| Titel: | Ueber die Elasticität, Dehnbarkeit und absolute Festigkeit des Eisens und Stahles; von Knut Styffe. | 
| Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. LX., S. 206 | 
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                        LX.
                        Ueber die Elasticität, Dehnbarkeit und absolute
                           Festigkeit des Eisens und Stahles; von Knut Styffe.
                        Aus den Jern contorets Annaler für 1866 im Auszuge
                           mitgetheilt in der österreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1867,
                              Nr. 10.
                        Styffe, über die Elasticität, Dehnbarkeit und absolute Festigkeit
                           des Eisens und Stahles.
                        
                     
                        
                           Im Jahre 1862 wurde in Schweden ein Comité niedergesetzt, welches den Zweck
                              hatte, über die Brauchbarkeit des schwedischen Eisens und Stahles zur Erzeugung von
                              Eisenbahnmaterial ein Gutachten abzugeben. Das Comité löste seine Aufgabe zum
                              Theil durch sehr gründliche Versuche, welche über die Elasticität und Festigkeit des
                              Eisens und Stahles zuerst unter der Leitung des Hrn. Professors Aengström, später durch die Herren R. Thalén und K. Cronstrand, und schließlich durch den Director des polytechnischen
                              Institutes in Stockholm Hrn. Knut Styffe unter Mitwirkung
                              der Herren Ingenieure K. Cronstrand und P. Lindell ausgeführt wurden. Hr. Knut Styffe, mit der Leitung der Versuche seit 1863 beschäftigt, erhielt vom
                              Comité den Auftrag, über deren Ergebnisse den Bericht zu erstatten.
                           Die Versuche umfassen außer verschiedenen Puddeleisen- und Stahlsorten, welche
                              eigens für diesen Zweck auf dem Puddelwerke Surahammer aus schwedischem Roheisen
                              erzeugt wurden, auch Bessemerstahl und Eisen, schwedische Frischeisengattungen, und
                              einige englische Eisensorten; sie berücksichtigen die Abhängigkeit der Lage der
                              Elasticitätsgrenze, der Festigkeits- und Elasticitätscoefficienten von der
                              Temperatur, bei welcher das Material beansprucht wird; von Kohlenstoff- und
                              Phosphorgehalt, sowie von der vorhergehenden mechanischen Behandlung durch Strecken,
                              Glühen und Härten. – Wiewohl sich also die Resultate größtentheils auf
                              schwedische Fabricate beziehen, so dürfte dennoch eine kurze Mittheilung derselben,
                              einerseits wegen Vergleichung mit heimischen Eisen- und Stahlgattungen, und
                              andererseits wegen der, zum Theil mehr oder minder allgemein geltenden
                              Erfahrungssätze gerechtfertigt seyn und die Aufmerksamkeit des Eisenfabrikanten und
                              Maschinenbauers verdienen.
                           Was die Art der Versuche betrifft, so hielt das Comité für das Zweckmäßigste,
                              sich größtentheils auf Ausdehnungsversuche zu beschränken, indem sich der Vorgang
                              bei denselben, zufolge der im ganzen Stabquerschnitte gleichmäßig auftretenden
                              Normalspannungen, am einfachsten gestaltet, was die Erklärung der eintretenden
                              Erscheinungen vielfach erleichtert. –
                           Die Untersuchungen zerfallen demnach in:
                           1) Versuche über die absolute Festigkeit und Elasticität bei gewöhnlicher Temperatur
                              von ungefähr 15° C.;
                           2) Versuche über denselben Gegenstand in der Kälte und Wärme;
                           3) Biegungsversuche in gewöhnlicher Temperatur und in der Kälte und Wärme zur
                              Ermittelung des Elasticitätsmoduls. –
                           Im Folgenden sollen nun die Ergebnisse, wie sie der Bericht darstellt, nebst einer
                              Angabe der befolgten Versuchsmethoden, auszugsweise mitgetheilt werden.
                           
                        
                           
                           I. Ausdehnungsversuche bei gewöhnlicher
                                 Temperatur.
                           Der angewendete hydraulische Ausdehnungsapparat hatte fast dieselbe Einrichtung, wie
                              sie ihm von Lagerhjelm gegeben wurde. Ein starkes Bett
                              von Gußeisen, ungefähr 9 Fuß lang, auf zwei Tischen horizontal festgeschraubt,
                              diente zur Aufnahme von zwei rahmenförmigen Querhäuptern; mit dem einen war die
                              Kolbenstange des Preßcylinders und mit dem zweiten, vermittelst eines Bügels, ein
                              Winkelhebel, der eine prismatische Schneide als Drehpunkt hatte, verbunden. –
                              An dem Preßcylinder befanden sich zwei kleine Handpumpen von verschiedener Größe;
                              die Dehnung des zwischen den zwei inneren einander zugewendeten Querstücken
                              horizontal eingespannten Stabes ist also durch Einpumpen des Wassers in den Cylinder
                              bewerkstelligt worden, und je nachdem dieselbe rascher oder langsamer vor sich gehen
                              sollte, die größere oder kleinere der beiden Pumpen benutzt; sollte die Spannung
                              aufhören, so wurde das Wasser vor dem Kolben mittelst eines Hahnes abgelassen.
                           Der Winkelhebel, dessen horizontaler Arm 20,0840mal länger war als der verticale,
                              hatte an seinem Ende auf einer prismatischen Schneide eine Waagschale angehängt,
                              welche zur Aufnahme der Gewichte diente. Sollte dem Stabe eine gewisse Spannung
                              ertheilt werden, so ist die Waagschale unter Berücksichtigung des Hebelverhältnisses
                              mit den entsprechenden Gewichten belastet worden, und es erfolgte das Einpumpen des
                              Wassers so lange bis sich der unterstützte horizontale Hebelarm erhob. Die wegen der
                              unvermeidlichen Erhebung des Stabes erfolgende schiefe Zugrichtung konnte, da ihr
                              Betrag äußerst gering ist, unberücksichtigt bleiben.
                           Die Befestigung der Versuchsstäbe in den Querstücken geschah auf mannichfache
                              Art.
                           Anfänglich wurden die schwach conisch geformten Enden des Stabes umgebogen, und
                              mittelst Keilen befestigt; da aber das Zuspitzen und Umbiegen in der Wärme geschehen
                              mußte, so rissen die Stäbe häufig an diesen durch das Erwärmen verschwächten
                              Stellen; später wurden starke Kloben mit Gußstahlbacken angewendet, deren innere
                              Flächen mit Feilzähnen versehen waren, und zwischen welche der Stab mittelst
                              Schrauben festgespannt werden konnte; außerdem wurde noch eine dritte
                              Befestigungsart gebraucht, es wurde nämlich über den Stab eine Scheibe, deren
                              Oeffnung etwas größer als der Querschnitt des Stabes, geschoben, sodann die Enden
                              desselben bei möglichst niedriger Temperatur gestaucht, und das eine davon mit einem
                              Kopf, welcher das Abfallen der Scheiben verhinderte, abgeschlossen, während das
                              andere mit einem Gewinde versehen wurde; diese Befestigungsart erwies sich als zweckmäßig,
                              indem durch das Stauchen eine Querschnittsvergrößerung erreicht wurde, welche die
                              Verschwächung durch die Erhitzung aufgewogen hatte.
                           Die Länge der Stäbe war bei den Elasticitätsversuchen 5–6 Fuß, bei den
                              Zerreißungsversuchen viel geringer, mitunter nur wenige Zoll; sie wurden mittelst
                              eines eigenen Maaßstabes eingetheilt, und die Theilstriche eingeritzt. –
                           Die Messung der Querschnitte geschah mit einem Schraubenmaaße an mehreren Stellen des
                              Stabes, in zwei aufeinander senkrechten Richtungen; hieraus wurde dann der mittlere
                              Querschnitt abgeleitet. – Zur Messung der elastischen Längenänderungen diente
                              ein hölzerner Maaßstab, welcher sich zum Theil an die Scalen der Stäbe anlehnte, und
                              zum Theil auf Rollen aufgehängt und entlastet war; auf diesem Maaßstabe waren zwei
                              Schraubenmikroskope angebracht, die Entfernung ihrer optischen Achsen betrug genau 5
                              Fuß. – An den Enden der Versuchsstäbe, gerade über den zwei äußersten, in
                              fünf Fuß Entfernung aufgetragenen Theilstrichen, sind mittelst Stellschrauben zwei
                              Scalen befestigt; die dem Preßcylinder zunächstliegende wird die Indexscale, die
                              andere die Meßscale genannt; letztere hat 280 Intervalle, von denen jeder 0,2048
                              Millimeter beträgt. Die Nullpunkte dieser Scalen befanden sich über den äußersten
                              Theilstrichen der Versuchsstäbe, und es mußte vor der Messung der Faden des einen
                              Schraubenmikroskopes auf den Nullpunkt der Indexscale eingestellt werden, was durch
                              eine horizontale Schraube, welche sich an einen Ansatz der Hülse der Indexscale
                              stemmte, leicht bewirkt werden konnte. Ueberdieß war der Maaßstab durch eine
                              Spiralfeder und eine Vorrichtung, welche das Heben und Senken desselben zuließ,
                              jedoch eine Umdrehung um seine Längenachse verhinderte, mit dem fixen Preßcylinder
                              verbunden; dadurch ist der Maaßstab, indem er durch die Feder leise an den Ansatz
                              der Indexscale gepreßt wurde, gezwungen worden, den Bewegungen der letzteren zu
                              folgen, wodurch man das wiederholte Einstellen auf den Nullpunkt der Indexscale zu
                              vermeiden hoffte; dieser Zweck ist jedoch nicht vollständig erreicht worden, und es
                              mußte jeder Ablesung auf dem Maaßstabe ein neuerliches Einstellen des Mikroskopes
                              vorangehen.
                           Die mit dem vorstehenden Apparate durchgeführten Versuche sind in der folgenden
                              Tabelle enthalten, und es erscheint nothwendig, zum Verständniß derselben einiges
                              beizufügen. – Bisher begriff man unter Elasticitätsgrenze jene kleinste
                              Belastung pro Flächeneinheit des Querschnittes, welche
                              eine bemerkbare bleibende Verlängerung hervorrufen kann. Diese Grenze scharf zu
                              bestimmen, hängt sehr von der Genauigkeit der Meßinstrumente und von dem Beobachter selbst ab, sowie
                              von der Art, wie die Ausdehnung vorgenommen wird; überdieß kehrt der entlastete Stab
                              nicht sogleich in die Gleichgewichtslage zurück, sondern es findet eine sogenannte
                              elastische Nachwirkung statt, so zwar, daß sich die bleibende Ausdehnung durch
                              einige Zeit beständig ändert, nämlich kleiner wird. Die Unzulänglichkeit dieser
                              Bestimmung wollte schon Werthheim durch seine Definition
                              der Elasticitätsgrenze vermeiden, indem er die bleibende Ausdehnung auf ein
                              bestimmtes Maaß brachte, und unter Elasticitätsgrenze jene specifische Belastung
                              verstand, welche eine bleibende Verlängerung von 0,00005 der ursprünglichen Länge
                              des Stabes hervorzubringen vermag.
                           Das Messen einer so geringen Länge ist schon an und für sich mit einigen
                              Schwierigkeiten verbunden, auch dürfte sie durch sehr verschiedene Belastungen, die
                              eine kürzere oder längere Zeit einwirken, veranlaßt werden. Ferner sind die Stäbe
                              nie vollkommen gerade, man muß sie etwas spannen, um die ursprüngliche Länge messen
                              zu können, und schon diese geringe Belastung kann möglicherweise bleibende
                              Verlängerungen verursachen. Um diesen Uebelständen zu begegnen, fand sich der Herr
                              Verfasser bewogen, eine neue Definition der Elasticitätsgrenze vorzuschlagen, welche
                              vorzugsweise die Möglichkeit bieten sollte, diese Grenze scharf zu bestimmen, was um
                              so wichtiger ist, als neuerer Zeit nach dem Vorgange von Reuleaux die zulässige Inanspruchnahme der Constructionen immer nur auf
                              die Elasticitätsgrenze bezogen wird.
                           Wird ein Stab successive belastet und ist die Dauer der Einwirkung jeder Belastung so
                              viele Minuten als die Gewichtsvermehrung Procente der vorangegangenen ganzen
                              Belastung beträgt, wenn ferner L die ursprüngliche
                              Stablänge, P die ganze Belastung, ΔP die Belastungsvermehrung und ΔL den von dem Gewichte P + ΔP
                              hervorgerufenen bleibenden Längenzuwachs bezeichnet (nachdem es durch (100 ΔP)/P Minuten
                              einwirkte), so versteht man unter Elasticitätsgrenze jenen Werth von P, welcher bei dem zugehörigen ΔP und ΔL der Gleichung ΔL/L = 1/100 . ΔP/P ganz oder wenigstens nahezu
                              genügt. Es ist also zur Ermittelung der Elasticitätsgrenze eine Reihe von Versuchen
                              erforderlich, und diese müssen an jener Stelle, wo die Elasticitätsgrenze beiläufig
                              liegen dürfte, mit möglichst kleinen Belastungsvermehrungen ausgeführt werden.
                              Verzeichnet man die bleibenden Verlängerungen als Abscissen und die zugehörigen
                              Belastungen als Ordinaten, so erhält man das Bild der Verlängerungscurve, und es ist
                              der Winkel, welchen die
                              Berührende in jenem Punkte der Curve, welcher der Elasticitätsgrenze entspricht, mit
                              der Abscissenachse bildet, durch dessen trigonometrische Tangente ΔP/ΔL = 100 P/L bestimmt.
                           Versuche, welche mit zwei Theilen ursprünglich ganzer Stäbe ausgeführt wurden,
                              zeigten, daß die Größe der Belastungsvermehrung, sowie die Einwirkungsdauer
                              innerhalb gewisser Grenzen auf die Lage der Elasticitätsgrenze fast ohne Einfluß
                              sind; so betrug bei einem Puddeleisen von Motala die Belastungsvermehrung bei dem
                              einen Stabtheile 7,1 Pfd. und die jedesmalige Einwirkung 2 Minuten, bei dem anderen
                              14,4 Pfd. und die Dauer bloß 1/2 Minute; die Elasticitätsgrenze wurde im ersteren
                              Falle mit 431, im zweiten mit 435 ermittelt, somit eine geringe Abweichung.
                              Bemerkenswerth ist, daß wenigstens bei weichem Eisen die Elasticitätsgrenze nach
                              dieser Definition, wenngleich immer höher, doch nicht bedeutend höher liegt als nach
                              Werthheims Definition, wiewohl die bleibenden
                              Verlängerungen im ersten Falle bedeutend größer sind als 0,00005 der ursprünglichen
                              Länge; der Grund dessen liegt darin, daß die Verlängerungen an dieser Stelle sehr
                              rasch zunehmen, die Curve eine größere Neigung gegen die Abscissenachse annimmt.
                              Darin liegt auch der Beweis, daß diese Definition der Elasticitätsgrenze sehr
                              glücklich für Eisen und Stahl gewählt ist, denn sobald die Belastungen nur wenig
                              darüber vermehrt werden, so gestalten sich die bleibenden Verlängerungen schon sehr
                              bedenklich, was sich auch äußerlich durch das Abfallen des Glühspans kennzeichnet.
                              – In diesem Sinne ist die Lage der Elasticitätsgrenze in der Tabelle bestimmt
                              worden, mit Ausnahme der Stäbe Nr. 1 bis 59, welche von den Herren Thalén und Cronstrand
                              bestimmt wurde, und worin als Elasticitätsgrenze derjenige Punkt der
                              Verlängerungscurve gewählt wurde, welche der Maximalkrümmung entspricht, was auf
                              graphischem Wege bestimmt wurde. – Hr. Styffe
                              verließ diese Art der Bestimmung der Elasticitätsgrenze, weil sie von dem gewählten
                              Maaßstabe bei der Bezeichnung der Curve nicht unabhängig ist; im übrigen weicht die
                              so bestimmte Elasticitätsgrenze von der nach obiger Definition nur unbedeutend ab.
                              –
                           Durch mehrmaliges Strecken, sowie durch anderweitige mechanische Bearbeitung wird die
                              Elasticitätsgrenze erhöht, welche Eigenthümlichkeit des Eisens und Stahles durch
                              folgenden Versuch dargethan ist. Ein Stab von Puddelstahl wurde successive bis 815
                              Pfd. pro Quadratlinie belastet, sodann wurde er noch
                              zehnmal mit derselben Belastung ausgedehnt, wobei die bleibenden Verlängerungen
                              immer kleiner geworden sind; schließlich wurde derselbe Stab zweimal mit geringeren,
                              bis zu 930 Pfd. gesteigerten Belastungen gedehnt, und es sind die drei Verlängerungscurven
                              verzeichnet worden. Die erste Curve ergab die Elasticitätsgrenze bei 685, die zweite
                              bei 835 und die dritte bei 925 Pfd.; es erlitt also diese eine Erhöhung von 240 Pfd.
                              Bemerkenswerth ist es, daß die in der Richtung der Abscissen verlaufenden Curvenäste
                              in derselben Richtung liegen, was auch bei vielen anderen Versuchen immer so
                              gefunden worden ist, sobald nur die Versuchsreihen nacheinander folgten und die
                              Temperatur während derselben constant blieb. – Die bleibenden Verlängerungen
                              sind nicht den ganzen Belastungen, sondern ihren Differenzen proportional, sie
                              werden vorzüglich für Eisen und weiche Stahlsorten kurz nach Erreichung der
                              Elasticitätsgrenze sehr bedeutend, weßhalb die Curven hier einen gegen die Abscissen
                              nahezu convexen Theil besitzen, welcher möglicher Weise von der Erwärmung in Folge
                              der Dehnung herrühren kann; wenigstens zeigte die Verlängerungscurve eines Stabes,
                              als er mit Wasser umgeben war, welches eine gleiche Temperatur bedingte, nicht mehr
                              diesen convexen Theil. –
                           Als Maaß der absoluten Festigkeit erscheint die Bruchbelastung pro Flächeneinheit des ursprünglichen Querschnittes. Für die Dehnbarkeit
                              oder Zähigkeit gelten die bleibende Verlängerung des Stabes nach dem Zerreißen und
                              die Contraction des Bruchquerschnittes; jene wird ermittelt, indem man den
                              eingetheilten Versuchsstab nach dem Zerreißen mißt und diejenige Abtheilung, in
                              welcher der Bruch erfolgte, nicht berücksichtigt. – Wenn Strecken und
                              Kalthämmern die Elasticitätsgrenze und Festigkeit erhöhen, die Dehnbarkeit hingegen
                              vermindern, so hat das Glühen gerade die entgegengesetzte Wirkung, und das in einem
                              um so höheren Maaße als die angewendete Temperatur höher war. –
                           Es ist schon augeführt worden, daß die bleibenden Verlängerungen zwischen der
                              Elasticitätsgrenze und Bruchbelastung der Belastungsdifferenz nahe proportional
                              sind, wie das auch der Verlauf der Verlängerungscurve zeigt; aus diesem Grunde ist
                              auch die Angabe der percentualen Längenveränderung für eine gewisse
                              Belastungszunahme, zwischen jenen Grenzen, ein Maaß für die Dehnbarkeit. Diese ist
                              am geringsten für kohlenstoffreiche Stahlsorten, und nimmt zu mit der Abnahme des
                              Kohlengehaltes, so daß sie bei weichem Eisen den größten Werth erlangt. – Es
                              ist wahrscheinlich, daß sich in dieser Hinsicht noch eine größere Gesetzmäßigkeit
                              herausstellen würde, wenn die zu den Versuchen verwendeten Stäbe homogen und von
                              durchaus gleicher Stärke gewesen wären, denn da hier bloß die bleibenden
                              Verlängerungen in jenen Abtheilungen, wo der Bruch nicht erfolgte, berücksichtigt
                              sind, so muß die Beschaffenheit der Bruchstelle auf jene von großem Einfluß seyn;
                              ist sie z.B. unganz oder sonst nicht fehlerfrei, so wird die Ausdehnung vorzüglich an derselben Platz
                              greifen, und die übrigen Theile des Stabes wenig alteriren. –
                           Der Kohlenstoffgehalt steht im innigen Zusammenhange mit den elastischen
                              Eigenschaften des Stahles und Eisens, und die Versuche lehren, daß mit zunehmendem
                              Kohlengehalte bis ungefähr 1,2 Proc. auch die Elasticitätsgrenze und Festigkeit
                              zunehmen, die Dehnbarkeit hingegen abnimmt.
                           Der Einfluß des Phosphorgehaltes wurde durch Versuche mit 0,24 bis 0,29 Proc.
                              phosphorhaltigen Eisensorten von Cleveland und Aeryd ermittelt. Die ersteren
                              zeichneten sich durch großen Schlackengehalt (spec. Gewicht = 7,65) aus, während das
                              Aeryd-Eisen ziemlich schlackenfrei war. Die Festigkeit derselben war groß,
                              und sie konnten den besten Eisensorten an die Seite gestellt werden. Rothglühhitze
                              veränderte sie nicht, und erst Weißglühhitze übte eine Wirkung, jedoch bloß auf das
                              schlackenfreie Aeryd-Eisen, welches alsdann mit grobkrystallinischer
                              Bruchfläche riß, und seine Festigkeit sich auffallend verringerte; das
                              Cleveland-Eisen zeigte sich im Bruche wenig und in der Festigkeit fast gar
                              nicht geändert. – Bezüglich dieser Thatsache macht der Hr. Verfasser die
                              Ansicht geltend, daß Phosphor bloß die Härte und Festigkeit innerhalb der
                              Eisenkrystalle erhöht, die Cohäsion derselben jedoch verringert; Weißglühhitze
                              bewirkt das Krystallinischwerden, jedoch nur bei schlackenfreiem Eisen, wie jenes
                              von Aeryd und beeinträchtigt dadurch die Festigkeit, während wie bei dem
                              Cleveland-Eisen die eingeschlossene Schlacke, ohne sich selbst zu verändern,
                              die Gruppirung der Atome zu Krystallen verhindert, die Festigkeit dieses Eisens
                              daher nicht leidet. Die Elasticitätsgrenze wird bei diesem Eisen durch Weißglühhitze
                              nicht merklich geändert. Auf Stahl hat Phosphor einen nachtheiligeren Einfluß, und
                              es soll ein geringer Gehalt die Ursache seyn, daß er bei öfterem Glühen rascher
                              degenerirt wird; guter Stahl hat nie einen höheren Phosphorgehalt als 0,04 Proc.
                              aufzuweisen.
                           Wird der Stahl und selbst Eisen erhitzt und rasch abgekühlt, so wird ihre
                              Elasticitätsgrenze erhöht und die Dehnbarkeit verringert. Die absolute Festigkeit
                              wird durch Härtung ebenfalls erhöht, sobald diese auf passende Art vorgenommen wird.
                              Bei härterem Stahl wird, wenn die vorangehende Erhitzung bedeutend war und das
                              Abschrecken im Wasser vorgenommen wurde, die Festigkeit sehr wesentlich verringert,
                              indem dadurch eine besondere Art von Spannungen im Material auftritt, welche jedoch
                              durch nachheriges Glühen (Anlassen) beseitigt werden.
                           Der Elasticitätsmodul des Stahles und Eisens wurde durch Ausdehnung von Stäben mit
                              4–5 Fuß Länge und 9–16 Quadratlinien Querschnitt ermittelt. Der Hr.
                              Verfasser wollte die Fehlerquellen umgehen, welche bei der Bestimmung des Moduls aus
                              Biegungsversuchen wegen der dabei stattfinden Voraussetzung seiner Gleichheit für
                              Zug und Druck, oder nach Werthheim aus den elastischen
                              Verlängerungen von Drähten, wegen der unzureichenden Bestimmung ihres Querschnittes
                              aus dem specifischen Gewichte entspringen.
                           Die Berechnung geschah nach der Formel E = l /a . (P₁ – P)/(L₁ – L), worin
                              E den Zugmodul, l die
                              ursprüngliche Länge und a den Querschnitt, ferner L₁ und L die den
                              Spannungsgewichten P₁ und P entsprechenden Stablängen bedeuten. – Der benutzte Apparat ist
                              der früher beschriebene. Um die Temperatur der Stäbe jederzeit bestimmen zu können,
                              waren sie in ein enges Messingrohr eingeschlossen und die beiderseits so viel
                              hervorragenden Enden derselben, als zur Befestigung der Scalen und zur Verbindung
                              mit den Querstücken des Apparates nothwendig war, durch Kautschukröhrchen
                              abgedichtet; die Stäbe sind mit einer Flüssigkeit umgeben und ihre Temperatur durch
                              eingesetzte Thermometer bestimmt worden, das Rohr, um auf den Stab nicht zu drücken,
                              durch Gegengewichte entlastet. – Die durch das eigene Gewicht des Stabes
                              hervorgerufene Einbiegung wurde ebenfalls in Rechnung gezogen; zu diesem Behufe
                              waren in der Mitte und senkrecht auf die Achse des geraden Rohres zwei zu einander
                              rechtwinkelige und gegen den Horizont unter 45° geneigte Messingröhrchen
                              angebracht; in diesen bewegten sich zwei Stäbe, welche mit dem einen Ende auf dem
                              Versuchsstabe aufruhten, und mit dem anderen auf Zeigerhebel wirkten; letztere waren
                              auf diese Weise gezwungen, den transversalen Bewegungen des Versuchsstabes zu
                              folgen, und die Coordinaten des Stabachsenmittels mit Rücksicht auf ein unter
                              45° geneigtes Achsensystem anzugeben. Wird annähernd vorausgesetzt, daß die
                              Stabachse nach einem Kreisbogen gekrümmt ist, so dienen die Coordinaten des Pfeiles
                              und die jederzeit meßbare Sehnenlänge zur Bestimmung der Bogenlänge. Diese in den
                              äußersten Umrissen skizzirte Einrichtung des Apparates ermöglichte die nothwendigen
                              Correcturen wegen der Einbiegung des Stabes und der Temperaturänderungen während des
                              Versuches in der Längendifferenz L₁–L anzubringen. Die Resultate der Untersuchungen ergaben,
                              daß der Modul für Stahl von verschiedenen Härtegraden und gutes Eisen nicht viel
                              verschieden ist, und mit dem specifischen Gewichte des Materielles abnimmt. Im
                              Mittel beträgt er für Stahl und Eisen von 7,8 spec. Gewicht 269,0370 Ctr. pro Quadratzoll und ist sogar bei gutem Bessemereisen
                              mit 298,930 Ctr. gefunden worden; bei kaltbrüchigem und schlackenhaltigem Eisen von
                              7,4 spec. Gew. betrug er bloß 239,1440 Ctr.
                           
                           Eigenthümlich ist der Einfluß einer bleibenden Ausdehnung auf die Größe des Moduls;
                              allerdings verursacht diese bekanntlich eine Verminderung des spec. Gewichtes, und
                              wie gesagt nimmt mit letzterem auch der Elasticitätsmodul ab, allein es reicht das
                              nicht zur vollständigen Erklärung hin. – So wurde bei einem Stabe von
                              Bessemerstahl aus Högbo der Elasticitätsmodul mit 274,4170 Ctr. gefunden; nachdem er
                              eine bleibende Verlängerung von 0,5 Proc. erfuhr, betrug dieser bloß bloß 249,1880
                              Ctr. und als er im Paraffinbade auf 130° erwärmt wurde und langsam erkaltete,
                              wurde er wieder mit 272,5040 Ctr. gefunden; nach einer nochmaligen, durch eine
                              Stunde andauernden Erwärmung wurde er ebenso wie vor der Streckung gefunden, es
                              kehrte also die ganze elastische Kraft zurück. Wird ein so verstreckter Stab
                              geglüht, so kommt es sogar vor, daß der Elasticitätsmodul höher gefunden wird.
                           
                              
                                 (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)