischen Arbeit zu constatiren,
                              wurden nach einem Artikel im Mining Journal Sondirungen
                              des Meeresbodens vorgenommen und Hr. Alison, welcher den
                              Vorarbeiten zu dem großartigen Projecte seine ganze Thätigkeit widmete, hat die
                              Resultate dieser Forschungen in einer Abhandlung niedergelegt, welche wir hier im
                              Auszuge mittheilen wollen.
                           Zwischen Dover und Boulogne beträgt die größte Meerestiefe ungefähr 43 Meter; die
                              mittlere Tiefe 18 Meter. Der Meeresboden ist von solider Beschaffenheit, er hat
                              nämlich eine mittlere Festigkeit und wäre auf seine ganze Länge zu Bergbauarbeiten
                              sehr geeignet. Der Tunnel würde eine Länge von 28 engl. Meilen (45061 Meter)
                              erhalten, von denen 35398 Meter unter dem Meeresboden und 9663 Meter unter dem
                              festen Lande aufzufahren wären.
                           Derselbe würde einen kreisförmigen Querschnitt, 25 Fuß (7,55 Met.) im Durchmesser,
                              erhalten, und natürlich mit einem doppelten Schienenstrange versehen werden. Man
                              könnte jedoch auch, wenn man dieß für zweckentsprechender erachten würde, der
                              größeren Sicherheit wegen 2 Röhren von 4,50 Met. Durchmesser mit je einem
                              Schienenstrange herstellen, was jedoch bezüglich der Ventilation mit großen Kosten
                              und Schwierigkeiten verknüpft wäre.
                           Der Tunnel würde nach Alison's Vorschlag 18 Meter unter
                              dem Niveau des Meeresgrundes angelegt, also in einer Tiefe, welche keinen genügenden
                              Schutz gegen das Eindringen des Meereswassers bieten dürfte. Um diesem Uebelstande
                              vorzubeugen, schlägt nun Alison vor, auf die gesammte
                              Länge des Tunnels, und zwar einige Fuß unter demselben, eine nach den beiden
                              Uferenden geneigte Sammelröhre von 1,8 Meter Durchmesser, gut asphaltirt aus
                              Backsteinen herzustellen und mit dem eigentlichen Tunnel durch an verschiedenen
                              Stellen angebrachte Einlaufe zu verbinden.
                           Da die Sammelröhre, wie bemerkt, nach beiden Seiten abfällt, so ergießen sich die
                              sämmtlichen gesammelten Wässer nach den Uferenden und werden daselbst in
                              Sammelschächten aufgenommen, welche auf 33,5 Met. Tiefe in Boulogne und Dover
                              niedergebracht würden, aus welchen dann das Wasser mittelst Pumpen leicht entfernt
                              werden könnte. Auf diese Art erscheint es möglich, den Tunnel mit verhältnißmäßig
                              geringen Kosten fortwährend trocken zu erhalten.
                           Die Arbeit würde selbstredend mit der Anlage der Entwässerungsmaschinen und des
                              Abzugscanals beginnen, und die Aushöhlung des eigentlichen Tunnels könnte dann ganz
                              im Trockenen vor sich gehen. Indem Alison die Anlage
                              eines Sammelabzuges vorschlug, hatte er die großen Nachtheile im Auge, welche
                              entstehen müßten, wenn sich der Tunnel nach der Mitte hin einsenken sollte, in
                              welchem Falle die Entfernung der sich ansammelnden Wässer unmöglich würde.
                           Die Ventilation soll durch eine im Inneren des Tunnels liegende, in gleichen
                              Abständen mit kleinen Oeffnungen versehene Röhre bewerkstelligt werden, die in der
                              Mitte des Tunnels in einem Knie endigt, aus welchem mittelst an den beiden Uferenden
                              stehenden Dampfmaschinen die verdorbene Luft ausgepumpt wird. Nie frische Luft würde
                              dem Tunnel durch dieselbe Vorrichtung zugeführt.
                           Das Problem der Luftzuführung ist weitaus der schwierigste Theil des ganzen
                              Projectes. Nach vielen Vorschlägen, auf welche man wegen unüberwindlicher
                              Schwierigkeiten wieder verzichten mußte, ist Hr. Alison
                              auf folgendes Auskunftsmittel verfallen. Es werden aus Röhren vier Luftschächte in
                              einer respectiven Tiefe von 18, 90, 18 und 21 Meter und in Abständen von 3 1/2, 4
                              1/2, 7 1/2 und 3 Meilen errichtet, entsprechend einer Länge von 5631 Met., 7240
                              Met., 12067 Met. und 4827 Met. Mit Hülfe dieser Röhren hält es Alison für möglich, die zehn beim Tunnelbau zu verwendenden Maschinen
                              gleichzeitig in Betrieb zu erhalten.
                           Hr. Alison geht auf interessante Details hinsichtlich der
                              Construction dieser Luftschächte ein, welche er nur so lange beizubehalten gedenkt,
                              bis ihm von anderer Seite ein besserer Vorschlag gemacht wird. Die Röhren sollen aus
                              Eisenblech hergestellt und an ihrem unteren Ende mit einem breiten Flansch versehen
                              werden, welcher sich auf eine mit Hülfe einer Taucherglocke hergestellte Gründung
                              aufstellt. Der Durchmesser dieser Röhren wäre 7,32 Meter, ihre Höhe 24,40 Met. In 20
                              Meter Entfernung von diesen Röhren würde eine starke Mauer aufgeführt und der Raum zwischen Mauer und
                              Röhre mit Felsstücken ausgefüllt, welche beim Tunnelbaue gewonnen würden. Ist diese
                              Arbeit einmal sorgfältig ausgeführt, dann wird es leicht seyn, das in den Röhren
                              angesammelte Wasser zu entfernen. Die Röhren sollen später in eben so viele
                              Leuchtthürme umgewandelt werden.
                           Nach Alison's Berechnungen würden fünf von Frankreich und
                              England zu leistende jährliche Zuschüsse von 250000 Pfd. Sterl. ausreichen um die
                              ganze Arbeit zu vollenden.
                           Zurückkommend auf seine vorstehenden Vorschläge, hält es Hr. Alison für besser, den Tunnel mit eisernen Platten zu verkleiden, anstatt
                              ihn mit Backsteinen auszumauern; einerseits ist nämlich die eiserne Verschalung bei
                              weitem billiger, und andererseits würde der Durchmesser des auszugrabenden Tunnels
                              um 1,22 Meter vermindert.
                           Der eiserne Tunnel würde mit Stücken von 6–7 Metern hergestellt, welche der
                              Länge nach durchgeschnitten und mit innerem Flansch versehen, mittelst Schrauben
                              vereinigt würden.
                           Nach annähernder Schätzung würden sich die Kosten auf 6 Millionen Pfd. Sterl. (150
                              Millionen Francs) belaufen, nämlich:
                           
                              
                                 der eiserne Tunnel von 40000 Met
                                 2,800000 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                                 Herstellung der Erdarbeiten 
                                   
                                    800000        „
                                 
                              
                                 die Wasserhebmaschinen
                                   
                                    300000        „
                                 
                              
                                 die beiden Sammelbehälter nebst Sammelröhre
                                   
                                    800000        „
                                 
                              
                                 die Wasserkunst nebst Röhren etc.
                                   
                                    500000        „
                                 
                              
                                 die unterirdischen Tunnels
                                   
                                    300000        „
                                 
                              
                                 verschiedene Unkosten
                                   
                                    500000        „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Summe
                                 6000000 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                           Wenn jede der zur Aushöhlung des Tunnels angewandten 10 Maschinen per Tag ungefähr 7 Meter vorrückt, so werden dieselben
                              in einem Tage 70 Meter vollenden, und wenn sie ununterbrochen fortarbeiten in einem
                              Jahre 21000 Meter. Der Tunnel würde somit in zwei Jahren vollständig ausgehöhlt
                              seyn. Rechnet man nun noch zwei Jahre für die Herstellung der Leuchttürme, die
                              Aufstellung der Maschinen etc., so würde die ganze Anlage in vier Jahren vollendet
                              seyn.
                           150 Millionen Francs und 4 Jahre Arbeit sind wahrlich ein geringer Aufwand in
                              Anbetracht des gigantischen Unternehmens. Aber der Schwerpunkt der Frage liegt in
                              der Ausführbarkeit des Projectes, welches, ohne gerade eine Chimäre zu seyn, doch
                              die kühnsten Arbeiten unseres Jahrhunderts so bedeutend übertreffen würde, daß seine
                              Realisirung kaum zu hoffen seyn wird.