| Titel: | Ueber das Verhalten der Schwefligsäure gegen Schwefelwasserstoff; von S. de Luca und J. Ubaldini. | 
| Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. CXIII., S. 392 | 
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                        CXIII.
                        Ueber das Verhalten der Schwefligsäure gegen
                           Schwefelwasserstoff; von S. de
                              Luca und J.
                              Ubaldini.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXIV p. 1200; Juni
                              1867.
                        De Luca, über das Verhalten der Schwefligsäure gegen
                           Schwefelwasserstoff.
                        
                     
                        
                           Schwefelwasserstoff und Schwefligsäure reagiren im gasförmigen und vollkommen
                              trockenen Zustande bei gewöhnlicher Temperatur nicht auf einander; bei Gegenwart von
                              Feuchtigkeit hingegen erzeugen sie bekanntlich Wasser, indem sich gleichzeitig
                              Schwefel ausscheidet. Diese Reaction erklärt die Entstehungsweise gewisser in der
                              Natur vorkommender Schwefelablagerungen, z.B. der von Puzzuoli bei Neapel und aller
                              derjenigen Lagerstätten dieses Minerals, auf welchen sich gleichzeitig
                              Schwefelwasserstoff, Schwefligsäure und Wasserdampf entwickeln.
                           Die in Rede stehende Reaction findet zwischen 1 Volum Schwefligsäure und 2 Vol.
                              Schwefelwasserstoff statt. In einigen chemischen Lehrbüchern wird angegeben, daß auf
                              3 Aequivalente des sich ausscheidenden Schwefels 2 Aequiv. Wasser entstehen,
                              entsprechend der Formelgleichung: 2 HS + SO² = 2 HO + 3 S; in der
                              Wirklichkeit ist der Vorgang jedoch nicht so einfach, als diese Formel angibt, denn
                              es bildet sich (bekanntlich) Pentathionsäure
                              (S⁵O⁵), bei deren Zersetzung Schwefel frei wird.
                           Bei näherer Untersuchung des unter diesen Umständen ausgeschiedenen Schwefels findet
                              man, daß derselbe in Schwefelkohlenstoff nicht vollständig löslich ist. Die genaue
                              quantitative Bestimmung des in dem Absatze enthaltenen löslichen Schwefels ist mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden,
                              insofern der ausgeschiedene Schwefel mehrere Tage lang in der Flüssigkeit suspendirt
                              bleibt und sogar durch das Papier hindurchgeht, wenn man ihn abzufiltriren versucht:
                              überdieß ist die Löslichkeit des Schwefelwasserstoffes in Wasser, im Vergleiche zu
                              derjenigen der Schwefligsäure, welche vom Wasser in bedeutender Menge aufgenommen
                              wird, nur gering, so daß man, um eine Lösung darzustellen, welche eine äquivalente
                              Menge beider Gase enthält, ein bedeutendes Volum der Schwefelwasserstofflösung auf
                              ein kleines Volum der Schwefligsäurelösung anzuwenden genöthigt ist. Viele andere
                              Schwierigkeiten der Trennung und Gewichtsbestimmung dieser beiden Modificationen des
                              Schwefels werden dadurch bedingt, daß in Folge mannichfacher Ursachen die eine
                              derselben sich sehr leicht in die andere umwandelt.
                           Zur möglichsten Vermeidung der störenden Einwirkung der Wärme auf den
                              Schwefelniederschlag wendeten wir das nachstehende Verfahren an. Zunächst wurden zwei
                              Normallösungen dargestellt: die eine enthielt auf 613,5 Kubikcentimeter Wasser 1,700
                              Grm. Schwefelwasserstoff, die andere auf 54 K. C. Wasser 1,600 Grm. Schwefligsäure;
                              diese Mengen sind äquivalent und entsprechen der Gleichung: 2 HS + SO² = 2 HO
                              + 3 S.
                           Beide Flüssigkeiten wurden in einer mit eingeriebenem Glasstöpsel versehenen Flasche
                              vermischt und zwar so, daß erst die Schwefelwasserstoff- und dann die
                              Schwefligsäurelösung hineingegossen ward. Es entstand dadurch eine milchige
                              Flüssigkeit, welche sich durch wiederholtes Schütteln mit gereinigtem
                              Schwefelkohlenstoff zum größeren Theile klärte. Nachdem der Schwefelkohlenstoff von
                              dem übrigen Theile der Flüssigkeit sich getrennt hatte und abfiltrirt worden war,
                              ward er im Wasserbade verdampft, der Schwefel aber nach vollständigem Trocknen
                              geschmolzen und nach dem Erkalten gewogen.
                           Das Volum des Lösungsmittels, das mehr oder weniger oft wiederholte Umschütteln des
                              Gemisches, die Temperatur der Flüssigkeit, das Licht, die längere oder kürzere Dauer
                              der Berührung, die Zeit, ein Ueberschuß des einen oder des anderen der auf einander
                              reagirenden Körper u.s.w., alle diese Einzelheiten sind von bedeutendem Einflusse
                              auf das Endresultat derartiger Versuche, so daß es in manchen Fällen gelingt,
                              ziemlich 2 Aequiv. des in Schwefelkohlenstoff löslichen Schwefels abzuscheiden,
                              während andere Male größere Mengen von unlöslichem Schwefel isolirt werden.
                           Bekanntlich werden bei der gegenseitigen Einwirkung von Schwefligsäure und
                              Schwefelwasserstoff Säuren gebildet, welche der Reihe der Thionsäuren angehören, und
                              nach Berthelot muß der bei der Zersetzung der
                              Pentathionsäure frei werdende Schwefel unlöslicher Schwefel seyn. Ein solches
                              Resultat wird man um so leichter erzielen, je sorgfältiger man darüber wacht, daß in
                              dem Augenblicke wo dieser Schwefel frei wird, alle Umstände vermieden werden, welche
                              seine Umwandlung in die lösliche oder krystallisirbare Modification begünstigen. Die
                              Schwefligsäure besitzt nun die Eigenschaft, die Stabilität der unlöslichen
                              Modification des Schwefels zu erhöhen; Berthelot's
                              Versuche haben dieß nachgewiesen. Demnach muß bei der Einwirkung der Schwefligsäure
                              auf die Schwefelwasserstoffsäure desto mehr unlöslicher Schwefel frei werden, je
                              mehr überschüssige Schwefligsäure vorhanden war. Und so ist es auch in der That;
                              denn wenn man die beiden gesättigten Lösungen von Schwefelwasserstoff und
                              Schwefligsäure vermischt und wenn in diesem Gemische ein Ueberschuß von
                              Schwefligsäure zugegen ist, so erhält man durch Abdampfen der Flüssigkeit einen
                              Rückstand, in welchem die unlösliche Modification des Schwefels in stabilerem
                              Zustande und in größerer
                              Menge zugegen ist, als bei Anwendung genau äquivalenter Quantitäten beider
                              Lösungen.
                           Wir wollen noch darauf aufmerksam machen, daß der suspendirte Schwefel sich
                              niederschlägt und die Flüssigkeit klar wird, wenn man das Gemisch mit Kochsalz
                              schüttelt. Erhitzt man diese Flüssigkeit nach dem Filtriren mit chlorsaurem Kali und
                              Chlorwasserstoffsäure, so verwandelt sich der Schwefel der Thionsäurenreihe in
                              Schwefelsäure, welche dann als schwefelsaurer Baryt bestimmt werden kann. Mittelst
                              dieses Verfahrens läßt sich nicht allein der in Folge der gegenseitigen Einwirkung
                              der beiden Säurelösungen ausgeschiedene, sondern auch der in der Lösung in Form von
                              Thionsäuren zurückbleibende Schwefel bestimmen.
                           Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der bei der Einwirkung der Schwefligsäure auf
                              Schwefelwasserstoff frei werdende Schwefel aus zweierlei Modificationen besteht,
                              wovon die eine in Schwefelkohlenstoff unlöslich ist, während die andere sich in
                              diesem Reagens löst; ferner daß die relativen Mengen dieser beiden Modificationen
                              nicht allein von den angewendeten Substanzen, sondern auch von den Verhältnissen,
                              unter denen man arbeitet, bedingt werden; sowie daß der in Schwefelkohlenstoff
                              unlösliche Schwefel einen stabileren Zustand annimmt, wenn die Reaction in Gegenwart
                              eines Ueberschusses von Schwefligsäure stattfindet.