| Titel: | Untersuchungen über die Weinbereitung; von Michel Perret. | 
| Fundstelle: | Band 185, Jahrgang 1867, Nr. CXXXII., S. 474 | 
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                        CXXXII.
                        Untersuchungen über die Weinbereitung; von
                           Michel
                              Perret.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXIV p. 1041; Mai
                              1867.
                        Perret, über Weinbereitung.
                        
                     
                        
                           Füllt man einen Bottich mit Trauben, so bilden sich in Folge der Gährung bald zwei
                              Schichten, eine flüssige, untere, und eine halbfeste, obere, der sogen. Hut (chapeau); letztere
                              besteht aus den Kämmen, den Schalen, den Kernen und aus den unverletzt gebliebenen
                              Beeren.
                           Meinen Beobachtungen zufolge weichen während der Gährung die beiden Schichten in
                              ihrer Temperatur leicht um 15° C. von einander ab, und stets ist die obere
                              Schicht die wärmste, woraus ich schloß, daß die in beiden Schichten stattfindende
                              Gährung sowohl in Bezug auf ihre Dauer, als auf die Natur der erzeugten Producte
                              sehr verschiedener Art seyn müsse. Die Analyse bestätigte diesen Schluß. Im
                              „Hute“ verläuft der Gährungsproceß weit rascher, der durch
                              denselben gebildete Wein ist weit stärker gefärbt, die Essigbildung tritt schneller
                              ein und die Menge des Alkohols ist in einem gegebenen Zeitpunkt größer.
                           Demnach müßte man zur Vermeidung der Nachtheile einer solchen Sachlage, der Theorie
                              nach, den Bottich auf zwei Male abziehen, d.h. zuerst den „Hut“
                              wegnehmen, denselben auspressen, den dabei erhaltenen Wein abfassen und den Wein der
                              unteren Schicht erst später abziehen; oder aber man müßte den gesammten Inhalt des
                              Bottichs fortwährend durcheinander arbeiten.
                           
                           Auf das Unpraktische dieser beiden Methoden, ja auf die Nachtheile, welche sie in
                              ihrem Gefolge haben würden, brauchen wir wohl nicht besonders aufmerksam zu machen.
                              Ich kam auf das folgende Verfahren, welches mir auch vollständig gelungen ist.
                           Ich benutze die gewöhnlichen Kufen oder Bottiche, theile dieselben aber durch
                              bewegliche, etwa 36 Centimet. von einander abstehende, horizontal liegende Hürden
                              von Flechtwerk in mehrere Abtheilungen. Zum Füllen des Bottichs werden diese Hürden
                              herausgenommen; dann fülle ich die erste Abtheilung, lege die erste Hürde ein, fülle
                              dann die zweite Abtheilung, lege die zweite Hürde ein, und fahre so fort bis zur
                              vorletzten Abtheilung, welche ich leer lasse, damit für die später aufsteigende
                              Flüssigkeit Raum bleibt. Unter diesen Umständen findet in Folge der Gährung
                              allerdings gleichfalls eine Neigung zur Hutbildung statt; diese wird aber durch die
                              Hürden verhindert, und der gesammte Inhalt des Bottichs bleibt in demselben so
                              gleichmäßig vertheilt, daß das Thermometer während des ganzen Processes an jeder
                              Stelle dieselbe Temperatur angibt. Der ganze Verlauf wird daher ein regelmäßiger,
                              die Essigbildung verschwindet, der Wein zeigt sich gleichmäßig gefärbt; merkwürdiger
                              Weise dauert aber die Operation kaum drei Fünftel der gewöhnlichen Zeit, und in
                              Folge dessen reducirt sich die Endosmose des Alkohols durch die festen Theile auf
                              die Hälfte, so daß der Alkoholgehalt des Weines um ein Zehntheil größer ist als er
                              unter den gewöhnlichen Umständen ausfallen würde. – Dieses so einfache
                              Verfahren befolge ich mit bestem Erfolge bereits seit drei Jahren.
                           
                        
                           Nachtrag.
                           Zu der vorstehenden Mittheilung macht Maumené (Comptes rendus, t. LXIV p.
                              1100) die Bemerkung, daß das Perret'sche Verfahren
                              keineswegs neu sey, indem er dasselbe bereits vor neun Jahren in seinen Indications théoriques et pratiques sur le travail du
                                 vin etc. (§. 331) angegeben habe.
                           In einem an die Akademie gerichteten Schreiben bemerkt C. Forthomme über den fraglichen Gegenstand Folgendes (Comptes rendus, t. LXIV p. 1203; Juni
                              1867):
                           
                              „In der Sitzung vom 20. Mai d. J. machte Perret
                                 Mittheilungen über ein neues Verfahren zur Weinbereitung, welches, wie längst
                                 bekannt, bemerkenswerthe Resultate gibt, und das man für ganz neu halten könnte.
                                 In der Sitzung vom 27. Mai richtete Maumené an
                                 die Akademie eine Reclamation, in der er sagt, daß er die Idee, die Trestern
                                 (den „Hut“ ) unter dem Niveau der Flüssigkeit
                                 zurückzuhalten, was die Grundlage des Perret'schen
                                 Verfahrens bildet, bereits in einem im Jahre 1858 erschienenen Werke angegeben
                                 habe.
                              
                           
                              Meiner Ansicht nach läßt sich bei einem derartigen Gegenstande irgend eine
                                 Priorität schwerlich in Anspruch nehmen. Die in Rede stehende Methode ist älter
                                 als man glaubt. Das einzige Verdienst besteht darin, ihr eine möglichst
                                 ausgedehnte Verbreitung zu verschaffen. Dieß hat mein Schwiegervater Henrion-Barbesant in unserer Gegend während
                                 seiner langen Laufbahn unablässig gethan. Am 6. September 1857, also noch vor
                                 dem Erscheinen von Maumené's Werk, hielt Henrion, durch eine lange
                                    Erfahrung von der Zweckmäßigkeit der Gährung in geschlossenen Gefäßen
                                 mit doppeltem, oben aus Latten gebildetem Boden, überzeugt, in der Société centrale d'agriculture zu
                                 Nancy, in welcher er Vorsitzender des Ausschusses für Oenologie war, einen
                                 Vortrag über die Weinbereitung, in welchem er sowohl das Perret'sche, als das Maumené'sche
                                 Verfahren, welche identisch sind, ausführlich erklärte; Abweichungen finden sich
                                 nur in Nebensachen, in der Anordnung der Kufen oder deren Hürden. Seinem
                                 gedruckten Vortrage ist eine vergleichende Tabelle über den Alkoholgehalt der
                                 auf diese Weise bereiteten Weine beigegeben, welche bis zum Jahre 1842
                                 zurückreichen.
                              
                           
                              Hinsichtlich der Geschichte einer ausgezeichneten Methode, welche sehr bald eine
                                 weitere Verbreitung finden wird, glaubte ich der Akademie diese Mittheilung
                                 machen zu müssen.“
                              
                           Die vorstehenden Bemerkungen veranlaßten Maumené zu
                              der nachstehenden Erwiederung (Comptes rendus, t. LXIV
                              p. 1255; Juni 1867):
                           
                              „Die Idee, den „Hut“ unter dem Niveau der Flüssigkeit
                                 in den Gährbottichen zurückzuhalten, erscheint sehr einfach. Betrachtet man aber
                                 die Sache näher, so findet man keine Spur von der praktischen Verwerthung dieser
                                 Idee vor unserer Zeit. Nach Forthomme's Bemerkung ist
                                 Henrion-Barbesant nur einer von den ersten
                                 Verbreitern dieses Gedankens und seiner praktischen Verwerthung.
                              
                           
                              Es ist der Akademie bekannt, daß ungeachtet der Bemühungen Henrion's und anderer Männer das Verfahren, den
                                 „Hut“ in der Flüssigkeit zurückzuhalten, noch so wenig
                                 verbreitet ist, daß Niemand von demselben redet oder es anwendet, außer etwa in
                                 Nancy und dessen Umgegend.
                              
                           
                              De Vergnette-Lamotte spricht zwar von diesem
                                 Verfahren in seinem ganz neuen Werke „le
                                       Vin,“ allein offenbar ist die Methode für diesen
                                 gelehrten Oenologen keineswegs eine alte, denn er bemerkt in seinem Buche:
                                 „wäre es nun nicht möglich, daß dieser Wein in Folge der
                                    Einwirkung der Luft Veränderungen erleidet?“
                                 
                              
                           
                              Ebenso wenig war das Verfahren der Jury der allgemeinen
                                 Industrie-Ausstellung zu Paris bekannt, denn von derselben wurden aus
                                 Billancourt zugelassen: 1) eine Kufe mit rostförmigem Deckel, eingesendet vom
                                 Vicomte Camille de Saint-Trivier; 2) eine Kufe
                                 mit Scheidewänden im Inneren, eingesendet von Michel Perret (zur praktischen Verwerthung der Idee, deren Priorität ich für
                                 mich beanspruche).
                              
                           
                              Die Gedanken, welche der Einrichtung dieser beiden Kufen zu Grunde liegen, dürfen
                                 nicht mit einander verwechselt werden. Es ist nicht dieselbe Sache, die Trestern
                                 mittelst eines einzigen Gitters zurückzuhalten, gegen welches sie mit ihrer
                                 ganzen Masse drücken, oder sie (wie ich zuerst angegeben habe) unter vier, fünf,
                                 sechs Gitter zu vertheilen. Bei Anwendung eines einzigen Gitters hat man noch
                                 mit einem großen Theile der Uebelstände zu kämpfen, welche ohne dessen Anwendung
                                 auftreten. Sehr häufig steigen die Trestern rasch in die Höhe und gähren fast
                                 nur über der unteren Flüssigkeit, wie wenn sich noch ein Hut bildete. Weder die
                                 Temperatur, noch die Farbe vertheilt sich gleichmäßig; es ist dazu noch das
                                 Durcheinanderrühren des Ganzen nöthig. Bei dieser Einrichtung wird nur die
                                 Einwirkung der Luft auf die Trestern vermieden, was allerdings von Nutzen
                                 ist.
                              
                           
                              Der Vortheil ist aber weit größer, wenn man die Trestern so vertheilt, daß sie
                                 gezwungen sind in der Masse gleichförmig verbreitet zu bleiben; dann
                                 verschwinden alle Uebelstände. Die Gährung einer gesunden Lese stellt sich dann
                                 stets regelmäßig ein und verlauft regelmäßig; Alkoholgehalt und Färbung
                                 erreichen ihr Maximum rasch und der zum Abziehen günstigste Zeitpunkt läßt sich
                                 deutlich erkennen; kurz, die ganze Arbeit wird sehr erleichtert und erlangt
                                 einen hohen Grad von Sicherheit. Dieß hat Perret
                                 ebenso gut erkannt wie ich.
                              
                           
                              Schließlich mache ich die Akademie auf eine besondere Methode zur Conservirung
                                 der Weine (und selbstverständlich aller gegohrenen Flüssigkeiten) aufmerksam.
                                 Ich habe zuerst das Abziehen der Weine auf Fässer, welche mit Kohlensäure gefüllt sind, empfohlen und zur
                                 praktischen Ausführung dieser Arbeit die Vorschriften angegeben.“