| Titel: | Neuer Proceß der Phototypie von Tessié du Mothay und Maréchal. | 
| Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. LXXXVI., S. 298 | 
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                        LXXXVI.
                        Neuer Proceß der Phototypie von Tessié du Mothay und
                           Maréchal.Hr. Maréchal hat diesen Bericht im Manuscript nebst Proben des Verfahrens
                                 dem Berliner Photographen-Verein übersandt; wir entnehmen ihn den Berliner photographischen Mittheilungen, Juni 1867, S.
                                    65. A. d. Red.
                           
                        Tessié du Mothay und Maréchal's Proceß der
                           Phototypie.
                        
                     
                        
                           Hr. Davanne beschrieb in einem sehr beachtenswerthen
                              Bericht an die Société photographique de
                                 France in historischer Reihenfolge die verschiedenen bis jetzt bekannten
                              Verfahren, photographische Bilder durch Druckerschwärze wiederzugeben.
                           Aus der Darstellung des Hrn. Davanne erhellt, daß alle
                              Erfinder, die sich mit Lösung des Problems der Heliographie beschäftigt haben, zu
                              Druckplatten entweder den lithographischen Stein oder ein Metall wählten.
                           Daraus entspringen zwei Ursachen der Unvollkommenheit, welche beide mit der inneren
                              Natur des angewandten Materials in Zusammenhang stehen. Nämlich:
                           
                        
                           Erste Ursache der
                                 Unvollkommenheit.
                           Um ein Metall nach heliographischer Methode zu graviren, oder um einen Stein zur
                              Aufnahme eines Bildes in Druckerschwärze fertig zu machen, muß man zuerst dieses
                              Metall oder diesen Stein mit einer empfindlichen Schicht bedecken, welche, mag sie
                              noch so dünn seyn, immer eine Zwischensubstanz zwischen dem Cliché und der
                              Druckplatte ist.
                           So gering auch der von dieser Zwischensubstanz eingenommene Raum seyn mag, so wird durch
                              diesen Zwischenraum dennoch eine nachtheilige Ablenkung des Lichtes bewirkt; es
                              entsteht daher eine Verzerrung des Bildes, welches auf die Platten übertragen wird,
                              die es mittelst Druckerschwärze wieder auf Papier übertragen sollen.
                           
                        
                           Zweite Ursache der
                                 Unvollkommenheit.
                           Diese wurzelt noch tiefer. Sie liegt in der physischen Beschaffenheit der
                              Druckplatten; denn Metalle wie Stein sind nur fähig, die Druckerschwärze
                              aufzunehmen, wenn sie chemisch oder mechanisch gekörnt worden sind. Dieses Korn
                              aber, sey es so fein wie es wolle, entblößt die Krystalle der Metalle oder des
                              Steins, und deren Korn, ob gleichmäßig oder ungleichmäßig, ist unter allen Umständen
                              viel größer als die unsichtbaren Punkte sind, aus denen die
                              Silber-Photographien bestehen.
                           Aus diesen Gründen mußte von vornherein auf die Anwendung der Metalle wie der Steine
                              zu Druckplatten verzichtet, und nach anderen Substanzen gesucht werden, die so zarte
                              und so dichte Poren besitzen, daß sie den Druck mit Druckerschwärze ohne sichtbares
                              Korn erlauben.
                           Hierzu konnten nur organische Körper genügen. Ein Gemisch von Fischleim, Gelatine und
                              Gummi, in gleichmäßigen Schichten auf eine gut geebnete Metallplatte ausgebreitet
                              und zuvor mit einem der unten genannten chromsauren Salze vermischt, ist in der That
                              von allen Mitteln, die wir gefunden haben, dasjenige, welches am besten die
                              Fettstoffe aufnimmt, proportional mit der Intensität der durch das Licht bewirkten
                              Abstufungen vom Weiß zum Schwarz.
                           Die sauren Salze des Chroms, die wir benutzten, sind weder die einfach, noch die
                              zweifach-chromsauren. Beide Arten sind mit Rücksicht auf die Dicke unserer
                              Druckschichten nicht von genügender Empfindlichkeit und haben uns nur unvollständige
                              oder verbrannte Bilder gegeben.
                           Selbst die dreifach-chromsauren Alkalien, für sich allein angewendet, wenn sie
                              auch besser ausgeführte Bilder gaben, haben den Anforderungen der zu lösenden
                              Aufgabe nicht genügen können. Nur wenn wir ihnen reducirende Säuren oder deren Salze
                              hinzufügten, etwa: Ameisensäure, Gallussäure, Pyrogallussäure u.s.w., oder deren
                              lösliche Salze, oder noch besser gleich stark reducirende unorganische Salze, wie
                              etwa unterschwefligsaure, schwefligsaure, phosphorigsaure und unterphosphorigsaure
                              Salze, nur dann haben wir den gesuchten Erfolg gehabt.
                           Dieselben Resultate wurden erzielt bei Anwendung von dreifachchromsaurem Kali und
                              Quecksilberchlorid, sowie von Quecksilberchromaten, doch in diesem Falle schwärzten
                              sich die erhaltenen Bilder in negativem Sinne, woraus folgt, daß, um positive Drucke zu erhalten,
                              man hier auch Positive anwenden muß.
                           Die dreifach-chromsauren Salze neben reducirenden Körpern ebensowohl wie die
                              Quecksilberchromate haben außerdem die Eigenthümlichkeit, auf das Gemisch von
                              Fischleim, Gelatine und Gummi bei der Berührung mit dem Kupfer, worauf wir diese
                              Schicht erzeugen, so einzuwirken, daß der unmittelbar das Metall berührende Theil
                              der Schicht unlöslich wird. Dieses Unlöslichmachen gelingt um so besser, wenn man
                              die Schicht bei einer höheren Temperatur, als die Umgebung sie zeigt, aufträgt. Auch
                              suchen wir die Metallplatten, wenn sie mit ihrem Ueberzug versehen sind, einige
                              Stunden zu erwärmen, und zwar in einem Raume, in welchem die Temperatur auf ungefähr
                              50° C. erhalten wird. Ohne diese unumgänglich nöthige Behandlung halten die
                              Schichten von Fischleim, Gelatine und Gummi nicht die Wirkung der Druckwalze aus und
                              häuten sich unter der Wirkung des Reibers der lithographischen Presse ab.
                           Wenn die präparirten Metallplatten eine genügend lange Zeit der Temperatur von
                              50° C. ausgesetzt waren, unterwirft man sie der Wirkung des Lichtes unter
                              einem Negativ.
                           Die Zeitdauer der Belichtung richtet sich nach der Tages-, wie nach der
                              Jahreszeit. Unter gleichen Verhältnissen ist die Dauer der Belichtung ungefähr
                              dieselbe wie für Chlorsilber.
                           Sind die Platten belichtet, so werden sie zuerst einem längeren Waschen unterworfen
                              und darauf in der Wärme getrocknet. So präparirt, sind sie geeignet die
                              Druckerschwärze aufzunehmen, sey es durch den Ballen oder durch die Walze.
                           In diesem Zustande gleicht die zur Aufnahme der Schwärze bestimmte Platte einem
                              Modell von rauher Oberfläche, so zu sagen einer in Aquatinta-Manier gravirten
                              Platte, nur ohne Korn.
                           In der That werden, wie bei solchen Platten, sich die Vertiefungen mit Schwärze
                              füllen und die Weißen ausgespart bleiben. Um aber das fehlende Korn zu ersetzen,
                              dient hierfür das in den Poren der nicht isolirten Schichten enthaltene Wasser,
                              indem es die Fettstoffe von den bloßliegenden Weißen entfernt, während die unlöslich
                              gemachten Stellen, d.h. die Vertiefungen der Platte, die Schwärze zurückhalten
                              werden, um so kräftiger, je mehr sie das Licht undurchdringlich für das Wasser
                              gemacht hat.
                           Hieraus mag man ersehen, daß unsere Platten gleichzeitig die Eigenschaften des
                              Kupferstiches und der Lithographie besitzen, und daß sie gleichsam aus der
                              Vereinigung zweier chemischen und physikalischen Erscheinungen hervorgegangen sind, deren
                              Beobachtung wir dem Genie von Sennefelder und Poitevin verdanken.
                           So zubereitet, können die Platten durchschnittlich eine Auflage von 75 guten
                              Abdrücken liefern. Darnach schwächt sich das Relief und die Abzüge auf Papier werden
                              weniger kräftig und vollkommen.
                           Diese Auflage von so wenig Exemplaren würde offenbar die schwache Seite unseres
                              Druckverfahrens seyn, wenn nicht andererseits eine dünne Schicht aus Fischleim,
                              Gelatine, Gummi und chromsauren Salzen ein Gegenstand von geringem Werth wäre, und
                              wenn wir nicht andererseits der geringen Anzahl der Abdrücke jeder einzelnen Platte
                              nachgeholfen hätten durch die Möglichkeit, mit Hülfe eines schnellen Copirverfahrens
                              die Druckplatten in's Unbegrenzte zu vermehren. Um diese Copien zu erhalten,
                              verfährt man wie folgt:
                           Man breitet auf Glas, Papier oder irgend einer anderen Unterlage eine Schicht von
                              Tannin-Collodium (collodion au tannin) aus, und
                              sensibilisirt durch Auflegen eines Negativs oder Positivs. Am Sonnenlichte ist diese
                              Sensibilisation augenblicklich, bei künstlichem Lichte dauert sie einige Secunden.
                              Das Bild wird hierauf hervorgerufen, verstärkt und mittelst der bekannten Mittel
                              fixirt. Darnach nimmt man ein Blatt trockener Gelatine, benetzt es und legt es
                              sorgfältig an das Collodium, auf welchem die Copie des Vorbildes erzeugt ist. Die
                              Gelatine klebt mit dem Collodium zusammen und haftet fest genug, um letzteres vom
                              Papier oder Glase abheben zu können.
                           Diese Copie auf Gelatine dient nun ihrerseits als Positiv- oder Negativbild,
                              um neue Copien anzufertigen und dieß folglich ohne Zwischenlage eines Glases oder
                              irgend eines anderen durchsichtigen Bildträgers.
                           Durch dieses Verfahren kann man in einem Tage, sey es bei natürlichem oder bei
                              künstlichem Lichte, mehrere Hundert Copien erhalten. Die Copien sind von größter
                              Feinheit und werden hoffentlich zur unbegrenzten Vervielfältigung nicht allein der
                              phototypischen Platten, sondern auch der durch die anderen photographischen Methoden
                              erhaltenen Bilder dienen können.
                           Unser Druckverfahren mit Druckerschwärze wird in Metz seit bald einem Jahre in dem
                              Atelier des Hrn. Maréchal angewandt und schon ist
                              die Herausgabe mehrerer wichtiger Werke mit Hülfe dieses Verfahrens glücklich
                              ausgeführt worden.