| Titel: | Ueber die Baryt-Industrie und ihren Zusammenhang mit chemischen Fabriken und Hüttenwerken; von H. Wagner, technischem Director der Büchner'schen Ultramarinfabrik in Pfungstadt bei Darmstadt. | 
| Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. XLI., S. 142 | 
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                        XLI.
                        Ueber die Baryt-Industrie und ihren
                           Zusammenhang mit chemischen Fabriken und Hüttenwerken; von H. Wagner, technischem Director der Büchner'schen Ultramarinfabrik in
                           Pfungstadt bei Darmstadt.
                        Aus dem Berggeist, 1867, Nr. 38.
                        Wagner, über die Baryt-Industrie.
                        
                     
                        
                           Unstreitig hat sich Friedrich Kuhlmann aus Lille durch
                              seine Arbeiten über die vortheilhafte Verwendung und Verwerthung der Barytsalze ein
                              großes Verdienst erworben.Man sehe: Kuhlmann, über die
                                    Baryt-Industrie, im polytechn. Journal Bd. CL S. 57, 109 und 415. Er war es, der den künstlichen 
                              schwefelsauren Baryt mit großem Erfolge in den Handel
                              brachte und das Chlorbaryum als Mittel gegen den
                              Kesselstein empfahl.
                           Sein Verfahren besteht im Wesentlichen darin, daß man die bei der
                              Chlorkalkfabrication sich ergebende, werthlose Chlormanganlösung in einem Flammofen
                              mit höchst feingepulvertem Schwerspath und Steinkohlenpulver mischt und eindampft,
                              und hierauf die trocken gewordene Masse in der heißeren Abtheilung des Ofens
                              schmelzt. Die Schmelze wird zuerst eine Zeit lang der Luft ausgesetzt, alsdann mit
                              Wasser behandelt, worin sich das gebildete Chlorbaryum löst, während das gebildete
                              eisenhaltige Schwefelmangan sammt dem unzersetzt gebliebenen Schwerspath ungelöst
                              bleiben. – Aus der Lösung fällt man den Baryt mittelst verdünnter
                              Schwefelsäure und gewinnt hierbei:
                           a) äußerst fein vertheilten schwefelsauren Baryt,
                              welcher nach vollständigem Auswaschen und gelindem Pressen das Blanc fixe darstellt und
                           b) eine verdünnte Salzsäure, welche etwa denselben
                              Wirkungswerth hat, wie die, welche ursprünglich zur Bildung des verwendeten
                              Chlormangans gedient hat.
                           Dieses Verfahren ist jedoch nur in denjenigen chemischen Fabriken mit Vortheil
                              auszuführen, wo bei der Bereitung des Chlorkalkes, die als Nebenproduct erhaltenen
                              Manganchlorürlaugen billig zur Hand sind und würde ein jedes Unternehmen, welches
                              sich auf den Bezug der Manganrückstände gründen wollte, jederzeit ein sehr gewagtes
                              seyn.
                           Kuhlmann's Versuche, den Schwefel, welcher in dem mittelst Schwerspath erzeugten Schwefelbaryum
                              enthalten ist, nutzbar zu machen, scheiterten an der zur Verdrängung des
                              Schwefelwasserstoffes verwendeten Kohlensäure, indem er
                              hier bei der Ausführung auf unüberwindliche Schwierigkeiten stieß und daher die
                              Gewinnung des im Schwefelbaryum enthaltenen Schwefels aufgab.
                           Er versuchte nun das Schwefelmangan und Schwefeleisen, welche bei seinem früher
                              beschriebenen Verfahren, bei der Bereitung des Chlorbaryums, in reichlicher Menge
                              erzeugt werden, anstatt des Schwefelkieses zu benutzen; allein auch diese Versuche
                              führten zu keinem günstigen Resultate:
                           1) weil er nicht im Stande war, diese Schwefelmetalle vollständig zu trocknen, ohne
                              sie theilweise zu verbrennen,
                           2) aber kam ihm das natürlich vorkommende Schwefeleisen (Schwefelkies) viel billiger
                              zu stehen.
                           Nach meinen Erfahrungen mußte Kuhlmann, wenn er den Schwefel des
                              Schwefelbaryums in seinen Fabriken mit Vortheil gewinnen wollte, etwa folgenden Weg
                              einschlagen:
                           Er mußte sowohl die aus seinen Bleikammern abziehenden Dämpfe von schwefliger Säure,
                              als auch diejenigen, welche aus den Oefen entweichen, worin das Kochsalz zersetzt
                              wird, mit dem aus dem Schwefelbaryum, vermittelst Salzsäure entwickelten
                              Schwefelwasserstoff in Berührung bringen; denn dann war er im
                                 Stande, sowohl den Schwefel des Schwefelwasserstoffes, wie auch denjenigen der
                                 schwefligen Säure zu gewinnen; denn es ist eine bekannte Thatsache, daß
                              gasförmige schweflige Säure in Berührung mit Schwefelwasserstoff gegenseitig zerlegt
                              werden und zwar so, daß dabei Schwefel und Wasser sich bilden. Der mit etwas
                              Wasserdampf gemengte Schwefelwasserstoff wird mit der entweichenden schwefligen
                              Säure – nachdem dieselbe auf ihrem entsprechend langen Wege etwas abgekühlt
                              – in gemauerten, mit vielen Abtheilungen versehenen Canälen so
                              zusammengebracht, daß eine vollständige Mengung stattfindet. Die gasförmige
                              schweflige Säure tritt sofort ihren Sauerstoff an den Wasserstoff des
                              Schwefelwasserstoffes ab und bildet Wasser, während der Schwefel von beiden Gasarten
                              in höchst fein vertheiltem Zustande ausgeschieden wird; denn zu 1 Aequivalent
                              schwefliger Säure sind 2 Aequivalente Schwefelwasserstoff erforderlich, wenn eine
                              gegenseitige Zersetzung stattfinden soll, indem SO² + 2 HS in 3 S + 2 HO
                              zerfallen. Die Zersetzungsproducte lassen sich in großen gemauerten Canälen, die mit
                              einer Esse in Verbindung stehen, leicht condensiren, wenn daselbst für die gehörige
                              Abkühlung, hinreichenden Wasserdampf und ein geeignetes System von Flugstaubkammern
                              Sorge getragen ist.
                           Als Producte erhalten wir hier auf der einen Seite einen höchst fein vertheilten Schwefel, der zu den meisten Zwecken verwendbar. Auf der
                              anderen Seite erhalten wir eine Chlorbaryumlauge, die
                              unter bekannten Vorsichtsmaßregeln entweder zur Krystallisation verdampft, oder zur
                              Darstellung von künstlichem schwefelsaurem Baryt und anderen Barytpräparaten
                              verwendet wird.
                           Die Verwendung des Chlorbaryums zur Verhütung eines festen Kesselsteines (derselbe
                              ist hauptsächlich bedingt durch den schwefelsauren Kalk, welcher häufig im
                              Speisewasser enthalten ist) fängt in neuerer Zeit an eine immer allgemeinere zu
                              werden, da man sich von der Vortrefflichkeit dieses Mittels hinreichend zu
                              überzeugen Gelegenheit hatte.
                           Selbstredend kann dieses Verfahren auch bei allen denjenigen Hüttenanlagen mit
                              Vortheil eingeführt werden, welche bei ihren Röstprocessen stets mit einem großen
                              Ueberfluß von schwefliger Säure zu kämpfen haben, da die Wirkung der
                              schwefligen Säure auf die Vegetation eine sehr zerstörende ist. Vielfache Klagen der
                              Land- und Forstwirthe über die Beschädigung der Feldfrüchte und Waldbestände
                              beweisen dieß hinreichend. In der Regel sucht man diese Säure durch möglichst hohe
                              Essen in die Atmosphäre überzuführen; allein abgesehen, daß dieß bei schwerer
                              feuchter Luft noch kein hinreichend sicheres Mittel ist, dieselbe für die Vegetation
                              ganz unschädlich zu machen (und zwar um so weniger, als die schweflige Säure, wie es
                              scheint, in der Atmosphäre zum Theil selbst in Schwefelsäure umgewandelt wird), ist
                              man auch nicht bei allen, besonders aber hüttenmännischen Werken im Stande, hohe
                              Essen anzubringen.
                           Bei einer Abhandlung über die vortheilhafte Verwerthung armer
                                 Kupfererze (polytechn. Journal Bd.
                                 CLXXXIII S. 388) schlug ich vor einiger Zeit einen Weg vor, der mit der
                              Gewinnung des Kupfers zugleich auch diejenige der Barytpräparate verband. Da nun die Qualität des auf diesem Wege gewonnenen
                              künstlichen schwefelsauren Baryts von einer Seite in Zweifel gezogen wurde, will ich
                              auf die von mir vorgeschlagene Darstellungsweise hier etwas genauer eingehen.
                           Dieselbe beruht darauf, daß höchst fein gemahlener Schwerspath durch Glühen mit der erforderlichen Menge Kohle in
                              Schwefelbaryum übergeht, indem demselben durch die Kohle sämmtlicher Sauerstoff
                              entzogen wird. Das so gebildete Schwefelbaryum wird mit Salzsäure in Chlorbaryum
                              verwandelt und aus letzterem endlich der künstliche schwefelsaure Baryt mit
                              verdünnter Schwefelsäure gefällt, welcher, nachdem er vollständig ausgewaschen,
                              unter dem Namen Blanc fixe in den Handel kommt.
                           Im Großen wird diese Arbeit etwa folgendermaßen ausgeführt.
                           4 Gewichtstheile gemahlener Schwerspath (derselbe darf eisenhaltig seyn) werden mit 1
                              Gewichtstheile ebenfalls höchst fein gemahlener, wenn möglich backender Steinkohle
                              innig gemengt; es werden alsdann noch 5–8 Proc. Stein- oder
                              Holzkohlentheer untergemischt und das Ganze zur gleichmäßigeren Vertheilung des
                              letzteren durch ein feines Sieb geschlagen. Wenn ein Mahlgang vorhanden, dann ist es
                              gut, die so vorbereitete Mischung noch einmal über denselben gehen zu lassen. Das
                              höchst feine Gemenge wird in Tiegel von Töpferthon ziemlich locker eingefüllt und in
                              geeigneten Oefen (Töpfer- oder Porzellanöfen) unter allmählicher Verstärkung
                              des Feuers bis zur starken Rothglühhitze gebracht und durch mehrere Stunden in
                              dieser Temperatur erhalten. Der Ofen wird alsdann zugemauert und wohl mit Lehm
                              verstrichen erkalten gelassen. Diese Arbeit ist mit großer Sorgfalt auszuführen,
                              weil durch den Zutritt der atmosphärischen Luft sich die glühende Masse leicht wieder
                              theilweise höher oxydiren würde.
                           Nach dem Erkalten werden die Tiegel entleert und das Schwefelbaryum in Stein-,
                              Blei- oder Thongefäßen, wie solche zur Entbindung der Kohlensäure oder des
                              Chlorgases gebräuchlich, mit der entsprechenden Menge Salzsäure in Chlorbaryum
                              verwandelt, während das entweichende Schwefelwasserstoffgas zur Fällung des Kupfers
                              verwendet wird.
                           Es ist gut, wenn man gegen Ende der Operation von Zeit zu Zeit Probelaugen aus dem
                              Apparat nimmt und untersucht, ob dieselben neutral oder sauer sind. Ist letzterer
                              Fall eingetreten, dann ist wohl darauf zu achten, daß noch
                                 nach und nach Schwefelbaryum in kleinen Portionen zugesetzt wird, bis eine Spur
                                 von letzterem in den Chlorbaryumlaugen vorherrscht, da alsdann alle Metalle,
                                 welche der natürliche Schwerspath führte, als unlösliche Schwefelmetalle
                                 ausgeschieden sind. Es ist daher gerade auf diesen Theil der Operation die
                              größte Sorgfalt zu verwenden, wenn ein Präparat von chemischer
                                 Reinheit erzielt, zugleich aber auch die hier wieder gewonnene Salzsäure
                              durch eben erwähnte Metalle nicht verunreinigt werden soll.
                           Die möglichst concentrirten Chlorbaryumlaugen werden durch eingeleitete heiße Dämpfe
                              zum Kochen gebracht und so die letzten Spuren von Schwefelwasserstoff ausgetrieben.
                              Dieselben werden nun in hohe hölzerne Kufen gegeben, wo sich die Verunreinigungen
                              (Schwefelmetalle, Kohlenpulver und unzersetzter Schwerspath) rasch absetzen. Nach
                              einiger Zeit können die klaren Laugen von denselben abgezogen werden, die Rückstände
                              aber bringt man auf dichte Flanellspitzbeutel und wäscht sie aus. Enthalten
                              dieselben noch viel unzersetzten Schwerspath, dann werden sie nach dem Trocknen
                              einer folgenden Schwerspathmischung zugesetzt und abermals geglüht.
                           In die klaren Chlorbaryumlaugen aber gießt man so lange verdünnte Schwefelsäure, bis der Baryt vollständig gefällt ist. Da die
                              Körperfeinheit des Niederschlages wesentlich von der Verdünnung der Schwefelsäure
                              abhängt, so hat man hierauf sein besonderes Augenmerk zu richten.
                           Gegen Ende der Operation nimmt man häufig Proben, um sich zu überzeugen, ob und wie
                              viel Chlorbaryum noch in den Laugen enthalten. Ist schon freie Schwefelsäure
                              vorhanden, dann wird letztere durch Zusatz von etwas Chlorbaryumlauge ausgeschieden,
                              und ist es rathsam, bei einem kleinen Ueberschuß der letzteren die Arbeit als
                              beendet zu betrachten, da, wenn die hier erhaltene Salzsäure wieder zur Zersetzung
                              neuer Schwefelbaryummengen dienen soll, dieser kleine Ueberschuß nicht verloren geht,
                              was aber bei überschüssiger Schwefelsäure bei letzterer der Fall wäre.
                           Der gefällte schwefelsaure Baryt setzt sich rasch zu Boden und kann die darüber
                              stehende Salzsäure von ersterem in einigen Tagen leicht abgezogen werden. Man wäscht
                              denselben alsdann so lange aus, als noch Spuren von Salzsäure nachgewiesen werden
                              können. Der Niederschlag wird auf große Abtropffilter gebracht und, wenn nöthig,
                              gelinde ausgepreßt, um als Blanc fixe pâte in den
                              Handel gebracht zu werden.
                           Das so erhaltene Blanc fixe
                                 besitzt alle jene Eigenschaften, welche im Handel nur gefordert werden und kann
                                 dem nach dem Kuhlmann'schen oder anderen Verfahren gewonnenen Präparate in allen
                                 Stücken gleichgestellt werden.
                           Zu jedem gewünschten weiteren Aufschlusse bin ich gerne bereit.