| Titel: | Die neuesten Fortschritte in der Anwendung des Richardson'schen puddelprocesses; von V. Day. | 
| Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. XVI., S. 41 | 
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                        XVI.
                        Die neuesten Fortschritte in der Anwendung des
                           									Richardson'schen
                           								puddelprocesses; von V.
                              								Day.
                        Aus dem Practical Mechanic's Journal, Februar 1868, S.
                              									330.
                        Mit Abbildungen.
                        Day, über den Richardson'schen Puddelproceß.
                        
                     
                        
                           Bei der Einführung des Richardson'schen Puddelprocesses
                              									waren mehrere Schwierigkeiten zu überwinden, zu deren Beseitigung früher beim
                              									Puddeln gemachte Erfahrungen nicht zur Verfügung standen. Einige Praktiker
                              									behaupteten von vornherein, daß die Ofensohle sehr bald bis zur Dünne einer
                              									Nußschale zerfressen werden müsse; diese Befürchtung haben wir aber sogleich auf das
                              									Entschiedenste zurückgewiesen.Man s. die Mittheilungen über den Richardson'schen
                                    											Proceß im polytechn. Journal Bd. CLXX XVII S.
                                    											230 und 233 (erstes Februarheft 1868).
                           Die wesentlichste Schwierigkeit boten die zur Ausführung dieser Modification des
                              									Puddelprocesses erforderlichen Brechstangen oder Krücken dar. In ihrer
                              									ursprünglichen Form (Fig. 1) bestand eine solche
                              									Krücke aus einem nach oben zu etwas verjüngten und mit drei Canälen versehenen
                              									schmiedeeisernen Stücke, welches an einem 1¼ zölligen Windrohr befestigt
                              									wurde, wobei jene Canäle in convergirender Richtung in das Windrohr mündeten. Die
                              									Anfertigung dieser Gezähe war kostspielig, indem jene Stücke, die sogen. Schläuche
                              									(welche die Haken der gewöhnlichen Brechstangen ersetzen) erst fertig geschmiedet,
                              									dann zur Aufnahme des röhrenförmigen Griffes am oberen Theile ausgebohrt werden
                              									mußten, worauf die nach unten und außen zu divergirenden Canäle (a,a,a, Fig. 2, 3
                              									und 4), durch welche der Gebläsewind in das flüssige
                              									Metall eindringt,
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 188, S. 41
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 188, S. 41
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 188, S. 41
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 188, S. 41
                              
                           
                           gleichfalls ausgebohrt wurden. Solche Krücken wurden, da ihre
                              									Schläuche sehr dick waren und eine große Oberfläche darboten, beim Gebrauch sehr
                              									bald so angegriffen, daß man sie durch neue Gezähe ersetzen mußte.
                           In Folge dieses Uebelstandes erhielten diese Gezähestücke die in Fig. 5, 6 und 7 dargestellte einfachere Form. Dabei bestand der
                              									Schlauch aus zwei Stücken von starkem Eisenblech, welche dadurch mit einander
                              									verbunden wurden, daß man einen Eisenstreifen zwischen die zwei entgegengesetzten
                              									Längskanten einschweißte, wodurch ein Kopf mit länglichem Canal entstand, durch
                              									welchen der gepreßte Wind in das Metall entwich. Das Eisengewicht war bei diesen
                              									Köpfen beträchtlich geringer als bei den zuerst angewendeten; auch wurde der
                              									oxydirenden Einwirkung der austretenden Gebläseluft von dem viel dünneren Blech eine
                              									geringere Fläche dargeboten, so daß diese Gezähe sich viel länger hielten, obgleich
                              									keineswegs so lange als es zu wünschen war.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 188, S. 42
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 188, S. 42
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 188, S. 42
                              
                           Ein Zufall führte zu einer weiteren Verbesserung. Eines Tages nämlich wurde mit einer
                              									schon sehr zerfressenen Krücke gearbeitet, und als der Kopf derselben entweder
                              									abbrach oder wegschmolz, fuhr der Puddler in Ermangelung eines neuen Gezähes fort,
                              									den zugeführten Wind durch das bloße Rohr, welches den Handgriff der hohlen Krücke
                              									gebildet hatte, auf die zu puddelnde Charge einwirken zu lassen. Dieß führte dazu,
                              									das Rohr in der Weise umzubiegen, wie es Fig. 8
                              									zeigt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 188, S. 42
                              
                           
                           Das bloß mit einer Biegung versehene Rohr hielt sich zwar länger im Ofen, als die
                              									früheren Brechstangen, aber die Arbeiter fanden bald, daß sie mit demselben nicht im
                              									Stande waren das Eisen auf dem Puddelherde gehörig durchzuarbeiten.
                           Man sann nun darauf, mit dem Rohre, dessen Dauerhaftigkeit sich erwiesen hatte, eine
                              									Vorrichtung zu verbinden, welche sowohl ein tüchtiges Durchrühren des auf dem Herde
                              									befindlichen Eisens, als auch eine gute Vertheilung des austretenden Gebläsewindes
                              									in dem Metalle ermöglichte. Da man die Beobachtung gemacht hatte, daß die
                              									Vertheilung des Windes eine vollkommenere ist, wenn das Gezähe so gehalten wird, daß
                              									der Luftstrom in horizontaler Richtung in das Metallbad eintritt, anstatt, wie es
                              									bei den beiden vorher angewendeten Krücken der Fall war, in verticaler Richtung
                              									abwärts in dasselbe einzudringen, so kam man auf die in Fig. 9 und 10 dargestellte Einrichtung des
                              									Gezähes, welche seitdem fortwährend angewendet wird und sich bestens bewährt hat.
                              									Diese Brechstange besteht bloß aus einem umgebogenen Rohre mit einer angeschweißten
                              									Verstärkung zum Durcharbeiten des Eisens. Dieses sehr dauerhafte Gezähe kostet nicht
                              									mehr als die bei dem bisherigen Puddelverfahren angewendeten massiven
                              									Brechstangen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 188, S. 43
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 188, S. 43
                              
                           Bei den ersten, im August des vorigen Jahres auf den Glasgow-Eisenwerken
                              									unternommenen Puddelproben betrug die Pressung der Gebläseluft 4 Pfd. per Quadratzoll; einen stärker gepreßten Wind zu
                              									liefern, war das vorhandene Gebläse nicht im Stande. Anders war es jedoch mit dem
                              									von Kirk construirten Gebläse,Die Beschreibung des Kirk'schen Gebläses folgt im
                                    											nächsten Heft. A. d. Red. welches zu Parkhead zu dem Zwecke
                              									aufgestellt ward, um den für die Ausführung des Richardson'schen Processes erforderlichen Wind zu liefern. Anfänglich
                              									wurde dieses Gebläse mit 130 Umdrehungen per Minute
                              									betrieben, wodurch eine Windpressung von 15 Pfd. auf den Quadratzoll erreicht ward;
                              									diese Pressung wurde jedoch, bevor der Wind aus der Oeffung der hohlen Krücke
                              									herausströmte und in das Metallbad eindrang, in  Folge seines Weges durch die Krümmungen der
                              									Hauptwindleitung, sowie in Folge der in den Röhren stattfindenden Reibung, auf etwa
                              									12 Pfd. per Quadratzoll vermindert. Die erwähnte hohe
                              									Pressung wurde eine Zeit lang beibehalten; dann gieng man von 15 Pfd., mit denen das
                              									Sicherheitsventil belastet ward, nach und nach auf 12, 10, 9, 8, 7, 6, 5 und 4 Pfd.,
                              									und zuletzt auf 3 Pfd. per Quadratzoll im Regulator
                              									hinab. Bei dieser in der letzten Zeit angewendeten niedrigen Windpressung ist
                              									natürlich die Ofentemperatur niedriger, so daß die Ofengewölbe augenscheinlich nicht
                              									mehr leiden, als bei dem gewöhnlichen Puddelverfahren.
                           Den besten Beweis für den großen Werth, welcher dem Richardson'schen Processe zugeschrieben wird, liefert die Thatsache, daß
                              									bei dem Erfinder aus dem Auslande zahlreiche Aufforderungen eingehen, sein Verfahren
                              									dort einzuführen.
                           Schließlich wollen wir auf die Wirkung aufmerksam machen, welche der Richardson'sche Proceß auf den Preis und die Quantität
                              									des in Britannien eingeführten Materiales zur Erzeugung von Cementstahl (im Handel gewöhnlich als „Blasenstahl“
                              									bezeichnet) ausüben wird. Das im brittischen Inselreiche zu diesem Zwecke
                              									hauptsächlich angewendete Material ist schwedisches
                              									Stabeisen, da man noch nicht im Stande gewesen ist, heimisch producirtes Eisen von
                              									der zur Cementstahlfabrication erforderlichen Reinheit zu erzeugen. Das Richardson'sche Verfahren verspricht nun für den
                              									Cementationsproceß viel, insofern man mittelst desselben aus dem ordinärsten
                              									brittischen Roheisen ein für die Cementstahlfabrication geeignetes Stabeisen zu
                              									produciren im Stande ist, welches reiner ist als irgend eine schwedische und jede
                              									andere bisher zu dem in Rede stehenden Zwecke aus dem Auslande eingeführte
                              									Stabeisensorte. Der Richardson'sche Proceß verspricht
                              									demnach für die Cementstahlfabrication — so lange dieser Zweig der
                              									hüttenmännischen Industrie überhaupt noch lebensfähig bleiben wird — nicht
                              									allein eine bedeutende Verminderung der Einkaufspreise des Stabeisens, sondern auch
                              									die Möglichkeit, aus unreinem Roheisen ein reines, für die Production von
                              									Blasenstahl trefflich geeignetes Material zu liefern.