| Titel: | Ueber die Structur und die chemische Constitution der Holzfaser; von Payen. | 
| Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. XCI., S. 308 | 
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                        XCI.
                        Ueber die Structur und die chemische Constitution
                           der Holzfaser; von Payen.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXIV p. 1167; Juni
                              1867.
                        Payen, über die Structur und Zusammensetzung der
                           Holzfaser.
                        
                     
                        
                           Unter die zahlreichen wichtigen Producte, welche auf der dießjährigen internationalen
                              Industrie-Ausstellung zu Paris die Aufmerksamkeit nur in geringem Grad auf
                              sich ziehen, gehören auch die verschiedenen Papierzeuge aus
                                 bisher nicht zu diesem Zweck angewendeten Rohmaterialien.
                           Wie allgemein bekannt ist, werden die Trümmer der aus Hanf, Flachs, Baumwolle und
                              verschiedenen anderen Fasersubstanzen angefertigten Gewebe von Tag zu Tag weniger
                              ausreichend, je größere Verhältnisse die Fabrication und der Verbrauch des Papiers
                              mit der Ausdehnung des Unterrichts und dem Aufschwunge des Buch- und
                              Zeitungsdruckes annimmt.
                           Dieser Zustand der Dinge hat eine großartige Industrie in das Leben gerufen, welche
                              sich namentlich in Frankreich, Deutschland, Belgien, England und Amerika entfaltet
                              und deren Zweck ist, aus Pflanzen, welche bisher für die Papierfabrication Rohstoffe
                              noch nicht geliefert hatten, Fasercellulose in verschiedenen Graden der Reinheit, ja
                              selbst schön weiß und – bis auf einige Zehntausendtel mineralischer Stoffe
                              – rein zu gewinnen.
                           Hinsichtlich des Holzes verschiedener Bäume gelangt man mit Hülfe von drei
                              verschiedenen Processen zum Ziele; durch dieselben wird die ursprüngliche Cellulose
                              stufenweise von den holzigen Incrustationen befreit, welche im Verlauf des
                              Vegetationsprocesses die inneren Wandungen der Faserbündel durch Ablagerung
                              concentrischer Schichten allmählich verdickt haben. Aus dem normalen Holze, dessen
                              elementare Zusammensetzung in Procenten ausgedrückt, je nach dem Alter und der
                              Species einem KohlenstoffgehaltAus den Analysen von Gay-Lussac und Thénard, sowie aus denenmehrerer anderer
                                    Chemiker ergibt sich, daß der Kohlenstoffgehalt bei leichtem und festem
                                    Holze von verschiedenen, unter verschiedenen Verhältnissen erwachsenen
                                    Baumspecien zwischen 48,5 und 53,0 schwankt. Da nun die einen Theil der
                                    Holzgewebe bildende Cellulose eine constante Zusammensetzung besitzt und
                                    44,4 Kohlenstoff enthält, so läßt sich, wenn man den gesammten
                                    Kohlenstoffgehalt der die verdickten Wandungen der Holzfaserbündel
                                    incrustirenden oder in dieselben injicirten Substanzen zu 54,5 annimmt, die
                                    elementare Zusammensetzung der verschiedenen Holzsorten, von dem leichteren
                                    bis zu dem festeren hinauf, mittelst einer einfachen Berechnung in
                                    nachstehender Weise darstellen:Cellulose.Incrustirende Substanz.Kohlenstoff.60+40=48,4640+60=50,4630+70=51,4820+80=52,88 von 48,5 bis 53,0 entspricht, während Wasserstoff und Sauerstoff in den die
                              Zusammensetzung des Wassers repräsentirenden Verhältnissen, außerdem aber ein
                              zwischen 3 und 6 Tausendtheilen schwankender Ueberschuß von Wasserstoff, nebst 6 bis
                              11 Tausendtheilen Stickstoff und 2 bis 6 Tausendtheilen Mineralsubstanzen zugegen
                              sind – ist man so im Stande, die Cellulose in unverletztem Zustande mit den
                              ursprünglichen Formen der verdünnten (geöffneten) Fasern, in mehr oder weniger
                              schmalen und langen Membranen abzuscheiden, welche den zum Verfilzen des Papiers
                              erforderlichen Bedingungen entsprechen.Das durch diese Operationen abgeschiedene Zellgewebe gibt Membranen, welche
                                    zum Verfilzen zu kurz sind; was die Stärkekörnchen anbetrifft, deren
                                    Gegenwart im Holzgewebe zahlreicher Baumarten, zuweilen selbst in den
                                    langgestreckten Höhlungen der Holzfasern ich früher nachgewiesen habe, so
                                    werden dieselben entweder durch Salpetersalzsäure
                                    zerstört, oder durch verdünnte Chlorwasserstoffsäure in Krümmelzucker
                                    verwandelt, und zwar noch leichter als die schwammige, mit incrustirenden
                                    Substanzen injicirte Cellulose. (Man s. die Bulletins
                                       de la Société centrale d'agriculture de France von
                                    1862, 1863 und 1864.)
                              
                           Diese durch die erwähnten Processe gereinigten Membranen zeigen constant die
                              Elementarzusammensetzung der Cellulose, aus 44,44
                              Kohlenstoff und 55,55 Wasser, entsprechend der Formel
                              C¹²H¹⁰O¹⁰ , mit allen Eigenschaften dieses
                              Körpers; sie werden durch Schwefelsäure bei 60 bis 62° C. desaggregirt, dann
                              in Dextrin und darauf in Krümmelzucker verwandelt und zeigen in den ersten Momenten
                              dieser Desaggregirung die eigenthümliche Erscheinung, daß sie durch Jod violett
                              gefärbt werden.
                           Bei dem Verfahren zur Gewinnung der Fasercellulose des Strohes mehrerer Gramineen werden jetzt die von mir früher im Laboratorium
                              zur Extraction der Cellulose aus den Geweben verschiedener Pflanzen angewandten
                              Operationen in großem Maaßstabe ausgeführt. Dieser Proceß besteht in einer mehrfach
                              wiederholten Behandlung mit heißen starken Natron- oder Kalilaugen und dann
                              mit Chlor. In den Fabriken wird die Wirkung dieser Agentien bedeutend verstärkt
                              durch die Anwendung von geschlossenen Gefäßen, in denen die Laugen auf 120 bis
                              130°, ja selbst
                              auf 145° C. erhitzt werden können. Die Kosten dieses Processes werden durch
                              ein neues Verfahren verringert, nach welchem die mit organischen Stoffen beladenen
                              starken Laugen zur Trockne verdampft und dann zur Zerstörung dieser Stoffe in
                              Flammöfen calcinirt werden, worauf das kohlensaure Alkali durch Behandlung mit Kalk
                              wieder in caustisches Alkali verwandelt wird.Man s. die Mittheilung über das Verfahren zu diesem Zweck von Amos und Anderson,
                                    polytechn. Journal Bd. CLXXXIV S.
                                       308.
                              
                           Schließlich wird die auf diese Weise gewonnene Cellulose durch Behandlung mit einer
                              Lösung von unterchlorigsaurem KalkDas Bleichen wird durch mäßigen Zusatz von Schwefelsäure zum Freimachen der
                                    Unterchlorigsäure bez. des Chlors, sehr beschleunigt. und durch gehöriges Auswaschen mit möglichst reinem Wasser gebleicht.
                           Auf diese Weise werden in zahlreichen französischen und ausländischen Fabriken
                              täglich 1000, 2000, ja selbst bis 10,000 Kilogrm. weißes Papierzeug – im
                              trockenen Zustande berechnet – producirt.
                           In der Fabrik zu Pontcharra bei Grenoble stellen die HHrn. Neyret, Orioli und Frédet aus Holzscheiben von 5 Millimet. Dicke durch Behandlung
                              derselben mit verdünntem Königswasser (6 Thle. Salzsäure, 4 Thle. Salpetersäure und
                              250 Thle. Wasser) in der Wärme, und mittelst Beseitigung der incrustirenden
                              Substanzen durch Erhitzen mit Natron oder AmmoniakDieses Ammoniak wird in einem sinnreich construirten Apparate condensirt und
                                    kann mit geringem Verlust immer wieder benutzt werden. in einem von ihnen erfundenen, geschlossenen Gefäße mit doppelten Wandungen
                              eine Fasercellulose dar, die nach dem Bleichen mit Chlorkalk, sorgfältigem
                              Auswaschen und Feinmahlen ein weißes, reines Holzzeug gibt, welches mit Recht zu den
                              besten und billigsten Surrogaten der hänfenen, leinenen, baumwollenen etc. Lumpen
                              gezählt wird.Daß das Holz im Allgemeinen eine reinere Cellulose gibt als Stroh, kann nicht
                                    befremden, wenn man berücksichtigt, daß letzteres zehnmal mehr Mineralsubstanzen enthält, unter denen eine
                                    beträchtliche Menge Eisen sich befindet. Die Gegenwart des Eisenoxyds läßt
                                    sich auch häufig in dem aus Stroh dargestellten Papierzeuge, selbst nach dem
                                    Bleichen und Waschen desselben, nachweisen, während die unter gleichen
                                    Verhältnissen aus Holz dargestellten Producte keine Spur davon
                                    enthalten.Seit einiger Zeit ist es den HHrn. Gagnage und Gignon mit Beihülfe des Hrn. Poinsot (bei Hrn. Breton in Pont-de-Claye)
                                    gelungen, aus der (unrichtiger Weise als „Varech“ oder
                                    „Fucus“ bezeichneten) Zostera marina (Seegras) Fasercellulose darzustellen, welche zur
                                    Fabrication von Packpapier, ja selbst von weißem Papier benutzt wird. Das
                                    leicht ausführbare Verfahren besteht in einer Behandlung mit Natron,
                                    reichlichem Auswaschen und dem gewöhnlichen Bleichen mit Chlorkalk im
                                    Feinzeug-Holländer.In der Pflanze finden sich die Fasern durch verschiedene Pectinkörper derart
                                    zusammengeleimt, daß diese Körper durch eine zehn bis fünfzehn Tage
                                    fortgesetzte Behandlung mit Salzsäure, welche mit dem neun- bis
                                    zehnfachen Volum Wasser verdünntworden, bei einer Temperatur von 15 bis
                                    20° C. in Pectinsäure verwandelt werden; setzt man alsdann nach
                                    gehörigem Auswaschen Ammoniak in geringem Ueberschusse zu, so wird die die
                                    Fasern zusammenleimende Substanz zu gelöstem pectinsaurem Ammoniak und die
                                    Fasern trennen sich beim Schütteln oder Umrühren von einander; ist nicht gar
                                    zu viel Flüssigkeit vorhanden, so entsteht auf Zusatz von 1 Aequiv.
                                    Chlorcalcium sogleich ein Brei von pectinsaurem Kalk, welcher die ganze
                                    organische Substanz zu einer consistenten Masse vereinigt.Schon vor längerer Zeit hatte ich nachgewiesen, daß die Zellen des
                                    Zellengewebes der Kartoffeln, der Runkelrüben und zahlreicher anderer
                                    Knollen und Wurzeln dieser Art in gleicher Weise zusammengeleimt sind und
                                    bei der erwähnten chemischen Behandlung eine ähnliche mechanische Zersetzung
                                    zeigen, wogegen ich in dem Kernholze oder Splinte der Bäume keine
                                    Pectinkörper gefunden habe.
                              
                           
                           Unter den zur Lösung dieser wichtigen Aufgabe geeigneten Processen glaube ich einen
                              besonders hervorheben zu müssen, indem derselbe die Ablagerungsweise der
                              incrustirenden Substanzen im Inneren der Holzfasern erläutert.
                           Die Erfinder dieses Verfahrens, die HHrn. Bachet und Machard, suchen einen doppelten Zweck zu erreichen, indem
                              sie einen Theil der die Holzfasern incrustirenden Substanz in Krümmelzucker
                              verwandeln und dabei die Cellulose in solchem Zustande abscheiden, daß sie sich auf
                              der Form der Papiermaschine zu filzen fähig ist. Ihren Beobachtungen zufolge bilden
                              die leicht in Zucker überzuführenden Antheile einen Theil der incrustirenden
                              Substanz; denn gerade aus dem Kernholze und aus den festesten, an Incrustationen
                              reichsten Holzarten gewinnen sie die größte Menge Krümmelzucker und somit die größte
                              Menge Alkohol.
                           Nachdem mir Hr. Bachet im Jahre 1860 sein Verfahren
                              mitgetheilt hatte, wurde dasselbe im April 1861 in seiner Gegenwart und im Beiseyn
                              des Hrn. Billequin in meinem Laboratorium geprüft.
                           Drei Versuche, bei denen einmal 400 Grm. und zweimal 500 Grm. in Scheiben von 1
                              Centimet. Stärke zerschnittenes Fichtenholz angewendet und diese jedesmal mit 2
                              Litern Wasser und 200 Kubikcentimetern Salzsäure zehn Stunden lang gekocht wurden,
                              gaben durchschnittlich 21,13 Thle. Krümmelzucker (durch die Kupferkaliflüssigkeit
                              bestimmt) auf 100 Thle. Holz im trockenen Zustande.
                           Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigte sich dann in dem holzigen Rückstande die
                              unangegriffene (feste) Cellulose mit ihren membranösen Formen, wogegen die den
                              Einschlag der incrustirenden Substanz bildende schwammige Cellulose aufgelöst worden
                              war. In Folge davon war die Menge der incrustirenden Substanz selbst in der übrig
                              gebliebenen Holzmasse, sowie der Kohlenstoffgehalt der letzteren, in entsprechendem
                              Verhältnisse vermehrt worden; die von der schwammigen Cellulose befreiten
                              Incrustationssubstanzen waren, eben in Folge dieses Umstandes, von Alkalilaugen leichter angreifbar
                              und in denselben leichter löslich geworden.Die von mir in Gemeinschaft mit den HHrn. Champion
                                    und Henry Pellet kürzlich ausgeführten
                                    Elementaranalysen haben dargethan, daß das Fichtenholz nach der Behandlung
                                    mit Salzsäure in der Wärme und dem Auswaschen mit Wasser, bei gleicher
                                    Gewichtsmenge mehr Kohlenstoff und überschüssigen Wasserstoff enthält als
                                    vorher, was offenbar einem größeren Gehalt an incrustirenden Substanzen oder
                                    einer relativ geringeren Menge Cellulose entsprechen würde. Ich theile hier
                                    die Durchschnittsresultate einiger von diesen Analysen mit, hinsichtlich
                                    deren noch zu bemerken ist, daß, um die Verhältnisse einander möglichst
                                    gleich zu machen, die beiden Proben zunächst durch die Raspel in feines
                                    Pulver verwandelt, durchgesiebt und dann erst mit Alkohol, hernach mii
                                    kaltem und mit kochendem Wasser ausgewaschen wurden. Dadurch wurden
                                    entfernt:LöslicheSubstanzen.DurchAlkohol.DurchWasser.Aus 100 Th. getrockneten normalen Holzes„1,50,66Aus 100 Th. mit Chlorwasserstoffsäure
                                          und    Wasser behandelten und dann
                                          getrockneten    Holzes„  1,661,00Auf diese Weise wurde also der Einfluß der harzigen, zuckerartigen etc.
                                    Substanzen beseitigt.Die Analysen der beiden Proben gaben folgende Zahlen:NormalesWeißtannenholz.Dasselbe Holz nach theilweiserAuflösung
                                          der Incrustationen durchChlorwasserstoffsäure.Kohlenstoff48,8851,13Wasserstoff  6,74  6,16Sauerstoff und Spurenvon
                                          Aschenbestandtheilen44,3842,71––––––––––––––––––––––––––––––––100,00   100,00   Ueberschüssiger Wasserstoff  0,29  0,82Man ersieht hieraus, daß nach der Einwirkung der Chlorwasserstoffsäure,
                                    welche die Holzincrustationen aufgelöst und in Zucker verwandelt hat, der
                                    Gehalt an Kohlenstoff und an überschüssigem Wasserstoff größer geworden ist,
                                    und zwar entsprechend der verschiedenen Zusammensetzung der incrustirenden
                                    Substanz, welche 54,5 Kohlenstoff enthält, und der Cellulose, deren
                                    Kohlenstoffgehalt nur 44,4 beträgt. Ebenso gab das mit Chlorwasserstoffsäure
                                    und Wasser behandelte Holz an Kali 0,4867 incrustirende Substanz ab, während
                                    dasselbe Holz in normalem Zustande (nachdem es gleichfalls mit Alkohol und
                                    Wasser gereinigt worden war) bei der Behandlung mit Kalilauge 0 42
                                    incrustirende Substanz verlor.
                              
                           Diese Erfahrungen stehen in vollkommenem Einklange mit den Resultaten der von Brongniart und mir angestellten Untersuchungen. Als wir
                              bei der mikroskopischen Analyse sehr dünne Quer- und Längsschnitte von Holz,
                              sowohl in natürlichem Zustande als auch nach Entfernung aller übrigen Substanzen
                              außer der Cellulose, mit verschiedenen Reagentien behandelten, erkannten wir, daß
                              „die innere Verdickung jeder Schlauchzelle gleichzeitig aus Cellulose
                                 und aus neuen Holzsubstanzen zusammengesetzt ist, welche der ersteren so
                                 beigemengt sind, daß nach dem Auflösen und Entfernen dieser Substanzen die
                                 Wandungen der Holzzellen nicht etwa auf eine dünne äußere Membran reducirt sind,
                                 sondern im Gegentheil eine innere, aufgeschwollene (schwammige) Celluloseschicht
                                 zeigen, die sich
                                 durch ihr Ansehen von der äußeren, festeren und scharf begrenzten Zone
                                 unterscheidet, welche letztere der primitiven Membran dieser Schlauchzellen
                                 entspricht.Brongniart's Bericht erschien in den Comptes rendus vom 22. März 1840.
                                 
                              
                           Diese Cellulosemembran nun ist es, welche man jetzt mittelst mehrerer Processe im
                              reinen Zustand im Großen darstellt.
                           Schon im Jahre 1859 hat Pelouze nachgewiesen, daß sehr
                              verdünnte Salzsäure, Schwefelsäure etc. auf die normale, mehr oder weniger reine
                              Cellulose einwirkt und dieselbe bei längere Zeit fortgesetztem Kochen in
                              Krümmelzucker verwandelt.Comptes rendus, t. XLVIII p. 327; polytechn. Journal Bd.
                                       CLI S. 394.
                              
                           Das Charakteristische des Verfahrens von Bachet und Machard besteht indessen darin, daß bei der Umwandlung
                              eines Theiles der Incrustationen in Zucker die Cellulose, welche die primitiven
                              Membranen bildet, soviel als möglich geschont und schwach bräunlich gefärbt, oder
                              auch weiß und rein, in einem für die Fabrication verschiedener Papiersorten
                              geeigneten Zustande gewonnen wird.
                           Das Verfahren, mittelst dessen in mehreren Fabriken – wie in der
                              Destilliranstalt zu Saint-Tripon, in der Papierfabrik zu Bex in der Schweiz
                              und in der zu Vizille im Isère-Departement – die schwammige
                              Cellulose in Zucker umgewandelt und die zurückgebliebene (feste) Cellulose für die
                              Zwecke der Papierfabrication gereinigt wird, ist kurz das folgende:
                           In einen großen Bottich, welcher 8000 Liter Wasser und 800 Kilogr. gewöhnliche
                              Salzsäure enthält, werden 200 Kilogrm. dünne Scheiben von Fichten- oder
                              Tannenholz eingetragen; die Flüssigkeit wird durch einen zugeleiteten Dampfstrom zum
                              Kochen erhitzt, welches man zwölf Stunden lang fortsetzt; nach Verlauf dieser Zeit
                              wird die saure Flüssigkeit abgezogen und zu 99 Proc. mit kohlensaurem Kalk
                              gesättigt. Das entstandene Chlorcalcium behindert die geistige Gährung nicht, welche
                              bei einer Temperatur von 22 bis 25° C. durch einen Hefezusatz eingeleitet
                              wird.
                           Durch Destillation erhält man dann eine dem gebildeten Krümmelzucker entsprechende
                              Quantität Alkohol.
                           Der holzige Rückstand wird einem systematischen Auswaschen unterzogen, unter
                              Mühlsteinen zerquetscht, dann im Holländer zerfasert und gewaschen. Der auf diese
                              Weise erhaltene Teig wird in einer Knotenmaschine gesichtet, zum Abtropfen auf
                              Hürden gebracht und ausgepreßt, worauf er ein graulich gefärbtes, zur Fabrication
                              von Tapetenpapier, Packpapier etc. geeignetes Zeug bildet.
                           
                           Um ein weißes Product zu erhalten, wird dieses Holzzeug mit Chlorgas und darauf mit
                              Aetzlauge behandelt und vollständig ausgewaschen. Das Bleichen wird, gleichzeitig
                              mit der mechanischen Zertheilung, in einem Feinzeug-Holländer mittelst
                              Chlorkalk vollendet. Ein Kubikmeter Holz gibt 100 bis 120 Kilogr. schwach rothbraun
                              gefärbte faserige Cellulose; beim letzten Bleichen mit bloßem oder schwach mit Säure
                              versetztem Chlorkalk findet noch ein Verlust von ungefähr 30 Proc. statt.
                           Die hauptsächlichste Ursache der schwankenden, während der chemischen Behandlung des
                              Holzes und des Strohes stattfindenden Verluste liegt in der Einwirkung des Chlors
                              oder der Unterchlorigsäure auf die organische Substanz, indem es sehr schwierig ist,
                              diese Einwirkung auf die Farbstoffe und die anderen fremdartigen Substanzen
                              einzuschränken; denn wenn von den Bleichmitteln zu viel zugesetzt wird, oder wenn
                              die Temperatur steigt, so wird die Cellulose selbst angegriffen und erleidet in der
                              Flüssigkeit eine wahrhafte Verbrennung, indem sie in diesem Falle theilweise oder
                              gänzlich zu Wasser und Kohlensäure zersetzt wird. Glücklicherweise lassen sich diese
                              Verluste durch sparsame Anwendung des Chlors und durch Verhütung einer
                              Temperatursteigerung vermindern.
                           
                        
                           Schlußfolgerungen.
                           1) Der neue Industriezweig, welcher die Fabrication von Lumpensurrogaten bezweckt,
                              ist in mehrfacher Hinsicht von großem Interesse. Derselbe wird die Lieferung des
                              Rohmaterials für den fortwährend zunehmenden Papierverbrauch ermöglichen.
                           2) Vom wissenschaftlichen Standpunkte aus liefert dieser neue Industriezweig durch
                              eine bereits ansehnliche, mehr als ein Zehntel der Gesammterzeugung des Rohstoffes
                              für die Papierfabrication repräsentirende Jahresproduction den Beweis, daß die
                              Cellulose verschiedenen Ursprungs, und selbst diejenige der mehr oder weniger
                              incrustirten Holzfasern, in reinem Zustande dargestellt, chemisch identisch ist.
                           3) Ferner liefert er den Beweis, daß die weniger dichte schwammige Cellulose, welche
                              den Einschlag der Holzincrustationen bildet, den ursprünglichen Schlauch-
                              oder Holzzellen durch Säuren, von denen sie in gährungsfähigen Krümmelzucker
                              umgewandelt wird, entzogen werden kann.
                           4) Auf diese Weise kann man aus verschiedenen Holzarten einerseits Alkohol und
                              andererseits Cellulosemembranen gewinnen, welche letztere so fest, biegsam, und rein
                              sind, daß sie bis zu 80 Proc. selbst dem zur Fabrication der weißesten Papiersorten
                              bestimmten Zeuge zugesetzt werden können.
                           
                           5) Auch vom forstwirthschaftlichen Standpunkte aus ist der neue Industriezweig von
                              großem Interesse, da er neue Absatzwege für die Producte der Nadelholzpflanzungen
                              eröffnet.