| Titel: | Untersuchungen über die Fabrication des Chlorkalks; von A. Scheurer-Kestner. | 
| Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XXXIII., S. 162 | 
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                        XXXIII.
                        Untersuchungen über die Fabrication des
                           Chlorkalks; von A.
                              Scheurer-Kestner.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXV p. 894; December
                              1867.
                        Scheurer, über Chlorkalk-Fabrication
                        
                     
                        
                           Die der (französischen) Akademie in der letzten Zeit gemachten Mittheilungen von Kolb, Riche und Bobierre
                              veranlassen mich zur Veröffentlichung der von mir im Laufe des Jahres 1865 über die
                              Chlorkalkfabrication ausgeführten Versuche.
                           Der Zweck derselben war eine genauere Bestimmung der während der Einwirkung des
                              Chlors auf das Kalkhydrat in der Masse eintretenden Temperaturerhöhung, sowie des
                              Einflusses dieser Temperaturerhöhung auf den chlorimetrischen Gehalt des erzielten
                              Productes.
                           Zu diesem Behufe ließ ich mir einen quadratischen Kasten von 50 Centimet. Seite und
                              10 Centimet. Höhe construiren, welcher oben und an einer seiner Seiten offen und an
                              einer der geschlossenen Seitenwände mit 8 Oeffnungen zur Aufnahme von Thermometern
                              versehen war. Die angewandten acht Thermometer waren Maximum-Thermometer nach
                              dem Walferdin'schen System.
                           Der Kasten wurde sorgfältig mit Kalkhydrat gefüllt, dessen Wassergehalt vorher
                              bestimmt worden war. Dann wurden die Thermometer so in die erwähnten Oeffnungen
                              eingesetzt, daß die Kugel eines jeden derselben in einer anderen Schicht des
                              Kalkhydrats sich befand, daß sie demnach die im Verlaufe der Operation in jeder
                              Schicht erreichte Maximaltemperatur angaben.
                           Der in dieser Weise vorgerichtete Kasten wurde in eine Chlorkalkkammer eingesetzt, so
                              daß er rings von Kalkhydrat umgeben war. Die Hydratschicht, welche er enthielt,
                              befand sich daher in den Umständen, welche bei dem gewöhnlichen Verfahren der
                              Chlorkalkfabrication obwalten.
                           Nach Beendigung der Operation ward der Kasten aus der Chlorkammer entfernt; sein
                              Inhalt wurde sehr genau in acht horizontale, der Stellung der Thermometerkugeln
                              entsprechende Schichten getheilt; letztere wurden einzeln auf ihren chlorimetrischen
                              Gehalt geprüft und die von den Thermometern angegebene Maximaltemperatur einer jeden
                              Schicht notirt.
                           Die erhaltenen Resultate sind in der nachstehenden Tabelle zusammengestellt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 187, S. 162
                              Nummer des Versuches; Datum des
                                 Versuches; Dicke der ganzen Schicht; Maximaltemperatur; Chlorimetergrade
                              
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 187, S. 163
                              Nummer des Versuches; Datum des
                                 Versuches; Dicke der ganzen Schicht; Maximaltemperatur; Chlorimetergrade
                              
                           Bemerkung. Bei den beiden ersten Versuchen enthielt das
                              Kalkhydrat überschüssiges Wasser; zu den drei letzten Versuchen war Kalkmenohydrat
                              verwendet worden.
                           Die höchste Temperatur, welche die Masse – und zwar bei dem Versuche Nr. 3
                              – erreichte, betrug 55,2°. Ungeachtet dieser beträchtlichen
                              Temperaturerhöhung war das erhaltene Product doch von sehr guter Qualität, denn der
                              chlorimetrische Gehalt der Schicht, welche diesem hohen Temperaturgrade ausgesetzt
                              gewesen war, betrug 116°. Es ist mir nicht klar, weßhalb bei manchen
                              Versuchen die höchste Temperatur sich in den oberen Schichten erzeugt, während bei
                              anderen Versuchen die umgekehrte Erscheinung stattfindet und die unteren Schichten
                              sich am stärksten erhitzen.
                           Bei allen Versuchen wurde das Chlorgas bei seinem Eintritte in den Apparat so
                              abgekühlt, daß seine Temperatur nur um wenige Grade höher war, als die der
                              umgebenden Atmosphäre.
                           Die beobachtete Temperaturerhöhung ist Folge der Verbindung des Chlors mit dem
                              Kalkhydrat; sie steht zu der Zuströmungsgeschwindigkeit des Gases in geradem
                              Verhältnisse. Leitet man Chlor in eine Flasche, deren Boden mit einer Schicht
                              Kalkhydrat bedeckt ist, so daß das Gas in großem Ueberschusse zuströmt, so erhitzt
                              sich das Hydrat rasch auf 80°, ja selbst auf 90° C.; aber das auf
                              diese Weise erhaltene Product ist bereits in einem Zustande beginnender Zersetzung
                              begriffen, da es die mit Indigo gebläute Arsenigsäurelösung grün färbt und sie
                              entfärbt, bevor die Arsenigsäure vollständig oxydirt worden ist.
                           Diese Versuche beweisen demnach, daß die Temperatur, wenn auch eine zu starke
                              Wärmeentwickelung vermieden werden muß und deßhalb das Gas nur mit mäßiger
                              Geschwindigkeit zuströmen darf, doch ohne Nachtheil bis auf etwa 55° C.
                              steigen kann. Es ergibt sich aus der vorstehenden Tabelle sogar, daß der höchste
                              Chlorgehalt nur in den am heißesten gewordenen Schichten erreicht worden ist, so daß
                              allem Anscheine nach die Absorption des Chlors durch eine gewisse Temperaturerhöhung
                              befördert wird.
                           Andererseits wird der chlorimetrische Gehalt des Productes durch überschüssig
                              zuströmendes Chlor herabgedrückt, sobald er sein Maximum erreicht hat, selbst wenn
                              eine zu hohe Steigerung der Temperatur nicht stattfindet. Dieß ergibt sich aus den
                              Versuchsresultaten unzweideutig. Die oberen Schichten des Productes, welche mit dem
                              Gase in unmittelbarer Berührung waren und somit die chlorreichsten gewesen seyn
                              müßten, zeigten constant einen geringeren Chlorgehalt als die unmittelbar unter
                              ihnen befindlichen Schichten. Der Chlorkalk der oberen Schichten entfärbt den Indigo
                              wie ein theilweise zersetztes Präparat, und zur genauen Bestimmung seines Gehaltes
                              muß man so lange von Neuem Indigolösung hinzufügen, bis die Entfärbung bleibend
                              wird. Gewöhnlich wird die Indigolösung, wenn der Chlorkalk jene Eigenschaft zeigt,
                              erst grün, bevor sie sich entfärbt, was nicht stattfindet, wenn man mit Chlorkalk
                              von guter Qualität zu thun hat. In jenem Falle beobachtet man auch bloße Entfärbung,
                              während die vom Probiren eines Chlorkalks von gewöhnlicher Qualität herrührende
                              Flüssigkeit gelb wird, sobald die Oxydation der Arsenigsäure beendigt ist.
                           Die vorstehenden Versuche wurden, wie schon bemerkt, mit Kalkhydrat abgeführt, dessen
                              Wassergehalt vorher bestimmt worden war; das zu den ersten beiden Versuchen –
                              deren Product an der Oberfläche ein wenig feucht war – benutzte Hydrat
                              enthielt einen geringen Wasserüberschuß, wohingegen ich zu den drei übrigen
                              Versuchen Kalkmonohydrat verwendete. Dadurch wird die Beobachtung Bobierre's bestätigt, daß während der Absorption des
                              Chlors eine beträchtliche Menge des Hydratwassers verdrängt
                                 wird; indessen findet eine solche Verdrängung nur dann statt, wenn das
                              Hydrat zu stark gewässert ist.
                           Bei weiteren Untersuchungen über den chlorimetrischen Gehalt der verschiedenen
                              Schichten des unter den angegebenen Verhältnissen dargestellten Chlorkalks zeigte
                              die obere Schicht stets einen geringeren Gehalt als die
                              unmittelbar unter ihr liegenden Schichten.
                           Bei sieben verschiedenen, zu diesem Zwecke angestellten Versuchen erhielt ich
                              folgende Resultate:
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 187, S. 165
                              Chlorimetrischer Gehalt der 1., 2.
                                 Schicht; Nummer und Datum des Versuches
                              
                           Offenbar kann dieser geringere Gehalt der oberen Schichte theilweise von dem bei der
                              Darstellung des Hydrats der unteren Schichten angewendeten Wasserüberschusse
                              herrühren; indessen ist die Gehaltsverminderung oft zu bedeutend, um dieser Ursache
                              allein zugeschrieben werden zu können.