| Titel: | Untersuchungen über die Unterchlorigsäuresalze und die als Bleichmittel angewendeten Chlorüre; von A. Riche. | 
| Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XIV., S. 59 | 
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                        XIV.
                        Untersuchungen über die Unterchlorigsäuresalze
                           und die als Bleichmittel angewendeten Chlorüre; von A. Riche.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXV p. 580; September
                              1867.
                        Riche, über die bleichenden Chlorverbindungen.
                        
                     
                        
                           Im Jahre 1835 hat Balard in einer ausgezeichneten Arbeit
                              nachgewiesen, daß die durch Einwirkung des Chlors auf Kali-, Natron-
                              und Kalklösungen dargestellten bleichenden Verbindungen die Eigenschaften der
                              Unterchlorigsäuresalze besitzen, weßhalb er sie als Verbindungen gleicher
                              Aequivalente von Unterchlorigsäuresalz mit Chlorid derselben Basis betrachtete.
                              Andere Chemiker sehen sie als Oxychlorüre, als Verbindungen von Wasserstoffsuperoxyd
                              mit Alkalichloriden an etc.
                           
                           Anfangs des letzten Sommers beschloß ich, vergleichende Untersuchungen über die
                              Einwirkung der Sonnenstrahlen auf die direct dargestellten Unterchlorigsäuresalze
                              und auf die als Bleichmittel angewendeten Chlorüre anzustellen und ich bemerke
                              sogleich, daß ich mit beiden dieselben Resultate erhielt, daß demnach die von Balard aufgestellte Theorie auch in diesem Falle sich als
                              richtig bewährt hat.
                           Die Lösungen der in Rede stehenden Verbindungen wurden in Kölbchen mit flachem Boden,
                              von 150 Kubikcentimeter Inhalt, den Sonnenstrahlen ausgesetzt. In jeden Kolben
                              wurden nur 130 K. C. Flüssigkeit gebracht, so daß letztere mit dem Pfropfen nicht in
                              Berührung kam; das sich entwickelnde Gas wurde mittelst eines gekrümmten Glasrohres,
                              welches bis in den oberen Theil einer mit Wasser gefüllten Glasglocke hinaufreichte,
                              in letzterer aufgefangen und jeden zweiten oder dritten Tag gemessen, nachdem das
                              vorhandene Chlor durch eine Kalilösung absorbirt worden war, so daß man nur mit dem
                              frei gewordenen Sauerstoff zu thun hatte.
                           Der folgende Versuch währte vom 26. August bis zum 23. September. Die
                              Unterchlorigsäure wurde dargestellt, indem man das Product der Einwirkung von
                              trockenem Chlorgas auf gelbes, in einem Kältegemische stehendes Quecksilberoxyd, in
                              kaltem Wasser sammelte. Von dieser Säure wurde eine constante Menge genommen und, in
                              einem Kältegemische stehend, mit wandelbaren Mengen Kali von bekanntem Titre
                              versetzt, so daß die Unterchlorigsäure in verschiedenen Graden gesättigt wurde.
                           
                              
                                 1) Säure in solcher Menge, daß das Kali zur Hälfte gesättigt
                                    wurde,    entwickelte
                                 Sauerstoffgas374,0 K. C.
                                 
                              
                                 2) Säure in solcher Menge, daß das Kali zu drei Viertel
                                    gesättigt wurde,    entwickelte
                                 334,0 K. C.
                                 
                              
                                 3) Säure in solcher Menge, daß das Kali gänzlich gesättigt
                                    wurde,    entwickelte
                                 294,5 K. C.
                                 
                              
                                 4) Säure in solcher Menge, daß das Kali zu einem Viertel
                                    übersättigt    wurde, entwickelte
                                 280,0 K. C.
                                 
                              
                           Da sich gegen diese Versuche einwenden ließ, daß die der Einwirkung der
                              Sonnenstrahlen ausgesetzten Lösungen keineswegs gleiche Dichtigkeit hatten, so
                              stellte ich eine zweite Reihe von Versuchen an, bei welchen die Menge des Kalis
                              constant, die der Unterchlorigsäure aber wandelbar war. Uebrigens wurde, wie bei der
                              vorhergehenden Versuchsreihe, mit Wasser so verdünnt, daß zu allen Versuchen ein
                              gleiches Flüssigkeitsvolum verwendet wurde. So stellte ich in dem hier vorliegenden
                              Falle 240 K. C. dar mit 120 K. C. Unterchlorigsäure- und 50 K. C. Kalilösung (d. i. mit den zur
                              Bereitung von neutralem Salze erforderlichen Mengen), nebst destillirtem Wasser. Zur
                              Darstellung des sauren Salzes nahm ich 50 K. C. Kalilösung und 180 K. C.
                              Unterchlorigsäure, und für das basische Salz 50 K. C. Kalilösung und nur 60 K. C.
                              Säure.
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Sauerstoff
                                 
                              
                                 130 K. C.
                                 der basischen
                                 Verbindung
                                 entwickelten
                                 251,5 K. C.
                                 
                              
                                 130    „
                                   „  neutralen
                                 „
                                 „
                                 304,0    „
                                 
                              
                                 130    „
                                   „  sauren
                                 „
                                 „
                                 355,0    „
                                 
                              
                           Demnach ist in dem ersten Falle, wo die Menge der Unterchlorigsäure ein Drittel von
                              der im letzten Falle angewendeten beträgt, das Volum des entwickelten Sauerstoffes
                              viel größer als das Drittel von 355, und das Gleiche ist bezüglich der zweiten
                              Verbindung gegenüber der dritten der Fall.
                           Daraus schließe ich, daß bei den Unterchlorigsäuresalzen eine um so größere
                              Sauerstoffmenge entbunden wird, je basischer die Verbindung ist.
                           Die als Bleichmittel angewendeten Chlorüre verhalten sich
                              ebenso.
                           Zur Darstellung dieser Salze wurde dieselbe Kalilösung wie bei den vorhergehenden
                              Versuchen angewendet und mit der zur Erzeugung eines neutralen Bleichsalzes
                              hinreichenden Quantität Chlor, in Form eines Gasstromes, behandelt. Gleiche Mengen
                              dieser Kalilösung wurden mit solchen Gewichtsmengen von Chlor behandelt, daß dadurch
                              Chlorüre von verschiedenem, aber bekanntem Sättigungsgrade entstanden, und diese
                              wurden dann auf gleiche Volumina verdünnt. Die Resultate waren die im Nachstehenden
                              angegebenen:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Sauerstoff
                                 
                              
                                 Die zur Hälfte mit Chlor
                                 gesättigte
                                 Verbindung
                                 entwickelte
                                 135,0 K. C.
                                 
                              
                                   „   zu drei Vierteln
                                    mit
                                 Chlor  „
                                 „
                                 „
                                 141,0 K. C.
                                 
                              
                                   „  
                                    neutrale              „
                                   
                                    „      „
                                 „
                                 „
                                 139,0 K. C.
                                 
                              
                                   „  
                                    übersättigte        „
                                   
                                    „      „
                                 „
                                 „
                                 104,0 K. C.
                                 
                              
                           Die erste dieser Flüssigkeiten enthielt die aus nur 4,105 Grm. Mangansuperoxyd
                              entwickelte Chlormenge; das in der vierten vorhandene Chlor dagegen entsprach einer
                              Braunsteinmenge von 12,15 Grm.
                           Demnach verhalten sich die bleichenden Chlorüre wie die Unterchlorigsäuresalze: je
                              basischer sie sind, eine desto größere Sauerstoffmenge entwickeln sie.
                           Um das Chlor in diesen Flüssigkeiten bestimmen zu können, ohne die Bestimmung des
                              Sauerstoffs zu behindern, stellte ich neben den zu letzterem Zwecke dienenden
                              Apparaten die entsprechende Anzahl von Flaschen auf, welche dieselben Flüssigkeiten
                              enthielten, und prüfte deren Inhalt auf seinen Chlorgehalt in dem Zeitpunkt, wo der
                              Sauerstoff bestimmt wurde.
                           
                           Am ersten Tage, zur Zeit der Darstellung der Unterchlorigsäure salze, bot die
                              chlorometrische Probe etwas Besonderes nicht dar, d.h. die Arsenigsäure war vor dem
                              Eintritte der Entfärbung des Indigo's vollständig oxydirt.
                           An den folgenden Tagen hingegen brachte ein Tropfen der chlorhaltigen Flüssigkeit, ja
                              selbst ein Viertelstropfen derselben, die Entfärbung des Indigo's hervor.
                           Demnach untersuchte ich die Arsenigsäure in der Flüssigkeit und fand, daß dieselbe
                              nicht im Geringsten oxydirt worden war, wie dieß bei Anwendung einer Lösung von
                              Chlorigsäure der Fall seyn würde.
                           Ueberdieß färbt sich die Flüssigkeit, wenn sie mit einer Säure versetzt wird, stark
                              gelb und verbreitet einen Geruch nach Chlorigsäure, welcher von dem der anderen
                              Sauerstoffverbindungen des Chlors ganz verschieden ist.
                           Die unmittelbar dargestellten Unterchlorigsäuresalze zersetzen sich folglich in
                              derselben Weise wie die bleichenden Chlorüre, und zwar nicht zu Chlor und
                              Sauerstoff, von dem ein Theil frei wird und der andere Chlorsäure bildet, sondern zu
                              einem die Eigenschaften der Chlorigsäure zeigenden Körper.
                           Der käufliche Chlorkalk ergab mir ganz dieselben
                              Resultate.
                           Am 27. August stellte ich 130 K. C. einer Lösung von aus dem Handel bezogenen
                              Chlorkalke, von welcher 1,7 K. C. zur Oxydation von 10 K. C.
                              Normal-Arsenigsäure erforderlich waren, in die Sonne. Am Abend des folgenden
                              Tages hatten sich 30 K. C. Sauerstoff entwickelt, und schon ein halber Tropfen der
                              Flüssigkeit entfärbte die 10 K. C. der gefärbten Arsenigsäure. Am 5. September
                              hatten sich 77,5 K. C. Sauerstoff angesammelt und anstatt eines halben Tropfens
                              waren für den gedachten Zweck zwei bis drei Tropfen der Lösung nöthig. Am 16.
                              September hatten sich 94,5 K. C. Sauerstoff entwickelt; eine weitere Entwicklung von
                              diesem Gase war nicht zu bemerken und die Entfärbungsfähigkeit war fast gleich Null
                              geworden.
                           Wie ich aus dem (vorstehenden) Aufsatze von Kolb ersehe,
                              hat dieser Chemiker durch seine wichtigen Untersuchungen nachgewiesen, daß
                              Chlorkalk, der Einwirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt, chlorigsauren Kalk gibt.
                              Dieß veranlaßte mich, die vorstehenden Beobachtungen schon jetzt mitzutheilen; meine
                              Untersuchungen über die im Handel vorkommende Javellische Lauge, über die
                              Darstellung der Chlorigsäure und über die Erzeugung des Ozons und seiner
                              Verbindungen sind noch nicht abgeschlossen.