| Titel: | Ueber die Absorption der Kohlensäure durch einige Metalloxyde; von J. Kolb, Director der chemischen Fabrik von Kuhlmann und Comp. in Amiens. | 
| Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XCVII., S. 405 | 
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                        XCVII.
                        Ueber die Absorption der Kohlensäure durch einige
                           Metalloxyde; von J. Kolb,
                           Director der chemischen Fabrik von Kuhlmann und Comp. in Amiens.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 Mulhouse, t. XXXVII p. 414; September 1867.
                        Kolb, über die Absorption der Kohlensäure.
                        
                     
                        
                           Man nimmt allgemein an, daß Kali, Natron, Baryt, Kalk und Magnesia unter allen
                              Umständen Kohlensäure aus der atmosphärischen Luft absorbiren.
                           Bei meinen Untersuchungen über die Einwirkung der Luft auf die fabrikmäßig
                              dargestellte Rohsoda wurde ich durch die Beobachtung, daß dieß bezüglich des Kalkes
                              nicht immer der Fall ist, sehr überrascht und ich machte dann in Betreff des
                              Aetznatrons eine analoge Beobachtung.
                           Wasserfreier reiner Kalk wurde in fein gepulvertem Zustande in dünner Schicht auf
                              einer Fläche ausgebreitet und der Einwirkung eines täglich mehrere Male erneuerten
                              Stromes von vollkommen trockener Kohlensäure ausgesetzt. Nachdem ich diese
                              Behandlung einen Monat hindurch fortgesetzt hatte, zeigte der Kalk keine
                              Gewichtsveränderung und hatte keine Spur von Gas absorbirt.
                           Nachdem sich mir dieses erste Ergebniß durch mehrere Versuche derselben Art immer
                              wieder bestätigt hatte, wiederholte ich dieselben Versuche mit wasserfreiem Kali,
                              Natron, Baryt und wasserfreier Magnesia; diese wasserfreien Basen gaben dieselben,
                              durchaus negativen Resultate.
                           Aus diesem Verhalten schloß ich, daß die Bindung der Kohlensäure durch die gedachten
                              Oxyde nur im Hydratzustande derselben stattfinde und daß diese Hydrate durch einen
                              Substitutionsproceß zu Kohlensäuresalzen umgeändert werden. Ich wiederholte daher
                              dieselbe Versuchsreihe mit Anwendung von fein pulverisirtem und dann bei einer
                              Temperatur von 120° C. sorgfältig ausgetrocknetem, also nur noch chemisch
                              gebundenes Wasser enthaltendem Kalkmonohydrat anstatt des wasserfreien Kalkes.
                           Fünf Gramme dieses Pulvers wurden in dünner Schicht auf einer Glasplatte ausgebreitet
                              und gleichfalls einen Monat lang mit trockener Kohlensäure in Berührung gelassen. Nach Verlauf dieser
                              Zeit zeigte sich dasselbe unverändert; auch war sein Gewicht nicht im Mindesten
                              vermehrt oder verringert.
                           Magnesia- und Barytmonohydrat verhielten sich genau in derselben Weise.
                           Auch Kali- und Natronhydrat, welche geschmolzen, dann in dünner Schicht auf
                              eine große Fläche ausgegossen und der Einwirkung der feuchten Luft rasch entzogen
                              wurden, machten in Bezug auf jene vollständige Indifferenz keine Ausnahme.
                           Dagegen absorbirten dieselben Proben sogleich die Kohlensäure, als ich letztere durch
                              mehrere Waschflaschen hindurch leitete, so daß sie sich mit Feuchtigkeit vollkommen
                              sättigte.
                           Auch bei Baryt, Kalk und Magnesia fand diese Absorption statt, aber nur sehr langsam;
                              weit rascher erfolgte sie, als ich die genannten Hydrate mit Wasser zu einem Teige
                              anrührte und dann das feuchte Gas auf sie einwirken ließ.
                           Proben dieser teigartigen Hydrate von je 3 bis 4 Grammen Gewicht, die zu Schichten
                              von 1 bis 2 Millimet. Dicke ausgebreitet, in eine wiederholt erneuerte
                              Kohlensäure-Atmosphäre gebracht wurden, hatten sich nach Verlauf von sechs
                              bis sieben Wochen vollständig in neutrale Carbonate verwandelt.
                           Diesen Thatsachen gegenüber kann man nicht umhin, dem Wasser entweder eine rein
                              mechanische Wirkung, oder die Rolle eines Lösungsmittels zuzuschreiben. Die im
                              Nachstehenden erörterten Resultate veranlassen mich zu der Annahme, daß das Wasser
                              als Lösungsmittel wirkt. Unter gleichen Umständen erfolgt nämlich die Sättigung mit
                              Kohlensäure um so langsamer, je weniger löslich in Wasser das betreffende Oxyd ist;
                              so wandelt sich z.B. Aetzbaryt weit rascher zu Kohlensäuresalz um als Kalk, und
                              letzterer carbonatisirt sich viel schneller als Magnesia.
                           Unterwirft man diese drei Basen in klarer wässeriger Lösung der Einwirkung von
                              Kohlensäure, so findet die vollständige Umwandlung zu Carbonat bei allen dreien
                              gleich schnell statt.
                           Jede derselben, wenn man sie in teigartigem Zustande oder zu Milch angerührt mit
                              Kohlensäuregas behandelt, fixirt nach Verlauf desselben Zeitraumes eine Quantität
                              Kohlensäure, welche der Menge des den Hydraten zugesetzten Wassers ziemlich genau
                              proportional ist.
                           Dagegen hört die Absorption sofort auf und bleibt eine unbestimmte Zeit lang
                              stationär, sobald die Substanz oder das Oxyd ausgetrocknet wird.
                           Demnach scheint die Bindung der Kohlensäure durch die Oxyde der Alkalimetalle und der
                              Alkalierdmetalle in Folge der Einwirkung des Gases auf die in gelöstem Zustande
                              befindliche Basis stattzufinden. Kalk, Baryt und Magnesia werden dabei zu unlöslichen Carbonaten; das
                              Wasser, welches während dieses Processes von ihnen abgegeben wird, löst einen neuen
                              Antheil von unverändertem Oxyde auf, welcher seinerseits wiederum zu Kohlensäuresalz
                              wird, und in dieser Weise geht es fort bis die vollständige Umwandlung eingetreten
                              ist.
                           Beim Kali und beim Natron ist die Erscheinung complicirter; bei Gegenwart von nur
                              wenig Lösungswasser bindet das gebildete Carbonat, indem es krystallinischen Zustand
                              annimmt, einen Theil des Wassers und die Kohlensäureabsorption kommt wegen
                              mangelnden Lösungswassers bald zum Stillstande.
                           Nach der Angabe mehrerer Chemiker entsteht bei der Einwirkung von feuchter Luft auf
                              Kalk ein Hydrocarbonat, CaO, CO² + CaO, HO. Ich
                              habe jedoch bei zahlreichen Versuchen ein derartiges Resultat niemals erhalten;
                              vielmehr habe ich stets gefunden, daß bei gehörig langer Dauer des Processes ein neutrales Carbonat entsteht.
                           Meine Untersuchungen ergeben Folgendes:
                           1) trockene Kohlensäure wirkt auf Kali, Natron, Baryt, Kalk und
                              Magnesia, wenn diese Basen im wasserfreien oder im Zustande von Monohydrat sind,
                              nicht ein;
                           2) bei Gegenwart von Wasser und bei gehörig langem Contacte
                              zwischen Kohlensäuregas und Basen werden letztere in Carbonate umgewandelt;
                           3) die Fixirung der Kohlensäure durch das Oxyd findet nur
                              statt, wenn letzteres in Wasser gelöst ist und hört nach Beseitigung des
                              Lösungsmittels auf.
                           Diese Thatsachen sind für diejenigen Industriezweige von Bedeutung, bei denen Kalk,
                              Natron etc. ohne Veränderungen erleiden zu dürfen, längere Zeit aufbewahrt werden
                              müssen und nicht immer vor Zutritt der Luft geschützt werden können.
                           Diejenigen Fabrikanten aber, welche Absorptionen von Kohlensäure zu bewerkstelligen
                              haben (z.B. beim Reinigen des Leuchtgases), finden in den vorstehenden Mittheilungen
                              den Beweis der Wirkungslosigkeit eines zu trockenen
                                 Kalkes.