| Titel: | Die Fortschritte in der Stahlfabrication nach der internationalen Industrie-Ausstellung von 1867 zu Paris; von P. Tunner. | 
| Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. XXXVIII., S. 125 | 
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                        XXXVIII.
                        Die Fortschritte in der Stahlfabrication nach der
                           internationalen Industrie-Ausstellung von 1867 zu Paris;
                           von P. Tunner.
                        Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und
                                 Hüttenwesen. 1867, Nr. 24.
                        Tunner, über die Fortschritte in der Stahlfabrication nach der
                           dießjährigen allgemeinen Industrie-Ausstellung zu Paris.
                        
                     
                        
                           1. Das Bessemern in verschiedenen
                                 Ländern.
                           Das Bessemern hat nicht allein in Frankreich, sondern noch mehr und früher in
                              England, und theilweise auch in Preußen, Schweden, Oesterreich, Belgien und in
                              Rußland die Stahlerzeugung gehoben, wenn man, wie das gewöhnlich geschieht, das
                              Bessemermetall in seiner ganzen Größe zur Stahlproduction rechnet. Selbst Italien
                              hat an zwei Stellen mit der Einführung des Bessemer-Processes begonnen,
                              wiewohl diese Methode der Stahlerzeugung dort bisher weniger gelungen zu seyn
                              scheint, als die gleichfalls erst seit Kurzem eingeführte
                              Puddlingsstahl-Manipulation.
                           In technischer Beziehung möchte ich bezüglich des
                              Bessemerns drei Umstände besonders bemerken. Der eine, bei der Ausstellung Nr. 150
                              der französischen Abtheilung, von Terre-Noire, in Zeichnungen ersichtlich
                              gemacht, besteht darin, daß man daselbst ursprünglich zwar das Roheisen im Flammofen
                              umgeschmolzen hat, jetzt aber meist direct vom Hohofen verwendet, welches
                              bekanntlich bei uns in Innerösterreich vom Anfange an die vorwaltende Methode war
                              und ist. Der zweite, in dem englischen Journal Engineering vom 5. April 1867 erörtert, ist darin gelegen, daß man in
                              England, bei Mersey Iron and Steel-works mit
                              Vortheil angefangen hat, das Umschmelzen des Roheisens statt im Flammofen im
                              Kupolofen vorzunehmen, was bei uns zu Turrach, Heft und Neuberg gleich im Beginn
                              eingerichtet worden ist. Endlich der dritte Umstand, welcher bei uns bisher zu wenig
                              beachtet wurde, ist die Erzeugung von Gußwaaren aus Bessemermetall, wie aus
                              Gußstahl, wovon in der französischen und preußischen Abtheilung der Ausstellung
                              mehrere Beispiele vorliegen. Einen Hauptartikel solcher Gußwaaren bilden Zahnräder,
                              insbesondere die sogenannten Krauseln, Kuppelungsräder bei den Walzwerken, welche
                              von besonderer Stärke seyn müssen.
                           So entmuthigend die Wahrnehmungen in der Ausstellung für den österreichischen
                              Hüttenmann in mancher Beziehung, wie namentlich in den quantitativen Fortschritten der Eisenproduction, seyn müssen, so ist doch
                              gerade die Exposition des Bessemermetalles in qualitativer und technischer Hinsicht für die betreffenden
                              österreichischen Hütten ein wahrer Glanzpunkt. Ohne Widerspruch wurde anerkannt, daß
                              die Ausstellung der Bessemerhütte zu Neuberg in dieser
                              Art die schönste und instructivste von allen ist, und daß man daselbst mit dem
                              technischen, wissenschaftlichen Theile dieses neuen und wichtigsten Processes des
                              Eisenhüttenwesens am weitesten vorgeschritten erscheint, die sicherste und beste
                              Qualität, wenigstens in den weicheren Sorten des Bessemermetalles, erzeugt. Auch die
                              Ausstellungen der Bessemerhütten von Heft, Turrach und Graz geben denselben ein
                              ehrenvolles Zeugniß.
                           Neben den innerösterreichischen Bessemerhütten, Neuberg am nächsten kommend, macht
                              sich die Ausstellung der schwedischen Bessemerhütte zu Fagersta, vornehmlich in den
                              härteren Sorten des Bessemermetalles, bemerkbar. An Stelle des Sortimentes nach
                              Nummern, wie dieses von den innerösterreichischen Hütten allgemein angenommen ist,
                              pflegen die schwedischen nur nach dem von jeder Charge bestimmten Kohlengehalte zu
                              sortiren. Offenbar ist jedoch das innerösterreichische Sortiment, bei welchen!
                              (wenigstens in Neuberg) außer dem Härtegraden auch die absolute Festigkeit und die
                              Qualität in Beziehung auf die Zähigkeit berücksichtigt werden, für die Praxis das
                              vollständigere, verläßlichere und somit entsprechendere. In den ausgestellten
                              Bessemer-Producten der übrigen Länder ist von einem Sortimente nichts zu
                              bemerken, was jedenfalls als ein wesentlicher Mangel, als ein Hauptgrund der öfteren
                              Klagen über die Unzuverlässigkeit des Bessemermetalles erscheint. Sehr auffallend ist der Umstand,
                              daß von einigen Ausstellern, von denen es notorisch ist, daß sie das Bessemern in
                              großer Ausdehnung betreiben, die ausgestellten Gegenstände alle als
                              Tiegel-Gußstahl aufgeführt erscheinen.
                           Es dünkt mir von Interesse, eine beiläufige Uebersicht von der gegenwärtigen
                              Ausdehnung des Bessemerns in verschiedenen Ländern zu geben. Ich sage eine beiläufige Uebersicht, weil ich dieselbe nicht nach
                              voller Ueberzeugung, sondern nur nach verschiedenen, nicht immer ganz verläßlichen
                              Mittheilungen zu geben im Stande bin. Hiernach bestehen in:
                           England, bei
                           
                              
                                 
                                 Converters
                                 mit Chargenzu Tonnen
                                 gibt per
                                    WocheTonnen
                                 
                              
                                 Henry Bessemer und Comp. zu Sheffield
                                 2
                                 
                                 3
                                 
                                 100
                                 
                              
                                 Bessemer, Gebrüder, in
                                    London
                                 2
                                 
                                 3
                                 
                                 100
                                 
                              
                                 John Brown und Comp.   zu Sheffield
                                 4
                                 
                                    
                                    
                                 2    32  10
                                 
                                    
                                    
                                 500
                                 
                              
                                 Carl Cammel und Comp. zu Sheffield  
                                    „        „            
                                    „      
                                    „        zu
                                    Penictown
                                 24
                                 
                                 35
                                 
                                    
                                    
                                 500–
                                 
                              
                                 Fox und Sohn zu Sheffield
                                 2
                                 
                                 3
                                 
                                 100
                                 
                              
                                 Manchester Stahl-Compagnie in Manchester
                                 2
                                 
                                 5
                                 
                                 200
                                 
                              
                                 Lancashire            „              
                                    „        „
                                 2
                                 
                                 5
                                 
                                 200
                                 
                              
                                 Bolton-Stahlwerke                
                                    „        „
                                 2
                                 
                                 5
                                 
                                 200
                                 
                              
                                 Crewe-Werke in Crewe
                                 4
                                 
                                 5
                                 
                                 400
                                 
                              
                                 Barrow-Stahlwerke in Barrow
                                 10  
                                 
                                    
                                    
                                 4    56
                                       7
                                 
                                    
                                    
                                 2200  
                                 
                              
                                 Roman und Comp. zu Glasgow
                                 2
                                 
                                 3
                                 
                                 100
                                 
                              
                                 Chessey-Stahlwerke zu Liverpool
                                 2
                                 
                                 5
                                 
                                 200
                                 
                              
                                 Dowlais-Werke zu Dowlais
                                 6
                                 
                                 5
                                 
                                 600
                                 
                              
                                 Ebbw-Vale-Werke zu Ebbw-Vale
                                 6
                                 
                                 5
                                 
                                 600
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 welche zusammen eine
                                    Productionsfähigkeit besitzen von wöchentlichen
                                 6000  
                                 
                              
                           oder jährlich von 300000 Tonnen oder 6 Millionen
                              Zoll-Centnern. Im Jahre 1866 dürfte die wirkliche Production jedoch nicht
                              ganz 3 Mill. betragen haben.Nachdem die an H. Bessemer zu entrichtende
                                    Patenttaxe in England per Centner einen halben
                                    Gulden beträgt, so erhellt daraus, daß Bessemer
                                    von seiner Erfindung eine Belohnung erntet, wie sie vor ihm vielleicht noch
                                    kein Erfinder erhalten hat. Weiter in Preußen, bei
                           
                              
                                 
                                 Converters
                                 mit Chargenzu Tonnen
                                 gibt per
                                    WocheTonnen
                                 
                              
                                 Krupp in Essen (?)
                                 10  
                                 3 – 5
                                 
                                 700
                                 
                              
                                 Bochum
                                 4
                                 2 alte   32 neue 5
                                 
                                    
                                    
                                 300
                                 
                              
                                 Hörde bei Dortmund
                                 2
                                 3
                                 
                                 100
                                 
                              
                                 Pönsgen bei Düsseldorf
                                 2
                                 3
                                 
                                 100
                                 
                              
                                 Königshütte in Oberschlesien
                                 2
                                 3
                                 
                                 100
                                 
                              
                                 Oberhausen in Westphalen (im Bau)
                                 2
                                 4
                                 
                                 160
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 welche in vollem Betriebe
                                    wöchentlich erzeugen können
                                 1460  
                                 
                              
                           
                           oder jährlich an 73000 Tonnen, d. i. 1460000
                              Zoll-Centner; allein im Jahre 1866 kann die Erzeugung nicht über 500000
                              Zoll-Centner betragen haben. Ferner in Frankreich,
                              bei
                           
                              
                                 
                                 Converters
                                 mit Chargenzu Tonnen
                                 gibt per
                                    WocheTonnen
                                 
                              
                                 Petin, Gaudet und Comp. (Loire)
                                 2
                                 6
                                 220
                                 
                              
                                 Jackson u. Comp. zu
                                    Imphy-Saint-Seurin
                                 2
                                 5
                                 200
                                 
                              
                                 Terre-Noire
                                 2
                                 4
                                 160
                                 
                              
                                 Gebrüder v. Dietrich in
                                    Niederbronn
                                 2
                                 3
                                 100
                                 
                              
                                 Ménans und Comp. zu Fraisens (Jura)
                                 2
                                 3
                                 100
                                 
                              
                                 Châtillon und Commentry
                                 2
                                 3
                                 100
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 welche zusammen eine
                                    Productionsfähigkeit besitzen von wöchentlichen
                                 880
                                 
                              
                           oder jährlich von 44000 Tonnen, oder 880000
                              Zoll-Centnern. Im Jahre 1866 dürfte die wirkliche Production indeß nicht ganz
                              400000 Zoll-Centner erreicht haben. In Oesterreich, bei
                           
                              
                                 
                                 Converters
                                 mit Chargenzu Tonnen
                                 gibt per
                                    WocheTonnen
                                 
                              
                                 Südbahngesellschaft zu Graz (Steiermark)
                                 2
                                 
                                 3
                                 
                                 100
                                 
                              
                                 Compagnie Rauscher zu Heft
                                    (Kärnten)
                                 schwed. Oef.3
                                 
                                    
                                    
                                 2    31
                                       3
                                 
                                    
                                    
                                 120
                                 
                              
                                 Neuberg in Steiermark
                                 Converters2
                                 
                                    
                                    
                                 1    31
                                       4
                                 
                                    
                                    
                                 120
                                 
                              
                                 Turrach in Steiermark
                                 3
                                 
                                 2
                                 
                                   60
                                 
                              
                                 Witkowitz in Mähren
                                 2
                                 
                                 3
                                 
                                 100
                                 
                              
                                 Reschitza im Banate (im Bau)
                                 2
                                 
                                 5
                                 
                                 150
                                 
                              
                                 ––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 welche zusammen in vollem
                                    Betriebe produciren können, wöchentlich
                                 650
                                 
                              
                           oder jährlich bei 32000 Ton., d. i. 650000
                              Zoll-Centner. Im J. 1866 dürfte sie aber nicht ganz 200000
                              Zoll-Centner wirklich dargestellt haben.
                           In Schweden, bei
                           
                              
                                 
                                 Converters
                                 mit Chargenzu Tonnen
                                 gibt per
                                    WocheTonnen
                                 
                              
                                 Gesellschaft von Högbo in Sandviken
                                 2
                                 4
                                 
                                 160
                                 
                              
                                 C. Aspelin in Fagersta
                                 3 schwed. Oef.
                                 2
                                 
                                 100
                                 
                              
                                 KarlsdahlSiljansforsKlosterGesellschaft von
                                    Dannemora, zu DannemoraSöderanfors (Norland)
                                 2         
                                    „2         
                                    „2         
                                    „2         
                                    „2         
                                    „
                                 1 1/2–2
                                 
                                    
                                    
                                    
                                 270
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 welche bei vollem Betriebe
                                    wöchentlich erzeugen könnten an
                                 530
                                 
                              
                           oder jährlich 26500 Tonnen, d. i. 530000 Zoll-Centner.
                              Im Jahre 1866 hat die Production jedoch 150000 Zoll-Centner nicht
                              erreicht.
                           In Belgien
                           soll die einzige Bessemerhütte in Seraing bestehen, welche
                              vielleicht bei 100000 Zoll-Centner producirt. Und
                           
                           in Italien
                           bestehen zwei Bessemerhütten, die von Novelle-Ponsard-Gigli zu Pisa, und jene von Perseveranza bei
                              Pisa; nach ihrer Ausstellung zu urtheilen, dürften dieselben, namentlich die
                              erstere, nicht weit gekommen seyn, und beide zusammen vielleicht noch nicht 50000
                              Zoll-Centner Jahresproduction erlangt haben.
                           In Nordamerika
                           ist erst im laufenden Jahre die Hütte zu Troy
                              (New-York) in Betrieb gekommen; aber es sollten Bessemerhütten zu Wyendotte
                              (Michigan), Harrisburg (Pennsylvanien), Cleveland (Ohio), Freeton (Pennsylvanien)
                              und zu Chester (Pennsylvanien) in der Errichtung begriffen seyn; auch war schon zu
                              Anfang des verflossenen Jahres ein deutscher Ingenieur zum Studium des Bessemerns
                              durch etliche Wochen in Neuberg, um dasselbe sofort in Nordamerika einzuführen.
                           Es zeigt sich demnach, daß die Bessemerhütten von Europa schon jetzt eine
                              Productionsfähigkeit von jährlichen nahezu 9 1/2 Millionen Zoll-Centnern
                              erreicht haben, wenngleich im letztverflossenen Jahre die wirkliche Production nicht
                              viel über 4 Millionen Centner betragen haben dürfte. Nahezu 2/3 Theile der
                              Productionsfähigkeit wie der wirklichen Erzeugung entfallen davon auf England, und
                              ist vorauszusehen, daß wir mit diesem Riesen in der Eisenproduction auch bezüglich
                              des Bessemermetalles nur in der Qualität, aber durchaus nicht in der Billigkeit der
                              Preise die Concurrenz werden bestehen können. Aus dieser Darlegung ist die
                              Wichtigkeit des Bessemerns recht deutlich zu ersehen, und schwer zu begreifen
                              bleibt, wie ein Eisenwerk, das die Franzosen zu ihrem größten und vorzüglichsten
                              zählen, wo nach ihrer Behauptung die Wissenschaft auf das Eisenwesen am meisten
                              Einfluß erlangt haben soll, welches sich insbesondere auf seine Eisenqualität viel
                              zu Gute thut und sich viel mit der Fabrication von Eisenbahnmaterialien und
                              Maschinen befaßt, noch immer keine Miene macht, diesen neuen Proceß einzuführen.
                              Leichter einzusehen, wenn auch gerade nicht zu loben, ist das Bestreben von einigen
                              Hütten und Kaufleuten, das erzeugte Bessemermetall für Tiegelgußstahl
                              auszugeben.
                           
                        
                           2. Martin's combinirter
                                 Stahlproceß.
                           Von Wichtigkeit sind die Producte eines seit mehr als zwei Jahren angewendeten
                              Stahlprocesses, welche unter Katalognummer 165 ausgestellt sind. Es ist dieß der von
                              Hrn. Emil Martin erfundene, oder richtiger gesagt, combinirte Proceß, denn derselbe enthält durchgehends bereits bekannte, in
                              gewissem Grade erprobte Vorgänge und erregt eben dadurch von vorneherein mehr
                              Vertrauen auf seine Brauchbarkeit. Im Wesentlichen entlehnt dieser Martin'sche Proceß den chemischen Vorgang von dem Uchatius'schen Verfahren der Gußstahlerzeugung,
                              ausgeführt jedoch ohne Tiegel, wodurch er um vieles billiger wird. Anstatt im
                              Tiegel, führt Martin den Schmelzproceß in einem Gasofen
                              mit Siemens'schen Wärme-Regeneratoren durch, die
                              bekanntlich eine so hohe Temperatur geben, daß man in verhältnißmäßig kurzer Zeit
                              und in größeren Quantitäten nicht nur Stahl, sondern selbst Stabeisen in Tiegeln zu
                              schmelzen im Stande ist. Auch das Stahlschmelzen ohne Tiegel ist nicht mehr neu,
                              denn dieß ist bereits auf Veranlassung S. M. des Kaisers Napoleon des III. von 1860 und 1861 zu Montataire nicht ohne Erfolg
                              versucht worden; allein damals, so wie später an einem anderen Orte in Frankreich,
                              hat man schon fertigen Stahl, also ein kostspieligeres Material, umgeschmolzen, und
                              dabei denn doch die Qualität nicht gut einhalten können; – wahrscheinlich hat
                              man damals überdieß keine entsprechenden Regeneratoren zur Erhitzung der Luft und
                              der Gase angewendet.
                           Ich halte diese Martin'sche Methode gerade für unsere
                              halbirten und weißen Roheisensorten in Innerösterreich und Ungarn von besonderer
                              Wichtigkeit, – um so mehr, als dieselbe im Vergleich mit dem Bessemern mit
                              viel geringeren Vorauslagen und bei einer mäßigeren Erzeugung vortheilhaft
                              durchzuführen seyn dürfte. So viel ich von dem Detail dieses Processes in Erfahrung
                              bringen konnte, zweifle ich nicht im Geringsten an der praktischen, ökonomisch
                              vortheilhaften Durchführung, auch ohne alle fremde Beihülfe. – Bei geeigneten
                              Roheisensorten, und bei einer größeren Erzeugung ist der Bessemer-Proceß dem
                              von Martin jedenfalls vorzuziehen: allein in vielen
                              Localitäten, wo das Bessemern nicht wohl anzuwenden ist, da dürfte Martin's Methode am Platze seyn. Wie die Ausstellung
                              zeigte, und wie aus der Natur die Sache selbst einleuchtet, kann nach dieser Methode
                              nicht bloß Stahl, sondern selbst Stabeisen, mindestens Feinkorneisen, in vollkommen
                              flüssigem Zustande erhalten werden, und können aus den etwas härteren Sorten auch
                              verschiedene Gußwaaren dargestellt werden, so wie dieß in neuester Zeit bei dem
                              Bessemermetall vielseitig ausgeführt ist.
                           Ein Hauptartikel der bisherigen Erzeugnisse nach Martin's
                              Methode sind die Gewehrläufe, wovon durch die Regierung
                              in letzterer Zeit wieder 150000 Stück bestellt wurden, und die Anfangs Mai auch
                              schon größtentheils abgeliefert waren. Das dazu verwendete Material zeichnet sich
                              durch seine Zähigkeit aus, und ist als Beleg dafür unter anderen ein Lauf
                              ausgestellt, der bei den damit vorgenommenen Sprengproben nicht gesprungen, sondern nur an
                              einer Stelle geplatzt ist, ohne irgend einen Splitter hintanzuschleudern. Die
                              Methode ist in Frankreich patentirt, und hat in neuester Zeit Hr. Verdié für die Werke in Firminy das Patent
                              gekauft, wo dieselbe in größerer Ausdehnung betrieben werden soll, während bisher
                              bei Hrn. Martin nur monatlich an 2000 Centner erzeugt
                              worden seyn sollen.
                           
                        
                           3. Werkzeug-Stahl von Bury und
                                 Comp. in Sheffield.
                           In der englischen Abtheilung ist von Bury und Comp. in
                              Sheffield in Tiegeln geschmolzenes Stabeisen ausgestellt, welches sofort zu
                              verschiedenen Werkzeugen, wie z.B. für Schraubenschneidzeuge, verarbeitet und
                              schließlich durch Cementation an der Oberfläche in Stahl verwandelt wird. Dieser
                              eigenthümliche Vorgang soll bezwecken, daß man ein gleichförmiges, möglichst hartes
                              Werkzeug erhält, indem die aus hartem Gußstahl erzeugten Werkzeuge bei voller
                              Härtung zu spröde werden, sonach im Gebrauche leicht springen. Würde hierzu ein
                              Stabeisen, ohne durch das Umschmelzen im Tiegel in eine gesunde, homogene Masse
                              verwandelt worden zu seyn, verwendet werden, so möchten die fertigen Werkzeuge nicht
                              dieselbe Sicherheit bieten, indem sie gleich den aus hartem Gußstahl dargestellten
                              oft schon beim Härten, oder aber im Gebrauche öfters springen, ausbrechen.
                           
                        
                           4. Uchatius'sche Methode der
                                 Stahlerzeugung.
                           In der schwedischen Abtheilung, unter Katalognummer 67, ist von Wikmanshyttan, so wie
                              dieß im Jahre 1862 bei der Londoner Ausstellung der Fall war, Gußstahl zur
                              Anschauung gebracht, welcher nach der dort in beständiger Anwendung verbliebenen
                              Methode von Uchatius dargestellt wurde. Durch die dieser
                              Hütte zu Gebote stehenden vorzüglichen, reichen und reinen Magneteisensteine von
                              Bisberg scheint dort dieser Proceß eine befriedigende Sicherheit erlangt zu haben,
                              und soll der erzeugte Stahl bei seiner Härte einen hohen Grad von Zähigkeit
                              besitzen. Es wird davon alljährlich ein nicht unbedeutendes Quantum in Stäben von
                              verschiedenen Dimensionen und zwar nach den Dimensionen loco Gefle der Zoll-Centner um 63 bis 71 Franken verkauft. Die
                              Münze in Stockholm soll zu ihren Prägestempeln und Walzen diesen Stahl allen anderen
                              vorziehen.
                           Bei Durchführung der Uchatius'schen Methode Stahl zu
                              erzeugen, ohne dabei Schmelztiegel zu gebrauchen, wie es Martin macht, ergibt sich nebst anderen der wesentliche Vortheil, daß die
                              entstandene Schlacke abgezogen und eine neue Partie Erze oder Roheisen nachgetragen
                              werden kann, je
                              nachdem dieß die genommene Probe als nöthig oder wünschenswerth erscheinen läßt.
                              Deßwegen ist das Princip der Uchatius'schen
                              Stahlerzeugungsmethode bei der Durchführung ohne Tiegel von viel allgemeinerer
                              Brauchbarkeit, als bei der Tiegelschmelzerei.
                           Weiter zeigt in der schwedischen Abtheilung der Ausstellung, unter Katalognummer 70,
                              die Bessemerhütte der vereinigten Dannemora-Werke insofern einen
                              bemerkenswerthen Fortschritt, als diese die Bahn betreten hat, an Stelle des
                              altberühmten durch die Wallonschmiede dargestellten Cementstabeisens, Bessemerstahl
                              zu setzen, welcher zur Darstellung der vorzüglichsten Gußstahlsorten, nach einem
                              vorhergehenden genauen Sortimente, in Tiegeln auf den englischen Gußstahlhütten
                              umgeschmolzen wird. Die bedeutenden Kosten der viel Holzkohle consumirenden
                              Wallonschmiede, wie die Cementation werden hierdurch größtentheils in Ersparung
                              gebracht.
                           
                        
                           5. Glisenti's Gußstahl, durch
                                 Zusammenschmelzen von Spiegeleisen und Stabeisen erzeugt.
                           In der italienischen Abtheilung, unter Katalognummer 163, ist von Glisenti in Pisogne ein hauptsächlich zur Anfertigung von
                              Revolvern verwendeter Gußstahl ausgestellt, welcher
                              nach der jetzt schon allgemein bekannten und verbreiteten Methode durch
                              Zusammenschmelzen von Spiegeleisen und Stabeisen erzeugt wird. Das Eigenthümliche
                              dabei besteht jedoch darin, daß für diesen Stahl, sowie überhaupt wenn eine bessere
                              Stahlqualität dargestellt werden soll, das von den Hohöfen erhaltene Spiegeleisen
                              vorerst, bei einem Zusatze von 5 Proc. Mangan (nach Heath's Verfahren), durch Umschmelzen in Tiegeln gereinigt wird. Es sieht
                              dieses raffinirte Spiegeleisen sehr schön aus, und erscheint dieser Vorgang unter
                              besonderen Umständen als zweckdienlich.
                           
                        
                           6. Die große Zunahme der Stahlproduction
                                 in Preußen, England und Frankreich, in Folge der Verwendung mineralischer
                                 Brennstoffe bei der Darstellung des Roheisens.
                           Wie aus den vorausgeschickten Daten über das Bessemern erhellt, hat dieser Proceß in
                              Preußen sehr bedeutende Fortschritte wenigstens in
                              der Quantität gemacht. Ueberhaupt hat die Stahlerzeugung in Preußen in den letzten
                              Jahren ganz außerordentlich in allen Sorten, mit alleiniger Ausnahme des
                              Herdfrischstahles, zugenommen. Nach der sehr instructiven Ausstellung der
                              statistischen Daten über die Werthe der preußischen Metall-Production hat der Werth
                              derselben betragen im Jahre:
                           1860 die Gesammt-Production an 47 1/4 Mill.
                              Thaler, davon das Eisen bei 26 Mill. Thlr., der Stahl bei 3 Mill. Thlr.
                           1861 die Gesammt-Production an 49 1/4. Mill.
                              Thlr., davon das Eisen bei 24 1/4 Mill. Thlr., der Stahl bei 5 Mill. Thlr.
                           1862 die Gesammt-Production an 56 1/2 Mill.
                              Thlr., davon das Eisen bei 28 1/2 Mill. Thlr., der Stahl bei 5 1/2 Mill. Thlr.
                           1863 die Gesammt-Production an 61 Mill. Thaler,
                              davon das Eisen bei 30 Mill. Thlr., der Stahl bei 7 Mill. Thlr.
                           1864 die Gesammt-Production an 71 Mill. Thaler,
                              davon das Eisen bei 33 1/2 Mill. Thlr., der Stahl bei 13 Mill. Thlr.
                           1865 die Gesammt-Production an 79 Mill. Thaler,
                              davon das Eisen bei 35 Mill. Thlr., der Stahl bei 15 1/4 Mill. Thlr.
                           Es ist demnach der Werth der Eisenproduction im Verlaufe von 5 Jahren, von 1861 bis
                              einschließlich 1865, dem Werthe der Production nach um 1/4 gestiegen, während der
                              Werth der Stahlproduction in demselben Zeitraume 5mal so groß geworden ist!
                           Um die Möglichkeit dieser im Vorhergehenden angeführten, enormen Zunahme in der Stahlproduction in England, Preußen und Frankreich
                              zu begreifen, braucht man nur zu wissen, in welchem Maaßstabe in England die
                              Gewinnung der Hämatit-Erze (reine Roth- und Brauneisensteine), in
                              Preußen die Ausbeute an Spatheisenstein des Siegener Landes, und in Frankreich die
                              Zufuhr der reinen Erze aus Algerien, von der Insel Elba und aus Sardinien in den
                              letzten Jahren zugenommen hat, und daß als Brennstoff hierbei fast durchgehends
                              Kohks und Steinkohlen verwendet werden. Was hingegen die Consumtion dieser
                              vermehrten Production betrifft, so sind es die zunehmenden Eisenbahnen, das
                              wachsende Maschinenwesen und die immer mehr Boden gewinnende Verwendung des Eisens
                              bei den Schiffbrücken und Hochbauten; der vermehrte Bedarf an Kriegsmaterial hat
                              dabei wohl den geringsten Einfluß. Aber es wäre diese vermehrte Consumtion in diesem
                              Maaße nicht möglich, wenn nicht zugleich die Preise des Eisens und speciell des
                              Stahles gegen früher bedeutend gefallen wären, was wieder nur bei Verwendung des
                              mineralischen Brennstoffes zu erreichen ist. Alle jene Länder, welche ihre
                              Eisenproduction, insbesondere die Darstellung des Roheisens, noch vornehmlich auf
                              vegetabilischen Brennstoff basirt haben, wie
                              Oesterreich, Schweden, Rußland, konnten an diesem riesigen Aufschwunge der letzteren
                              Jahre keinen nennenswerthen Antheil nehmen, ungeachtet sie durch die Beschaffenheit
                              und Menge ihrer Eisenerze vorzugsweise berufen erscheinen, an der hauptsächlich der
                              Stahlproduktion angehörigen Zunahme in der Eisenindustrie im großen Verkehre zu participiren. Es
                              kann daher nicht oft genug wiederholt werden, daß jeder Freund des inländischen
                              (österreichischen) Eisenwesens Alles aufbieten soll, um die Darstellung eines
                              billigen Kohks- oder Steinkohlen-Roheisens zu fördern, neben welcher
                              die beschränkte Erzeugung an Holzkohlenroheisen, wie in Frankreich und Preußen zu
                              sehen, noch immer fortbestehen wird, besonders dann, wenn zu diesem Zwecke bloß die
                              für anderweitigen Gebrauch weniger werthvollen Hölzer verkohlt, also allerdings in
                              beschränkter Menge billige Holzkohlen erzeugt werden.