| Titel: | Ueber die Darstellungsweise der fetten Oele durch Extraction; von Dr. Herm. Vohl in Cöln. | 
| Autor: | Hermann Vohl | 
| Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. CXXVIII., S. 453 | 
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                        CXXVIII.
                        Ueber die Darstellungsweise der fetten Oele durch
                           Extraction; von Dr. Herm. Vohl
                           in Cöln.
                        Vohl, über die Darstellungsweise der fetten Oele durch
                           Extraction.
                        
                     
                        
                           Im ersten Februarhefte 1867 dieses Journals (Bd. CLXXXIII S. 254) wird meine
                              Abhandlung über die Oelextraction vermittelst Canadol, resp. meine Bemerkungen und
                              Mittheilungen bezüglich der Anwendung des Schwefelkohlenstoffs als Lösungsmittel (s.
                              dieses Journal Bd. CLXXXII S. 319), von Hrn.
                              E. F. Richter, Chemiker in Berlin, in einer Art und Weise
                              besprochen, welche den vollständigsten Beweis liefert, daß derselbe meine Abhandlung
                              nur sehr oberflächlich gelesen und theilweise gar nicht verstanden hat. Ich gebe
                              Hrn. Richter die Versicherung, daß es mir nicht einfiel,
                              seine geschäftlichen Beziehungen durch meine Mittheilungen beeinträchtigen zu
                              wollen, da mir seine Anleitungen und seine Beziehungen hinsichtlich dieses Zweiges
                              der chemischen Technik bisher völlig unbekannt waren. Wenn ich mich zur Widerlegung
                              seiner Entgegnung veranlaßt finde, so geschieht dieß nur hinsichtlich der
                              Wichtigkeit der Sache selbst, um die Unrichtigkeit seiner Angaben und Behauptungen,
                              welche zu Täuschungen und empfindlichen Verlusten Anlaß geben können, darzuthun.
                           Hr. Richter sagt S. 254: „Nachdem ich mich
                                 bereits seit vielen Jahren mit dieser Frage beschäftigt, habe ich zunächst die
                                 Ueberzeugung gewonnen, daß in dieser Richtung die Laboratoriumsversuche
                                 unmaßgeblich sind.“
                              
                           Daß meine Versuche jedoch nicht in einem Maaßstabe ausgeführt wurden, welcher
                              denselben den Stempel sogenannter Laboratoriumsversuche aufdrückt, geht daraus klar
                              hervor, daß bei denselben Apparate in Anwendung kamen, die zur Füllung jedesmal 150
                              bis 200 Pfund Zollgewicht geknirschter Samen erheischten. Meine Versuche sind
                              vollständig für die Technik maaßgebend, da bei denselben allen Anforderungen, welche
                              in dieser Hinsicht stets gestellt werden müssen, Rechnung getragen wurde.
                           Hr. Richter erwähnt ferner, daß die Extraction der Samen
                              mit Schwefelkohlenstoff kein Versuch mehr, wie ich angebe, sondern eine fertige Fabrication sey.
                           In meinem Aufsatze ist die Extraction der Samen mittelst Schwefelkohlenstoff von mir nicht als ein bloßer
                                 Versuch bezeichnet worden; keineswegs ist jedoch die Aussage Richter's, dieses Verfahren sey eine fertige Fabrication, richtig. Diese Fabrication ist gleichsam erst im
                              Entstehen begriffen und es müssen noch eine Menge von Erfahrungen gesammelt und
                              benutzt werden, um die bei derselben so oft auftretenden Hemmnisse und Störungen zu
                              beseitigen, ehe man berechtigt ist dieses Fabricationsverfahren als fertig zu bezeichnen.
                           Nachdem Hr. Richter sich im Allgemeinen über diesen
                              Industriezweig ausgesprochen hat, unterwirft er die bei dieser Extractionsmethode
                              auftretende Zersetzung des Lösungsmittels einer Betrachtung und sucht diese bisher
                              noch nicht erklärte Erscheinung wissenschaftlich zu begründen.
                           Die Zersetzung des Schwefelkohlenstoffs (welche auch bei völliger Reinheit desselben
                              eintritt) gibt Hr. Richter nur dann zu, wenn dieser
                              Körper unrein ist oder die Destillation resp. die Trennung des fetten Oeles von dem
                              Lösungsmittel über freiem Feuer stattfindet.
                           Bekanntlich geschieht jedoch diese Trennung niemals über freiem
                                 Feuer, sondern es erfolgt dieselbe immer durch
                              Destillation mittelst Wasserdämpfen (am sichersten durch das Abblasen im
                              Abblaseständer).
                           Die Trennung des Schwefelkohlenstoffs von dem fetten Oel durch Destillation über freiem Feuer ist aus zwei Gründen nicht angezeigt: 1)
                              weil die dabei eintretende Feuersgefahr so erheblich ist, daß diese Operation (auf
                              freiem Feuer) polizeilich verboten ist (z.B. in der ganzen preußischen Monarchie),
                              auch ein vollständiges Austreiben schon unter 100° C. stattfindet, und 2)
                              weil am Boden der Destillirblase alsdann eine stärkere Erhitzung des Oeles eintritt,
                              wodurch der von dem Schwefelkohlenstoff durch Zersetzung ausgeschiedene Schwefel auf
                              das Oel einwirkt, wie auch die durch das Lösungsmittel aufgelösten und so in das Oel
                              übergegangenen schwefelhaltigen Bestandtheile des Samens eine Zersetzung erleiden
                              und dadurch schließlich dem Oel ein unangenehmer Geruch und Geschmack ertheilt
                              wird.
                           Was übrigens die Angabe Richter's bezüglich der
                              schwierigen Entfernung der letzten Antheile des Schwefelkohlenstoffs betrifft, so
                              entbehrt dieselbe eines jeden wissenschaftlichen und thatsächlichen Haltepunktes;
                              sie widerspricht vollständig einer jeden Erfahrung.
                           Daß der Schwefelkohlenstoff durch Lösung resp. Bindung einer eigenthümlichen (mysteriösen und namenlosen) Säure, durch deren Desoxydation
                                 die Bildung des Oeles im Samen stattfinden soll, nach Richter's Ansicht
                                 zurückgehalten wird, ist keineswegs wissenschaftlich oder experimentell
                              begründet.
                           Es ist eine bekannte Thatsache, daß schwefelhaltige fette Oele (Gemenge von Schwefel
                              und Fetten oder fetten Oelen), der Destillation unterworfen, unter Entwickelung von
                              Schwefelwasserstoff stets Schwefelkohlenstoff
                               liefern, jedoch wird es
                              keinem Chemiker einfallen den als Destillationsproduct erhaltenen
                              Schwefelkohlenstoff als präexistirend anzunehmen.
                           Da nun bei der Extraction der Samen mit Schwefelkohlenstoff die resultirten Oele
                              entweder durch Auflösen des durch Zersetzung des Lösungsmittels ausgeschiedenen
                              Schwefels (freien Schwefels) oder durch die Auflöslichkeit der schwefelhaltigen
                              Bestandtheile des Samens imSame nsim Schwefelkohlenstoff stets schwefelhaltig werden, so müssen diese
                              extrahirten fetten Oele nach dem vollständigen Entfernen
                              des Schwefelkohlenstoffs durch Destillation vermittelst direct oder indirect
                              wirkender Wasserdämpfe beim späteren Erhitzen über freiem Feuer stets Schwefelkohlenstoff als Zersetzungsproduct liefern.
                           Daß das rohe durch Schwefelkohlenstoff ausgezogene Oel nicht sofort als Maschinenöl
                              Anwendung finden kann, beruht nicht, wie Richter angibt,
                              auf der Ausscheidung seiner angenommenen mysteriösen Säure aus der
                              Schwefelkohlenstoffverbindung und Uebertreten in das fette Oel, sondern ist
                              lediglich die Folge eines eigenthümlichen, in den Hülsen der Samen enthaltenen und
                              im Schwefelkohlenstoff löslichen, somit in das Oel übergegangenen Harzes, welches an
                              der Luft Sauerstoff aufnimmt und dadurch die Schmierfähigkeit beeinträchtigt;
                              dasselbe muß durch eine nachträgliche Reinigung entfernt werden, die alsdann stets
                              mit einem Verlust an Oel verbunden ist.
                           Die bei dieser Extractionsmethode resultirten Samenrückstände sind selbstverständlich
                              pulverförmig und sollen nach Richter noch 2–3
                              Proc. Oel enthalten. Sie sind nach seiner Ansicht nicht in die Kuchenform mehr
                              überzuführen.
                           Nach einer guten Operation (im Großen) enthalten die Samenrückstände jedoch im
                              Maximum nie mehr wie 1 1/2 Proc. Oel und können leicht durch hydraulische Pressen
                              nach vorherigem längerem Liegen an der Luft in die Kuchenform übergeführt werden; es
                              ist unerklärlich wie Richter die Pulverform der
                              Kuchenform vorzieht, da ja erstere zu Verfälschungen besser geeignet ist und
                              außerdem zur Verpackung Säcke oder Fässer erheischt und demnach eine Vertheuerung in
                              Folge derselben bedingt wird, wohingegen die Kuchenform diesen Uebelständen
                              entgegentritt.
                           Daß die Samenrückstände, welche bei der Extraction vermittelst Schwefelkohlenstoff
                              resultiren, häufig mit einem höchst unangenehmen Geruch behaftet sind und dadurch
                              die Freßlust der Thiere beeinträchtigt wird, ist eine zu bekannte Thatsache, als daß
                              dieselbe durch die bloße Aussage Richter's entkräftet
                              werden könnte.
                           Daß nach längerem Füttern dieses Samenrückstandes (der Oelextraction mit Schwefelkohlenstoff) der
                              Milch und der Butter kein Oel- oder Rapsgeschmack mitgetheilt wird, wie
                              dieses zuweilen beim Verfüttern von Oelkuchen statt hat, spricht wieder für die
                              Thatsache, daß der Schwefelkohlenstoff die schwefelhaltigen Bestandtheile des
                              Samens, die diese Eigenschaft bedingen, mit auszieht und das resultirte Oel schwefelhaltig macht.
                           Es geht aus Allem klar hervor, daß Richter die Methode der
                              Extraction der Samen mit Schwefelkohlenstoff überschätzt
                              und diejenige mit Canadol, welche die der Schwefelkohlenstoff-Extraction
                              anhaftenden Mängel nicht besitzt, unterschätzt hat.
                           Cöln, im April 1867.