| Titel: | Die neue deutsche Mühle. | 
| Autor: | A. M. Arndt | 
| Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. IV., S. 27 | 
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                        IV.
                        Die neue deutsche Mühle.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              I.
                        Arndt, über die neue deutsche Mühle.
                        
                     
                        
                           Die allgemein bekannte alte deutsche Mühle hat in ihrer bisherigen Form noch einige
                              Mängel, welche zunächst beleuchtet werden sollen, ehe die Beschreibung der
                              verbesserten Construction folgt.
                           Das Warmlaufen selbst kann, als eine Folge der nicht zu
                              beseitigenden Reibung zwischen den Steinen, womit jederzeit Wärmeentwickelung
                              verbunden ist, nie beseitigt werden, wohl aber die hieraus erwachsenden Störungen
                              u.s.w.
                           Die nächste Folge des Warmlaufens ist ein Aneinanderkleben der Mehlmasse in Folge des
                              entweichenden Vegetationswassers, und findet daher auch das Beuteln und Sichten des
                              Mahlgutes weniger leicht und gut statt.
                           Zwischen Zargen und Läufern findet ferner stets eine Zusammenpressung statt; sie wird
                              hervorgerufen durch die Centrifugalkraft und durch die mit der Wärmeentwickelung
                              verbundene Ausdehnung der Luft, und erschwert den ungehinderten Durchgang des
                              Mahlgutes durch die Mahlflächen. Die Arbeitsvertheilung zwischen den Mahlflächen ist
                              deßhalb auch mangelhaft, weßhalb frisch geschärfte Mühlsteine bald stumpf
                              werden.
                           Die Engländer und Amerikaner versuchten zuerst, die sich entwickelnde Wärme für den
                              Mahlproceß unschädlich zu machen, wodurch die amerikanischen Mühlen entstanden;
                              dieselben unterscheiden sich von den deutschen wesentlich nur durch Anwendung von
                              Elevatoren und Schnecken als Transportmittel, ehe man das Mahlgut beutelt, wodurch
                              Abkühlung stattfindet; dabei beansprucht die Anlage mehr Raum, Kraft und Kosten,
                              allerdings wird jedoch ein leichteres Sichten und ein besseres Dauermehl erzielt.
                              Schnecken und Elevatoren verkleistern aber auch oft, und zudem ist der Mahlgang
                              selbst bei den amerikanischen Mühlen nicht ventilirt, daher die oben erwähnten
                              Nachtheile nicht ganz beseitigt sind.
                           
                           Das Bestreben, diesen Nachtheilen abzuhelfen, führte auf eine in Deutschland bereits
                              ziemlich verbreitete Form der Mühle, wie sie in Fig. 10 in Ansicht und in
                              Fig. 11
                              im verticalen Durchschnitt dargestellt ist.
                           a ist der Rumpf; b ist ein
                              Rahmen, in welchem der Schuh eingehängt und der Rumpf a
                              aufgestellt ist; C ist die Zarge, e der Balancirbügel, h der mit zwei Zapfen im
                              Balancirbügel hängende und nicht rotirende Oberstein; f ist der rotirende Unterstein. A ist das Mühleisen, durch Balancirhaue i und
                              Centrirring m mit dem Unterstein f festgekuppelt; dasselbe balancirt also nicht, während dieß der Oberstein
                              thun kann und soll.
                           Die Kurbel v dient zum Enger- oder Weiterstellen
                              der Mühlsteine, während das Mühleisen mit seinem Antrieb ruhig stehen bleibt.
                           Zwischen Mühlstein und Zarge ist der oben offene Raum 0,10–0,50 Meter über den
                              Mahlflächen durch 8 Segmente geschlossen, zur Verhinderung des Verstaubens des
                              Mehles und des Condensirens von Wasserdunst innerhalb der Zargen. d ist das Abzugsrohr für Dunst und Wärme; es steht neben
                              der Zarge C, ist mit letzterer durch eine Oeffnung in
                              Verbindung gesetzt und befindet sich dem Ablaufloche des Mahlgutes vom Mahlgang
                              diametral gegenüber. Die Zarge vereinigt hier Festigkeit, Leichtigkeit und lange
                              Dauer in sich. Der rotirende Unterstein f erhält mit dem
                              Mühleisen A seine Führung im Fußlager (der Spur) und in
                              dem aus Birkenholz gefertigten Büchselager k, welches
                              direct am Gebälke angeschraubt ist.
                           Die Schärfung der Mühlsteine ist mit Luftleitungscanälen, Einleitungs- und
                              Eintheilungsfurchen versehen.
                           Beide Mühlsteine können bei guter Einrichtung in 15 Minuten umgewechselt werden und
                              man kann daher mit nur einem Mahlgang verschiedene
                              Mahlzwecke erreichen, was bei den gewöhnlichen Mühlen wegen der zeitraubenden und
                              umständlichen Auswechselung der Steine nicht möglich ist.
                           Die neue deutsche Mahlmühle hat folgende Hauptvorzüge vor den alten Mühlen: 1) ein
                              Verstopfen des Obersteinloches ist nicht möglich und daher auch kein Rührstock oder
                              Streichruthe nöthig; 2) die Mahlflächen beider Mühlsteine stehen beim Mahlen stets
                              genau parallel und werden durch keine Kraft darin gehemmt, was bei den gewöhnlichen
                              Mühlen durch die beste Balancirhaue nicht erreichbar ist; 3) Büchselosigkeit kommt
                              selten vor und ist derselben auch stets leicht abzuhelfen, da man leicht zukommen
                              kann; 4) bleibt der Eingriff zwischen Treibrad und Getriebe stets ganz gleich, da
                              das Getriebe nie verstellt wird; 5) werden aus demselben Grunde Büchse und Fußlager
                              geschont und das häufige Heißlaufen des Mühleisens der gewöhnlichen Mühlen hier vermieden; 6) die Kühlung
                              des Mahlgutes wird auf dem einfachsten und kürzesten Wege direct zwischen den
                              Mahlflächen und der Zarge bezweckt, wodurch sämmtliche Mühlentheile dauerhafter
                              werden, da sie der Fäulniß durch Feuchtigkeit und Wärme nicht ausgesetzt sind. Auch
                              fällt das häufige Verkleistern, Schwitzen etc. aller Apparate, als Schnecken,
                              Elevatoren, Beutelkisten und Beutelgaze weg.
                           Die Ventilation geschieht, indem die kalte Luft mittelst Leitungscanälen, vom Centrum
                              der Mühlsteine aus, durch die Mahlflächen, sowie auch durch das Ventil w (Fig. 11) im Centrum der
                              Basis des rotirenden Untersteines in den Raum u zwischen
                              Mühlstein und Zarge tritt.
                           An der unteren Basis des rotirenden Untersteines sind vier schräge eiserne Bügelchen
                              von circa 0,015 Met. Breite und 0,007 Met. Dicke
                              angebracht, welche als Ventilationsflügel zum Einsaugen der Luft durch das Ventil
                              w dienen. Da sich die Luft auf ihrem Wege durch die
                              Mahlflächen erwärmt, so steigt sie endlich nebst Wasserdünsten u.s.w. durch das
                              Abzugsrohr d auf. Bei rotirendem Oberstein wäre diese
                              Art der Ventilation nicht anwendbar.
                           Bei solcher directen Ventilation ist es überhaupt Bedingung, daß das Mahlgut in dem Augenblick wo es am wärmsten und somit auch der erzeugte Wasserdunst etc. am
                              leichtesten ist, rasch in der kalten Luft vertheilt werde und darin eine Zeit lang
                              rotire, um die Wärme abgeben zu können (s. in Fig. 11 den Raum u). Diese Abkühlung, mit Hülfe des Ventiles w hervorgebracht, kann beliebig verstärkt, geschwächt
                              oder ganz aufgehoben werden. Außer dem Beutelproceß ist bei dieser Ventilation im
                              Mahlgange durchaus kein Staubverlust.
                           Die neue deutsche Mahlmühle ist besonders vortheilhaft zum Vermahlen von Getreide,
                              Gyps, Cement, Cichorien, sowie auch zur Holzmüllerei (Zerkleinern von Farbhölzern
                              etc.).
                           Beim Umbau einer gewöhnlichen Mühle zu der neuen deutschen Mahlmühle können benutzt
                              werden: das Rumpfzeug, das Getriebe und die Mühlsteine. Neu erforderlich sind
                              hierzu: 1) die Zarge mit Verschluß Greis derselben für Mühlsteine von 1,10 Met.
                              Durchmesser loco Magdeburg circa 20 Thlr.); 2) ein Mühleisen mit Haue und Centrirring (circa 24 Thlr.); 3) ein Balancirbügel mit Lager, Zapfen
                              und Schrauben (circa 20 Thlr.).
                           Die Herren Müller und Mühlenbauer können die betreffenden Theile zum ersten Mahlgang
                              fertig von hier in verläßlicher Ausführung beziehen.
                           A. M.
                                 Arndt,                   Mühlenbaumeister
                              in Neustadt-Magdeburg.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
